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News vom Jahreskongress der American Diabetes Association
Leading Opinions
Autor:
Regina Scharf, MPH
Medizinjournalistin
30
Min. Lesezeit
01.11.2017
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<p class="article-intro">Die Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus (DM) beschränken sich nicht auf Augen, Nieren und Herz. Am 77. Kongress der American Diabetes Association (ADA) in San Diego, Kalifornien, standen unter anderem die Manifestationen des DM Typ 2 an der Leber im Fokus, wie im Rahmen des 16. Post ADA-/Endocrine-Symposium in Bern zu erfahren war.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Metabolische Störungen wie Übergewicht, Hypertonie, Dyslipidämie und Diabetes mellitus (DM) erhöhen das Risiko für eine nicht alkoholische Fettleber («non-alcoholic fatty liver disease», NAFLD). Diese gilt als Vorstufe der nicht alkoholischen Steatohepatitis («non-alcoholic steato-hepatitis», NASH), mit dem erhöhten Risiko einer Leberzirrhose, im schlimmsten Fall eines hepatozellulären Karzinoms. Um das zu verhindern, hat die ADA einen «Call to Action» zum Management der NAFLD bei Patienten mit DM Typ 2 veröffentlicht.<sup>1</sup> Demzufolge sollten bei Patienten mit Prädiabetes oder Diabetes periodisch die Transaminasen bestimmt und die Leber mittels Ultraschall untersucht werden, die Patienten sollten gegebenenfalls zur weiteren Abklärung an einen Hepatologen überwiesen werden (Abb. 1). In einer Studie, die den Einfluss der NAFLD auf das kardiovaskuläre Risiko untersuchte, wurde gezeigt, dass es bei den Betroffenen trotz unverändertem BMI zu einer Verschlechterung der Dyslipidämie kam.<sup>2</sup> Als ursächlich dafür wurden die Lebersteatose und eine Zunahme der peripheren Insulinresistenz vermutet. «In der Praxis präsentieren sich diese Patienten plötzlich mit einer Blutzuckerentgleisung, die oft monatelang mit hohen Insulindosen behandelt werden muss», sagte Dr. med. Robin Chanda, Bellinzona. Verschiedene pharmakologische Interventionen bei der NASH/NAFLD sind untersucht worden.<br /> Als besonders vielversprechend erwies sich die Behandlung mit Pioglitazon (z.B. Actos<sub>®</sub>) und mit dem GLP-1-Analogon Liraglutid (Victoza<sub>®</sub>).<sup>1</sup> «Beim Einsatz von Pioglitazon ist wegen der möglichen unerwünschten Wirkungen Vorsicht geboten», sagte Chanda.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Innere_1705_Weblinks_lo_innere_1705_s25_abb1.jpg" alt="" width="1418" height="1322" /></p> <h2>Der Einfluss des Diabetes und der neuen Antidiabetika auf das Herz</h2> <p>Diabetes erhöht das Risiko für eine systolische und diastolische Herzinsuffizienz (HFrEF und HFpEF).<sup>3</sup> Häufiger davon betroffen sind Frauen sowie Personen, deren Blutzucker (BZ) schlecht eingestellt ist oder die insulinpflichtig sind. Ein erhöhtes Risiko besteht zudem bei älteren Personen, langer Diabetesdauer oder einer bestehenden Herz-Kreislauf- oder Nierenerkrankung. «Daneben beeinflusst der Diabetes auch die Prognose einer bestehenden Herzinsuffizienz (‹heart failure›, HF)», sagte Prof. Dr. med. Peter Wiesli vom Kantonsspital Frauenfeld und verwies auf das erhöhte Hospitalisations- und Sterberisiko in Studien.