Die „Dorsal preservation“-Septorhinoplastik: ein Überblick
Autor:
Priv.-Doz. DDr. Thomas Weiland
Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde
Medizinische Universität Graz
E-Mail: thomas.weiland@medunigraz.at
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In den letzten Jahren hat die Renaissance der „Dorsal preservation“-Septorhinoplastik immer mehr begeisterte Anhänger gefunden. Das Aufgreifen dieser alten Technik und ihre Modifikation aufgrund eines besseren anatomischen Verständnisses und neuer technischer Innovationen wie etwa der piezoelektrischen Osteotomie ermöglichen mittlerweile sehr gute, reproduzierbare Ergebnisse, ohne die Notwendigkeit, die Integrität des natürlichen Nasenrückens zu zerstören.
Keypoints
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Viele unterschiedliche DPR-Techniken führen zu verlässlich guten, reproduzierbaren Ergebnissen, zumindest in geübten Händen.
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Der entscheidende Vorteil im Vergleich zur strukturellen Technik liegt in der Bewahrung der natürlichen Anatomie des Nasenrückens und somit der Vermeidung von postoperativen Unregelmäßigkeiten ebendort.
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Grundsätzlich ist die DPR nicht für Anfänger in der SRP gedacht, vielmehr liegt hier die Indikation beim erfahrenen Nasenchirurgen, der bereits geübt in der strukturellen SRP ist und ein gutes Verständnis für die komplexe Anatomie hat.
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Ein weiterer potenzieller Vorteil ist, dass sich notwendige Revisionen zumeist im Rahmen kleinerer Eingriffe bewerkstelligen lassen.
Die strukturelle Nasenkorrektur galt in den letzten Jahrzehnten als der Goldstandard in der plastischen Nasenchirurgie. In den meisten Fällen wird dabei eine Verkleinerung der Nase angestrebt, mit dem Ziel, das Nasenrückenprofil, etwa bei Höcker- oder Spannungsnase, zu senken. Überbegrifflich werden diese Verfahren als „Reduktions-Septorhinoplastiken“ (Reduktions-SRP) bezeichnet.
Einerseits wird dabei das ästhetische Ideal eines geraden bzw. leicht konkaven Nasenrückens angestrebt, andererseits soll sich bei Spannungsnasen zusätzlich die Nasenatmungsfunktion durch Erweiterung der inneren Nasenklappe verbessern. In der Vergangenheit wurden zu diesem Zweck sogenannte „En-bloc-Höcker-Resektionen“ ohne anschließende Rekonstruktion durchgeführt. Längerfristig zeigte sich danach jedoch häufig eine „Inverted-V-Deformität“, wobei es durch Abrutschen schwacher Seitenknorpel zu einer Nasenatmungsbehinderung sowie zu einer kosmetisch unschönen Deformität am Nasenrücken kam.
Sequenzielle Höckerabtragung
Aus diesem Grund wird heutzutage eine „sequenzielle Höckerabtragung“ durchgeführt, wobei in Teilschritten das knöcherne Nasendach abgetragen, der Lateralknorpel vom Septum getrennt wird und in weiterer Folge das Septum in der Höhe gekürzt wird. Diese Technik gilt als wesentlich kontrollierteres Verfahren und soll vor allem Überresektionen am Nasenrücken verhindern. Ein essenzieller Bestandteil ist die nachfolgende Rekonstruktion des knorpeligen Nasenrückens. Hierfür werden in der Regel entweder sogenannte „Auto-Spreader-Flaps“ verwendet, wobei der ungekürzte Lateralknorpel nach innen geschlagen wird und mittels Matratzennähten wieder am Septum fixiert wird. Oder es werden alternativ dazu „spreader grafts“ verwendet: Knorpelstreifen werden als Interponat zwischen den Oberkanten der Lateralknorpel und des Septums eingenäht.
Beide Techniken haben das Ziel, einen Kollaps der inneren Nasenklappe zu verhindern. Obwohl diese Verfahren als äußerst zuverlässig und reproduzierbar gelten, so haben sie trotz mittlerweile ausgefeilter Camouflage-Techniken im langfristigen Wundheilungsverlauf zwangsläufig Nachteile im Sinne von sicht- und/oder tastbaren Unregelmäßigkeiten am Nasenrücken.
Aus diesem Grund haben sich Chirurgen bereits ab Ende des 19. Jahrhunderts (Dr. Joseph Goodale, Bristol, 1899) Gedanken gemacht, ob es denn möglich wäre, das Nasenrückenprofil zu reduzieren, ohne dabei die Integrität des knorpelig-knöchernen Nasenrückens zu verletzen. Weitere Nasenchirurgen wie etwa Dr. Oliver Lothrop (1914), Boston, und Dr. Maurice Cottle (1946), Chicago, publizierten hierzu später ihre Techniken, die propagierten, dass man durch Resektionen an der Basis der Nasenseitenwände und des Septums eine Senkung des Nasenrückens erreichen könne, ohne direkte Resektionen am Nasenrücken durchzuführen.
