
Highlights vom internationalen Aids-Kongress 2021
Bericht:
Dr. Norbert Hasenöhrl
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Der virtuelle Kongress der International AIDS Society 2021 bot eine Fülle von HIV-relevanter Information. Wir haben für Sie ganz subjektiv einige Highlights ausgesucht.
Altwerden mit HIV: Komorbiditäten und Altern1
Diese Sitzung untersuchte verschiedene Faktoren – auf HIV, den Patientenlebensstil und ART bzw. Polypharmazie bezogene –, die zum zunehmenden Risiko von Nicht-Aids-Komorbiditäten bei „people living with HIV“ (PLWH) beitragen.
Assoc. Prof. Nicholas Funderburg, Ohio State University, zeigte, dass von Monozyten abstammende Makrophagen (MDM), die von PLWH unter ART gewonnen wurden, phänotypische und funktionelle Abnormitäten aufweisen, einschließlich metabolischer und mitochondrialer Dysfunktionen. Solche MDM zeigen auch unterschiedliche Genaktivierungsmuster. Die Exposition gegenüber HIV selbst und ART führt zu epigenetischen Veränderungen in MDM, die ihr transkriptionelles und funktionelles Profil verändern. Sie könnten zu einem proatherogenen MDM-Phänotyp bei PLWH führen.
Lene Ryom, Centre of Excellence for Health, Immunity and Infections, Kopenhagen, betonte, wie wichtig neben ART-Toxizität und HIV-bezogenen Faktoren der Lebensstil und die Patientenfaktoren für Komorbiditäten sind. Manche Komorbiditäten, wie Hypertonie, Diabetes und Dyslipidämie, neigen dazu, gemeinsam aufzutreten, was auf eine identische zugrunde liegende Pathogenese hindeutet. Wirksame frühe Interventionen gegen solche gemeinsamen Faktoren können weitreichende Konsequenzen in Bezug auf spätere Multimorbidität haben. Ein multidisziplinärer Ansatz, aber auch mehrere klinische Studien zu den wirksamsten Interventionen sind zu fordern.
Prof. Richard Harding, King’s College London, schließlich betonte, dass eine personenzentrierte Zuwendung entscheidend ist, um physische, psychische, soziale und spirituelle Sorgen zu meistern.
Kritische Beurteilung (M. Massanella)
Alle Sprecher betonten die Wichtigkeit eines patientenzentrierten Modells mit multidisziplinären Teams und einem systematischen Ansatz, um das Management von PLWH zu verbessern. Zwar wurden in einigen Ländern bereits HIV-Komorbiditäts-Kliniken errichtet, dennoch fehlen noch immer Daten zur Frage, welches Betreuungsmodell das beste ist. Auch die Frage, welche „patient-reported outcomes“ zu definieren sind, ist nicht ausdiskutiert. Schließlich ist ein früher Einsatz von ART imstande, entzündliche und immunologische Störungen zu reduzieren, aber gewisse Dysfunktionen treten immer noch auf, was auf eine direkte ART-Toxizität hindeutet.
Covid-19 und HIV: überlappende Pandemien2
Viele Therapieprogramme haben schnell auf die Herausforderungen durch die Covid-19-Pandemie reagiert. Diese Programme benötigen jedoch zusätzliche Unterstützung. Obwohl manche HIV-Services durch die Covid-19-Pandemie unterbrochen wurden, gab es doch Synergien.
Mathematische Modelle für Subsahara-Afrika deuten darauf hin, dass die HIV-bezogene Mortalität in dieser Region wegen der kurzfristigen ART-Unterbrechungen in der Periode zwischen 2020 und 2025 um 15 bis 29% ansteigen wird. John Stover, University of Washington, zeigte, dass die HIV-Todesfälle, die durch ART-Services verhindert werden können, zahlreicher sind als die zu erwartenden Todesfälle durch Covid-19. Damit ist klar, dass die ART-Versorgung aufrechterhalten werden muss.
