
Medikamentöse Therapie von rezidivierten oder metastasierenden Speicheldrüsenkarzinomen
Klinik und Poliklinik <br>für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten,<br>plastische und ästhetische Operationen<br>Universitätsklinikum Würzburg<br>E-Mail: hackenberg_s@ukw.de
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Im Rahmen einer Literaturrecherche wurde die medikamentöse Behandlung der äußerst heterogenen Gruppe der Speicheldrüsenkarzinome untersucht. Neben der chirurgischen Resektion sind in Abhängigkeit von der Klassifizierung der Tumoren unterschiedliche chemo- oder immuntherapeutische Ansätze indiziert.
Keypoints
Speicheldrüsenkarzinome sind eine extrem heterogene Gruppe von Erkrankungen. Die primäre Therapie besteht in der Regel aus einer Operation mit oder ohne adjuvante Behandlung.
Medikamentöse Therapiekonzepte betreffen in der Regel die Palliativsituation.
Trotz des Therapiefortschritts liegen die Ansprechraten entsprechender Wirkstoffe
im Rahmen einer Palliativtherapie oft unter 20 %.Die personalisierte Medizin mit der Erstellung eines individuellen genetischen Profils und eines auf den Patienten zugeschnittenen Therapiekonzepts könnte zukünftig vielversprechende Ergebnisse liefern.
Einleitung
Speicheldrüsenkarzinome stellen eine äußerst heterogene Gruppe von Erkrankungen dar. Sie machen nur 6% aller bösartigen Tumoren der Kopf- und Halsregion aus. In der aktuellen WHO-Klassifikation sind mehr als 20 Entitäten definiert.
Die primäre Therapie von Speicheldrüsenkarzinomen besteht in erster Linie in der kompletten chirurgischen Entfernung. Je nach Krankheitsstadium und Resektionsstatus werden auch adjuvante Konzepte in kurative Ansätze einbezogen. Medikamentöse Therapieansätze sind rezidivierten oder metastasierenden, chirurgisch nicht resektablen Fällen vorbehalten. Der folgende Artikel soll exemplarisch einige wichtige Entitäten herausgreifen und deren medikamentöse Therapiemöglichkeiten hervorheben.
Methodik und Ergebnisse
Es erfolgte eine Literaturrecherche über einen Zeitraum von 25 Jahren. Hierbei wurden mehr als 100 Studien zur medikamentösen Therapie von Speicheldrüsenkarzinomen identifiziert. Dabei handelte es sich im Wesentlichen um Phase-II-Studien mit kleinen Patientenzahlen, oft unter 30. In der Regel wurden verschiedene Karzinomentitäten gemeinsam in einer Studie betrachtet. Nicht selten fanden sich Publikationen, in denen einzelne Entitäten innerhalb der Studien nur einmal vertreten waren. Häufig erfolgt eine Gruppenbildung im betrachteten Patientenkollektiv mit einer Differenzierung zwischen adenoidzystischen Karzinomen und nichtadenoidzystischen Karzinomen. Die nichtadenoidzystischen Karzinome wurden gemeinsam ausgewertet und nicht entitätsspezifisch aufgearbeitet. Die Nachbeobachtungszeiträume betrugen in der Regel maximal ein Jahr.
Adenoidzystische Karzinome
Adenoidzystische Karzinome sind gekennzeichnet durch ein eher langsames Wachstum, eine Perineuralscheideninfiltration ist typisch für diese Entität. In der Mehrzahl der Fälle kann der Lokalbefund suffizient chirurgisch saniert werden, die 10-Jahres-Überlebensrate ist aber aufgrund von spät auftretenden Lungenmetastasen trotzdem niedrig. Rezidivierte und metastasierende adenoidzystische Karzinome sollten vorzugsweise mit Einzelsubstanzen behandelt werden. Hier bieten sich Mitoxantron, Vinorelbin oder Epirubicin an. Es wurde auch über wirksame Chemotherapiekombinationen berichtet, typisch ist hierbei das sogenannte CAP-Schema. Dieses beinhaltet neben Cisplatin Doxorubicin und Cyclophosphamid. Adenoidzystische Karzinome sind meist negativ für Hormonrezeptoren. Damit entfallen entsprechende Therapeutika. Eine aktuelle Studie zeigte einen Vorteil im progressionsfreien Überlebendurch Axitinib, einen antiangiogenetischen Wirkstoff. Aufgrund des sehr langsamen Wachstums wird nicht selten ein abwartendes Prozedere eingeschlagen.
