
©
Getty Images/iStockphoto
Einmal links, einmal rechts
Jatros
Autor:
Dr. Silvia Charwat-Resl
Innere Medizin II<br> Kardiologie, Intensivmedizin<br> Klinikum Wels-Grieskirchen<br> E-Mail: silvia.charwat-resl@klinikum-wegr.at
30
Min. Lesezeit
08.09.2016
Weiterempfehlen
<p class="article-intro">Das zeitgleiche Auftreten einer Pulmonalembolie und eines ischämischen Insultes stellt die Möglichkeit einer gemeinsamen Thrombusquelle in den Raum. Wir berichten über eine 58jährige Patientin mit einem großen persistierenden Foramen ovale, der an dieser Konstellation beteiligt gewesen sein könnte und diskutieren die Evidenz für einen PFO-Verschluss.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Die 58-jährige Patientin war im Garten zusammengebrochen. Zu diesem Zeitpunkt war die Patientin wach, es bestanden ein Herdblick nach links, eine Facialisparese, eine Aphasie und eine Hemiplegie der rechten Körperhälfte, sodass die Patientin nach Erstversorgung und zerebraler Bildgebung in einem Primärkrankenhaus an den Neuromed Campus Linz transferiert wurde. Bei einem initialen NIH-Score (National Institute for Health Stroke Score) von 16, was einem moderaten bis schweren Schlaganfall entspricht, wurde eine komplikationslose Thrombektomie des verschlossenen Bereiches der linken A. cerebri media (M1-Segment) durchgeführt. Es verblieb ein Stammganglieninfarkt links. Die genannten Maßnahmen zusammen mit einer therapeutischen Antikoagulation mit niedermolekularem Heparin führten im weiteren Verlauf zu einer Restitutio ad integrum in Bezug auf den Schlaganfall.<br /> Parallel dazu wurde versucht der Ursache des Schlaganfalls näherzukommen. Die Patientin hatte bereits 1988 ein PRIND (prolongiertes intermittierendes neurologisches Defizit) erlitten, dessen Ausmaß im Rahmen der Aufarbeitung dieser Fallpräsentation nicht mehr erho­ben werden konnte, von dem allerdings keine Residuen mehr bestanden. Als wei­tere Grunderkrankung lag ein Schleimhautpemphigoid mit okulärer und en­oraler Beteiligung vor, welches immunsuppressiv (Rituximab, Cyclophosphamid, Methotrexat, Mycophenolat Mefotil) behandelt worden war. Zusätzlich waren eine arterielle Hypertonie, eine Depressio und eine Hypogammaglobulinämie bekannt. Eine Pulmonalembolie oder tiefe Beinvenenthrombose war bisher nicht aufgetreten.<br /> Als Zufallsbefund fanden sich in einer Computertomografie des Thorax eine zentrale Pulmonalembolie links mit reitendem Thrombus sowie eine periphere Pulmonalembolie rechts. Echokardio­grafisch bestand kein Hinweis auf eine Rechtsherzbelastung, es konnte kein intrakavitärer Thrombus nachgewiesen werden. Allerdings wurde ein großes persistierendes Foramen ovale (PFO) nachgewiesen, sodass ätiologisch für beide Ereignisse ein thromboembolisches Geschehen postuliert werden könnte. Daher wurde uns die Patientin zur Evaluierung hinsichtlich eines perkutanen PFO-Verschlusses zugewiesen, welcher 7 Monate nach dem Insult stattfand.<br /> Präinterventionell wurde eine trans­ösophageale Echokardiografie durchgeführt, um die Größe des PFO zu vermessen. Wie in Abbildung 1 dargestellt bestand eine sehr große Separation des interatrialen Septums (ca. 9mm) mit minimalem spontanem Links-Rechts-Shunt und ausgeprägtem Kontrastmittelübertritt vom rechten ins linke Atrium auf Provokation.<br /> In weiterer Folge wurde die Patientin im Rahmen einer perkutanen Intervention komplikationslos mit einem PFO-Schirmchen (Amplatzer-Okkluder 35mm) versorgt (Abb. 2).