Prof. Charles Holmes, Georgetown Center for Innovation in Global Health, diskutierte die Antworten auf Covid-19 im Kontext der globalen Gesundheit und der HIV-Finanzierung und empfahl, potenzielle Synergien zu nützen, bessere Vorbereitung zu implementieren, Gesundheitsprodukte lokal herzustellen und auf strukturelle Risikofaktoren einzugehen.
Rageshri Dhairyawan, Queen Mary University of London, sprach über Ungleichheiten in der HIV-Behandlung. So haben z.B. ethnische Minderheiten in Großbritannien im Durchschnitt niedrigere CD4-Zellzahlen und verbringen weniger Zeit in Behandlung. Die Ursachen dafür können struktureller Rassismus, Homo- und Transphobie, Stigmatisierung und Diskriminierung sein. Es gilt, für eine Verbesserung der sozialen und der Lebensumstände marginalisierter Gruppen einzutreten, die am meisten von der Pandemie betroffen sind.
Kritische Beurteilung (S. H. Lim)
Konkrete und robuste Daten, sowohl global als auch aus Subsahara-Afrika, zeigen die reale Auswirkung von Covid-19 auf die HIV-Versorgung. Sie zeigen, dass eine essenzielle ART-Versorgung unbedingt aufrechterhalten und adaptiert werden muss, um in Zukunft HIV-bedingte Todesfälle zu verhindern. Mehr Anstrengungen müssen unternommen werden, um Ungleichheiten durch Armut und Gender-Benachteiligungen zu überwinden. Covid-19 hat existierende Lücken und Defizite in den Gesundheitssystemen sowohl innerhalb der Länder als auch zwischen ihnen deutlich gemacht.
Wie man dem Reservoir zu Leibe rückt3
Diese Sitzung beleuchtete die Wichtigkeit von verschiedenen CD4-Subsets für die Komplexität des latenten HIV-Reservoirs, sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen. Es wurde auch diskutiert, wie genetische Patientenfaktoren den Umfang des Reservoirs bei PLWH unter ART beeinflussen können.
Daniel Reeves, Fred Hutchinson Cancer Research Center, Seattle, erläuterte die „Passagier-Hypothese“, die beschreibt, wie eine komplexe Balance zwischen Zellproliferation und Zelltod dazu führt, das latente Reservoir über die Zeit aufrechtzuerhalten. Die Proliferation von HIV-infizierten Zellen ist der dominante Mechanismus, der zur Persistenz des Reservoirs führt. Strategien, um das Reservoir zu reduzieren, müssen sich sowohl gegen Mechanismen der Proliferation als auch der Differenzierung richten.
Wim Trypsteen, Ghent University, identifizierte SNP („single nucleotide polymorphisms“), die mit der Größe des Reservoirs korrelieren. Einige Gene (PTDSS2, RNH1 und IRF7) korrelieren mit der HIV-DNA und den RNA/DNA-Ratios. Aus peripheren Blutmonozyten konnten durch Stimulation mit einem TLR-Agonisten erhöhte Mengen von IFN-γ gewonnen werden. Diese Daten deuten auf neue molekulare Mechanismen der Entstehung und Aufrechterhaltung des HIV-Reservoirs hin und müssen weiter untersucht werden. Hier sind in Zukunft spannende Daten zu erwarten.
Jade Canape, Université de Montréal,zeigte, dass naive CD4-T-Zellen bei vertikal infizierten Kindern und Jugendlichen der wichtigste Zelltyp für die Ausbildung eines Translations-kompetenten Reservoirs sind. Dies betrifft alle Altersgruppen unter 18 Jahren, wobei sich das Verteilungsprofil der Zellen mit der Zeit progredient jenem von Erwachsenen annähert.
