
©
Getty Images/iStockphoto
Zwei Drittel der Milchprodukte sind zu süß, um gesund zu sein
Jatros
30
Min. Lesezeit
12.07.2018
Weiterempfehlen
<p class="article-intro">Reine Milch ist ein wertvolles Lebensmittel mit wichtigen Inhaltsstoffen. Bei der Weiterverarbeitung wird jedoch häufig zu viel Zucker oder Süßstoff zugesetzt. Anlässlich des Weltmilchtags am 1. Juni erschien die jährliche aktualisierte SIPCAN Milchliste zum Zuckergehalt in über 1100 Milchprodukten im österreichischen Handel. Die Milchliste beweist: Ein Großteil der in Österreich erhältlichen Milchprodukte sind zu süß, um gesund zu sein. Die ÖDG und SIPCAN fordern von der Lebensmittelindustrie konkrete Maßnahmen zur Reduktion der Süße in Milchprodukten.</p>
<hr />
<p class="article-content"><h2>Weltmilchtag: kein reiner Feiertag</h2> <p>Am 1. Juni war Weltmilchtag, ein Tag, der in der Öffentlichkeit ein Bewusstsein für die gesundheitlichen Vorteile des Lebensmittels Milch schaffen soll. Trotzdem ist nicht jedes Produkt mit Milch gesund. Die Präsidentin der Österreichischen Diabetes Gesellschaft (ÖDG), Univ.-Prof.<sup>in</sup> Dr.<sup>in</sup> Alexandra Kautzky-Willer, erklärt: „Milch ist gleich ein gesundes Lebensmittel. Mit dieser einfachen Gleichung wird leider Konsumentenverwirrung betrieben. Nur weil Milch ein Bestandteil eines Produkts im Supermarktregal ist, heißt das leider noch lange nicht, dass dieses Produkt auch gesund ist. Der Hauptgrund, warum im Gegensatz zur Milch verarbeitete Milchprodukte auch negative gesundheitliche Folgen haben können, ist die Beimengung von Zucker beziehungsweise Süßstoffen. Milch an sich ist bereits mit seinem natürlichen Zuckeranteil ein Energielieferant. Weitere Zugaben von Zucker sind deshalb besonders genau zu beobachten und eigentlich abzulehnen. Weniger als 5 % der Energie soll bei Kindern und Jugendlichen freier Zucker ausmachen und dieser sollte idealerweise in Form von Milch, ungesüßten Milchprodukten oder Früchten zugeführt werden. Als Durstlöscher soll primär Wasser dienen, ungesüßte Milchprodukte jedoch als Teil einer Mahlzeit oder kleiner Mahlzeitenersatz betrachtet werden. Tatsächlich kann der Ersatz von Softdrinks besonders durch Wasser, aber sogar auch durch Milch die Kalorienzufuhr einsparen helfen und zu weniger Adipositas der Kinder führen. Fermentierte Milchprodukte und fettarme Milchprodukte – immer ungesüßt natürlich – dürften sogar die Insulinresistenz verbessern und zu einer Verringerung des Risikos für Diabetes und Herz-Kreislauf- Erkrankungen beitragen, wahrscheinlich über ihren Gehalt an Mineralstoffen und Vitaminen, aber auch an günstigen Eiweißstoffen und Fettsäuren. Milchfett dürfte sich hier von sonstigem tierischem Fett unterscheiden, für das ja ein höheres Risiko für Diabetes beschrieben ist. Zu viel Zucker bedeutet aber für jeden, sein persönliches Risiko für Adipositas, Diabetes und viele weitere sogenannte Zivilisationskrankheiten zu steigern. In Zeiten, in denen immer mehr Menschen und vor allem auch immer mehr Kinder und Jugendliche zu dick sind, ist es unangebracht, Zuckerbomben ein gesundes Mäntelchen umzuhängen.“</p> <h2>Die SIPCAN Milchliste: über 1100 Milchprodukte im Check</h2> <p>Der Leiter des unabhängigen, wissenschaftlichen vorsorgemedizinischen Instituts SIPCAN, Univ.