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Transthyretin-Amyloidose

EKG in der Kardiomyopathiediagnostik

Die Transthyretin-Amyloidose mit Kardiomyopathie (ATTR-CM) ist bekanntlich erheblich unterdiagnostiziert. Obwohl heute nur noch in wenigen Fällen eine Herzmuskelbiopsie erforderlich ist, bleibt der diagnostische Aufwand hoch. Als einfacher Screeningtest soll die Auswertung eines EKG mittels künstlicher Intelligenz (KI) zukünftig hilfreich sein.

Im Verlauf einer Transthyretin-Amyloidose mit Kardiomyopathie (ATTR-CM) kommt es zu einer Störung der diastolischen und später auch der systolischen Linksventrikelfunktion, die sich klinisch als Herzinsuffizienz mit Belastungsdyspnoe, Beinödemen und rascher Erschöpfbarkeit äußert. Hintergrund ist eine progrediente infiltrative Kardiomyopathie, die durch die Ablagerung fehlgefalteter Proteine, konkret abnormer Varianten des Transportproteins Transthyretin, im Interstitium des Myokards verursacht wird. Als diagnostischer Goldstandard wurde bis vor Kurzem eine Myokardbiopsie empfohlen – sie ist jedoch aufgrund moderner Diagnosealgorithmen heute nur noch in wenigen Fällen erforderlich.

Die Algorithmen basieren auf Klinik, Sonografie, Labor, Elektrokardiogramm (EKG) und Skelettszintigrafie. Im Ultraschall zeigt sich eine durch Ablagerung von Amyloidfibrillen verursachte Verdickung des linksventrikulären Myokards, in der Skelettszintigrafie eine deutliche Anreicherung des Knochentracers im Myokard. Labordiagnostisch lässt sich eine Erhöhung des Biomarkers NT-proBNP nachweisen. Hinzu kommen eine Reihe von EKG-Veränderungen wie Niedervoltage des QRS-Komplexes, Pseudoinfarkt sowie eine verlängerte frequenzkorrigierte QT-Zeit. Auch Vorhofflimmern ist häufig.

„Der hohe diagnostische Aufwand führt dazu, dass eine ATTR-CM vermutlich nach wie vor stark unterdiagnostiziert ist“, erläuterte Veer Sangha, Experte für KI an der Yale School of Medicine, USA. Angesichts der mittlerweile verfügbaren Therapien und der zunehmenden Evidenz für Vorteile eines frühen Behandlungsbeginns stelle dies ein relevantes Problem dar. Das EKG biete sich als einfaches Screeninginstrument an, allerdings lieferte die genannten Auffälligkeiten lediglich Hinweise in Richtung einer ATTR-CM.

KI könnte bei der Auswertung des EKGs hilfreich sein und Algorithmen, die ATTR-CM auf diesem Wege detektieren, wurden bereits entwickelt. Sangha präsentierte im Rahmen des ACC 2025 (ACC.25) eine internationale Studie,1 die einen solchen KI-Ansatz anhand einer großen Zahl von EKGs validierte. Der Algorithmus ist in einer Kohorte von 11121 EKGs entwickelt worden und zeigte dabei mit einer „area under the curve“ (AUROC) von 0,91 eine Sensitivität von 0,85 bei einer Spezifität von 0,81. Die Evaluierung erfolgte anhand von Daten aus dem Northwell Health System in New York sowie einer Spezialambulanz für hereditäre Kardiomyopathien der Universität Athen, Griechenland. Patient:innen mit ATTR-CM wurden mittels Szintigrafie identifiziert und nach Geschlecht 1:1 mit Kontrollen abgestimmt.

Sensitivität & Spezifität für Screeningtest ausreichend?

Die Northwell-Kohorte bestand aus EKGs von 140 Personen mit einem medianen Alter von 80 Jahren (IQR: 75–84). 24% waren Frauen und die Zahl der Teilnehmer:innen mit heller und dunkler Hautfarbe nahezu ausgeglichen (47% vs. 46%). In dieser Population lag die AUROC bei 0,84. Daraus ergaben sich eine Sensitivität von 0,9 und eine Spezifität von 0,59 – was bedeutet, dass ein positiver Test die Wahrscheinlichkeit einer ATTR-CM um den Faktor 13 erhöht (OR: 12,7; 95%CI: 5,1–31,7). Aus den 100 EKGs der Athener Kohorte (medianes Alter 80 (IQR: 74–85; 22% Frauen) ergab sich eine AUROC von 0,83 und damit eine Sensitivität von 0,82 bei einer Spezifität von 0,74. Auch in dieser Kohorte erhöhte ein positiver Test die Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer ATTR-CM um den Faktor 13. Die Performance des Algorithmus war in beiden Kohorten unabhängig von Geschlecht, Alter und Ethnizität. „Da es sich beim EKG um eine breit verfügbare Methode handelt, stellt der KI-Ansatz eine gut implementierbare Strategie zum Screening auf ATTR-CM im klinischen Alltag dar“, so Sangha.

In einer weiteren Studie stellte dieselbe Gruppe die Frage nach dem prognostischen Wert von KI-gestützter Auswertung sowohl von EKG- als auch von Ultraschallbefund.2 Dazu wurden aus einer Kohorte von mehr als 90000 Patient:innen, von denen sowohl EKGs als auch Sonografiebilder aus den Jahren 2021 und 2022 verfügbar waren, nach dem Zufallsprinzip 7385 ausgewählt und mittels KI ausgewertet. Die Daten wurden mit dem regionalen Sterberegister vernetzt. Von den 7385 Teilnehmer:innen hatten 1058 (14,3%) einen positiven EKG- und 556 (7,5%) einen positiven Ultraschallbefund, der auf eine ATTR-CM hindeutete. In beiden Untersuchungen positiv waren 136 (1,8%) Personen. Über 2,1 Jahre im Median kam es zu 894 Todesfällen (231 kardiovaskulär verursachte und 229 Todesfälle infolge von Krebs). Bei Patient:innen mit doppelt positivem Screeningtest war das Risiko zu sterben sogar doppelt so hoch, was zur Gänze auf eine um den Faktor 3,7 erhöhte kardiovaskuläre Mortalität zurückzuführen ist (adjustierte HR: 3,73 [95%CI: 2,30–6,05]).

American College of Cardiology Scientific Sessions 2025, 29.–31.3.2025, Chicago

1 Sangha V et al.: Multinational validation of an artificial intelligence algorithm to identify ATTR cardiomyopathy from electrocardiographic images. Presented at ACC 2025, Poster 905-07 2 Oikonomou EK et al.: Artificial intelligence-guided multimodality screening of probable transthyretin amyloid cardiomyopathy: a report from the TRACE-AI study. Presented at ACC 2025, Poster 905-19

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