
Best of CROI 2025
Bericht:
Mag. Birgit Leichsenring
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Im März 2025 fand in San Francisco die 32. Conference on Retroviruses and Opportunistic Infections (CROI) statt. Wie gewohnt nahmen zahlreiche Expert:innen teil, um diverse infektiologische Themen zu diskutieren. Aufgrund der aktuellen Entwicklungen in den USA standen abseits der wissenschaftlichen Ausrichtung gesellschaftspolitische Themen stärker im Fokus als bisher.
Seit dem Bekanntwerden von HIV und den Konsequenzen von Infektion und Epidemie werden Grundlagen- und klinische Forschung auf höchstem Niveau vorangetrieben. In diesem Sinn wurde 1993 die CROI gegründet, um ein Forum für Expert:innen und den internationalen Austausch aktueller Forschungsergebnisse zu bieten. Seit über drei Jahrzehnten kommt die CROI dieser führenden Rolle im HIV-Bereich nach.
Gesellschaftspolitische Themen
Trotz rein wissenschaftlicher Orientierung waren heuer mehr gesellschaftspolitische Themen sichtbar. Interpretationsspielraum bot in dem Zusammenhang z.B. der neu inkludierte Satz zur Etikette der Konferenz, dass die Kommunikation zwischen allen teilnehmenden Personen respektvoll und auf den wissenschaftlichen Inhalt konzentriert sein sollte. Für den respektvollen Tonfall setzt sich die CROI schon lange mit ihren Abstract-Vorgaben zu einer diskriminierungsfreien Sprache ein. Dieses Jahr wurden von 2160 eingereichten Abstracts etwas über 50% angenommen, davon 106 als Vortrag, 59 als Diskussion und 1064 als Poster.1
61 Abstracts befassten sich dezidiert mit trans* Personen. Dies zeigt den aktuellen Diskurs in den USA auf. Denn zeitgleich ist seit diesem Frühjahr auf der Website der CDC (Centers for Disease Control and Prevention) mit Hinweis auf die Trump-Administration zu lesen, dass die epidemiologischen Daten zu HIV äußerst ungenau seien, da sie nicht die unveränderliche biologische Realität widerspiegeln würden, nach der es ausschließlich männliches und weibliches Geschlecht gebe.2
Rückschritte durch Einstellen von PEPFAR
Das PEPFAR(„president’s emergency plan for AIDS relief“)-Programm wurde 2003 von den USA als Antwort auf die HIV-Epidemie initiiert. Es galt bis dato als das weltweit größte und erfolgreichste Programm gegen HIV/Aids und hat bereits mehr als 25 Millionen Menschen das Leben gerettet. Anfang 2025 wurden PEPFAR-Gelder eingefroren und Test- und Therapieprogramme pausiert.
Die erste Plenary-Session der CROI 2025 gab dieser Entwicklung die größtmögliche Bühne. Eine Hochrechnung zeigte die tragende Rolle von PEPFAR auf: Bei Beibehaltung können bis 2030 rund 5,2 Millionen Aids-assoziierte Todesfälle verhindert werden, bei Einstellung des Programms steigt die Todesrate um 400% und bedingt eine Verdoppelung der Zahl der Aids-Waisenkinder (Abb.1). Die Plenary endete mit dem Aufruf, die bisherigen Erfolge nicht zu gefährden und für das Leben von Millionen Menschen einzustehen.3
Abb. 1: Erwartete Auswirkungen bis 2030 bei anhaltendem Stopp von PEPFAR (modifiziert nach Breyer C 2025)3
Zwei Substanzen in„Proof of concept“-Studien
Vor knapp 20 Jahren wurde die antiretrovirale HIV-Therapie (ART) mit dem ersten Therapieregime als einzelne tägliche Tablette per os revolutioniert. Mittlerweile liegt der Forschungsschwerpunkt auf Long-acting-Konzepten, die seltener anzuwenden sind. Auf der CROI wurden Phase-IIa-Studien zu zwei neuen Substanzen vorgestellt:4, 5 In beiden Studien waren jeweils therapienaive Personen mit HIV und einer Viruslast über 3000 Kopien/ml eingeschlossen. Primärer Endpunkt war die maximale Veränderung der Viruslast bis Tag 10, respektive Tag 11. Alle Teilnehmenden erhielten im Anschluss eine reguläre ART.
