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„Wir haben vieles zu tun, impfen gehört dazu“
Jatros
30
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13.11.2018
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<p class="article-intro">Am 27. November 2018 werden vom Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz die neuen Empfehlungen zur Grippeimpfung für die Saison 2018/19 herausgegeben.<sup>1</sup> Wir sprachen mit Oberarzt Dr. Helmut Brath, warum die Impfung gerade bei Menschen mit Diabetes so wichtig ist.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p><strong>Sehr geehrter Herr Oberarzt Brath, in den aktuellen Empfehlungen des Bundesministeriums zur Influenza-Impfung für die Saison 2018/19 gehören Personen mit Diabetes zu jener Gruppe, für welche die Influenza- Impfung mit der Betonung „insbesondere“ empfohlen wird – auch wenn der Diabetes gut eingestellt ist. Warum ist die Impfung gerade für Menschen mit Diabetes so wichtig?</strong></p> <p><strong>H. Brath:</strong> Die Empfehlung, die hier gegeben wurde, muss man aus mehreren Gründen wirklich unterstützen. Zwar sehen wir, dass Menschen mit Diabetes glücklicherweise immer seltener makrovaskulär erkranken oder an makrovaskulären Komplikationen sterben,<sup>2</sup> das heißt aber gleichzeitig, dass andere Erkrankungen, v.a. Infektionen, vermehrt in den Vordergrund treten. Wir wissen auch, dass Menschen mit Diabetes ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Infektionen haben und auch häufiger daran sterben.<sup>3</sup> Liegt z.B. bei einer Grippeinfektion auch ein Diabetes mellitus vor, ist das Risiko für eine Hospitalisierung um das Dreifache, das Risiko für eine Verlegung auf die Intensivstation sogar um das Vierfache erhöht.<sup>4</sup> Das ist die eine Seite. Die andere Seite ist jene, dass die Infektion umgekehrt auch die Blutzuckereinstellung verschlechtert. Wir wissen, dass Infektionen neben Nonadhärenz und Erstmanifestation die häufigsten Ursachen für die diabetische Ketoazidose, eine potenziell tödliche Komplikation, sind.<sup>5</sup></p> <p><strong>Wie hoch sind die Durchimpfungsraten in Österreich bei Menschen mit Diabetes mellitus?</strong></p> <p><strong>H. Brath:</strong> Dazu gibt es leider nur wenige konkrete Zahlen. Grundsätzlich sind die Durchimpfungsraten in Österreich nicht ausreichend. Etwas ältere, von der medizinischen Universität Wien erhobene Daten zeigten, dass in der Saison 2006/2007 nur 40 % der Männer und 30 % der Frauen mit Diabetes durch eine Grippeimpfung geschützt waren.<sup>6</sup> Ob sich dies gebessert hat, ist fraglich. Wir hinken bezüglich Influenza-Impfung in Österreich dem EU-Durchschnitt jedenfalls deutlich hinterher.</p> <p><strong>Woran liegt diese geringe Impfrate?</strong></p> <p><strong>H. Brath:</strong> Die WHO hat dieses Phänomen der Skepsis oder Ablehnung Impfungen gegenüber vor Kurzem als „vaccine hesitancy“ – also als Impfzögerlichkeit – definiert.<sup>7</sup> Diese betrifft Menschen mit Diabetes, Menschen ohne Diabetes, aber auch Ärzte, und ich denke, hier müssen wir uns wirklich darauf besinnen, dass wir der Wissenschaft und der Evidenz verpflichtet sind. Wir müssen so behandeln, wie es State of the Art ist, und das heißt: impfen. Man darf allerdings nicht vergessen, dass wir bei der Behandlung des Diabetes viele Aufgaben haben. Wir müssen den Blutzucker, den Blutdruck und die Lipide einstellen, Augen und Füße kontrollieren und noch vieles andere bedenken. Aber auch wenn wir viel zu tun haben, dürfen wir die Impfungen nicht vernachlässigen.</p> <p><strong>Bei der Impfung geht es ja nicht nur um den Selbstschutz, sondern auch um den Fremd- oder Herdenschutz. Sind Ärzte und andere Fachgruppen, die Menschen mit Diabetes behandeln, in besonderem Maße aufgefordert, sich selbst impfen zu lassen?</strong></p> <p><strong>H. Brath:</strong> Ein uneingeschränktes Ja.</p> <p><br /><strong><em>Vielen Dank für das Gespräch!</em></strong></p></p>
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<p><strong>1</strong> www.sozialministerium.at/site/Gesundheit/Krankheiten_ und_Impfen/Impfen/Empfehlung_Influenza_Impfung_Grippeimpfung_ Saison_2018_2019 <strong>2</strong> Gregg EW et al.: Trends in cause-specific mortality among adults with and without diagnosed diabetes in the USA: an epidemiological analysis of linked national survey and vital statistics data. Lancet 2018; 391: 2430-40 <strong>3</strong> Shah BR, Hux JE: Quantifying the risk of infectious diseases for people with diabetes. Diabetes Care 2003; 26: 510-3 <strong>4</strong> Allard R et al.: Diabetes and the severity of pandemic influenza A (H1N1) infection. Diabetes Care 2010; 33: 1491-3 <strong>5</strong> Umpierrez G, Korytkowski M: Diabetic emergencies - ketoacidosis, hyperglycaemic hyperosmolar state and hypoglycaemia. Nat Rev Endocrinol 2016; 12: 222-32 <strong>6</strong> Dorner TE et al.: Coverage of recommended vaccinations in subjects with diabetes mellitus and ischemic heart disease: results for women and men. Wien Med Wochenschr 2011; 161: 136-42 <strong>7</strong> MacDonald NE: Vaccine hesitancy: Definition, scope and determinants. Vaccine 2015; 33: 4161-4</p>
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