
Perioperatives Infektionsmanagement – Teil 2
Bericht: Dr. Norbert Hasenöhrl
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Die Vermeidung postoperativer Wundinfektionen ist ein großes und wichtiges Ziel, das eine Vielzahl von Aspekten aufweist. Der zweite Teil dieser Zusammenfassung eines Vortrags von OÄ Dr. Agnes Wechsler-Fördös, Wien, befasst sich mit Erregerspektrum, Antibiotikaprophylaxe, Wahl des Antibiotikums und Beeinflussung des Mikrobioms.
Das Erregerspektrum bei postoperativen Wundinfektionen („surgical site infections“; SSI) hängt u.a. vom anatomischen Ort des Eingriffs ab. „Unter der Gürtellinie dominieren gramnegative und anaerobe Erreger“, erklärte OÄ Dr. Agnes Wechsler-Fördös, ehemals Antibiotika- und Hygienebeauftragte Ärztin des KH Rudolfstiftung, Wien. In anderen Bereichen, wie etwa bei Prothesen und Implantaten, im Bereich der kardiothorakalen oder Neurochirurgie, bei orthopädischen und gefäßchirurgischen Eingriffen dominieren grampositive Erreger, insbesondere Staphylococcus aureus sowie Koagulase-negative Staphylokokken speziell in der Implantatchirurgie.
„Die größten Resistenzprobleme haben wir im gramnegativen Bereich“, führte die Expertin aus. So beträgt die Rate der Extended-spectrum-Betalaktamasen(ESBL)-Bildner unter den E.-coli-Isolaten in Österreich ungefähr 10%. „Und diese Resistenzen zeigen, bei regionalen Unterschieden, in Europa generell eine ansteigende Tendenz“, so Wechsler-Fördös.
Prophylaxe, aber womit?
„Man muss die Frage stellen, ob eine Standard-Antibiotikaprophylaxe mit einem Cephalosporin der ersten oder zweiten Generation noch ausreichend ist, denn es gibt Daten, die zeigen, dass ESBL-Träger unter einer solchen Prophylaxe ein doppelt so hohes SSI-Risiko im Vergleich zu Nicht-ESBL-Trägern aufweisen. Und es wurde gezeigt, dass die Verwendung des Carbapenems Ertapenem in solch ausgewählten Fällen die SSI-Rate signifikant reduziert“, erklärte Wechsler-Fördös.
Hier stellt sich eine Reihe von Fragen – zunächst: Soll man auf ESBL screenen oder einfach blind die Prophylaxesubstanz wechseln? Soll man auch bei transrektaler Prostatabiopsie statt eines Chinolons ein anderes Antibiotikum verwenden? Kann man das intestinale Mikrobiom gezielt in Richtung einer Verringerung der ESBL-Rate beeinflussen? Hinsichtlich der Sectio stellen sich die Fragen, ob man die Prophylaxe vor oder nach dem Nabelschnurklemmen verabreichen soll und ob die Gabe eines Makrolids zusätzlich zum Betalaktam einen gesteigerten Nutzen bringt.
Ein systematischer Review betrachtete vier unterschiedliche Operationen – Appendektomie, Sectio, transrektale Prostatabiopsie und Kolorektalchirurgie – jeweils über einen Zeitraum von ca. 20 bis 30 Jahren. Für die ersten drei genannten Prozeduren zeigte sich über die Zeit kein signifikanter Anstieg der SSI-Raten, sehr wohl aber für die kolorektalen Eingriffe. „Dies spiegelt wohl die Relevanz des ESBL-Trägerstatus in Kolon und Rektum wider“, kommentierte die Infektiologin.
Die WHO hat sich in ihren 2016 erschienenen Leitlinien zur SSI-Prävention zur Frage des ESBL-Screenings nur sehr vage geäußert und aus Mangel an Beweisen keine konkreten Empfehlungen ausgesprochen.