-Prof. Prim. Dr. Friedrich Hoppichler, der auch Präsident der Österreichischen Adipositas Gesellschaft ist, ergänzt: „Gerade bei Milchprodukten zum Trinken und zum Löffeln brauchen Konsumenten Unterstützung, um nicht zur Zuckerbombe zu greifen und zu glauben, man tut seinem eigenen Körper beziehungsweise seiner Familie etwas Gutes. Mit der jährlichen SIPCAN Milchliste bieten wir eine praktische Orientierungshilfe für den Alltag und wollen gleichzeitig bei Produzenten und Handel ein Umdenken erreichen. Für die aktuelle Studie zur SIPCAN Milchliste wurden 1154 Milchprodukte zum Trinken und Löffeln in ganz Österreich wieder auf ihren Zuckergehalt geprüft. Die Studienergebnisse werden auf www.sipcan.at als praktische Liste zum kostenlosen Download (www. sipcan.at/milchliste), als Onlinesuche oder als App zur Verfügung gestellt. Ergänzend wird auch das kostenlose Spiel ,Die Zucker-Challenge? angeboten, bei dem man sein Wissen zum Zuckergehalt von Milchprodukten spielerisch testen und verbessern kann.“</p> <h2>Maximal zwölf Gramm Zucker pro 100g bzw. 100ml</h2> <p>Das Ziel ist es, den Zuckergehalt in Milchprodukten transparent und vergleichbar zu machen und den Konsumenten mithilfe von klaren Orientierungskriterien dabei zu unterstützen, die gesündere Wahl zur leichteren zu machen. Auf die sogenannte Positivliste schaffen es nur Produkte, die klaren Orientierungskriterien entsprechen. In Abstimmung mit dem Gesundheitsministerium und mehreren Fachgesellschaften haben die Experten von SIPCAN einen alltagstauglichen Orientierungswert von maximal 12g Zucker pro 100g bzw. pro 100ml Milchprodukt festgelegt. Dieser Wert setzt sich aus dem natürlichen Zuckergehalt der Milch (durchschnittlich 4,6g pro 100ml) und der von der WHOEmpfehlung abgeleiteten Höchstmenge für zugesetzten Zucker von 7,4g pro 100g/ ml zusammen. Neben der genannten Zuckergrenze dürfen auch keine Süßstoffe in den Produkten enthalten sein. Kautzky- Willer gibt eine zentrale Begründung hierfür: „Durch die Beimengung von Süßstoffen besteht die Gefahr, dass Konsumenten und vor allem Kinder langfristig an höhere Süße gewöhnt werden und dass außerdem kein Sättigungsgefühl trotz der Süße eintritt. Wir sollten lernen, die natürliche Süße von Milchprodukten aufgrund des normalen Milchzuckergehalts in Maßen zu genießen.“</p> <h2>Nur ein Drittel der Produkte entspricht den Vorgaben</h2> <p>Hoppichler beschreibt die Entwicklungen der Produkte auf der Milchliste: „Seit 2012 hat sich der Anteil an Produkten der Positivliste erfreulicherweise verdoppelt. Dennoch entspricht derzeit erst ein Drittel aller Produkte, die im österreichischen Handel erhältlich sind, den Zuckervorgaben. Betrachtet man die Ergebnisse im Detail, so verstärkt sich der dringende Handlungsbedarf. Bei Milchprodukten zum Löffeln liegt der durchschnittliche Zuckergehalt aller Produkte mit 13,23g weiterhin weit über dem aktuellen Grenzwert von 12g. Trotz einer Steigerung des Anteils an Positivprodukten von 4,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entsprechen nach wie vor 78,1 Prozent aller Joghurtprodukte, Topfencremes, Puddings etc. nicht den vorgegebenen Grenzwerten. Milch ist unangefochten ein wertvolles Lebensmittel mit wichtigen Inhaltsstoffen wie z.B. Kalzium, Eiweiß und B-Vitaminen. Es stimmt mich aber sehr bedenklich, dass – bezogen auf den Gesamtzuckergehalt – sich in einem kleinen 200g-Becher Vanillejoghurt umgerechnet acht Stück Würfelzucker verstecken. In 8 von 10 Milchprodukten zum Löffeln wird den Konsumenten nach wie vor viel zu viel Zucker aufgezwungen.