Nichtadenoidzystische Karzinome
Das Mukoepidermoidkarzinom ist das häufigste Speicheldrüsenkarzinom. Es kann in der Regel chirurgisch kurativ behandelt werden, Rezidive oder Fernmetastasen treten seltener auf als beim adenoidzystischen Karzinom. Daher ist das Mukoepidermoidkarzinom in vielen Studien zur palliativen medikamentösen Therapie von Speicheldrüsenkarzinomen kaum vertreten. Im Gegensatz zum adenoidzystischen Karzinom spricht das Mukoepidermoidkarzinom auf Paclitaxel an. Da diese Tumoren teilweise in hohem Maß den „epidermal growth factor receptor“ (EGFR) exprimieren, bieten sich passende zielgerichtete Antikörpertherapien an.
Das Adenokarzinom der Speicheldrüsen wird in der rezidivierten oder metastasierenden Situation bevorzugt mit Chemotherapiekombinationen in Anlehnung an das adenoidzystische Karzinom behandelt. Hier existieren Daten zur Gabe des CAP-Schemas, allerdings nur mit moderater Antitumoraktivität. Adenokarzinome können auch EGFR überexprimieren, daher bieten sich zielgerichtete Antikörpertherapien an.
Sekretorische Speicheldrüsenkarzinomen (früher: „mammary analogue secretory carcinoma“,MASC) zeigen in fast 100% der Fälle eine NTRK-Genfusion. Diese kann spezifisch mit dem Wirkstoff Entrectinib behandelt werden. Eine hochrangig publizierte Basket-Studie zeigte Ansprechraten von über 50% in einer gemischten Tumorentitätspopulation und sogar über 70% bei einzelnen Entitäten (z.B. beim nichtkleinzelligen Bronchialkarzinom).
Das Speichelgangkarzinom zeigt teilweise eine Positivität für Androgenrezeptoren oder HER2. Entsprechende immunhistologische Untersuchungen sind daher stets indiziert. Neuere Studien geben Hinweise auf die Wirksamkeit einer Immuntherapie mit PD-1-Inhibitoren. Hier sind umfangreichere Daten abzuwarten.
HRAS-Mutationen sind im Kopf-Hals-Bereich mit 5% unter den Plattenepithelkarzinomen selten. Epithelial-myoepitheliale Speicheldrüsenkarzinome hingegen zeigen in 30% der Fälle aktivierende HRAS-Mutationen. Solche Tumoren können spezifisch mit dem Farnesyltransferase-Inhibitor Tipifarnib behandelt werden, welcher auch eine Wirksamkeit bei HRAS-mutierten Plattenepithelkarzinomen zeigt.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die verfügbaren Daten für die medikamentöse Behandlung rezidivierter oder metastasierender Speicheldrüsenkarzinome im Rahmen palliativer Therapiekonzepte relativ schwach sind. Die Ansprechraten entsprechender Substanzen liegen häufig unter 20%. Viele der Phase-II-Studien zu dieser Fragestellung umfassen einen Nachbeobachtungszeitraum von unter einem Jahr. Aufgrund des oft langsamen Wachstums der Tumoren ist dies nicht ausreichend. Des Weiteren wird die Vielfalt der Entitäten aufgrund der Seltenheit der einzelnen Subtypen naturgemäß nicht berücksichtigt. Selbstverständlich können die einzelnen Entitäten in keiner Weise miteinander verglichen werden. Insbesondere die zukünftigen Ansätze einer personalisierten Medizin und Präzisionsonkologie mit der Erstellung eines molekularen Profils jedes einzelnen Patienten sind gerade in der Behandlung von Speicheldrüsenkarzinomen vielversprechend.
Weiterführende Literatur:
● De Block K et al.: Metastatic HER-2-positive salivary gland carcinoma treated with trastuzumab and a taxane: a series of six patients. Acta Clin Belg 2016; 71(6): 383-8 ● Doebele RC et al.: Entrectinib in patients with advanced or metastatic NTRK fusion-positive solid tumours: integrated analysis of three phase 1-2 trials. Lancet Oncol 2020; 21(2): 271-82● Gibbons MD et al.: Molecular differences in mucoepidermoid carcinoma and adenoid cystic carcinoma of the major salivary glands. Laryngoscope 2001; 111(8): 1373-8 ● Hanna GJ et al.: Tipifarnib in recurrent, metastatic HRAS-mutant salivary gland cancer. Cancer 2020; 126(17): 3972-81● Katopodi E et al.: Immunohistochemical detection of epidermal growth factor and its receptor in salivary gland carcinomas. Oral Surg Oral Med Oral Pathol Oral Radiol Endod 2003; 95(3): 266-8 ● Keam B et al.: Randomized phase II study of axitinib versus oberservation in patients with recurred or metastatic adenoid cystic carcinoma. J Clin Oncol 2020; 38(15): 15S (supplement)
● Laurie SA, Licitra L.: Systemic therapy in the palliative management of advanced salivary gland cancers. J Clin Oncol 2006; 24(17): 2673-8
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