<br /> Die vielen Daten zur kardiovaskulären (CV) Sicherheit der Antidiabetika sind auf eine Forderung der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) zurückzuführen, jedes Antidiabetikum entsprechend zu überprüfen. Allerdings zählte die Herzinsuffizienz in aller Regel nicht zu den primär untersuchten Sicherheitsendpunkten. «Dies sollte in künftigen Studien unbedingt geändert werden», forderte Wiesli.<br /> Bei den DPP-4-Inhibitoren (DPP-4-I) sorgten vor allem die Ergebnisse der Studie SAVOR-TIMI 3 mit einer signifikanten Zunahme der HF-bedingten Hospitalisationen unter Saxagliptin (Onglyza<sup>®</sup>) im Vergleich zu Placebo für eine Überraschung (HR: 1,27; p=0,007).<sup>4</sup> In der EXA MINE-Studie mit Alogliptin (Vipidia<sup>®</sup>) nahm die Häufigkeit der Hospitalisationen infolge von HF gegenüber Placebo leicht, aber statistisch nicht signifikant zu, während sich die Therapie mit Sitagliptin (Januvia<sup>®</sup>, Xelevia<sup>®</sup>) in der TECOS-Studie in Bezug auf diesen Endpunkt als neutral erwies.<sup>4</sup><br /> Zu den GLP-1-Analoga wurden mit ELIXA, LEADER und SUSTAIN ebenfalls drei grosse Studien publiziert, in denen u.a. die HF-bedingten Hospitalisationen untersucht wurden. In der LEADER-Studie mit Liraglutid (Victoza<sup>®</sup>) und in der SUSTAIN- 6-Studie mit Semaglutid war der primäre Endpunkt im Vergleich zu Placebo signifikant reduziert.<sup>4</sup> Auch die Häufigkeit der HF-bedingten Hospitalisationen hatte in beiden Studien abgenommen, der Unterschied zu Placebo war jedoch statistisch nicht signifikant. Der in der ELIXAStudie untersuchte Wirkstoff Lixisenatid (Lyxumia<sup>®</sup>) hatte dagegen keinen Einfluss auf das CV Outcome der untersuchten Patienten.<br /> «Von den SGLT2-Inhibitoren (SGLT2-I) ist Empagliflozin (Jardiance<sup>®</sup>) wegen seines günstigen Effekts auf die HF-bedingten Hospitalisationen besonders interessant », sagte Prof. Wiesli. Dieser habe sich sowohl bei Patienten mit einer neu aufgetretenen HF als auch bei Patienten mit vorbestehender HF gezeigt. Zwei Studien, darunter eine Metaanalyse, die die CV Effekte des SGLT2-I Dapagliflozin (Forxiga<sup>®</sup>) untersuchten, deuten ebenfalls auf eine günstige Wirkung auf das Herz hin.<sup>5, 6</sup> «Es handelt sich bei der positiven Wirkung auf die Herzinsuffizienz also wahrscheinlich um einen Klasseneffekt der SGLT2-Inhibitoren », so der Diabetologe. Weitere Studien seien aber vonnöten.</p> <h2>CANVAS-Studien zeigen Zunahme von Amputationen unter Canagliflozin</h2> <p>Dazu passen auch die Ergebnisse des CANVAS-Programms, das die CV und die renalen Ereignisse unter Canagliflozin (Invokana<sup>®</sup>) bei Patienten mit DM Typ 2 untersuchte.<sup>7</sup> Diese zeigten eine signifikante Reduktion des primären Endpunkts (3-Punkte-MACE: CV Tod, nicht tödlicher Myokardinfarkt und nicht tödlicher Schlaganfall) um 14 % verglichen mit Placebo (HR: 0,86; p<0,001 für Nichtunterlegenheit; p=0,02 für Überlegenheit). Die Zahl der HF-bedingten Hospitalisationen konnte unter der Behandlung mit Canagliflozin um 33 % reduziert werden. Neben den erwarteten unerwünschten Wirkungen, wie beispielsweise einem erhöhten Risiko für genitale Pilzinfektionen, wurde ein Zunahme der Zahl von Amputationen der unteren Extremitäten – vor allem kleineren Amputationen und Amputationen der Zehen – beobachtet. Da die Risikofaktoren für eine Amputation, wie PAVK, männliches Geschlecht, Neuropathie etc., in den verglichenen