Herzinsuffizienz 2021: Das bringt die neue Guideline
Bericht: Reno Barth
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Im Rahmen des virtuellen ESC Heart Failure Congress gaben Mitglieder des Leitlinien-Komitees einen Ausblick auf die von der European Society of Cardiology (ESC) und der Heart Failure Association (HFA) gemeinsam erstellten Leitlinie für das Management der Herzinsuffizienz (HI). Die vollständige Guideline wird im Rahmen des ESC-Kongresses präsentiert.
Keypoints
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HFrEF: First Line in der Therapie sind ACEi/ARNI, Betablocker, MRA sowie Dapagliflozin/Empagliflozin, eventuell Diuretika. Sacubitril/Valsartan kann bereits bei therapienaiven Patienten initial eingesetzt werden.
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HFmrEF: Empfehlung für Diuretika, ACE-Inhibitoren, Angiotensin-Rezeptorblocker, Betablocker, MRA und Sacubitril/Valsartan
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HFpEF: keine neuen Empfehlungen
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Ergänzungen zu First-Line-Therapien: Eisen-Carboxymaltose, Tafamidis sowie Devices
Die bisher präsentierten Empfehlungen zur neuen Herzinsuffizienz-Guideline beziehen sich auf das medikamentöse Management der Erkrankung. Die neue Leitlinie stützt sich zur Gänze auf hochqualitative Evidenz und wurde strikt nach den methodischen Vorgaben der ESC erstellt, so Prof. Dr. Theresa McDonagh. Voraussetzung für eine Empfehlung war eine Übereinstimmung von mindestens 75% unter den Mitgliedern des Panels.
Die frühe medikamentöse Therapie der Herzinsuffizienz stützt sich nun auf vier Klassen von Substanzen, nämlich ACEi/ARNI (ACE-Inhibitoren/Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitoren), Betablocker, MRA (Mineralokortikoidrezeptor-Antagonisten) und SGLT2(sodium-glucose linked transporter 2)-Inhibitoren.
HFrEF: neue Evidenzen berücksichtigt
Neu: Empfehlungen für SGLT2-Inhibitoren in Guidelines aufgenommen
Herzinsuffizienz mit reduzierter linksventrikulärer Auswurffraktion (HFrEF) ist definiert durch eine Auswurffraktion von weniger als 40%.
McDonagh weist darauf hin, dass es zu den seit Jahren in der Therapie der HFrEF bewährten Substanzen seit der Erstellung der ESC-Leitlinie 2016 kaum relevante neue Studiendaten gab und die entsprechenden Empfehlungen daher weitgehend unverändert geblieben sind.
Zu den wichtigen Neuerungen gehört die von einem etwaigen Diabetes mellitus unabhängige Rolle der SGLT2-Inhibitoren. Sowohl für Dapagliflozin1 als auch für Empagliflozin2 konnten in randomisierten, kontrollierten Studien signifikante und klinisch relevante Reduktionen der kardiovaskulären Mortalität und der Hospitalisierungen wegen Herzinsuffizienz gezeigt werden. Auf Basis dieser Daten gibt es nun eine starke Empfehlung (Class I, Level A) für diese Substanzgruppe.