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Kardio_1603_Weblinks_Seite77.jpg" alt="" width="550" height="1073" /></p> <h2>Diskussion</h2> <p>Ablauf des perkutanen Verschlusses eines persistierenden Foramen ovale mittels Amplatzer-Okkluder: Eine präinterventionelle transösophage­ale Echokardiografie ist zur Darstellung der anatomischen Situation und Vermessung des PFOs notwendig. Im Rahmen dieser Untersuchung wird festgestellt, ob ein spontaner Shunt zwischen den Atrien besteht oder, was viel häufiger ist, ein Kontrastmittelübertritt (agitierte Kochsalzlösung, intravenöses Ultraschallkontrastmittel) vom rechten ins linke Herz durch Valsalva-Manöver provoziert werden kann. Amplatzer-PFO-Verschlusssysteme sind in den Größen 18, 25 und 35mm verfügbar. Der korrekt dimensionierte Okkluder muss einerseits den Defekt komplett abdecken, andererseits dürfen umliegende Strukturen (insbesondere die freie linksatriale Wand, Aortenklappe, Mitralklappe, Vena cava superior, Pulmonalvenen) nicht in ihrer Integrität beeinträchtigt werden, weshalb der Abstand zu diesen Strukturen vermessen werden muss.<br /> In weiterer Folge wird im Katheterlabor nach femoraler Venenpunktion eine Schleuse in das rechte Atrium vorgeschoben und der Patient heparinisiert. Das PFO wird unter Durchleuchtung mit dem Draht passiert. Anschließend kann mit dem zusammengefalteten Schirmchen das PFO passiert und die linksatriale Scheibe geöffnet werden. Danach wird das System zurückgezogen und unter Durchleuchtung oder mittels TEE kontrolliert, ob der Defekt abgedichtet ist. Im nächsten Schritt wird die rechtsatriale Scheibe geöffnet. Zu diesem Zeitpunkt kann bei adäquatem Sitz das Einführbesteck abgeschraubt oder bei Korrekturwunsch beide Scheiben wieder eingeholt und neu positioniert werden. Schließlich wird die venöse Schleuse entfernt. In der Regel erhalten Patienten eine periinterventionelle antibiotische Prophylaxe. Sollte nicht aus anderen Gründen eine Indikation für eine therapeutische Antikoagulation bestehen, erscheint lediglich die Gabe eines Thrombozytenaggregationshemmers für 3 bis 6 Monate notwendig.<br /> Der perkutane PFO-Verschluss ist ein relativ sicherer Eingriff. Die periinterventionelle Mortalität ist extrem niedrig. Eine Studie an über 400 Patienten ergab eine Komplikationsrate während des stationären Aufenthaltes von 8 % , wobei in absteigender Reihenfolge Okkluderembolisationen mit chirurgischer Revision, supraventrikuläre Tachykardien/Vorhofflimmern, transiente und permanente AV-Blockierungen, interventionsbedürftige Leistenhämatome und Thrombusbildung an der links- oder rechtsatrialen Scheibe auftraten. Eine sehr seltene, aber typische und lebensbedrohliche Komplikation, die im Kurz- und Langzeitverlauf in 0,1–0,3 % der Implantationen auftritt, ist die Perforation der atrialen Wand oder der Aorta durch das Implantat mit konsekutiver Perikardtamponade.<br /> Das Wiederauftreten einer zerebralen Ischämie liegt je nach Studie und altersabhängig bei ca. 0,8 % nach perkutanem PFO-Verschluss und bei 5 % ohne PFO-Verschluss. In einer kürzlich publizierten Langzeitnachbeobachtung (im Mittel 53 Monate) von zwei perkutanen PFO-Verschlusssystemen (Amplatzer und Figulla Flex) lag die Erfolgsrate (definiert als negative transthorakale Echokontrastuntersuchung) bei 90,3 % bzw. 93,0 % . Es kam zu keinem Todesfall, keinem Fall von klinisch relevanter Thrombusbildung am System oder Bruch des Systems. Insgesamt erlitt ein Patient (1 % ) eine TIA. Dieser kam aus der Gruppe mit positiver Echokontraststudie.