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Primärprävention, interventionelle Behandlung und Klappenerkrankungen

Highlight vom ACC.25: Cannabis als kardiovaskulärer Risikofaktor unterschätzt

In Chicago fand von 29. bis 31. März der jährliche Kongress des American College of Cardiology (ACC) statt, in dessen Rahmen Ergebnisse aktueller und klinisch relevanter Studien aus allen Bereichen der Kardiologie vorgestellt wurden. Das Spektrum reichte von der Primärprävention bis zur interventionellen Behandlung von Klappenerkrankungen.

Das Akronym INOCA bezeichnet kardiale Ischämie ohne obstruktive Koronararterien („ischemia with no obstructive coronary arteries“). Das Zustandsbild ist assoziiert mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse und einer eingeschränkten Lebensqualität, wovon häufig Frauen betroffen sind. Die Evidenz zu einem optimalen Management ist aktuell noch mangelhaft.

Die nun im Rahmen des ACC.25 vorgestellte pragmatische WARRIOR-Studie untersuchte die Wirksamkeit einer intensivierten konservativen Therapie im Vergleich zur Standardversorgung in einem Kollektiv von knapp 2500 Frauen mit INOCA. Als primärer Endpunkt wurde ein „major adverse cardiac event“ (MACE), definiert als Tod, nicht tödlicher Myokardinfarkt, nicht tödlicher Schlaganfall, transitorische ischämische Attacke oder Hospitalisierung aufgrund einer Herzinsuffizienz oder Angina pectoris, gewählt. Die intensive Therapie bestand aus einem hochdosierten Statin, einem „Angiotensin converting enzyme“(ACE)-Hemmer oder einem Angiotensinrezeptorblocker (ARB) in maximal verträglicher Dosierung sowie niedrig dosiertem Aspirin.

Die Studie zeigte keinen Vorteil für die intensive Therapie. Die Inzidenz des primären Endpunkts lag nach fünf Jahren in beiden Armen bei 16%. Auch hinsichtlich der zahlreichen sekundären Endpunkte zeigte sich kein Unterschied zwischen den Studienarmen. Allerdings standen die Autor:innen der Studie vor einer Reihe von methodischen Problemen. Zunächst wurde die Rekrutierung durch die Covid-Pandemie deutlich erschwert. Darüber hinaus erhieltim Standardtherapiearm letztlich rund die Hälfte der Studienpatientinnen die gleiche Therapie wie im Interventionsarm. Letzteres verwundert angesichts der klinischen Charakteristika bei Einschluss nicht. Bei 78% der Teilnehmerinnen ergab die Familienanamnese eine kardiovaskuläre Erkrankung, 65% hatten erhöhte Cholesterinwerte, 64% eine Hypertonie, 21% Diabetes mellitus und 53% waren adipös. Auch Vorhofflimmern und Schlaganfall bzw. TIA waren in der Anamnese häufig. Folglich hatten zahlreiche Studienteilnehmerinnen bereits vor dem Einschluss die entsprechenden Medikamente eingenommen. Konkret waren das in 70% der Fälle Statine, bei 50% ACE-Hemmer oder ARB sowie bei 40% Betablocker.1

Keine Evidenz für Flüssigkeitsrestriktion

„Im Rahmen des Managements der Herzinsuffizienz wird bisweilen eingeschränkte Flüssigkeitsaufnahme empfohlen“, erläuterte Dr. Roland Van Kimmenade vom Radboud University Medical Centre in Nijmegen, Niederlande. Der Experte betonte, dass prospektive Daten zu dieser Fragestellung weitgehend fehlten und gleichzeitig eine Flüssigkeitsrestriktion die Lebensqualität ungünstig beeinflusse. Im Rahmen der FRESH-UP-Studie wurde nun in einer Population mit Herzinsuffizienz (HF) untersucht, wie eine eingeschränkte Trinkmenge die Lebensqualität (gemessen mit dem Kansas City Cardiomyopathy Questionnaire [KCCQ]Overall Summary Score) sowie einige harte kardiologische Endpunkte beeinflusst. In die Studie wurden 504 Patient:innen mit HF der NYHA-Klassen II und III eingeschlossen. Die Verteilung zwischen HFrEF und HFpEF lag in etwa bei 1:1. Die Studienpatient:innen erhielten randomisiert entweder die Empfehlung, ihre Flüssigkeitszufuhr auf 1,5Liter am Tag zu beschränken, oder konnten nach Lust und Laune trinken. Die große Mehrheit der Studienpopulation erhielt eine Standardtherapie für Herzinsuffizienz und rund die Hälfte nahm ein Schleifendiuretikum für das symptomatische Management.