Für den kombinierten SGLT2- und SGLT1-Inhibitor Sotagliflozin wurde dieser Effekt in einem Kollektiv von Patienten mit Diabetes mellitus und kürzlich durchgemachter Verschlechterung der Herzinsuffizienz gezeigt.3
Neu: Evidenz aus PIONEER-HF zu Sacubitril/Valsartan fließt ein
Für Sacubitril/Valsartan wurde mit der PIONEER-HF-Studie neue Evidenz in der Indikation akute und dekompensierte Herzinsuffizienz publiziert.4 Das Guideline-Komitee berücksichtigte aus dieser Arbeit allerdings nicht den primären (Surrogat-)Endpunkt (Veränderung des NT-proBNP), sondern den sekundären klinischen Endpunkt kardiovaskulärer Tod oder Rehospitalisierungen wegen Herzinsuffizienz, der ebenfalls durch Sacubitril/Valsartan reduziert wurde (Abb. 1).5
Abb. 1: PIONEER-HF-Studie, Sacubitril/Valsartan versus Enalapril: kumulative Inzidenz der Kombination aus Tod jeglicher Ursache, Rehospitalisierung wegen Herzinsuffizienz, Implantation eines Devices oder Notwendigkeit einer Herztransplantation (nach Morrow DA et al.)5
Neu: Vericiguat für ausgewählte Patienten
Zu den neuen Substanzen im Management der HFrEF zählt auch Vericiguat, ein Stimulator der löslichen Guanylatzyklase, der im Vergleich zu Placebo ebenfalls die Häufigkeit von kardiovaskulärem Tod oder Rehospitalisierungen wegen Herzinsuffizienz reduzierte.6 Auf Basis dieser Daten erfolgte die Zulassung von Vericiguat in der Indikation HFrEF durch die FDA. Die Guideline wird eine Empfehlung für ausgewählte Patienten enthalten.
Noch keine Empfehlung für Omecamtiv Mecarbil
Mangels Zulassung gibt esnoch keine Empfehlung für den selektiven kardialen Myosinaktivator Omecamtiv Mecarbil, für den in der Studie GALACTIC-HF eine Reduktion des kombinierten primären Endpunkts (kardiovaskulärer Tod oder Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz), nicht aber von dessen Einzelkomponenten gezeigt werden konnte.7
HFmrEF: Änderung der Nomenklatur
Die Herzinsuffizienz mit mittlerer linksventrikulärer Auswurffraktion wurde umbenannt in Herzinsuffizienz mit „leicht reduzierter“ („mildly reduced“) systolischer Funktion (HFmrEF). Der Hintergrund war, so McDonagh, dass diese Form der Herzinsuffizienz klinisch der HFrEF ähnlicher ist als der Herzinsuffizienz mit erhaltener linksventrikulärer Auswurffraktion (HFpEF) und besser auf Therapien anspricht als Letztere. Für die neue HFmrEF gibt es bislang keine Studien, die spezifisch diese Patientengruppe untersuchte, Evidenz kann jedoch aus Studien mit breiter Patientenpopulation abgeleitet werden. Derartige Evidenz liegt beispielsweise für Candesartan aus dem CHARM-Programm vor.8 Auch Spironolacton, Betablocker und Sacubitril/Valsartan haben sich in dieser Patientengruppe als wirksam erwiesen.
HFpEF: nach wie vor wenig Neues
Sehr viel schlechter sind die Perspektiven bei der HFpEF, für die nach wie vor für keine untersuchte Therapie Wirksamkeit gezeigt werden konnte.
Neue Therapieempfehlungen
Aus dieser Evidenz ergibt sich ein Therapiealgorithmus, der jedoch noch einige weiße Flecken aufweist, die bis zur Publikation der Leitlinie gefüllt werden sollen, wie Prof. Dr. Marco Metra von der Universität Brescia ausführt.
HFrEF
First Line in der Therapie der HFrEF sind ACEi/ARNI, Betablocker, MRA sowie Dapagliflozin/Empagliflozin. Schleifendiuretika können zur Behandlung von Flüssigkeitsretention eingesetzt werden. Neu ist, dass Sacubitril/Valsartan bei therapienaiven Patienten bereits initial statt eines ACE-Inhibitors eingesetzt werden kann.
HFmrEF
Bei HFmrEF gibt es Empfehlung für Diuretika, ACE-Inhibitoren, Angiotensin-Rezeptorblocker, Betablocker, MRA und Sacubitril/Valsartan.
HFpEF
Für die HFpEF gibt es keine neuen Empfehlungen.