Behandlungsgruppen gleich verteilt waren, ist davon auszugehen, dass unter Canagliflozin das Risiko für eine Amputation erhöht ist. Die zugrunde liegenden Mechanismen sind bislang nicht bekannt. Es wird aber empfohlen, Patienten mit einem erhöhten Risiko für Amputationen, die mit Canagliflozin behandelt werden, engmaschig zu kontrollieren. Darüber hinaus wurde eine Zunahme des Frakturrisikos unter Canagliflozin beobachtet. Ob es sich im Falle des Amputations- und Frakturrisikos um einen Klasseneffekt handelt, ist unklar. In einer Post-hoc-Analyse der EMPA-REGStudie fand sich kein Hinweis auf ein erhöhtes Amputationsrisiko. Eine Zunahme der Zahl von Knochenfrakturen konnte unter der Behandlung mit Dapagliflozin bei Patienten mit einer moderat eingeschränkten Nierenfunktion beobachtet werden, aber nicht unter Empagliflozin.</p> <h2>Diabetesbehandlung bei älteren Menschen und Überbehandlung</h2> <p>Bei einer intensiven glykämischen Kontrolle nimmt vor allem bei älteren, >75-jährigen Menschen mit Komorbiditäten die Gefahr schwerer Hypoglykämien zu. Verschiedene Diabetesorganisationen empfehlen deshalb, das individuelle HbA<sub>1c</sub>-Ziel anhand des funktionellen Zustands und der Komorbiditäten festzulegen.<br /> In der Praxis sieht das jedoch oft anders aus: Wie eine Auswertung nationaler Gesundheits- und Ernährungsdaten von ca. 1800 Patienten mit DM Typ 2 (>65 Jahre) in den USA zeigte, hatten ca. 60 % der Patienten unabhängig von ihrem Gesundheitszustand (gut, mittel, schlecht) ein HbA<sub>1c</sub> <7 % . Davon wurden über alle Gesundheitskategorien hinweg ca. 60 % mit Sulfonylharnstoffen (SH) und Insulin behandelt.<sup>8</sup> «Insuline und orale Antidiabetika stehen an 2. und 4. Stelle der Medikamente, die zu notfallmässigen Hospitalisationen führen», sagte Dr. med. Alain Pernet vom Hôpital de la Tour, Meyrin.<br /> Eine Metaanalyse, die das klinische Outcome und die unerwünschten Effekte verschiedener Antidiabetikaklassen in Kombination mit Metformin verglich, zeigte, dass das Hypoglykämierisiko unter SH deutlich erhöht ist.<sup>9</sup> Allerdings gibt es zwischen den SH Unterschiede. So konnte anhand einer weiteren Metaanalyse gezeigt werden, dass das Risiko für leichte und schwere Hypoglykämien unter Gliclazid (z.B. Diamicron<sup>®</sup>) im Vergleich zu anderen SH am niedrigsten war.<sup>10</sup> Gliclazid erwies sich auch in Bezug auf das Mortalitätsrisiko als den anderen SH überlegen.<sup>11</sup><br /> Aufgrund der grossen Verbreitung der SH stellt sich die Frage, wie sich schwere Hypoglykämien am besten vermeiden lassen. «Ein wichtiger Faktor ist die gute Information der Patienten und ihrer Angehörigen über die Symptome einer Hypoglykämie », sagte Pernet. Vor allem ältere Patienten würden die Zeichen einer Hypoglykämie oftmals nicht erkennen. Eine Möglichkeit, den Diabetes bei älteren Patienten zu managen, sind die neuen Antidiabetika. «Diese führen zu einer besseren glykämischen Kontrolle und weniger Hypoglykämien», so der Referent.</p> <h2>DEVOTE-Studie bestätigt CV Sicherheit von Insulin Degludec</h2> <p>Zu den Neuigkeiten, die am ADA-Jahreskongress präsentiert wurden, gehörten auch die Ergebnisse der DEVOTE-Studie zum Vergleich der CV Sicherheit von Insulin Degludec (Tresiba<sup>®</sup>) gegenüber Insulin Glargin U100 (Lantus<sup>®</sup>) bei Patienten mit einem DM Typ 2 und einem hohen Risiko für CV Ereignisse.