Die Auswertung ergab keine Vorteile für die reduzierte Flüssigkeitsaufnahme. In Hinsicht auf Todesfälle, Hospitalisierungen aufgrund einer HF, Bedarf an intravenösen Diuretika oder akute Nierenschädigungen zeigten sich über sechs Monate zwischen den beiden Armen keine Unterschiede. Insgesamt waren diese Ereignisse sehr selten, da der Gesundheitszustand der Studienpatient:innen besser war, als bei der Planung der Studie erwartet wurde. Es zeigte sich auch, dass der Unterschied in der tatsächlich täglich aufgenommenen Flüssigkeitsmenge relativ gering war. Während Patient:innen in der Restriktionsgruppe täglich durchschnittlich 1480ml tranken, waren es in der Gruppe ohne Flüssigkeitsbeschränkung täglich 1760ml.

Dennoch gaben die Teilnehmer:innen aus der Restriktionsgruppe mehr Durst an.2 „Wir fanden keinerlei Signal, welches auf irgendeinen Vorteil von Flüssigkeitsrestriktion hindeuten würde oder die erhöhte Flüssigkeitsaufnahme mit einem Nachteil in Verbindung brächte. Unsere Daten zeigen daher keine Notwendigkeit für Flüssigkeitsrestriktion im Management einer stabilen Herzinsuffizienz“, so Studienautor Van Kimmenade über die Studie.

Cannabis macht nicht nur psychiatrische Probleme

Zwei weitere im Rahmen des ACC 2025 vorgestellte Arbeiten rücken einen bislang wenig beachteten kardiovaskulären Risikofaktor in den Fokus: Cannabiskonsum. Während in Zeiten fortschreitender Legalisierung der Droge mögliche unerwünschte psychiatrische Effekte intensiv diskutiert werden, finden die Wirkungen von Cannabis auf das Herz-Kreislauf-System bislang wenig Beachtung. Nun stellen eine Metaanalyse der relativ wenigen verfügbaren Studien sowie eine retrospektive Studie eine Verbindung zur Inzidenz von Myokardinfarkten her.

In einer Metaanalyse wurden dahingehend die Daten von mehr als 75Millionen Menschen aus zwölf Studien von unterschiedlicher Qualität (gut bis moderat) ausgewertet. Die Auswertung der Daten zeigte für Cannabiskonsumenten eine signifikante Erhöhung des Risikos, einen akuten Myokardinfarkt zu erleiden,auf rund 50% (OR: 1,5; 95% CI: 1,12–2,05).3

Noch alarmierender fiel das Ergebnis einer retrospektiven Studie um Dr. Ibrahim Kamel von der Boston University Chobanian & Avedisian School of Medicine aus. Die Daten wurden aus TriNetX, einem globalen Netzwerk, das Zugang zu elektronischen Patientenakten ermöglicht, erstellt. In dieser Arbeit wurden nur Daten von Personen unter 50 Jahren berücksichtigt, die keine kardiovaskulären Risikofaktoren wie Hypertonie, erhöhtes LDL-Cholesterin, Diabetes mellitus, Tabakkonsum oder koronare Herzkrankheit in der Anamnese aufwiesen.

Das Myokardinfarktrisiko von Cannabiskonsumenten war in dieser Arbeitsgruppe um mehr als das Sechsfache erhöht. Ein ischämischer Schlaganfall war viermal häufiger als in der nicht konsumierenden Kontrollgruppe. Eine Herzinsuffizienz war doppelt, ein kombinierter Endpunkt aus Tod, Herzinfarkt und Schlaganfall dreimal so häufig.4

„In Patientengesprächen sollte daher grundsätzlich nach Cannabiskonsum gefragt und die Antwort in die Abschätzung des individuellen Risikos einbezogen werden“, so Kamel. „Nach Cannabis sollte genauso selbstverständlich gefragt werdenwie nach Tabakkonsum.“

