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Impfung schützt zuverlässig vor Infektion
Leading Opinions
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02.03.2017
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<p class="article-intro">Die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) ist in Europa und Asien die wichtigste durch Zecken übertragene Viruserkrankung. 5–10 % der Infizierten entwickeln z.T. schwere neurologische Symptome, die bei bis zu 30 % nicht vollständig abheilen. Durch eine Impfung, die für alle Personen über sechs Jahre, die in einem Endemiegebiet wohnen oder sich dort aufhalten, empfohlen wird, kann dies verhindert werden.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Im gesamten schweizerischen Mittelland gibt es FSME-Endemiegebiete.</li> <li>In zwei Dritteln der Fälle verläuft die FSME-Virusinfektion asymptomatisch.</li> <li>Ein Drittel der Infizierten erkrankt z.T. schwer, wobei ein zweigipfliger Verlauf typisch ist: 1. Phase: akutes virales Syndrom; 2. Phase: neurologische Symptome.</li> <li>Die Interpretation der Serologie kann schwierig sein; oft erlaubt erst der Titerverlauf eine eindeutige Diagnose.</li> <li>Personen über sechs Jahre, die in einem FSME-Endemiegebiet wohnen oder sich dort aufhalten, sollten sich gegen FSME impfen lassen.</li> </ul> </div> <h2>Epidemiologie</h2> <p>Die FSME ist in Russland und Asien weit verbreitet.<sup>1</sup> Sie kommt auch in ganz Europa vor, Hotspots sind hier die baltischen Staaten, Slowenien und Schweden.<sup>2</sup> In der Schweiz kommt die FSME im gesamten Mittelland vor (Abb. 1).<sup>1</sup> Oberhalb von 1500 müM gibt es keine Zecken und bisher sind keine Regionen mit FSMEinfizierten Zecken über 1000 müM bekannt. 3 In den Endemiegebieten sind 0,5–3 % der Zecken mit FSME infiziert.1 Die FSME-Inzidenz lag zwischen 2002 und 2015 bei durchschnittlich 1,7 Fällen pro 100 000 Einwohner und Jahr, was 100 bis 250 FSME-Fällen pro Jahr entspricht.<sup>3</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Innere_1701_Weblinks_s6_abb1.jpg" alt="" width="1449" height="1106" /></p> <h2>Krankheitsverlauf</h2> <p>In zwei Dritteln der Fälle verläuft die FSME-Virusinfektion ohne Symptome, beim restlichen Drittel treten 2 bis 28 Tage nach dem Zeckenstich grippeartige, völlig unspezifische Beschwerden auf, die etwa eine Woche dauern und ohne Residuen abheilen können. «Die FSME ist wie viele Virusinfektionen eine systemische Erkrankung und es sind auch schwere Verläufe bis hin zu Sepsis möglich», erklärte Dr. med. Madeleine Rothen, Infektiologin am Spital Thun, an einem Workshop im Rahmen des SGAIM Great Update. Bei etwa einem Drittel der Patienten treten nach einem beschwerdefreien Intervall von bis zu einer Woche erneut Fieber und zusätzlich neurologische Symptome auf, die Ausdruck einer Meningoenzephalitis, einer Meningitis, einer Enzephalomyelitis oder einer Radikulitis sind. Von diesen Patienten erholen sich etwa 70 % vollständig, bei ca. 30 % bleiben jedoch neurologische Defizite zurück.<sup>4</sup> Gemäss BAG stirbt einer von hundert Patienten mit neurologischen Symptomen an der FSME.<sup>1</sup> «Die FSME ist eine schwere Erkrankung, die wir ernst nehmen müssen», betonte Rothen.