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DuoStim

«Nur in wenigen Fällen eine sinnvolle Option»

Auf dem Kongress der European Society of Human Reproduction and Embryology (ESHRE) wurde über ein Protokoll im Rahmen einer In-vitro-Fertilisation berichtet.1 Es heisst DuoStim und soll eine Therapieoption für unfruchtbare Frauen mit schlechtem Ansprechen auf die herkömmliche Stimulation sein. Prof. Michael von Wolff aus Bern erklärt, warum er von DuoStim für unfruchtbare Frauen nicht viel hält und in welchen Fällen er das Protokoll aber dennoch für sehr sinnvoll erachtet.

Die Behandlung funktioniert so, dass sich die Frau während zwei Phasen innert eines Zyklus Hormone spritzt, einmal wie klassisch während der Follikelphase und ein zweites Mal in der Lutealphase. DuoStim gibt es schon länger, Dr. med. Maria Cerrillo, Madrid, hat sie aber zum ersten Mal in einer randomisierten Studie mit einer klassischen doppelten Stimulation verglichen.1

Herr von Wolff, was halten Sie von der DuoStim?

M. von Wolff: Ich habe mich ehrlich gesagt gewundert, dass die ESHRE den Vortrag für eine Pressemitteilung ausgewählt hat. Dort heisst es: «DuoStim ist ein Schritt vorwärts für IVF-Patientinnen mit voraussichtlicher poor response.» Das suggeriert eine neue und wichtige Behandlung unfruchtbarer Frauen, ist es aber aus meiner Sicht nicht.

In der Studie von Cerrillo liessen sich aber schneller gesunde Embryonen gewinnen als mit doppelter herkömmlicher IVF.

M. von Wolff: Ja, aber im Schnitt nur 21 Tage schneller. Allerdings müsste aus meiner Sicht der Unterschied nur 10 bis 14 Tage betragen.

Könnten Sie uns das vorrechnen?

M. von Wolff: Bei DuoStim stimulieren wir zum Beispiel ab dem zweiten Zyklustag über 11 Tage bis zum Tag 12. Dann lösen wir den Eisprung mit einer HCG-Spritze aus und entnehmen die Eizellen am Tag 14. Die Frau muss dann etwa 3 Tage warten, bis die nächste Stimulation am Tag 18 starten kann. Dies sind dann etwa 29 Tage bis zur zweiten Eizellentnahme. Bei einer normalen Stimulation werden ebenso die Eizellen am Tag 14 entnommen. Die nächste Stimulation startet aber erst am Tag 28 und dauert wiederum 14 Tage. Das sind dann zusammen rund 42 Tage. Die Differenz beträgt somit bei diesem Protokoll 13 Tage.

Dass in der Studie von Frau Cerrillo der Unterschied etwas grösser ist, kann an unterschiedlich langen Stimulationszyklen und Pausen zwischen den Zyklen liegen. Aber auch wenn es 21 und nicht 10–14 Tage wären, hielte ich den Unterschied für wenig relevant: Erstens verpasst die Frau die Chance, im ersten Zyklus einer doppelten Stimulation schwanger zu werden, und setzt sich mit der DuoStim womöglich unnötigen Hormondosen aus. Wird sie nach der ersten Stimulation schwanger, braucht sie die zweite nicht. Zweitens kostet die DuoStim doppelt so viel, also etwa 12000 statt 6000 Franken. Ich frage mich, ob einer Frau der Zeitgewinn von nur einigen Wochen die 6000 Franken wert sind. Drittens ist überhaupt nicht klar, ob Frauen mit der DuoStim schneller schwanger werden als mit doppelter Stimulation. Das war leider nicht das Ziel der Studie von Frau Cerrillo. Ich möchte die Kollegin aber nicht kritisieren. Welche Endpunkte man in einer Studie auswählt, muss bei Beginn der Studie definiert werden, und sie hat das halt so gewählt. Jetzt bräuchten wir aber eine Folgestudie, die die Schwangerschaftsraten, besser noch die Lebendgeburtenraten zwischen DuoStim und doppelter IVF vergleicht. Was hervorzuheben ist: Frau Cerrillos Studie ist die erste, die beide Verfahren randomisiert verglichen hat. Dies ist eine grosse Leistung und für die Aussagekraft der Studie wichtig.

Bieten Sie DuoStim Ihren Patientinnen an?

M. von Wolff: Ja, durchaus. Aber in erster Linie Frauen mit Krebs zum Erhalt der Fruchtbarkeit. Bei Krebserkrankungen sollte die Chemotherapie rasch gestartet werden und daher spielt die Stimulationsdauer eine grosse Rolle. Hier ist die DuoStim wirklich ideal.

Warum?

M. von Wolff: Das Spannende an der DuoStim ist, dass eine Stimulation bereits direkt nach der Eizellennahme begonnen werden kann, also in der Lutealphase. Das war früher undenkbar, weil in dieser Zyklusphase die Progesteronkonzentration sehr hoch ist. Man dachte damals, dass die Follikel unter einer Stimulation in der Lutealphase nicht gut wachsen und die Eizellen möglicherweise eine schlechtere Qualität haben. Heute wissen wir, dass sie zwar eine etwas stärkere Hormonstimulation benötigen, dann aber genauso gut wachsen.