Obwohl es auch ab den 1970er-Jahren vereinzelt namhafte Chirurgen gab, welche diese Techniken vertraten, kam es nie zum großen Durchbruch. Insbesondere die Entwicklung der oben erwähnten strukturellen SRP und des offenen Zugangs mit der Möglichkeit, gezielte Veränderung am Nasengerüst durch „Grafting“ zu erzielen, drängte die „Nasenrücken-erhaltenden Techniken“ in den Hintergrund. Erst in den letzten Jahren erfuhr die „dorsal-preservation rhinoplasty“ (DPR) durch Veröffentlichungen einer internationalen Arbeitsgruppe rund um den Nasenchirurgen Dr. Yves Saban, Paris, wieder deutlich an Aufwind. Hierbei wurden alte Techniken wieder aufgegriffen und modifiziert, sodass kontrollierte und reproduzierbare Ergebnisse gezeigt werden konnten.
„Preservation rhinoplasty“
Die Philosophie der „preservation rhinoplasty“ (PR) ist, eine Modifikation der Nasenform durch Remodeling anstatt durch direkte Resektionen am Nasenrücken zu erreichen. Die Idee ist, unter dem Nasengewölbe Raum zu schaffen, in den Nasenstrukturen bewegt werden können, ohne die Integrität des osseo-cartilaginären Nasengewölbes und der „keystone area“ zu zerstören.
Der Überbegriff „preservation rhinoplasty“ umfasst einerseits das Konzept der Nasenrücken-erhaltenden Reduktions-Septorhinoplastik, andererseits auch den nach Möglichkeit maximalen Erhalt von ligamentären Strukturen und möglichst sparsame Resektionen, insbesondere im Bereich der Flügelknorpel.
Verschiedene Techniken, unterschiedliche Argumente
In der Literatur sind viele unterschiedliche Zugangs- und Präparationstechniken beschrieben. Grundsätzlich kann für eine DPR sowohl ein offener als auch ein geschlossener chirurgischer Zugang gewählt werden. Renommierte Chirurgen, wie etwa Dr. Baris Cakir, Istanbul, propagieren die subperichondrale bzw. subperiostale Präparation der Flügelknorpel und des Nasenrückens mit dem Ziel, die ligamentären Strukturen maximal zu wahren. Andere renommierte Chirurgen, wie etwa Dr. Milos Kovacevic, Hamburg, argumentieren, dass der Flügelknorpel in einer supraperichondralen Präparationstechnik weniger leicht einreißen bzw. verletzt werden kann.
Im Allgemeinen werden bei der Reduktions-DPR „Surface-Techniken“, wie etwa die „Spareroof-Techniken“ von Ishida/Ferreiro,1 von den wohl weitaus häufiger angewendeten „Foundation-Techniken“ unterschieden. Immer häufiger werden auch sogenannte „Hybrid-Techniken“ beschrieben, welche DPR-Verfahren mit strukturellen Techniken kombinieren. Wie in der Originalpublikation von Saban et al. 2018 beschrieben, wird bei den Foundation-Techniken zur Nasenrückenreduktion die „push-down SRP“ von der „let-down SRP“ unterschieden.2
Ideale Kandidaten für eine DPR sind Patienten mit normaler bis hoher Radix, einem schmalen, überprojizierten Nasenrücken im Sinne einer Höcker- oder Spannungsnase mit im besten Fall vorwiegend knorpeligem Höckeranteil. Relative Kontraindikationen bestehen bei Patienten mit niedriger Radix, komplexen Septumdeviationen und breitem, unförmigem Nasenrücken.
Bei der „push-down SRP“ werden Reduktionen des Nasenrückenprofils bis zu 4mm angestrebt. Dafür sind zirkuläre Osteotomien inklusive einer Radixosteotomie sowie eine Streifenresektion im Bereich des Septums notwendig. In weiterer Folge werden die Nasenseitenwände in die Apertura piriformis gedrückt und der Nasenrücken wird so abgesenkt.
