
«Der einzige Vorteil: früher ein euploider Embryo»
Unsere Gesprächspartnerin:
PD Dr. med. Alexandra Kohl Schwartz
Leiterin der Abteilung für Reproduktionsmedizin im Luzerner Kantonsspital
Das Interview führte
Dr. med. Felicitas Witte
Auf dem Kongress der European Society of Human Reproduction and Embryology (ESHRE) stellte eine Ärztin aus Madrid eine randomisierte Studie zur In-vitro-Stimulation vor, in der sie DuoStim mit zwei klassischen Stimulationen hintereinander verglichen hatte.1 DuoStim bedeutet, dass zweimal im selben Zyklus stimuliert wird: einmal wie bei der klassischen IVF in der Follikelphase und ein zweites Mal in der Lutealphase. Wir haben PD Dr. med. Alexandra Kohl Schwartz aus Luzern gefragt, was sie von DuoStim hält und ob sie es ihren Patientinnen anbietet.
Werden Frauen mit DuoStim schneller schwanger?
A. Kohl Schwartz: Es lässt sich mit der DuoStim, so wie in der Studie angewendet, keine Zeit sparen. Die Embryonen werden genetisch getestet, müssen eingefroren und können ohnehin erst in einem späteren Zyklus eingesetzt werden. Möchte eine Frau schnell schwanger werden, muss sie Frischzyklen machen, in denen direkt nach der Entnahme, Befruchtung und Kultur des Embryos ein Transfer erfolgt. Dies gelingt am besten mit einer niedrig dosierten Hormonstimulation. Hier ist das Risiko für eine Überstimulation gering und es kann am ehesten ein frischer Embryotransfer erfolgen. Bei der Doppelstimulation ist aufgrund der endometrialen Asynchronie eine Frischübertragung naturgemäss nicht möglich. Der einzige Vorteil, den die DuoStim bringt, ist, dass die Frau im Schnitt drei Wochen eher einen euploiden Embryo bekommt.
Bieten Sie auch DuoStim an?
A. Kohl Schwartz: Wir wenden das Protokoll bei Frauen mit Krebs an, die eine Stimulation vor einer Chemotherapie machen wollen. In diesen Fällen geht es darum, so schnell wie möglich Eizellen zu gewinnen, damit die Chemotherapie, die oft die ovarielle Reserve stark beeinträchtigt, möglichst rasch gestartet werden kann. Bei diesen Behandlungen liegt der Fokus auf der Gewinnung und Kryokonservierung von Eizellen und nicht auf der Kultur von Embryonen, das ist also nicht unbedingt vergleichbar mit der Studie aus Spanien.
Mit welchen Hormonen und in welcher Dosis stimulieren Sie bei der DuoStim?
A. Kohl Schwartz: Wir verwenden HMG oder rFSH/rLH zur Stimulation, in der Regel 300IE/Tag, oder falls die Patientin sehr jung ist, 225IE/Tag, und steigern gegebenenfalls die Dosis bei der zweiten Stimulation. Mehr als 300IE/ Tag verabreichen wir nicht, das bringt keinen Vorteil.
Wie viel berechnen Sie für eine DuoStim?
A. Kohl Schwartz: Ein wesentlicher Kostenpunkt sind Medikamente und durchgeführte sonografische Kontrollen. Von denen gibt es bei einer Doppelstimulation mehr als bei einer einfachen Stimulation, aber weniger als bei zwei isolierten IVF-Zyklen. Wir berechnen die Kosten nach effektivem Aufwand.
Ich erwarte, dass in Zukunft die Krankenkassen die Kosten für Stimulation und Gewinnung der Eizellen übernehmen werden. Das finde ich gut, denn die Kosten sollten keine Rolle spielen. Für Frauen mit Krebs ist es wichtig, dass sie so rasch wie möglich mit der Chemotherapie anfangen können und damit langfristig eine bessere Prognose und Lebensqualität haben. Das ist auch volkswirtschaftlich günstiger.
Was halten Sie von TetraStim?