Die erste Studie, die gezeigt hat, dass eine Stimulation in der Lutealphase möglich ist, habe ich mit Kollegen aus verschiedenen Zentren in Deutschland als sogenannte «Proof of principle»-Studie durchgeführt.2 Wir hatten 40 Frauen mit verschiedenen Krebserkrankungen vor einer Chemotherapie eingeschlossen. 28 Frauen wurden mit Gonadotropinen wie klassischerweise in der follikulären Phase stimuliert, bei 12 Frauen begannen wir erst in der Lutealphase. Mit der klassischen IVF wurden zwar im Schnitt etwas mehr Eizellen gewonnen als mit Lutealphasenstimulation, nämlich 13,1 statt 10. Aber dieser Unterschied war nicht statistisch signifikant. 83,7% beziehungsweise 80,4% der Eizellen waren reif und lebten, wurden eingefroren und später per ICSI fertilisiert. Die Fertilisationsraten betrugen 61% beziehungsweise 75,6%. All diese Unterschiede waren ebenfalls statistisch nicht signifikant.

Was wir dann also wussten: Mit unserem Lutealphasenprotokoll gelang es erstmals, Eizellen innerhalb von zwei Wochen zu gewinnen, da die Stimulation jederzeit im Zyklus gestartet werden konnte. Die Lutealphasenstimulation ist eine zwingende Voraussetzung für eine DuoStim, denn diese ist nichts anderes als eine normale klassische Stimulation, gefolgt von einer Lutealphasenstimulation.

Welchen Krebspatientinnen schlagen Sie eine DuoStim vor?

M. von Wolff: Wir beginnen zunächst mit einer klassischen Stimulation in der Follikelphase. Können wir da nicht viele Eizellen gewinnen, schliessen wir direkt eine zweite Stimulation in der Lutealphase an, also wird es dann eine DuoStim. Somit ergibt sich die Indikation für eine DuoStim meist aus dem Verlauf der ersten Stimulation.

Wie sieht es aus mit DuoStim, wenn eine Frau keinen Krebs hat?

M. von Wolff: Manchmal führen wir eine DuoStim auch beim «social freezing» durch, wenn die Patientin nicht so viele Eibläschen bildet und es eilig hat. In der normalen IVF-Therapie hat aus meiner Sicht die Behandlung kaum einen Platz. Ich kann mir vorstellen, dass jede Frau ja erst einmal schauen möchte, ob sie nicht mit der ersten Stimulation schwanger werden kann. Bei Krebspatienten und beim «social freezing» wird alles eingefroren und kein Embryo transferiert. Dies ist der wesentliche Unterschied der Indikationen.

Im Zusammenhang mit DuoStim ist immer wieder zu lesen, dass es eine gute Option für «Poor responder»-Frauen sei.

M. von Wolff: Das ist richtig. DuoStim ist eine Option bei Krebspatientinnen und beim «social freezing», wenn nicht so viele Eizellen gewonnen wurden. Dies betrifft die sogenannten «poor responder». DuoStim funktioniert wahrscheinlich nicht, wenn sich sehr viele Eibläschen bei der ersten Stimulation entwickelt haben. Denn dann bilden sich viele Gelbkörper, die dazu führen können, dass sich bei der zweiten Stimulation weniger Eibläschen bilden.

Inzwischen wissen wir auch, dass bei «Poor responder»-Frauen mit einer geringen Ovarreserve, also einer reduzierten Anzahl an noch vorhandenen Eizellen, nur noch 150Einheiten Gonadotropine pro Tag statt wie früher 300Einheiten gespritzt werden müssen. Dies nennt man eine «minimal stimulation». Früher dachte man, je mehr, desto besser, und hat bis zu 450Einheiten pro Tag der teuren Gonadotropine gespritzt. Bei einer sehr geringen Ovarreserve ist es sogar so, dass man gar nicht mehr stimulieren muss, da sich ohne und mit einer Gonadotropinstimulation nur ein Follikel bildet. Hier bieten wir die IVF ohne Hormonstimulation im natürlichen Zyklus an: die «Natural cycle»-IVF.

Wie sieht das konkret in der Praxis aus?

M. von Wolff: Ich erkläre das mit Beispielen. Nehmen wir an, eine Frau hat mit klassischer Stimulation nur 3 Eibläschen entwickelt und ist somit ein «poor responder». Ist die Frau 35 Jahre alt und somit die Dauer bis zum Eintritt einer Schwangerschaft nicht absolut entscheidend, können wir sie mit einer «Minimal stimulation»-IVF behandeln. Ist die Frau 40 Jahre alt und spielt die Zeit bis zum Eintritt einer Schwangerschaft eine grosse Rolle, würde ich trotzdem versuchsweise noch einmal höher dosiert stimulieren. Vieleicht bekommt sie ja im nächsten Zyklus mehr Eibläschen.

Nehmen wir nun an, die Frau hat mit klassischer Stimulation nur 1–2 Eibläschen entwickelt und wäre somit ein ausgeprägter «poor responder». Wäre diese Frau 35 Jahre alt, würde ich eine «Natural cycle»-IVF durchführen. Wäre sie 40, würde ich eine «Minimal stimulation»-IVF vorschlagen. Vielleicht bekommt sie ja im nächsten Zyklus mehr Eizellen.

Die einzige Indikation für eine DuoStim könnte ich mir bei der 40-jährigen Frau vorstellen, die nur 3 Eibläschen entwickelt hat. In diesem Fall könnte man mehrere voll stimulierte Zyklen direkt hintereinander schalten, also eine DuoStim durchführen und somit erst einmal viele Embryonen generieren, einfrieren und später in einem höheren Alter transferieren. Wir dürfen der Frau aber keine Hoffnungen machen, dass sie früher zu ihrem Baby kommt. Das muss erst noch bewiesen werden.

Weitere Informationen finden Sie hier: „ «Der einzige Vorteil: früher ein euploider Embryo» "

1«A step forward for IVF patients with predicted poor response to treatment», Press Release ESHRE, 29. Juni 2021 2 Von Wolff M et al.: Fertil Steril 2009; 92: 1360-5

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