Ein Nachteil ist das Risiko einer potenziellen Stenosierung des knöchernen Atemwegs. Bei Patienten mit deutlich überprojiziertem Nasenrücken über 4mm ist eine „let-down SRP“ angezeigt. Hierbei werden ebenso zirkuläre Osteotomien inklusive Radixosteotomie sowie eine Resektion am Nasenseptum durchgeführt. Zusätzlich erfolgen allerdings keilförmige Resektionen an der Basis der knöchernen Seitenwände, sogenannte „wedge resections“, um mehr Raum für die Nasenrückenreduktion zu erreichen. Insbesondere für diese Art von Osteotomien hat sich in den letzten Jahren das Piezotom als ideales Instrument erwiesen. Dabei werden piezoelektrische Vibrationen in niedrigen Frequenzen genutzt, um mineralisierte Strukturen wie etwa Knochengewebe präzise und kontrolliert zu schneiden. Ein großer Vorteil ist, dass bei regelrechter Anwendung ein Schneiden von Weichteilgewebe nicht möglich ist. Als chirurgischer Zugang wird hierfür zumeist ein sogenannter „full open approach“ (Gerbault/Kovacevic) mit kompletter Präparation der knöchernen Seitenwände gewählt. In der Literatur werden allerdings auch alternativ piezoassistierte Osteotomien im Rahmen eines geschlossenen Zugangs beschrieben. Mittlerweile sind viele unterschiedliche Techniken zur Septumresektion im Rahmen der DPR beschrieben.
Risiken der DPR
Aufgrund natürlicher Rückstellkräfte der Nase („blocking points“) stellt der Verbleib eines Resthöckers bzw. das Auftreten eines Höckerrezidivs ein häufiges Problem der DPR dar. Um dieses Risiko möglichst gering zu halten, ist eine adäquate Patientenauswahl von größter Bedeutung. Insbesondere die präoperative Beurteilung der Form des knöchernen Höckeranteils ist hierbei wichtig. In der Publikation von Lazovic et al. (2015) werden v-förmig konfigurierte Nasenbeine von s-förmigen Nasenbeinen unterschieden.3 Für den DPR-Anfänger besteht hier klar die Empfehlung, nur Patienten mit v-förmigem Höcker zu operieren, da s-förmige Höcker weitaus schwieriger zu adressieren sind.
Viele Chirurgen haben sich über die ideale DPR-Technik bei s-förmiger Höckeranatomie den Kopf zerbrochen. Ein entscheidender Schritt hierbei wurde vor wenigen Jahren von Goksel und Saban beschrieben, die ein Ablösen der sogenannten „lateral keystone area“ („Ballerina-Manöver“) propagierten, um so ein Gelenk im Bereich der „dorsal keystone area“ zu schaffen und ein gleichzeitiges Strecken der Nase in der Sagittalebene zu erreichen.4 Auch der von Kovacevic und Toriumi beschriebene „subdorsal z-flap“, eine Schnitt- bzw. Resektionstechnik im hohen Septumbereich, soll eine Streckung in der Sagittalebene ermöglichen.5 Außerdem ist die Nahtfixation des knorpeligen Nasenrückens am Septum empfohlen, um die Rückstellkräfte der Nase zu minimieren.
Ein weiteres Risiko der DPR ist eine sicht- oder tastbare Stufenbildung im Bereich der Radix. Um dies zu vermeiden, werden eine schräg verlaufende Radix-osteotomie sowie triangulär konfigurierte subdorsale Septumresektionen empfohlen.
Zur Vermeidung von Einsattelungen im Supratip-Bereich wird empfohlen, Überresektionen des Septums zu vermeiden und sich eher schrittweise heranzutasten. Eine wohl äußerst seltene, dennoch schwerwiegende Komplikation ist die Verletzung der Schädelbasis. Um dieses Risiko zu minimieren, wird eine strukturierte Abfolge der Osteotomien empfohlen, um zu vermeiden, dass die Nasenpyramide gegen Ende lediglich nur mit dem oft dünnen knöchernen Septum in Verbindung steht. Zudem soll übermäßige Kraftausübung im Sinne von unkontrollierten Druck- und Hebelbewegungen vermieden werden.
Weitere Indikationen
Die Indikationen für die DPR werden stetig erweitert. Neben Höcker- oder Spannungsnasen sind unter anderem Patienten mit angeborenen Schiefnasen ideale Kandidaten für die DPR. Aber auch Patienten, die an einer Sattelnase leiden, können mittlerweile im Rahmen eines „DPR push-up“ problemlos behandelt werden.
Literatur:
1 Ferreira MG et al.: Ferreira-Ishida technique: spare roof technique B. Step-by-step guide to preserving the bony cap while dehumping. Plastic Reconstr Surg 2022; 149(5): 901e-4 2 Saban Y et al.: Dorsal preservation: the push down technique reassessed. Aesthetic Surg J 2018; 38(2): 117-31 3 Lazovic GD et al.: Rhinoplasty: the nasal bones – anatomy and analysis. Aesthetic Surg J 2015; 35(3): 255-63 4 Goksel A, Saban Y: Open Piezo Preservation Rhinoplasty: A case report of the new rhinoplasty approach. Facial Plast Surg 2019; 35(1): 113-8 5 Kovacevic M et al.: Die nasenrückenerhaltende „Dorsal-Preservation“-Septorhinoplastik.“ HNO 2021; 69(10): 817-27
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