„Führt man bei ESBL-Trägern eine personalisierte Prophylaxe mit Ertapenem durch, so lässt sich die Rate an postoperativen Wundinfektionen von 6,5% auf 0,9% senken – dies waren aber vor allem oberflächliche SSI“, fuhr Wechsler-Fördös fort. Die „number needed to treat“, um eine SSI zu verhindern, betrug hier 13; allerdings mussten dazu zwischen 45 und 138 Patienten gescreent werden. „An diesen Daten wurde aber, auch aus methodischen Gründen, durchaus Kritik geübt“, schränkte Wechsler-Fördös ein.
Allerdings gab es schon 2006 einen Vergleich von Ertapenem mit dem Cephalosporin Cefotetan, das auch eine Wirkung gegen Anaerobier aufweist. Hier zeigte sich eine signifikante Reduktion der SSI durch Ertapenem, wenngleich ein numerischer Trend zu etwas mehr Clostridium-difficile-Infektionen unter dem Carbapenem zu sehen war. „Andererseits muss man wohl gerade heute, wo wir zunehmende Resistenzprobleme mit gramnegativen Erregern haben, die Frage stellen, ob die Verwendung eines Carbapenems für eine Antibiotikaprophylaxe wirklich zu rechtfertigen ist“, mahnte die Expertin.
Und bei der Prostatabiopsie?
Derzeit ist es – noch? – Standard, zur Prophylaxe bei transrektaler Prostatabiopsie ein Fluorchinolon einzusetzen. Betrachtet man allerdings die ansteigenden Chinolon-Resistenzraten des Leitkeims E. coli, so kann man dieses Vorgehen durchaus kritisch diskutieren. „Soll man rektal auf Chinolonresistenz screenen, eine kombinierte Prophylaxe durchführen oder gleich ein anderes Antibiotikum – ein Carbapenem? – verwenden?“, fragte Wechsler-Fördös.
Ein Review von acht Studien zeigte, dass eine kombinierte Prophylaxe mit mehreren Antibiotika bei transrektaler Prostatabiopsie tatsächlich signifikant günstigere Ergebnisse als die Prophylaxe mit nur einer Substanz brachte, was die Outcomes Bakteriurie, Bakteriämie, Fieber, Harnwegsinfektion und Hospitalisierung betraf.
„Allerdings gibt es auch hier Bedenken, nämlich einerseits den erhöhten Selektionsdruck und andererseits die höheren Kosten“, wandte Wechsler-Fördös ein. Es gibt inzwischen auch einige Studien, die durchaus positive Ergebnisse für eine Einzeldosisprophylaxe mit Ertapenem gebracht und – vorläufig jedenfalls – keinen Hinweis auf ein Ansteigen Ertapenem-resistenter Stämme ergeben haben. „Aber auch hier muss man sich wiederum die Resistenzraten, in diesem Fall gegen Carbapeneme, anschauen“, so Wechsler-Fördös. „Diesbezüglich haben wir zwar in Österreich noch ein relativ geringes Problem, aber es gibt bereits europäische Länder – allen voran Griechenland, aber auch Italien und Rumänien –, wo die Resistenzraten von Klebsiella pneumoniae gegen Carbapeneme schon bei 50% und darüber liegen“, warnte die Infektiologin.
Aus all diesen Gründen erscheint es logisch, auch andere Ansätze zu verfolgen. Hier kommt als Alternative zur empirischen Prophylaxe eine gezielte Prophylaxe nach Screening infrage, die sich – was nicht verwunderlich ist – der empirischen Prophylaxe als überlegen erwiesen hat. In einer Metaanalyse war orales Fosfomycin-Trometamol bei transrektaler Prostatabiopsie den Chinolonen signifikant überlegen, weil in den Fosfomycin-Gruppen nur halb so viele postoperative infektiöse Komplikationen auftraten. „Allerdings ist hier der Evidenzgrad derzeit noch nicht sehr hoch“, schränkte Wechsler-Fördös ein.
Beeinflussung des Mikrobioms?