</p> <h2>FSME-Diagnostik</h2> <p>Da die Symptome in der ersten Krankheitsphase sehr unspezifisch sind, kann ein Zeckenstich in den vorhergehenden Wochen den Verdacht auf eine FSME lenken. «Auch die Interpretation der Serologie ist nicht immer einfach, die IgM-Antikörper sind unzuverlässig und oft kann die Diagnose erst gestellt werden, wenn der Verlauf eine eindeutige Serokonversion zeigt», erklärte Rothen. Der direkte Virusnachweis mittels PCR stellt keine Routineuntersuchung dar und auch der Nachweis einer intrathekalen Antikörperproduktion ist sehr selten indiziert.</p> <h2>FSME-Impfung</h2> <p>Gemäss den Empfehlungen der Eidgenössischen Kommission für Impffragen (EKIF) und des BAG sollten sich alle Personen über 6 Jahre, die in einem FSMEEndemiegebiet wohnen oder sich zeitweise dort aufhalten, gegen FSME impfen lassen.5 Bei diesen Personen werden die Kosten für die Impfung durch die obligatorische Grundversicherung übernommen.<br /> Die Impfung besteht aus inaktivierten Viren und für die vollständige Grundimmunisierung sind drei Injektionen (Monat 0, 1 und 6–12) notwendig. Grundsätzlich kann das ganze Jahr geimpft werden, es ist jedoch wichtig, dass die Impfintervalle eingehalten werden. Zwei Wochen nach der 2. Dosis zeigen 95 % der Geimpften eine Serokonversion, nach drei Dosen 99 % . Auffrischimpfungen werden von EKIF und BAG nur noch alle 10 Jahre empfohlen.<sup>5</sup> «Hier besteht seit vielen Jahren eine Diskrepanz zu den Empfehlungen im Kompendium, wonach die Impfung bereits nach drei Jahren aufgefrischt werden sollte. Es ist jedoch klar belegt, dass die Antikörper deutlich länger persistieren und bis 10 Jahre nach der Grundimmunisierung keine FSME-Infektionen auftreten», so Rothen.<sup>6</sup><br /> In bis zu 30 % können nach der Impfung lokale und in 10–22 % systemische Reaktionen (grippeähnliche Symptome) auftreten.<br /> Nach durchgemachter FSME persistiert die Immunität und es ist keine Impfung mehr nötig.<sup>7, 8</sup> «Da die FSME aber eine sehr schwere Krankheit ist, möchte ich doch allen Kollegen, die in einem FSME-Endemiegebiet praktizieren, ans Herz legen, allen Risikopersonen die Impfung zu empfehlen», schloss Rothen.</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Workshop im Rahmen des 6. SGAIM Great Update, 1. und
2. Dezember 2016, Interlaken
</p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Bundesamt für Gesundheit: www.fsme-schweiz.ch <strong>2</strong> European Centre for Disease Prevention and Control: Annual epidemiological report 2015. Tick-borne encephalitis. Stockholm: ECDC; 2016 <strong>3</strong> Bundesamt für Gesundheit: Impfen schützt vor Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME): Meldedaten Schweiz, 2002 bis 2015. Bull BAG 2016; (41): 622-6 <strong>4</strong> Lämmli B et al: [Late sequelae of early summer meningoencephalitis]. Schweiz Med Wochenschr 2000; 130; 909-15 <strong>5</strong> Bundesamt für Gesundheit und Eidgenössische Kommission für Impffragen (EKIF): Schweizerischer Impfplan 2016. www.infovac.ch/de/impfungen/ schweizerischer-impfplan <strong>6</strong> Rendi-Wagner P et al: Immunogenicity and safety of a booster vaccination against tick-borne encephalitis more than 3 years following the last immunisation. Vaccine 2004; 23: 427-34 <strong>7</strong> Bogovic P, Strle F: Tick-borne encephalitis: A review of epidemiology, clinical characteristics, and management. World J Clin Cases 2015; 3: 430-41 <strong>8</strong> Baldovin T et al: Persistence of immunity to tick-borne encephalitis after vaccination and natural infection. Med Virol 2012; 84: 1274-8</p>
</div>
</p>
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