
Zucker reduzieren: Besteuerung zeigt Wirkung
Bericht: Reno Barth
Medizinjournalist
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Einige Inhalte sind aufgrund rechtlicher Bestimmungen nur für registrierte Nutzer bzw. medizinisches Fachpersonal zugänglich.
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
Eine Reduktion des Zuckerkonsums und insbesondere des Konsums hochkalorischer, gezuckerter Getränke wäre im Sinne der Diabetesprävention wünschenswert. Sondersteuern auf stark zuckerhaltige Produkte werden als Massnahme in diese Richtung diskutiert und wurden vielerorts auch bereits eingeführt.
Zum Beispiel in Grossbritannien, wo die Initiative dazu bemerkenswerterweise nicht von der Ärzteschaft oder dem National Institute of Health, sondern von Starkoch Jamie Oliver sowie vom Finanzministerium ausging, wie Prof. Martin White vom Cambridge Institute of Public Health ausführt. Die WHO hatte bereits 2015 explizit politische Massnahmen zur Reduktion des Zuckerkonsums gefordert. Im selben Jahr schloss sich Public Health UK diesen Forderungen an. Eine Steuer auf gezuckerte Getränke (UK Soft Drinks Industry Levy) wurde schliesslich 2016 vom britischen Finanzminister angekündigt. «Das Ziel war, eine veränderte Zusammensetzung der Getränke zu erreichen», sagt White. Getränke mit einem Zuckergehalt unter 5g/100ml sind von der Steuer ausgenommen. Bei einem Zuckergehalt zwischen 5 und 8g werden 0,18 Pfund pro Liter und darüber 0,24 Pfund pro Liter erhoben. Die Einnahmen werden zweckgebunden für die Gesundheitsförderung bei Kindern eingesetzt. Die Steuer wird erst seit 2018 erhoben, da man der Industrie Zeit geben wollte, die Zusammensetzung ihrer Produkte anzupassen und Zucker zu reduzieren.
Negative Befürchtungen nicht eingetreten
White und sein Team evaluieren die neue Steuer seit ihrer Ankündigung. Teile dieser Evaluation sind mittlerweile publiziert. Die Befürchtungen, die Steuer werde die Getränkeindustrie ruinieren, erwiesen sich als unbegründet. Aktienkurse fielen bei Ankündigung der Steuer leicht ab, erholten sich aber schnell und vollständig. Ebenso ebbte der Sturm der Entrüstung seitens der Industrie bereits vor der Implementierung der Steuer vollständig ab. Dafür ging seit Ankündigung der Zuckerbesteuerung der Anteil der Softdrinks mit mehr als 5g Zucker auf 100ml von rund 50% auf unter 20% im Jahr 2020 zurück. Eine grosse Zahl der Getränke hat aktuell einen Zuckergehalt von knapp unter 5g/100ml. White weist allerdings darauf hin, dass die Statistik bereits in den Jahren vor Einführung der Zuckersteuer im UK eine sinkende Nachfrage nach stark zuckerhaltigen Getränken zeigt. Die verschiedenen Marken gingen mit der neuen Situation unterschiedlich um. So reduzierte der schottische Hersteller des populären koffeinhaltigen Getränks «Irn-Bru» den Zuckergehalt dramatisch, während Coca-Cola die in denSupermärkten angebotenen Flaschen verkleinerte und den Preis deutlich erhöhte – ohne Zucker zu reduzieren.1
Lokale Lösungen begünstigen Einkaufstourismus
In den USA ist das Bild komplizierter, mit unterschiedlichen Regelungen in unterschiedlichen Gebieten. Während im grössten Teil des Landes keine zusätzlichen Steuern auf gezuckerte Getränke eingeführt wurden, erheben einige Regionen solche Steuern auf lokaler Ebene – womit sich zumindest potenziell ganz besondere Probleme, wie zum Beispiel Einkaufstourismus, ergeben. Beispiele aus der Praxis zeigen, dass dies in unterschiedlichem Mass zutrifft. Während Cross-Border-Shopping in Philadelphia und Cook County den Effekt der Zuckersteuer reduzierte, wurde in Seattle kein derartiger Effekt beobachtet, so Dr. Lisa Powell vom Institute for Health Research and Policy, Chicago. Dabei dürfte die Geografie ausschlaggebend sein, wie Powell betont. Seattle habe eben «das Meer auf der einen und den Wald auf der anderen Seite». Ein weiteres Problem liege darin, dass Zuckersteuern auch tatsächlich beim Konsumenten ankommen müssen und nicht von den Herstellern kompensiert werden dürfen. Dies sei angesichts der hohen Margen nämlich gut möglich, so Powell. Auch dürfe es keine Wege zur Umgehung der Steuer geben. Dies sei etwa dann der Fall, wenn Steuern auf gezuckerte Limonaden, nicht jedoch auf Milchshakes erhoben werden. Auch das Ausweichen auf gezuckerte Snacks könne problematisch sein. Wenn Steuern tatsächlich zu einer Preiserhöhung führen, so reduziert dies den Konsum gezuckerter Getränke, wie beispielsweise in Mexico und Barbados gezeigt wurde. Viele Beispiele zeigen auch, dass diese Art der Besteuerung den Konsum in Richtung Wasser verschiebt. In anderen Regionen scheinen einfach weniger Getränke gekauft zu werden. Man könne spekulieren, so Powell, dass dies mit einem vermehrten Konsum von Leitungswasser zu tun habe, was in mehrfacher Hinsicht ideal wäre.
Quelle:
80th Scientific Sessions der American Diabetes Association, 12.–16. Juni 2020, virtuell
Literatur:
1 Scarborough P et al.: Impact of the announcement and implementation of the UK Soft Drinks Industry Levy on sugar content, price, product size and number of available soft drinks in the UK, 2015-19: A controlled interrupted time series analysis. PLoS Med 2020; 17(2): e1003025
Das könnte Sie auch interessieren:
Diabetes erhöht das Sturzrisiko deutlich
Eine dänische Studie kommt zu dem Ergebnis, dass sowohl Patienten mit Typ-1- als auch Patienten mit Typ-2-Diabetes öfter stürzen und häufiger Frakturen erleiden als Menschen aus einer ...
Neue Studiendaten zu Typ-2-Diabetes und Lebensstil
Dass gesunde Ernährung und Bewegung das Diabetesrisiko sowie verschiedene Risiken von Patienten mit Diabetes senken, ist seit Langem bekannt. Und das Detailwissen zur Bedeutung von ...
Wie oft wird Diabetes nicht oder spät erkannt?
Im Allgemeinen wird von einer hohen Dunkelziffer an Personen mit undiagnostiziertem Typ-2-Diabetes ausgegangen. Ein Teil davon sind von Ärzten „übersehene“ Fälle. Eine von der University ...