Die erste getestete Substanz, VH-184, ist ein Integrase-Inhibitor der dritten Generation. 22 Studienteilnehmende erhielten orales VH-184 als Monotherapie in unterschiedlichen Dosierungen (10, 50, 300mg bzw. Placebo) zu Tag 1, 4 und 7. Es konnte ein Rückgang der Viruslast um mehr als 2log10-Stufen bei den höchsten Dosierungen beobachtet werden (Abb. 2a). Die Substanz zeigte ein günstiges Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil. Es wurden keine Resistenzen nachgewiesen.4
Die zweite getestete Substanz, VH-499, ist aus der Klasse der Kapsid-Inhibitoren. In dieser Studie nahmen 23 Personen VH-499 (25, 100, 250mg bzw. Placebo) als orale Monotherapie an Tag 1 und 6 ein. Die Reduktion der Viruslast nahm mit Höhe der Dosierung zu und erreichte unter 250mg 2,2log10-Stufen (Abb. 2b). Bei einer Person mit niedrig dosiertem VH-499 kam es zu einer Kapsid-Inhibitor-assoziierten Resistenz. VH-499 wurde gut vertragen, es zeigten sich keine klinisch relevanten Veränderungen der Laborparameter.5
Abb. 2: Abfall der Viruslast in zwei Proof-of-concept-Studien unter (a) VH-184 und (b) VH-499 (modifiziert nach Rogg L 2025 und Griesel R 2025)4, 5
Laut Studienautor:innen sprechen diese Studiendaten für die weitere Entwicklung beider Substanzen als neue potenzielle Bestandteile einer Long-acting-ART.4, 5
Erste Daten zu PrEP als 1-Jahres Formulierung
Analog zu neuen Konzepten für die ART wird auch für die HIV-PrEP intensiv an Long-acting-Konzepten geforscht, um Zugang und Anwendung dieser effektiven Präventionsmaßnahme auszubauen. 2024 hatte sich der Long-acting-Kapsid-Inhibitor Lenacapavir (LEN) als PrEP in Form einer 2-mal jährlich s.c. verabreichten Injektion bei unterschiedlichen Populationen als sicher und hocheffektiv gezeigt.
Nun wurden Pharmakokinetik und Sicherheit von zwei neuartigen Formulierungen zur 1-mal jährlich i.m. verabreichten Injektion (gluteal, 2x5ml) von LEN als PrEP evaluiert:6 40 gesunde Teilnehmende erhielten eine der beiden Formulierungen von LEN, die sich im Ethanolanteil und damit in der Viskosität unterschieden. Die pharmakokinetische Auswertung erfolgte bis Woche 56. Die gemessenen Plasmakonzentrationen von 1x jährlich i.m. verabreichtem LEN lagen durchgehend über der durchschnittlichen Plasmakonzentration des halbjährlich s.c. verabreichten LEN. Beide Formulierungen waren sicher und gut verträglich. Häufigste Nebenwirkung waren Schmerzen an der Einstichstelle. Sie wurden als mild bis moderat eingestuft, klangen nach wenigen Tagen ab und konnten mit Anwendung von Eispacks reduziert werden. Diese Daten unterstützen die künftige Entwicklung von 1x jährlich i.m. verabreichtem LEN als HIV-PrEP. Eine Phase-III-Studie ist geplant.6
HIV-Remission trotz viralem Rebound
Es sind bereits mehrere Fälle beschrieben worden, in denen es bei Patient:innen mit HIV und maligner hämatologischer Erkrankung im Zuge von Stammzelltransplantationen (SZT) inklusive einer Deletion im CCR5-Rezeptor (CCR5Δ32) zu einer anhaltenden HIV-Remission kam. Die Settings dieser Fälle unterscheiden sich mitunter in einzelnen Charakteristika. Nun wurde ein neuer Fall aus Chicago präsentiert, der sich durch eine weitere Besonderheit auszeichnet: Bei einem 67-jährigen Mann wurde 15 Monate nach erfolgreicher SZT mit homozygotem CCR5Δ32 die ART abgesetzt. Weder WT-CCR5 noch HIV-reaktive CD8- und CD4-T-Zellen waren nachweisbar und die Plasma-HIV-1-RNA lag unter der Nachweisgrenze. Zwei Monate nach Therapiestopp kam es zu einem viralen Rebound mit 780Kopien/ml und die ART wurde wieder aufgenommen. Nach weiteren 24 Monaten erfolgte ein zweites Absetzen der ART und die Viruslast war auch 10 Monate später nicht nachweisbar.7
Dies ist somit der erste Fall einer anhaltenden Remission nach dokumentierter HIV-Reaktivierung. Ein solcher Rebound scheint also die Möglichkeit einer späteren anhaltenden Remission nicht auszuschließen.
