
Herzohrverschluss als Alternative zur oralen Antikoagulation bei Vorhofflimmern
Autorinnen:
Dr. Gloria M. Gager1, 2
Assoc. Prof. Priv.-Doz. Jolanta Siller-Matula, PhD2
1 Medizinische Universität Wien, Universitätsklinik für Klinische Pharmakologie
2 Medizinische Universität Wien, Universitätsklinik für Innere Medizin II, Klinische Abteilung für Kardiologie
E-Mail: gloria.gager@meduniwien.ac.at
Der Herzohrverschluss als Alternative zur oralen Antikoagulation gewinnt bei Patienten mit Vorhofflimmern zunehmend an Evidenz. Im Folgenden soll ein Überblick über diese relevante Struktur und die aktuelle Datenlage gegeben werden.
Keypoints
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Der Herzohrverschluss ist eine geeignete Alternative zur Therapie mit oraler Antikoagulation bei Patienten mit Vorhofflimmern und hohem Blutungsrisiko.
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Die Häufigkeit von ischämischen Ereignissen ist zwischen dem interventionellen Herzohrverschluss und oraler Antikoagulation alleine vergleichbar, wobei die Häufigkeit von Blutungsevents bei Herzohrverschluss niedriger ist.
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Eine lebenslange Therapie mit Aspirin ist nach Herzohrverschluss indiziert.
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Eine seltene, jedoch risikobehaftete Komplikation des Herzohrverschlusses ist die Device-assoziierte Thrombose.
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Ein chirurgischer Herzohrverschluss im Rahmen von herzchirurgischen Operationen gefolgt von oraler Antikoagulation senkt die Rate an Schlaganfällen.
Das linke Herzohr stellt ein etwa fingergroßes Relikt des embryonalen linken Atriums dar. Im Gegensatz zum tatsächlichen Vorhof, welcher aus den ursprünglichen Pulmonalvenen entsteht, handelt es sich beim linken Herzohr um keine glattwandige, sondern um eine stark trabekularisierte Struktur. Von großer Bedeutung ist das linke Herzohr insbesondere bei Patienten mit Vorhofflimmern (VHF), da ebendort ca. 90% der Thromben, welche im Zusammenhang mit VHF auftreten, gebildet werden. Pathophysiologisch ursächlich hierfür sind mehrere Aspekte, wie zum einen die erhöhte Stase und Hyperkoagulopathie, sowie eine verminderte Kontraktilität des linken Herzohrs. Zum anderen begünstigt das trabekularisierte Endokard im linken Herzohr zusätzlich die Thrombusformation.1,2 Einen Lösungsansatz für dieses Problem bietet der Herzohrverschluss.
Grundsätzlich kann zwischen verschiedenen Methoden für den Herzohrverschluss unterschieden werden, endokardiale und epikardiale Techniken sowie der Verschluss mit speziellen Systemen.4 Für den perkutanen Herzohrverschluss haben sich in Europa zwei Systeme etabliert. Der Watchman FLX der Firma Boston Scientific ist hierbei ein wichtiges Device, steht in fünf verschiedenen Größen zur Verfügung und bedient sich einer endokardialen Platzierung. Das Amplatzer Amulet (Abbott Vascular) stellt hierfür eine wichtige Alternative dar und wird ebenfalls endokardial positioniert. Beide Systeme zeichnen sich durch eine gute perioperative Sicherheit und Effektivität aus.5,6
Stellenwert des Herzohrverschlusses bei verschiedenen Patientengruppen
Der Herzohrverschluss hat sich mittlerweile, insbesondere während kardialer Operationen, als ein Standardverfahren bei Patienten mit hohem Risiko für VHF oder prävalentem VHF etabliert.3 Die kürzlich im „New England Journal of Medicine“ publizierte, randomisierte kontrollierte LAAOS-III-Studie konnte zeigen, dass bei Patienten mit VHF und einem CHA2DS2-VASc-Score von ≥2, welche im Rahmen einer kardialen Operation zusätzlich einen Herzohrverschluss erhielten und weiterhin antikoaguliert wurden, signifikant weniger ischämische Insulte oder systemische Thromboembolien während einer mittleren Beobachtungsdauer von 3,8 Jahren auftraten im Vergleich zur Kontrollgruppe ohne Herzohrverschluss, aber mit Antikoagulation (4,8% vs. 7,0%; HR:0,67; 95% CI: 0,53–0,85; p=0,001).7
Der perkutane Herzohrverschluss stellt eine wichtige Alternative zu den oralen Antikoagulanzien (OAKs) dar, die als Goldstandardtherapie zur Prävention ischämischer Insulte bei VHF verschrieben werden. Insbesondere für Patienten mit Kontraindikationen für eine dauerhafte Antikoagulation, die in Tabelle 1 zusammengefasst sind, ist der Herzohrverschluss eine wichtige Option.