Ergänzungen zu First-Linie-Therapien
Diese Therapien müssen als First Line eingesetzt werden, so Metra, da sie die Mortalität reduzieren und Hospitalisierungen verhindern. Darüber hinaus besteht die Option, mit einigen weiteren spezifischen Therapien und den resultierenden Kombinationsmöglichkeiten zu einer personalisierten Therapie anhand unterschiedlicher Phänotypen wie zum Beispiel unterschiedlicher Ätiologie der Erkrankung oder unterschiedlicher Komorbiditäten zu gelangen.
Eisenmangel-Substitution
Meta nennt in diesem Zusammenhang das Management einer komorbiden Anämie mit Eisenmangel. Empfohlen wird ein regelmäßiges Screening der Patienten auf Anämie und Eisenmangel mit komplettem Blutbild, Serumferritin-Konzentration und Transferritin-Sättigung (TSAT). Intravenöse Eisensupplementation mit Eisen-Carboxymaltose sollte in Betracht gezogen warden bei symptomatischen Herzinsuffizienzpatienten nach Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz, wenn die LVEF unter 50% liegt und ein Eisenmangel vorliegt. Diese Empfehlung basiert auf den Ergebnissen der Studie AFFIRM-AHF, die eine signifikante Reduktion der Hospitalisierungen wegen Herzinsuffizienz durch die i.v. Supplementierung zeigte.9
Transthyretin-Amyloidose
Bei Patienten in NYHA-Klasse I oder II mit Transthyretin-Amyloidose (ATTR-CMP) wird eine Therapie mit Tafamidis empfohlen, unabhängig davon, ob es sich um eine genetisch nachgewiesene hTTR-CMP oder eine Wild-Type-Transthyretin- (wtTTR)-CA handelt. Basis für diese Empfehlung ist die ATTR-ACT-Studie, in der für Tafamidis die Reduktion der Gesamtmortalität, des Verlustes an Leistungsfähigkeit und zahlreicher weiterer Endpunkte gezeigt werden konnte.
Devices
Besteht unter medikamentöser Therapie noch immer eine reduzierte Funktion des linken Ventrikels oder bleiben Patienten unter Therapie symptomatisch, können und sollen Devices zum Einsatz kommen.
Die Guideline wird am virtuellen ESC- Kongress 2021 vollständig präsentiert.
Quelle:
„Preview of the 2021 ESC/HFA heart failure guidelines“ im Rahmen des virtuellen HFA-2021-Kongresses
Literatur:
1 McMurray JJV et al.: Dapagliflozin in patients with heart failure and reduced ejection fraction. N Engl J Med 2019; 21; 381(21): 1995-2008 2 Packer M et al.: Cardiovascular and renal outcomes with empagliflozin in heart failure. N Engl J Med 2020; 8; 383(15): 1413-24 3 Bhatt DL et al.: Sotagliflozin in patients with diabetes and recent worseningheart failure. N Engl J Med 2021; 14; 384(2): 117-28 4 Velazquez EJ et al.: Angiotensin-neprilysin inhibition in acute decompensated heart failure. N Engl J Med 2019; 380(6): 539-48 5 Morrow DA et al.: Clinical outcomes in patients with acute decompensated heart failure randomly assigned to sacubitril/valsartan or enalapril in the PIONEER-HF trial. Circulation 2019; 139(19): 2285-8 6 Armstrong PW et al.: Vericiguat in patients with heart failure and reduced ejection fraction. N Engl J Med 2020; 382(20): 1883-93 7 Teerlink JR et al.: Cardiac myosin activation with omecamtiv mecarbil in systolic heart failure. N Engl J Med 2021; 384(2): 105-16 8 Lund LH et al.: Heart failure with mid-range ejection fraction in CHARM: characteristics, outcomes and effect of candesartan across the entire ejection fraction spectrum.Eur J Heart Fail 2018; 20(8): 1230-39 9 Ponikowski P et al.: Ferric carboxymaltose for iron deficiency at discharge after acute heart failure: a multicentre, double-blind, randomised, controlled trial. Lancet 2020; 396(10266): 1895-1904
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