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Standespolitik, Therapie und Diagnostik

Rückblick auf die wichtigsten Entwicklungen in der Endokrinologie in den letzten 25 Jahren

Die letzten 25 Jahre haben entscheidende Entwicklungen in der Diagnostik und Therapie von hormonellen Erkrankungen gebracht, die die Prognose und die Lebensqualität der Betroffenen deutlich verbessert haben. Im folgenden Beitrag können nicht alle Innovationen angeführt werden, die Auswahl ist subjektiv und bezieht auch die Etablierung wesentlicher Rahmenbedingungen ein.

Keypoints

  • Molekulargenetische Untersuchungen und die molekulare Bildgebung sind zu zentralen Bestandteilen der Diagnostik im Bereich der Endokrinologie geworden.

  • Die Entwicklung neuer Pharmaka hat in den letzten 25 Jahren das Therapieangebot für Patientinnen und Patienten mit hormonellen Erkrankungen und angeborenen Stoffwechselstörungen enorm erweitert.

Standespolitik

Die Gründung der Österreichischen Gesellschaft für Endokrinologie und Stoffwechsel 1994 stellt einen Meilenstein für die Vernetzung der in Österreich tätigen Endokrinologinnen und Endokrinologen dar. Seit 1995 organisiert sie Jahrestagungen, in den vergangenen 25 Jahren wiederholt auch zusammen mit anderen wissenschaftlichen Gesellschaften wie der Österreichischen Diabetes Gesellschaft (ÖDG), dem Österreichischen Osteoporoseforum, der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie und der Schweizerischen Gesellschaft für Endokrinologie und Diabetologie. Der von Siegfried Schwarz, Alois Gessl und Vinzenz Stepan ins Leben gerufene „Intensivkurs Klinische Endokrinologie“, der seit 2009 im Abstand von 1 bis 2 Jahren organisiert wird, stellt nicht nur aufgrund der sehr familiären Stimmung im Schloss Seggau einen weiteren Höhepunkt im Leben unserer Gesellschaft dar. In 2,5 Tagen bietet er einen guten Überblick über neue Entwicklungen sowie Standards in Diagnostik und Therapie im Bereich Endokrinologie und Stoffwechsel.

Mit der im Rahmen der neuen Ärzteausbildungsordnung erfolgten Etablierung der Facharztprüfung im Sonderfach Innere Medizin und Endokrinologie und Diabetologie ist 2015 ein wichtiges Instrument der Qualitätssicherung der Patientenversorgung in unserem Land geschaffen worden. Dabei ist aber auch zu erwähnen, dass aufgrund der zurzeit vorhandenen 65,33 Ausbildungsstellennach der 3-jährigen Ausbildung in unserem Sonderfach jährlich maximal 22 Absolventinnen und Absolventen zur Verfügung stehen werden. Damit ist die Versorgung der rasch wachsenden Zahl von Patientinnen und Patienten mit endokrinologischen Erkrankungen in Zukunft nicht gewährleistet. Eine Anpassung ist daher dringend erforderlich.

Therapie endokriner Erkrankungen

Im Bereich der Therapie der Hypophysenadenome stellt die Entwicklung der retardierten Somatostatinanaloga (Octreotid, Lanreotid, Pasireotid), die nur mehr einmal alle 4 Wochen injiziert werden müssen, als Zweitlinientherapie der Akromegalie nach der Operation ebenso wie die des GH-Antagonisten Pegvisomant eine wesentliche Bereicherung der Behandlungsmöglichkeiten dar mit signifikanten positiven Auswirkungen auf die Lebensqualität der Betroffenen. Pasireotid ist weiters zur Therapie des Cushing-Syndroms zugelassen. Lanreotid und Octreotid haben auch in der medikamentösen Therapie von Tumoren des Gastrointestinaltraktes und des Pankreas einen fixen Platz. Mit Osilodrostat steht eine neue Alternative für die präoperative bzw. Zweitlinientherapie des Cushing-Syndroms, ob hypophysären, adrenalen oder ektopen Ursprungs, zur Verfügung. Für die Therapie der Nebenniereninsuffizienz sind neue Formulierungen von Hydrocortison mit veränderter Wirkstofffreisetzung entwickelt worden, die den zirkadianen Rhythmus von Cortisol besser imitieren und somit eine physiologischere Hormonersatztherapie darstellen. Es darf auch nicht unerwähnt bleiben, dass die nunmehr weltweit am häufigsten verwendete Klassifizierung der Ausdehnung von Hypophysenadenomen, die auf eine Publikation aus dem Jahr 2015 zurückgeht, den Namen des „senior authors“ und ehemaligen Leiters der Wiener Universitätsklinik für Neurochirurgie, Engelbert Knosp, trägt.

Auf Basis von gastrointestinalen Hormomen sind Pharmaka entwickelt worden, die bereits jetzt (Gliptine, GLP-1-Rezeptoragonisten) zentrale Bestandteile der Therapie des Diabetes mellitus Typ 2 und der Adipositas sind bzw. in naher Zukunft (Twinkretine, wie Tirzepatid, möglicherweise auch Tripeptide) sein werden.