Studien zum Herzohrverschluss
PROTECT-AF war eine multizentrische, randomisierte Studie aus dem Jahr 2014, welche die Methode des perkutanen Herzohrverschlusses mit einer Warfarin-Therapie bei Patienten mit nicht valvulärem VHF und einem CHADS2-Score ≥1 auf Nichtunterlegenheit verglich. Nach einer mittleren Beobachtungsdauer von 3,8 Jahren konnte gezeigt werden, dass ein Verschluss des Herzohrs mit dem Watchman-Device einer Warfarin-Therapie sowohl nicht unterlegen als auch überlegen war bezüglich des primären Effektivitätsendpunkts (kombinierter Endpunkt: Schlaganfall, systemische Thromboembolie, kardiovaskulärer/unerklärter Tod).8
Eine kleinere Studie, welche sich mit diesem Thema beschäftigte, war das PREVAIL Trial. Dieses konnte ein günstiges Sicherheitsprofil des Watchman-Systems zeigen. Ischämische Insulte betreffend war dieses einer Warfarin-Therapie nicht unterlegen, jedoch waren die Resultate bezüglich der primären Effektivitätsendpunkte (erstens, kombinierter Endpunkt aus Schlaganfall, systemischer Thromboembolie, kardiovaskulärem/unerklärtem Tod; zweitens, kombinierter Endpunkt aus Schlaganfall oder systemischer Thromboembolie >7 Tage post Randomisierung) inkonklusiv. Dies resultierte darin, dass die Anzahl an ischämischen Insulten in der Warfarin-Gruppe niedriger als erwartet war.3,9
Im Jahr 2017 erschien eine Metaanalyse mit den 5-Jahres-Outcomes beider Studien. Die Ergebnisse waren eindeutig: Während der primäre Effektivitätsendpunkt in beiden Gruppen vergleichbar war, gab es signifikant häufiger hämorrhagische Insulte und gastrointestinale Blutungen in der Warfarin-Gruppe.3
Kürzlich wurde die PRAGUE-17-Studie publiziert, welche erneut den Herzohrverschluss mit OAKs verglich, in diesem Fall jedoch mit direkten oralen Antikoagulanzien (DOAKs). Insgesamt wurden 402 Patienten in einer 1:1-Ratio randomisiert und für etwa 20 Monate beobachtet. Die Ergebnisse konnten zeigen, dass der Herzohrverschluss einer Therapie mit DOAKs weder in Bezug auf neurologische noch kardiovaskuläre Events sowie auf Blutungsgeschehen unterlegen war.10
Limitationen
Doch auch nach Herzohrverschluss ist eine antithrombotische/Antiplättchen-Therapie vonnöten. Die aktuellen ESC-Guidelines hierfür sind in Tabelle 2 zusammengefasst. Eine seltene Komplikation des Herzohrverschlusses (ca. 4%) ist ein Device-assoziierter Thrombus („device-related thrombus“, DRT). Wie eine rezente Metaanalyse zeigen konnte, steigt das Risiko für das Auftreten eines ischämischen Insults bei Patienten mit DRT auf ein 4- bis 5-Faches an. Sowohl die Art des Devices (Watchman vs. Amplatzer) als auch das antithrombotische Behandlungsregime waren keine konstanten Prädiktoren für das Auftreten eines DRTs.11 Trotz der guten Datenlage, welche für einen Herzohrverschluss bei Patienten mit VHF spricht, braucht es weitere Studien, um das optimale Vorgehen bei Patienten mit Kontraindikationen für eine Antikoagulation zu determinieren.
Literatur:
1 Beigel R et al.: The left atrial appendage: anatomy, function, and noninvasive evaluation. JACC Cardiovascular Imaging 2014; 7(12): 1251-65 2 Naksuk N et al.: Left atrial appendage: embryology, anatomy, physiology, arrhythmia and therapeutic intervention. JACC Clinical Electrophysiology 2016; 2(4): 403-12 3 Price MJ: Left atrial appendage occlusion: data update. Interv Cardiol Clin 2018; 7(2): 159-68 4 Caliskan E, Emmert MY: Surgical occlusion of the left atrial appendage: it is time to adopt newer techniques! Oxford University Press, 2018 5 Cruz-González I et al.: Procedural and short-term results with the new Watchman FLX Left Atrial Appendage Occlusion Device. JACC Cardiovasc Interv 2020; 13(23): 2732-41 6 Berti S et al.: Left atrial appendage closure using AMPLATZER™ devices: a large, multicenter, Italian registry. Int J Cardiol 2017; 248: 103-7 7 Whitlock RP et al.: Left atrial appendage occlusion during cardiac surgery to prevent stroke. N Engl J Med 2021; 384(22): 2081-91 8 Reddy VY et al.: Percutaneous left atrial appendage closure vs warfarin for atrial fibrillation: a randomized clinical trial. JAMA 2014; 312(19): 1988-98 9 Holmes DR et al.: Prospective randomized evaluation of the Watchman Left Atrial Appendage Closure device in patients with atrial fibrillation versus long-term warfarin therapy: the PREVAIL trial. J Am Coll Cardiol 2014; 64(1): 1-12 10 Osmancik P et al.: Left atrial appendage closure versus direct oral anticoagulants in high-risk patients with atrial fibrillation. J Am Coll Cardiol 2020; 75(25): 3122-35 11 Alkhouli M et al.: Incidence and Clinical Impact of Device-Related Thrombus Following Percutaneous Left Atrial Appendage Occlusion: A Meta-Analysis. JACC Clin Electrophysiol 2018; 4(12): 1629-37
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