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ChemSex

Auch für klinische Pharmazeuten ein Thema?

<p class="article-intro">Bericht vom 20<sup>th</sup> Clinical Pharmacology Workshop zu HIV, Hepatitis und anderen antiviralen Medikamenten in Noordwijk, Niederlande</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Seit M&auml;rz 2018 werden Patienten in einem Zentrum in Marseille bez&uuml;glich ihres Substanzkonsums befragt. Die Kohorte besteht aus 286 Patienten. 75 % der Befragten sind M&auml;nner in einem Alter von 19 bis 83 Jahren. Die Auswertung zeigte, dass jeder dritte Patient der Kohorte illegale Drogen konsumiert. 28 % dieser Patienten injizieren die Substanzen. 42 % der Patienten konsumieren an einem Abend mehr als eine Droge.<br />Dabei handelt es sich &uuml;berwiegend um die folgenden Substanzen: Cannabis (42 %), Poppers (17 %), Kokain (16 %), Ecstasy/MDMA (7 %), GHB/GBL (5 %), Cathinone (4 %), Methamphetamin-Derivative (2 %), Ketamin (2 %), synthetische Cannabinoide (1 %) und LSD (1 %).<sup>1</sup><br />Cathinone wie das Mephedron sind neue psychoaktive Substanzen. Sie sind verwandt mit der Gruppe der Amphetamine und werden auf der Stra&szlig;e &bdquo;Khat&ldquo; oder &bdquo;Badesalz&ldquo; genannt. Cathinone sind dem Antidepressivum Bupropion sehr &auml;hnlich, sodass dieses Antidepressivum f&uuml;r den Entzug eingesetzt wird.<br />Da 62 % dieser Substanzkonsumenten eine ART bekommen, ist ein Interaktions- Check essenziell. Diskutiert werden insbesondere Interaktionen mit den pharmakologischen Boostern Ritonavir und Cobicistat &uuml;ber das Isoenzym CYP2D6. Hier werden erh&ouml;hte Spiegel von MDMA, Methamphetamin, Cathinonen und Ketamin diskutiert (10 F&auml;lle). Weiter k&ouml;nnte eine CYP2C9- Inhibition von Cannabis mit Efavirenz oder Etravirin zu vermehrten Nebenwirkungen f&uuml;hren (5 F&auml;lle). Die Kombination von Kokain und Rilpivirin induziert eine verl&auml;ngerte QT-Prolongation. Bei dem Interaktionspotenzial von GHB/GBL herrscht Unklarheit. Da GHB/GBL eine geringe therapeutische Breite besitzt, k&ouml;nnen erh&ouml;hte GHB/GBL-Spiegel eine lebensbedrohliche Toxizit&auml;t ausl&ouml;sen.<br />Letztendlich sind die theoretischen &Uuml;berlegungen zum Interaktionspotenzial mit der klinischen Praxis abzugleichen. Der folgende hypothetische Fall zeigt auf, wo es noch Bedarf f&uuml;r Forschung gibt.</p> <h2>Interaktion von ART und Begleitmedikation unter ChemSex</h2> <p>Ein 53-j&auml;hriger HIV-positiver Patient konsumiert w&auml;hrend des Sex dreimal Methamphetamin. Das entspricht in etwa einer Menge von insgesamt ca. 30 mg Methamphetamin. Weiter konsumierte er Sildenafil 100 mg, was in Kombination mit Darunavir/ Ritonavir und Tenofovir/Emtricitabin zu erh&ouml;hten Sildenafil-Spiegeln f&uuml;hren kann. Die empfohlene Sildenafil-Dosis unter einem Booster betr&auml;gt 25 mg. W&auml;hrend des Sex bekommt der Patient Kopfschmerzen. Er kennt die Beschwerden und nimmt aufgrund seiner guten Erfahrung bei Kopfschmerzen Rizatriptan 10 mg ein.<br />Als Einschlafhilfe nach dem Substanzkonsum hat er sich Zopiclon in der Dosis von 7,5 mg zugelegt. Da die Kopfschmerzen am n&auml;chsten Tag nicht verschwinden, nimmt er eine weitere Tablette Rizatriptan 10 mg. Leider tritt der gew&uuml;nschte Effekt nicht ein. Er f&uuml;hlt sich zunehmend unwohler. Da er noch einen Freund vom Flughafen abholen m&ouml;chte, &bdquo;rei&szlig;t er sich zusammen&ldquo;. Nach der R&uuml;ckkehr vom Flughafen f&uuml;hlt er sich v&ouml;llig kaputt. Er interpretiert es als einen grippalen Infekt mit Durchfall und Erbrechen. Doch neben der leicht erh&ouml;hten Temperatur beschleunigen sich der Puls und die Atmung. Er kann die ganze Nacht nicht schlafen, ist agitiert bis depressiv und versucht noch mehrmals zu erbrechen. Am n&auml;chsten Tag lassen die Symptome langsam nach. Trotzdem sucht er seinen Arzt auf. Dieser vermutet ein Serotoninsyndrom.<br />Rizatriptan ist ein Serotoninagonist und kontraindiziert mit Serotonin-Wiederaufnahmehemmern, zu denen auch Methamphetamin bzw. Crystal Meth geh&ouml;rt. Serotonin- Wiederaufnahmehemmer k&ouml;nnen in Verbindung mit der H&ouml;chstdosis Rizatriptan (20 mg innerhalb von 24 Stunden) ein Serotoninsyndrom ausl&ouml;sen.<sup>4</sup> Weiter weist der Arzt auf die reduzierte Dosis des Phosphodiesterase-V-Hemmers Sildenafil in Kombination mit Boostersubstanzen hin.<sup>5</sup><br />Gerade in der Kombination von verschreibungspflichtigen Medikamenten mit illegalen Substanzen liegen oft Risiken, die den Anwendern nicht bewusst sind. Umso wichtiger ist es, dass die Substanzkonsumenten mit ihren &Auml;rzten offen und ohne verurteilt zu werden &uuml;ber ihr Konsumverhalten sprechen k&ouml;nnen. Die psychischen Auswirkungen des Serotoninsyndroms und die Nachwirkung des Crystal-Meth-Konsums &uuml;berlagerten sich und f&uuml;hrten zu einer als sehr unangenehm empfundenen k&ouml;rperlichen und psychischen Verfassung.</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: 20<sup>th</sup> International Workshop on Clinical Pharmacology of HIV, Hepatitis & Other Antiviral Drugs, May 14 – 16, 2019. Noordwijk, the Netherlands </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Martin T et al.: 20<sup>th</sup> International Workshop on Clinical Pharmacology of HIV, Hepatitis &amp; Other Antiviral Drugs; Abstract #6 <strong>2</strong> Welch RD et al.: Ann Emerg Med 1991; 20(2): 154-7 <strong>3</strong> David Stuart, INXFO Expertenrat, www.inxfo.de 2016 <strong>4</strong> Siegfried Schwarze, Serotinagonisten INXFO, Fall- Letter. 2019 <strong>5</strong> University of Liverpool. HIV Drug Interactions. https://www.hiv-druginteractions.org</p> </div> </p>
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