<sup>12</sup> Die Studie bestätigte die Nichtunterlegenheit von Insulin Degludec versus Insulin Glargin U100 hinsichtlich des primären Endpunkts (3-Punkt-MACE: CV Tod, nicht tödlicher Herzinfarkt, nicht tödlicher Schlaganfall). Die Höhe des HbA<sub>1c</sub> war in beiden Gruppen vergleichbar. Das Gleiche galt auch für die zur glykämischen Kontrolle notwendigen Insulindosen. Die Häufigkeit schwerer Hypoglykämien (sekundärer Endpunkt) war im Vergleich zu Insulin Glargin U100 unter Insulin Degludec um 40 % reduziert («rate ratio» 0,6; p<0,001). Zudem kam es zu einer signifikanten Reduktion der Zahl schwerer nächtlicher Hypoglykämien bei den mit Insulin Degludec behandelten Patienten («rate ratio» 0,47; p<0,001).Die vielen Daten zur kardiovaskulären (CV) Sicherheit der Antidiabetika sind auf eine Forderung der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) zurückzuführen, jedes Antidiabetikum entsprechend zu überprüfen. Allerdings zählte die Herzinsuffizienz in aller Regel nicht zu den primär untersuchten Sicherheitsendpunkten. «Dies sollte in künftigen Studien unbedingt geändert werden», forderte Wiesli.<br /> Bei den DPP-4-Inhibitoren (DPP-4-I) sorgten vor allem die Ergebnisse der Studie SAVOR-TIMI 3 mit einer signifikanten Zunahme der HF-bedingten Hospitalisationen unter Saxagliptin (Onglyza<sup>®</sup>) im Vergleich zu Placebo für eine Überraschung (HR: 1,27; p=0,007).<sup>4</sup> In der EXA MINE-Studie mit Alogliptin (Vipidia<sup>®</sup>) nahm die Häufigkeit der Hospitalisationen infolge von HF gegenüber Placebo leicht, aber statistisch nicht signifikant zu, während sich die Therapie mit Sitagliptin (Januvia<sup>®</sup>, Xelevia<sup>®</sup>) in der TECOS-Studie in Bezug auf diesen Endpunkt als neutral erwies.<sup>4</sup><br /> Zu den GLP-1-Analoga wurden mit ELIXA, LEADER und SUSTAIN ebenfalls drei grosse Studien publiziert, in denen u.a. die HF-bedingten Hospitalisationen untersucht wurden. In der LEADER-Studie mit Liraglutid (Victoza<sup>®</sup>) und in der SUSTAIN- 6-Studie mit Semaglutid war der primäre Endpunkt im Vergleich zu Placebo signifikant reduziert.<sup>4</sup> Auch die Häufigkeit der HF-bedingten Hospitalisationen hatte in beiden Studien abgenommen, der Unterschied zu Placebo war jedoch statistisch nicht signifikant. Der in der ELIXAStudie untersuchte Wirkstoff Lixisenatid (Lyxumia<sup>®</sup>) hatte dagegen keinen Einfluss auf das CV Outcome der untersuchten Patienten.<br /> «Von den SGLT2-Inhibitoren (SGLT2-I) ist Empagliflozin (Jardiance<sup>®</sup>) wegen seines günstigen Effekts auf die HF-bedingten Hospitalisationen besonders interessant », sagte Prof. Wiesli. Dieser habe sich sowohl bei Patienten mit einer neu aufgetretenen HF als auch bei Patienten mit vorbestehender HF gezeigt. Zwei Studien, darunter eine Metaanalyse, die die CV Effekte des SGLT2-I Dapagliflozin (Forxiga<sup>®</sup>) untersuchten, deuten ebenfalls auf eine günstige Wirkung auf das Herz hin.<sup>5, 6</sup> «Es handelt sich bei der positiven Wirkung auf die Herzinsuffizienz also wahrscheinlich um einen Klasseneffekt der SGLT2-Inhibitoren », so der Diabetologe. Weitere Studien seien aber vonnöten.</p> <h2>CANVAS-Studien zeigen Zunahme von Amputationen unter Canagliflozin</h2> <p>Dazu passen auch die Ergebnisse des CANVAS-Programms, das die CV und die renalen Ereignisse unter Canagliflozin (Invokana<sup>®</sup>) bei Patienten mit DM Typ 2 untersuchte.