</p> <h2>Evidenz für einen PFO-Verschluss</h2> <p>Ein persistierendes Foramen ovale ist ein Kanal zwischen rechtem und linkem Atrium, der durch mangelnde Verklebung des Septum primum und Septum secundum in der postpartalen Entwicklung entsteht. In diesem Sinne handelt es sich dabei auch nicht um einen Vorhofseptumdefekt, da kein Strukturmangel vorliegt. Bei ca. 75 % aller Erwachsenen erinnert lediglich ein Grübchen, die Fossa ovalis, an diesen Teil der fetalen Zirkulation, bei den übrigen ca. 25 % der Bevölkerung liegen die beiden Blätter des Septums nur lose aufeinander und trennen sich bei Druckanstieg im rechten Atrium voneinander oder bilden einen ständig offenen Kanal. In der Regel liegt unter Ruhebedingungen kein Shunt oder aufgrund des höheren Drucks im linken Atrium im Vergleich zum rechten ein geringer Links-Rechts-Shunt vor. Durch Valsalva-Manöver kann typischerweise ein Rechts-Links-Shunt ausgelöst werden.<br /> Klinisch relevant ist ein PFO insbesondere bei ischämischen Insulten durch paradoxe Embolien aus den tiefen Beinvenen und zerebralen Embolien beim Gerätetauchen.<br /> Die Empfehlungen zum PFO-Verschluss im Rahmen der Primär- und Sekundärprävention von ischämischen Insulten ist sehr ambivalent. Die Hauptgründe dafür liegen darin, dass wie oben beschrieben die Prävalenz von PFOs in der Allgemeinbevölkerung sehr hoch ist und die Inzidenz von zerebrovaskulären Ereignissen um ein Vielfaches übersteigt und andererseits trotz PFO-Verschluss ischämische Reinsulte durch Embolien aus dem linken Herzohr, der Aorta oder den supraaortalen Arterien, den Pulmonalarterien oder selten durch Thromben am Schirmchen ausgelöst werden können.<br /> In einer im Jahr 2014 publizierten Metaanalyse zum perkutanen PFO-Verschluss lag die Anzahl der Patienten, die behandelt werden müssen, um nach kryptogenem Schlaganfall einen Fall von neuerlicher zerebraler Ischämie zu verhindern („number needed to treat“, NNT), bei 167. Einzelne Patientengruppen, insbesondere junge Patienten mit niedrigem Risiko für arterioarterielle Embolien oder Gerätetaucher, dürften von einem Verschluss jedoch deutlich besser profitieren als die allgemeine Schlaganfallpatientenpopulation.</p> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>Die Indikationsstellung zum PFO-Verschluss zur Schlaganfallprophylaxe muss aufgrund der derzeitigen Evidenz im Einzelfall entschieden werden. In der hier präsentierten speziellen Konstellation des zeitgleichen Auftretens einer Pulmonalembolie und eines ischämischen Schlaganfalls besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine paradoxe Embolie als Insultursache, wodurch ein PFO-Verschluss gerechtfertigt erscheint.</p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p>Literatur bei der Verfasserin<br /><br /></p>
</div>
</p>
Das könnte Sie auch interessieren:
ESC-Guideline zur Behandlung von Herzvitien bei Erwachsenen
Kinder, die mit kongenitalen Herzvitien geboren werden, erreichen mittlerweile zu mehr 90% das Erwachsenenalter. Mit dem Update ihrer Leitlinie zum Management kongenitaler Vitien bei ...
ESC gibt umfassende Empfehlung für den Sport
Seit wenigen Tagen ist die erste Leitlinie der ESC zu den Themen Sportkardiologie und Training für Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen verfügbar. Sie empfiehlt Training für ...
Labormedizinische Fallstricke bei kardialen Markern
Bei Schädigung oder Stress des Herzmuskels werden kardiale Marker in den Blutkreislauf freigesetzt. Ihre labormedizinische Bestimmung spielt eine Schlüsselrolle in der Diagnostik, ...