“</p> <h2>Süßstoffe als besorgniserregender Trend</h2> <p>Bei Milchprodukten zum Trinken finden sich etwas mehr als zwei Drittel der erhältlichen Produkte auf der Positivliste und der durchschnittliche Zuckergehalt liegt hier bei 10,8g. Dennoch ist bei dieser Produktkategorie ein besorgniserregender Trend zu beobachten. Während von 2012 bis 2015 eine Reduktion des Anteils an Produkten mit Süßstoffen festgestellt werden konnte, ist seit 2015 wieder ein Anstieg zu beobachten. Im Vergleich zur Vorjahreserhebung stieg der Anteil an Produkten mit Süßstoffen sprunghaft um 7,1 % an. Mit einem Anteil von 17,4 % wird beinahe wieder der Ausgangswert vom Jahr 2012 erreicht. Kautzky-Willer rät den Konsumenten: „Achten Sie beim Einkaufen auf den Zuckergehalt und überprüfen Sie in der Zutatenliste, ob Süßstoffe wie z.B. Aspartam, Cyclamat, aber auch Steviolglykosid enthalten sind. Ein Milchprodukt sollte keine Süßstoffe und maximal 12g Zucker pro 100ml bzw. 100g enthalten. Mit dieser einfachen Regel können Sie Zucker trotz Genuss einsparen. Besser ist es allerdings, ganz auf Zuckerzusatz bei Milch, Joghurts und anderen Milchprodukten zu verzichten.“</p> <h2>Forderung der Verringerung von Zucker und Süßstoffen</h2> <p>Um die Zuckerreduktion weiter voranzutreiben, wird von SIPCAN in Abstimmung mit dem Gesundheitsministerium und verschiedenen Fachgesellschaften der Grenzwert für Zucker in Milchprodukten in den nächsten Jahren schrittweise gesenkt. Einige Industrievertreter haben bereits begonnen, Akzente zu setzen und den Zuckergehalt zu senken. So könnten 19,6 % der Produkte die vorgegebene Grenze von 12g Zucker durch eine Reduktion des Zuckergehalts von nur maximal 1g erreichen. Es werden jedoch für alle Produktgruppen und von allen Produzenten klare Reduktionsmaßnahmen gefordert. „Es muss jeder Konsument die Chance haben, sich schrittweise an weniger Süße gewöhnen zu können. Die Industrie nimmt in diesem Zusammenhang eine entscheidende Schlüsselposition ein und muss sich zu dieser Verantwortung bekennen“, fordern Hoppichler und Kautzky- Willer.</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Presseaussendung der Österreichischen Diabetes Gesellschaft
(ÖDG) und von SIPCAN, 24. Mai 2018
</p>
Das könnte Sie auch interessieren:
Diabetes erhöht das Sturzrisiko deutlich
Eine dänische Studie kommt zu dem Ergebnis, dass sowohl Patienten mit Typ-1- als auch Patienten mit Typ-2-Diabetes öfter stürzen und häufiger Frakturen erleiden als Menschen aus einer ...
Neue Studiendaten zu Typ-2-Diabetes und Lebensstil
Dass gesunde Ernährung und Bewegung das Diabetesrisiko sowie verschiedene Risiken von Patienten mit Diabetes senken, ist seit Langem bekannt. Und das Detailwissen zur Bedeutung von ...
Wie oft wird Diabetes nicht oder spät erkannt?
Im Allgemeinen wird von einer hohen Dunkelziffer an Personen mit undiagnostiziertem Typ-2-Diabetes ausgegangen. Ein Teil davon sind von Ärzten „übersehene“ Fälle. Eine von der University ...