Gute 2-Jahres-Daten für Intervention an der Trikuspidalklappe

Während ein interventioneller Ersatz der Aortenklappe als Alternative zur Chirurgie mittlerweile Standard ist und auch bei der Mitralklappe die Optionen immer besser werden, besteht bei Regurgitation durch die Trikuspidalklappe nach wie vor erheblicher Bedarf an wirksamen und sicheren Behandlungsoptionen. Eine Option ist das minimalinvasive Reparaturverfahren mittels Implantation eines Clips („transcatheter edge to edge repair“; TEER), wie es auch an der Mitralklappe durchgeführt wird. Für die Trikuspidalklappe fehlten bislang allerdings Daten aus randomisierten, kontrollierten Studien. Diese Evidenzlücke wurde nun mit der in fünf Ländern (USA, Kanada, Deutschland, Italien und Spanien) durchgeführten TRILUMINATE-Studie geschlossen. Sie untersuchte die Wirksamkeit und Sicherheit von TEER im Vergleich zu konservativem Management in einer Population von Patient:innen mit schwerer Insuffizienz der Trikuspidalklappe.

Einschlusskriterien waren neben der schweren Regurgitation durch die Trikuspidalklappe auch ein zumindest intermediäres Operationsrisiko sowie eine bereits bestehende optimale konservative Behandlung. Bei rund der Hälfte der Studienpopulation wurde die Regurgitation als extrem („torrential“) eingestuft. Die 572 Studienpatient:innen (mittleres Alter 78 Jahre und 60% Frauen) wurden 1:1 in eine Interventions- und eine Kontrollgruppe randomisiert.

Als primärer Endpunkt diente ein hierarchische Mischung aus Mortalität, Operation an der Trikuspidalklappe, Hospitalisierung aufgrund einer Herzinsuffizienz und dem KCCQ-QOL-Score. Die Ergebnisse nach einem Jahr zeigten einen signifikanten Vorteil für die Intervention. Auch nach zwei Jahren war die Interventionsgruppe deutlich im Vorteil. In der Zwei-Jahres-Auswertung wurde der primäre Endpunkt um den Unterpunkt Intervention an der Trikuspidalklappe erweitert und erfasste so auch die Patient:innen aus der Kontrollgruppe, die schließlich ebenfalls einen Clip erhielten.

Nach zwei Jahren waren 77,6% der TEER-Gruppe am Leben und hatten weder eine Operation noch eine Intervention an der Trikuspidalklappe benötigt, während das in der Kontrollgruppe bei 29,3% der Fall war. Der wichtigste Treiber hinter dieser Differenz waren jene 60% Patient:innen aus der Kontrollgruppe, die im Laufe der Studiendauer schließlich ebenfalls eine TEER erhalten hatten. Hospitalisierungen wegen Herzinsuffizienz lagen in der TEER-Gruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe um 28% niedriger.

Nach zwei Jahren wurde die Regurgitation durch die Trikuspidalklappe bei 84% der TEER-Gruppe als moderat im schlechtesten Fall eingestuft. Dies traf nur auf 21% der Patient:innen in der Kontrollgruppe zu, die bis zum Ende der Studie lediglich eine konservative Therapie erhielten.5

American College of CardiologyScientific Sessions 2025, 29–31.3.2025, Chicago

1 Pepine CJ et al.: Primary and secondary outcomes of the women‘s ischemia trial to reduce events in non obstructive coronary artery disease. präsentiert am ACC 2025 am 29.3.2025 2 Herrmann JJ et al.: Liberal fluid intake versus fluid restriction in chronic heart failure: a randomized clinical trial. Nat Med 2025; doi: 10.1038/s41591-025-03628-4 3 Kamel I et al.: Risk of myocardial infarction in cannabis users: a systematic review and meta-analysis. J American College of Cardiol 2025; doi: 10.1016/S0735-1097(25)02330-7 4 Kamel I et al.: Myocardial Infarction and cardiovascular risks associated with cannabis use: a multicenter retrospective study. JACC 2025; doi: 10.1016/j.jacadv.2025.101698 5 Kar S et al.: Two-year outcomes of transcatheter tricuspid valve edge-to-edge repair for tricuspid regurgitation: the triluminate pivotal trial. Circulation 2025; doi: 10.1161/CIRCULATIONAHA.125.074536

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