Akuter Thoraxschmerz und Dyspnoe im Nachtdienst – ein pragmatischer Ansatz
Autor:
Prim. Priv.-Doz. Dr. Ronald K. Binder, FESC
Abteilung für Innere Medizin II
Kardiologie und Intensivmedizin
Klinikum Wels-Grieskirchen
E-Mail: ronald.binder@klinikum-wegr.at
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Bei akutem Thoraxschmerz oder Dyspnoe im Nachtdienst sollte eine vitale Gefährdung initial anhand der Vitalparameter erkannt werden. Potenziell tödliche Ursachen sollten primär evaluiert werden: Anamnese, klinische Untersuchung, Vitalparameter, EKG und Laborparameter weisen den Weg der weiteren Abklärung mittels Bildgebung.
Keypoints
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Bei akuter Dyspnoe oder Thoraxschmerz im Nachtdienst Vitalparameter erheben, EKG schreiben und Anamnese sowie klinischen Status erheben.
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Nach dem ABCDE-Schema vorgehen: Airway, Breathing, Circulation, Disability, Exposure.
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Auf „red flags“ achten: Synkope, Hypotonie, Schock, Bewusstseinsveränderung, Brady- oder Tachykardie, erhöhte Atemarbeit, Entsättigung, Zyanose.
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An potenziell unmittelbar tödliche Ursachen denken: Herzinfarkt, Lungenembolie, Aortendissektion, Spannungspneumothorax, Perikardtamponade und Ösophagusruptur.
Akuter Thoraxschmerz und Dyspnoe sind häufige Beschwerden in der Notaufnahme oder im Nachtdienst. Wie der Titel dieses Artikel schon suggeriert, geht es um einen pragmatischen und alltagstauglichen Ansatz.
Pragmatisches Vorgehen in der Akutsituation
Wenn Sie während Ihres Nachtdienstes um zwei Uhr Früh von der Diplompflegefachfrau mit der Information „Herr Meier hat Thoraxschmerz oder Luftnot“ angerufen werden, sollten Sie am Telefon bereits nach den Vitalparametern fragen (Blutdruck, Puls, Sättigung, Temperatur und Atemfrequenz), ein EKG oder das EKG-Gerät bereitstellen lassen und die Patientenkurve bzw. Krankengeschichte ans Krankenbett bringen lassen. Geben die Vitalparameter Hinweise auf eine vitale Gefährdung, sollte der Patient monitorisiert werden. Auf dem Weg zu Herrn Meier machen Sie sich die Fallstricke bei den Vitalparametern bewusst (Tab.1) und denken Sie an die „red flags“ bei Thoraxschmerz und Luftnot (Tab. 2).
Wenn Sie bei Herrn Meier angekommen sind, dann sind die Basis Ihrer Abklärungen die Anamnese und der klinische Status – insbesondere die Auskultation. In einer Akutsituation laufen Anamnese und Status oft parallel ab, wobei man während der Krankenuntersuchung mit dem Patienten spricht. Hier kann bei entsprechender Expertise auch bereits ein „point of care ultrasound“ (POCUS; Point-of-Care-Ultraschall) durchgeführt werden. Systematisch sollte bei der Untersuchung nach dem ABCDE-Schema vorgegangen werden (Tab. 3). Weiters kann zur Objektivierung des aktuellen Gastaustausches eine Blutgasanalyse hilfreich sein.
Lebensbedrohliche Ursachen eruieren
Im Nachtdienst gilt es die unmittelbar lebensbedrohlichen Ursachen des Thoraxschmerzes zu erkennen: Herzinfarkt, Lungenembolie, Aortendissektion, Spannungspneumothorax, Perikardtamponade und Ösophagusruptur.
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Der Herzinfarkt ist die häufigste lebensbedrohliche Ursache bei Brustschmerzen. Die Diagnose wird durch Anamnese, EKG und Biomarker gestellt (Abb. 1). Die Brustschmerzen werden meist als flächenförmig sowie drückend, klemmend oder brennend beschrieben und können in den Unterkiefer, zwischen die Schulterblätter, in den Oberbauch sowie in den linken (häufiger und sensitiver) und/oder rechten Arm (seltener, aber spezifischer) ausstrahlen. Der Vergleich mit einem Vor-EKG hilft bei der Beurteilung von Repolarisationsstörungen. Bei akuten ST-Streckenhebungen (Differenzialdiagnose [DD] Perikarditis) liegt meist ein kompletter Verschluss einer epikardialen Koronararterie vor und es sollte eine zügige Reperfusion angestrebt werden. Das Troponin ist ein herzspezifischer Marker und mit unauffälligen Werten insbesondere bei Ein- oder Mehrstundenkontrollen kann ein akutes Koronarsyndrom mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Ein erhöhter Troponinwert findet sich allerdings bei zahlreichen anderen Erkrankungen (z. B. Thoraxtrauma, Sepsis, epileptischer Anfall).
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Bei einer Lungenembolie (LE) gibt es kein pathognomonisches Zeichen. Der Schmerz der LE beginnt meist plötzlich und kann atemabhängig sein. Eine Tumorerkrankung, Bettlägerigkeit, Extremitätenoperation oder ein einseitig geschwollenes Bein sind zusätzliche Indizien. Im EKG finden sich meist eine Tachykardie sowie Repolarisationsstörungen rechts präkordial, aber der SI-QIII-Typ ist wenig sensitiv. Etwa 2 % aller Patienten, welche nach einer Synkope in die Notaufnahme kommen, haben eine LE. Bei starkem Verdacht sollte ein Angio-CT-Thorax durchgeführt werden, bei mäßigem Verdacht können die D-Dimere abgewartet werden.