Manche Patientinnen und Patienten mit Hypoparathyreoidismus, ob angeboren oder erworben nach operativen Eingriffen oder Bestrahlung am Hals, haben trotz Therapie mit Kalzium und Vitamin D3 eine massiv beeinträchtigte Lebensqualität. Durch die seit 2017 bestehende Verfügbarkeit von rekombinantem, täglich subkutan zu verabreichendem Parathormon konnte die Situation der Betroffenen ganz wesentlich verbessert werden.

Die frühzeitigere Diagnostik sowie die Entwicklung und Verfügbarkeit von spezifischen Therapien zahlreicher seltener angeborener Stoffwechselstörungen wie z.B. der Mukopolysaccharidosen, des M. Gaucher und des M. Fabry haben dazu geführt, dass die Lebenserwartung der Betroffenen deutlich gestiegen ist. Während diese Patientinnen und Patienten früher nahezu ausschließlich in Zentren für Kinder- und Jugendheilkunde behandelt wurden, hat sich damit auch die Notwendigkeit ergeben, sie an Kliniken und Abteilungen für Erwachsene, die erst das diesbezügliche Know-how erwerben mussten, zu transferieren. Die Etablierung von Transitionsambulanzen, die die Informationsweitergabe und damit die Kontinuität der Betreuung gewährleisten sollen, stellt hierfür eine wesentliche Voraussetzung dar. Transitionsambulanzen sind aber auch ein wichtiger Bestandteil der Übergabe von Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1, Ulrich-Turner-Syndrom sowie St.p. Tumoren im Kindesalter mit anschließender Chemotherapie oder Bestrahlung geworden. Bei Letzteren ist die multidisziplinäre Versorgung in Kooperation mit zahlreichen anderen Fächern, wie z.B. Kardiologie, Gynäkologie und Onkologie, von großer Bedeutung.

Diagnostik

Humangenetische Analysen haben in den letzten 25 Jahren einen enorm wichtigen Stellenwert in der Diagnostik zahlreicher endokriner Erkrankungen eingenommen wie z.B. beim adrenogenitalen Syndrom, bei multiplen endokrinen Neoplasien, beim medullären Schilddrüsenkarzinom, bei Kalziumstoffwechselstörungen und bei Hypophysenadenomen, um nur einige zu nennen. Aber auch bei seltenen Diabetesformen wie z.B. den verschiedenen Varianten des „maturity onset diabetes of the young“ (MODY) und anderen angeborenen Stoffwechselstörungen sind sie für die Diagnosestellung essenziell. Darüber hinaus stellen sie die Basis für die genetische Beratung von Patientinnen und Patienten und deren Angehörigen dar.

Hormone sind in dieser Zeit auch zentrale Bestandteile in der Diagnostik anderer Spezialgebiete geworden wie z.B. das NT-proBNP für die Herzinsuffizienz.

Neben den Laboranalysen stellen die bildgebenden Verfahren ein unerlässliches Gebiet der endokrinologischen Diagnostik dar mit entscheidenden Weiterentwicklungen in den letzten 25 Jahren. Neben dem höheren Auflösungsvermögen, der geringeren Strahlenbelastung und der kürzeren Untersuchungsdauer von neuen MRT- bzw. CT-Geräten haben funktionelle Verfahren wie die Positronen-Emissions-Tomografie (PET) mit der kontinuierlichen Entwicklung neuer Radiopharmaka in Kombination mit der CT und MRT die Diagnostik wesentlich verfeinert. Zu erwähnen sind hier u.a. die neuroendokrinen Tumoren und der primäre Hyperparathyreoidismus. Für ausgewählte Patienten stellt die Therapie mit Radiopharmaka bei Therapieversagen anderer Behandlungsmodalitäten auch eine zusätzliche Option dar. Von der molekularen Bildgebung sind in Zukunft weitere wesentliche Impulse für die Forschung und Diagnostik im Bereich der Endokrinologie zu erwarten.

Neue, in den letzten Jahren entstandene Gebiete

Durch den vielfältigen und sehr erfolgreichen Einsatz von Immuncheckpoint-Inhibitoren (ICI) in der Onkologie ist ein neues Gebiet der Endokrinologie eröffnet worden. ICIs können nicht nur eine ganze Reihe von Nebenwirkungen auf den Gastrointestinaltrakt, die Haut und Nieren hervorrufen, sie können auch das endokrine System erheblich beeinträchtigen. Zu erwähnen sind hier Diabetes mellitus, Thyreoiditis, Hypophysitis und Adrenalitis, die teils eine permanente Insuffizienz der betroffenen Organe und damit eine lebenslange Substitutionstherapie zur Folge haben können.

Auch die Covid-19-Pandemie hat profunde Auswirkungen auf das Hormonsystem. Die Schilddrüse ist dabei das am häufigsten im Rahmen einer SARS-CoV-2-Infektion betroffene Organ, wobei sowohl Hyper- als auch Hypothyreosen auftreten können. In den allermeisten Fällen entstehen aber keine permanenten Funktionsstörungen. Auch Hyperglykämien sowie Funktionsbeeinträchtigungen der Hypophyse, der Nebennieren und der Gonaden wurden beschrieben. Die pathogenetischen Mechanismen sind nicht restlos aufgeklärt. Wie bei anderen viralen Erkrankungen werden Autoimmunmechanismen, aber auch vaskuläre Ursachen diskutiert.

beim Verfasser

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