<sup>7</sup> Diese zeigten eine signifikante Reduktion des primären Endpunkts (3-Punkte-MACE: CV Tod, nicht tödlicher Myokardinfarkt und nicht tödlicher Schlaganfall) um 14 % verglichen mit Placebo (HR: 0,86; p<0,001 für Nichtunterlegenheit; p=0,02 für Überlegenheit). Die Zahl der HF-bedingten Hospitalisationen konnte unter der Behandlung mit Canagliflozin um 33 % reduziert werden. Neben den erwarteten unerwünschten Wirkungen, wie beispielsweise einem erhöhten Risiko für genitale Pilzinfektionen, wurde ein Zunahme der Zahl von Amputationen der unteren Extremitäten – vor allem kleineren Amputationen und Amputationen der Zehen – beobachtet. Da die Risikofaktoren für eine Amputation, wie PAVK, männliches Geschlecht, Neuropathie etc., in den verglichenen Behandlungsgruppen gleich verteilt waren, ist davon auszugehen, dass unter Canagliflozin das Risiko für eine Amputation erhöht ist. Die zugrunde liegenden Mechanismen sind bislang nicht bekannt. Es wird aber empfohlen, Patienten mit einem erhöhten Risiko für Amputationen, die mit Canagliflozin behandelt werden, engmaschig zu kontrollieren. Darüber hinaus wurde eine Zunahme des Frakturrisikos unter Canagliflozin beobachtet. Ob es sich im Falle des Amputations- und Frakturrisikos um einen Klasseneffekt handelt, ist unklar. In einer Post-hoc-Analyse der EMPA-REGStudie fand sich kein Hinweis auf ein erhöhtes Amputationsrisiko. Eine Zunahme der Zahl von Knochenfrakturen konnte unter der Behandlung mit Dapagliflozin bei Patienten mit einer moderat eingeschränkten Nierenfunktion beobachtet werden, aber nicht unter Empagliflozin.</p> <h2>Diabetesbehandlung bei älteren Menschen und Überbehandlung</h2> <p>Bei einer intensiven glykämischen Kontrolle nimmt vor allem bei älteren, >75-jährigen Menschen mit Komorbiditäten die Gefahr schwerer Hypoglykämien zu. Verschiedene Diabetesorganisationen empfehlen deshalb, das individuelle HbA<sub>1c</sub>-Ziel anhand des funktionellen Zustands und der Komorbiditäten festzulegen.<br /> In der Praxis sieht das jedoch oft anders aus: Wie eine Auswertung nationaler Gesundheits- und Ernährungsdaten von ca. 1800 Patienten mit DM Typ 2 (>65 Jahre) in den USA zeigte, hatten ca. 60 % der Patienten unabhängig von ihrem Gesundheitszustand (gut, mittel, schlecht) ein HbA<sub>1c</sub> <7 % . Davon wurden über alle Gesundheitskategorien hinweg ca. 60 % mit Sulfonylharnstoffen (SH) und Insulin behandelt.<sup>8</sup> «Insuline und orale Antidiabetika stehen an 2. und 4. Stelle der Medikamente, die zu notfallmässigen Hospitalisationen führen», sagte Dr. med. Alain Pernet vom Hôpital de la Tour, Meyrin.<br /> Eine Metaanalyse, die das klinische Outcome und die unerwünschten Effekte verschiedener Antidiabetikaklassen in Kombination mit Metformin verglich, zeigte, dass das Hypoglykämierisiko unter SH deutlich erhöht ist.<sup>9</sup> Allerdings gibt es zwischen den SH Unterschiede. So konnte anhand einer weiteren Metaanalyse gezeigt werden, dass das Risiko für leichte und schwere Hypoglykämien unter Gliclazid (z.B. Diamicron<sup>®</sup>) im Vergleich zu anderen SH am niedrigsten war.<sup>10</sup> Gliclazid erwies sich auch in Bezug auf das Mortalitätsrisiko als den anderen SH überlegen.