Doxy-PEP selten leitliniengerecht umgesetzt
Die einmalige Einnahme von Doxycyclin (200mg) innerhalb der ersten 24 (bzw. 72) Stunden nach ungeschütztem Sexualverkehr hat sich als effektive Maßnahme zur Reduktion einiger sexuell übertragbarer Infektionen gezeigt. In vielen Leitlinien ist die sogenannte Doxy-PEP bereits aufgenommen. Die hier durchgeführte Studie einer großen communitynahen Klinik für sexuelle Gesundheit in San Francisco setzte sich mit der Frage auseinander, wie hoch die tatsächliche Anwendungsrate der Doxy-PEP ist und wann sie am ehesten nicht leitliniengerecht umgesetzt wird.8
Von Dezember 2022 bis 2024 wurden 7436 Patient:innen vorstellig, bei denen nach Leitlinien eine Doxy-PEP-Indikation vorlag. 4369 Personen wurde eine Doxy-PEP verschrieben, davon gaben 2651 an, sie mindestens einmal angewendet zu haben. Von diesen Personen wiederum berichteten 1627 und damit nur ca. 22% aller Indikationsfälle über eine hohe Adhärenz. Die Subanalyse zeigte auf, dass vor allem bei jüngerem Alter (14–29 Jahre), bei vorliegender HIV-Infektion oder bei unsicheren Wohnverhältnissen die Doxy-PEP seltener erfolgreich eingesetzt wurde.8
Um die Optionen der Doxy-PEP besser zu nutzen, sollte daher bei bestehender Indikation stärker motiviert werden, die Doxy-PEP leitliniengerecht und damit effektiv anzuwenden.
Literatur:
1 CROI 2025; www.croiconference.org ; zuletzt aufgerufen am 17.4.2025 2 CDC: About HIV surveillance and monitoring. https://www.cdc.gov/hiv-data/about/index.html ; zuletzt aufgerufen am 22.4.2025 3 Beyrer C: The global HIV/AIDS pandemic: Where are we now. CROI 2025: Plenary-01; Abstract #17 4 Rogg L: Proof-of-concept trial of VH4524184 (VH-184), a third-generation integrase strand transfer inhibitor. CROI 2025: Oral Abstract Session-07; Abstract #152 5 Griesel R: Proof-of-concept trial of oral VH4011499 (VH-499), a new HIV-1 capsid inhibitor. CROI 2025: Oral Abstract Session-07; Abstract #153 6 Jogiraju V: Pharmacokinetics and safety of once-yearly formulations of Lenacapavir. CROI 2025: Oral Abstract Session-07; Abstract #154 7 Rubinstein P: Sustained HIV remission despite transient rebound viremia after a CCR5Δ32/Δ32 stem cell transplant. CROI 2025; Poster Session-D05; Abstract #531 8 Barry M: The Doxy-PEP continuum among patients receiving care at a sexual health clinic in San Francisco. CROI 2025: Oral Abstract Session-08; Abstract #164
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