„Es gab durchaus Versuche, die Zusammensetzung des intestinalen Mikrobioms im Sinne einer SSI-Reduktion zu beeinflussen“, so die Infektiologin. Zum Beispiel, indem man vor transrektaler Prostatabiopsie ein Chlorhexidin-hältiges Gleitmittel verwendete. Das Ergebnis war, dass zwar tendenziell weniger Fluorchinolon-resistente E. coliauftraten; es fand sich jedoch kein Unterschied bei den infektiösen Komplikationen.
Eine Metaanalyse von 36 Studien widmete sich der Frage, ob eine mechanische Darmreinigung vor einem kolorektalen Eingriff die postoperativen Komplikationsraten reduziert. Dies war nicht der Fall. Für keines der Outcomes Anastomoseninsuffizienz, SSI, intraabdominelle Abszesse, Letalität, Revisionsrate oder Aufenthaltsdauer fand sich ein signifikanter Unterschied. „Die mechanische Darmreinigung wird deshalb routinemäßig vor kolorektalen Eingriffen nicht empfohlen“, betonte Wechsler-Fördös.
Bezüglich der Kombination aus mechanischer Darmreinigung und oraler, zusätzlich zur intravenösen Antibiotikaprophylaxe ist die Datenlage nicht einheitlich – einige Studien haben einen Nutzen ergeben, andere nicht. Hingegen hat eine niederländische randomisierte kontrollierte Multicenterstudie nach Anwendung der selektiven Darmdekontamination signifikant niedrigere infektiöse Komplikationen gezeigt. „Derzeit läuft eine französische prospektive Studie zu unterschiedlichen Vorbereitungsverfahren bei elektiven laparoskopischen Kolonoperationen, die uns hoffentlich mehr Klarheit zum besten Prozedere bringen wird“, ergänzte Wechsler-Fördös.
Vorgehen bei Sectio
„Es ist uns vielleicht nicht bewusst, aber 11% aller mütterlichen Todesfälle weltweit – d.h. Todesfälle während der Schwangerschaft und bis zu sechs Wochen post partum – sind Folge einer Sepsis“, mahnte die Infektiologin. Die Infektionsrate bei Sectio ohne Antibiotikaprophylaxe liegt bei 20–25%, die Infektionsrate bei operativer vaginaler Entbindung bei 16%.
Ein Review hat gezeigt, dass eine vaginale Behandlung mit antiseptischer Lösung vor Sectio das Risiko für Endometritis, Fieber und SSI erheblich senkt.
„Die Antibiotikaprophylaxe bei Sectio reduziert das Risiko für postpartale infektiöse Komplikationen um fast 60%, das ist gut belegt“, betonte Wechsler-Fördös. „Und obwohl eine Antibiotikaprophylaxe für operative vaginale Entbindungen – also solche mit Zange oder Saugglocke – in einschlägigen Leitlinien eigentlich nicht empfohlen wird, konnte in einer 2019 prominent publizierten Studie auch hier ein signifikanter Nutzen der Prophylaxe, in diesem Fall mit Amoxicillin/Clavulansäure, gezeigt werden.“
Den vorliegenden Daten zufolge sollte eine Antibiotikaprophylaxe bereits vor dem Abklemmen der Nabelschnur erfolgen, weil dies mütterliche Komplikationen wie Endometritis oder Wundinfektionen signifikant reduziert. Allerdings wird damit das Neugeborene schon intrapartal einem Antibiotikum ausgesetzt: Mögliche Folgen sind Besiedelung mit resistenten Erregern und ein erhöhtes Risiko für Allergien.
„Eine längere Prophylaxe senkt die postoperative Infektionsrate übrigens nicht, wie in einer retrospektiven Kohortenstudie mit fast 80000 Patienten gezeigt wurde, aber Komplikationen wie akutes Nierenversagen oder Clostridium-difficile-Kolitis nehmen mit der Dauer der unnötig langen Prophylaxe zu“, so Wechsler-Fördös abschließend.
Quelle:
(Virtueller) Giftiger Samstag, 20.6.2020; „Der Chirurg naht – perioperatives Infektionsmanagement“; Vortrag von OÄ Dr. Agnes Wechsler-Fördös, vormals Krankenhaushygiene, KH Rudolfstiftung, Wien
Literatur:
bei der Vortragenden