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Der Schmerz der Aortendissektion zählt zu den stärksten Schmerzen und kann als schneidend oder reißend empfunden werden sowie durch Thorax und Abdomen wandern – je nachdem, wo die Dissektion gerade fortschreitet. Ein neues Diastolikum, eine fluktuierende neurologische Symptomatik und Blutdruck- sowie Pulsdifferenzen sind Hinweise auf eine Aortendissektion. Die meisten Patienten sind initial hyperton und werden erst im Verlauf hypoton. Da die Mortalität der Typ-A-Dissektion 1 % pro Stunde beträgt, ist eine rasche Diagnose mittels Computertomografie entscheidend. Bei starkem Verdacht sollten die D-Dimere nicht abgewartet werden, welche bei Aortendissektion in der Regel erhöht sind.
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Der Spannungspneumothorax, der auch spontan bei vorher gesunden Menschen auftreten kann, lässt sich klinisch diagnostizieren. Eine Asymmetrie der rechten und linken Lunge bei Auskultation und Perkussion, gestaute Halsvenen und Hypotonie oder Sauerstoffentsättigung sind diagnoseweisend. Im Röntgen wird der Pneumothorax bestätigt und sollte unmittelbar mit einer Drainage therapiert werden.
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Eine Perikardtamponade entsteht nur selten spontan. Meist tritt diese nach einem Thoraxtrauma oder einem kardiologischen oder herzchirurgischen Eingriff auf. Eine Tamponade kann aber auch mit einem Infekt oder einer Tumorerkrankung assoziiert sein. Klinisch erhärtet die Beck’sche Trias die Verdachtsdiagnose: Hypotonie, gestaute Halsvenen, leise Herztöne. Mittels Echokardiografie bzw. im Rahmen des POCUS wird die Diagnose gesichert und der Erguss dann sofort drainiert.
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Eine Ösophagusruptur ist sehr selten. Die mechanische Belastung der Speiseröhre während des Erbrechens kann insbesondere bei vorgeschädigtem Ösophagus zur Ruptur führen. Entsprechend ist die Reihenfolge der Ereignisse anamnestisch: erst das Erbrechen und dann der Schmerz. Die klinische Untersuchung ist meist unspezifisch, doch freie Luft im Thoraxröntgen oder im CT liefert den entscheidenden Hinweis. Ein rasche intravenöse Antibiotikagabe und chirurgische Vorstellung sind für den Verlauf entscheidend.
Wenn Herr Meier in Ihrem Nachtdienst primär über Luftnot berichtet, so bringt die Auskultation der Lunge entscheidende Hinweise.
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Feuchte Rasselgeräusche: Lungenödem
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Giemen:
a. Patient jung: Asthma
b. Patient mittleren Alters: COPD
c. Patient alt: Herzinsuffizienz -
Einseitig abgeschwächtes Atemgeräusch: Pneumothorax oder Erguss
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Fokales Knisterrasseln: Pneumonie
Therapie
Grundsätzlich sollte bei Dyspnoe der Oberkörper hoch gelagert werden (außer bei Hypotonie bzw. Schock) und auf den Patienten verbal beruhigend eingewirkt werden. Die Verabreichung von zusätzlichem Sauerstoff bei Dyspnoe ist ebenso Standard (außer bei Hyperventilation), allerdings ist bei COPD der Sauerstoff vorsichtig zu titrieren. Das hypertensive Lungenödem ist im Nachtdienst nicht selten und sollte zusätzlich mit Blutdrucksenkern und Schleifendiuretika behandelt werden. Bei Verabreichung von Nitroglycerin ist auf die Kontraindikationen zu achten: Einnahme von Phosphodiesterase-5-Inhibitoren, Aortenstenose, hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie, Rechtsherzinfarkt, Hypotonie.
Weitere Therapien richten sich nach der Ursache der Beschwerden. Wenn mit zusätzlichem Sauerstoff auf der Normalstation keine ausreichende Oxygenierung erreicht wird, so wird High-flow-Sauerstoff oder eine mechanische Atemunterstützung auf einer Überwachungsstation nötig. Bei symptomatischer Hypotonie oder Schock sollte der Blutdruck invasiv monitorisiert werden und alle Patienten, bei denen ein akutes Koronarsyndrom nicht ausgeschlossen wurde, sollten eine EKG-Überwachung erhalten. Hat man im Nachtdienst bei einem Patienten mit Luftnot oder Thoraxschmerz Schwierigkeiten bei Abklärung und Therapie, so sollte man seinen Hintergrunddienst anrufen.
Zusammenfassung
Anamnese, Status, Vitalparameter und EKG sind die Ausgangspunkte für die Diagnosestellung und weitere Abklärung bei Dyspnoe oder Thoraxschmerz im Nachtdienst. Lebensbedrohliche Ursachen sollten ausgeschlossen werden, wofür die Bestimmung von Laborparametern oder bildgebende Untersuchungen notwendig werden können. Die Therapie richtet sich neben supportiven Maßnahmen in erster Linie nach der Ursache der Beschwerden.
Literatur:
beim Verfasser
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