Kritische Beurteilung (J. Zerbato)
Trotz der vielen Jahre, in denen intensiv an der Charakterisierung des HIV-Reservoirs gearbeitet wurde, gibt es immer noch eine Menge Dinge in Bezug auf die HIV-Persistenz und -Aufrecherhaltung, die wir nicht verstehen. Dies gilt auch für die Frage, welche spezifischen Zielfaktoren für HIV-Heilungsstrategien infrage kommen. Klar dürfte jedoch sein, dass es sich um multiple Mechanismen handelt und dass die genetische Ausstattung des Patienten dabei eine Rolle spielt. Schließlich wurde auch klar, dass das Reservoir bei Kindern anders ist als bei Erwachsenen und dass therapienaive Zellen ein wichtiger Player bei der HIV-Persistenz sind.
Multifunktionsverhütung für Frauen4
Frauen, die ein erhöhtes Risiko für eine HIV-Ansteckung aufweisen und Empfängnisverhütung betreiben wollen, brauchen dringend Optionen für eine sogenannte Multifunktions-Prävention („multi-purpose prevention technologies“; MPT). Diese Sitzung ging der Frage nach, was die nächste Generation intravaginaler Produkte hier bieten wird.
Meg Doherty, Department of HIV/AIDS at the WHO, erinnerte daran, dass laut WHO Länder den Dapivirin-Vaginalring als zusätzliche Verhütungsoption Frauen anbieten sollten, die keine Präexpositionsprophylaxe (PrEP) verwenden wollen oder Probleme damit haben.
Prof. Andrea Thurman, Eastern Virginia Medical School, berichtete über fünf Phase-I-Studien mit dem Tenofovir- bzw. Tenofovir-Levonorgestrel-Intravaginalring. Die Sicherheit dieser Devices wurde gezeigt, wobei ähnliche Nebenwirkungsraten in allen Studienarmen auftraten. Der Ring führte weder zu Epithelunterbrechungen noch zu signifikanten Zyklusveränderungen. In der Vaginalflüssigkeit wurden hohe Tenofovir-Spiegel, im Vaginalepithel hohe Spiegel von Tenofovir-Disoproxil gefunden. Weiters fanden sich hohe Levonorgestrel(LNG)-Werte im Serum.
Prof. Sharon Hillier, University of Pittsburgh School of Medicine, präsentierte die Ergebnisse einer Phase-I-Sicherheitsstudie, in der die Teilnehmerinnen im Verhältnis 1:1:1 in folgende Gruppen randomisiert wurden: monatlicher 25mg-Dapivirin-Vaginalring (DPV-VR), dreimonatlicher 100mg-DPV-VR und dreimonatlicher 200mg-DPV-VR. Die Dreimonatsringe erreichten drei- bis viermal so hohe Konzentrationen im Zervixgewebe und waren sicher. Eine andere Studie mit einem 90-Tage-DPV/LNG-Vaginalring zeigte gute Verträglichkeit und hohe Spiegel von Dapivirin und Levonorgestrel. Allerdings führte die Entfernung des Rings zur Menstruationszeit zu einer schnellen Substanzabflutung im Blut und in der Vaginalflüssigkeit.
Kritische Beurteilung (E. Irungu)
Für Frauen, die keine orale PrEP verwenden können, ist der DPV-VR eine willkommene Option. Es gibt jedoch den Bedarf eines schnelleren und effizienteren Zugangs zu diesem Device. Die erwähnten Phase-I-Studien sind ermutigend und unterstützen die weitere klinische Entwicklung und Beurteilung. Der schnelle Abfall von LNG nach Entfernung des Rings muss im Hinblick auf die kontrazeptive Wirksamkeit weiter untersucht werden. Die Einführung von Dreimonatsprodukten wird länger anhaltende Optionen bei reduzierten Kosten bieten und damit die HIV-Prävention für Frauen verbessern.
Quelle:
11th IAS Conference on HIV Science: https://ias2021.org/ 1 Sitzung SY01, englische Zusammenfassung von Marta Massanella, Institut de Recerca de la Sida, Barcelona 2 Sitzung SY04, englische Zusammenfassung von Sin How Lim, Universiti Malaya 3 Sitzung OALA02, englische Zusammenfassung von Jennifer Zerbato, University of Pittsburgh 4 Sitzung SY56, englische Zusammenfassung von Elizabeth Irungu, University of Washington
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