A. Kohl Schwartz: Das erscheint mir noch zu experimentell. In der TetraStim werden in insgesamt vier Stimulationen Eizellen gesammelt, die dann viermal entnommen und erst eingefroren und dann wieder aufgetaut und befruchtet werden. Das ist sehr aufwendig und teuer und keiner weiss, was es langfristig bedeutet, wenn die Eizellen eingefroren, aufgetaut, befruchtet, kultiviert und als Embryonen wieder eingefroren werden. Wir wissen, dass das Kryokonservieren und Auftauen auch epigenetische Einflüsse auf die Kinder hat. Sie sind zum Beispiel bei der Geburt schwerer als Kinder aus frischen IVF-Zyklen. Das heisst, solche Verfahren sollten nur angewandt werden, wenn es nicht anders möglich ist, zum Beispiel im Falle einer Eizellspende.
Wann vermuten Sie, dass die Frau eine «poor Responderin» ist?
A. Kohl Schwartz: Vor jeder Behandlung machen wir eine Abklärung der Fertilitätschancen. Dabei evaluieren wir die Chancen auf eine Schwangerschaft mit den verschiedenen Therapiemöglichkeiten. Das ist abhängig vom Alter (insbesondere der Frau), der Anatomie (Tubendurchgängigkeit, Anatomie der Gebärmutterhöhle, Endometriose) und der Spermienqualität. Eine Frau mit einer geringen ovariellen Reserve (weniger als 4 Antralfollikel, AMH <4 pmol/l) hat geringere Chancen, mit klassischer IVF schwanger zu werden, als eine Frau mit einer normalen ovariellen Reserve.
Was raten Sie Frauen mit «poor response»?
A. Kohl Schwartz: Ist die Frau jünger als 40 Jahre und hat sie einen regelmässigen Zyklus, sind ihre Chancen auf eine spontane Schwangerschaft oder eine Schwangerschaft mittels IVF-Naturelle gut.
Und was raten Sie älteren Frauen beziehungsweise jüngeren mit unregelmässigem Zyklus?
A. Kohl Schwartz: Jüngere Frauen mit unregelmässigem Zyklus profitieren von einer Hormonstimulation. Die «low response» ist in dieser Gruppe selten, kann aber im Rahmen von genetischen Erkrankungen auftreten. Bei älteren Frauen braucht es eine individuelle Beratung. Abhängig von den anderen Einflussfaktoren (Tubendurchgängigkeit, Spermienqualität, Endometriose) ist die künstliche Befruchtung mit Hormonstimulation die beste Wahl, auch wenn dann die Response geringer ist als bei den jüngeren Frauen. Zum Erreichen einer Schwangerschaft sind dann mehr Zyklen nötig.
Welchen Stellenwert hat Ihrer Meinung nach die DuoStim bei «low respondern», welchen Stellenwert hat die IVF-Naturelle?
A. Kohl Schwartz: Die DuoStim ist eine Möglichkeit, zu versuchen, in kurzer Zeit möglichst viele Eizellen zu gewinnen. Dabei werden während einer kürzeren Zeit weniger Medikamente verabreicht als bei zwei aufeinanderfolgenden Stimulationen. Nachteilig sind sicher die Notwendigkeit der Kryokonservierung und damit eine zeitliche Verzögerung, da das Endometrium bei einer DuoStim nicht für einen Embryotransfer bereit ist. Bei der IVF-Naturelle kann im besten Fall jeden Monat ein Embryotransfer stattfinden, das führt unter Umständen rascher zu einer Schwangerschaft als die DuoStim. Ausserdem hat die Frau weniger Risiken durch die geringere Hormonbelastung. Es gibt grosse Unterschiede zwischen den Zyklen, seien sie stimuliert oder natürlich. Wir können dreimal mit dem gleichen Protokoll stimulieren und bekommen drei verschiedene Resultate, was die Anzahl gewonnener Eizellen, die Chance auf eine Befruchtung oder die Kultivierung eines Embryos angeht. Je öfter das Paar also einen Therapiezyklus machen kann, desto höher ist die Chance, die «beste» Eizelle zu gewinnen. Nach etwa sechs Embryotransfers nimmt allerdings die Chance auf eine Schwangerschaft ab, auch darüber muss man die Frau aufklären. Viele machen dann trotzdem weiter und einige haben Glück und es klappt auch später noch. Wichtig ist, mit dem Paar auch andere Optionen zu besprechen: Leben ohne Kind, Adoption oder die Möglichkeit, eine Eizellspende im Ausland machen zu lassen inklusive Aufklärung über die Risiken, die damit verbunden sind.
Weitere Informationen finden Sie hier: „ «Nur in wenigen Fällen eine sinnvolle Option» "
Literatur:
1«A step forward for IVF patients with predicted poor response to treatment», Press Release ESHRE, 29. Juni 2021