<sup>11</sup><br /> Aufgrund der grossen Verbreitung der SH stellt sich die Frage, wie sich schwere Hypoglykämien am besten vermeiden lassen. «Ein wichtiger Faktor ist die gute Information der Patienten und ihrer Angehörigen über die Symptome einer Hypoglykämie », sagte Pernet. Vor allem ältere Patienten würden die Zeichen einer Hypoglykämie oftmals nicht erkennen. Eine Möglichkeit, den Diabetes bei älteren Patienten zu managen, sind die neuen Antidiabetika. «Diese führen zu einer besseren glykämischen Kontrolle und weniger Hypoglykämien», so der Referent.</p> <h2>DEVOTE-Studie bestätigt CV Sicherheit von Insulin Degludec</h2> <p>Zu den Neuigkeiten, die am ADA-Jahreskongress präsentiert wurden, gehörten auch die Ergebnisse der DEVOTE-Studie zum Vergleich der CV Sicherheit von Insulin Degludec (Tresiba<sup>®</sup>) gegenüber Insulin Glargin U100 (Lantus<sup>®</sup>) bei Patienten mit einem DM Typ 2 und einem hohen Risiko für CV Ereignisse.<sup>12</sup> Die Studie bestätigte die Nichtunterlegenheit von Insulin Degludec versus Insulin Glargin U100 hinsichtlich des primären Endpunkts (3-Punkt-MACE: CV Tod, nicht tödlicher Herzinfarkt, nicht tödlicher Schlaganfall). Die Höhe des HbA<sub>1c</sub> war in beiden Gruppen vergleichbar. Das Gleiche galt auch für die zur glykämischen Kontrolle notwendigen Insulindosen. Die Häufigkeit schwerer Hypoglykämien (sekundärer Endpunkt) war im Vergleich zu Insulin Glargin U100 unter Insulin Degludec um 40 % reduziert («rate ratio» 0,6; p<0,001). Zudem kam es zu einer signifikanten Reduktion der Zahl schwerer nächtlicher Hypoglykämien bei den mit Insulin Degludec behandelten Patienten («rate ratio» 0,47; p<0,001).</p> <div id="fazit"> <h2>Mit Stossdämpfern an den Füssen einen diabetischen Fuss verhindern</h2> <p>1987 wurde am ADA-Kongress in Seattle eine Interessengruppe «Diabetischer Fuss» gegründet. Anlässlich des 30-jährigen Bestehens fassten verschiedene Präsentationen die Arbeit der Gruppe zusammen. Dabei zeigte sich, dass die langjährige Annahme, die Fussulzera entstünden vor allem durch den hohen Druck auf die Fusssohle, nur teilweise stimmt. Wie Untersuchungen zeigen, steigt der Druck auf die Fusssohle beim Gehen zunächst stark an, erreicht ein Plateau und fällt dann wieder ab.<sup>13</sup> Dabei wirken Scherkräfte auf die Weichteilschichten der Fusssohle ein. «Dieser Prozess wurde vom Referenten mit einer Büroklammer verglichen, die man hin und her biegt, bis die Elastizität so weit abnimmt, dass sie bricht», erklärte Chanda. Das durch den DM chronisch geschädigte Gewebe entzündet sich durch den mechanischen Stress und beginnt anschliessend zu ulzerieren. Mit dem Ziel, diesen Prozess zu unterbrechen, bevor es zur Ulkusbildung kommt, hat das Start-up Podimetrix eine kabellose «Smart Mat» entwickelt, mit der an sechs definierten Punkten die Fusstemperatur gemessen wird. Beträgt die Temperaturdifferenz zwischen den Punkten 2,2°C, besteht die Gefahr, dass sich an der entzündeten Stelle innerhalb von circa einem Monat ein Ulkus bildet – bei einer grösseren Temperaturdifferenz möglicherweise schon früher.<br /> Ein Schweizer Beitrag zur Prophylaxe des diabetischen Fusses kommt von der ETH Lausanne in Zusammenarbeit mit dem Universitätsspital Genf. Diese entwickeln eine Spezialsohle mit Stossdämpfern, die aufgrund der von «Smart Mat» übermittelten Daten die entzündeten Bereiche der Fusssohle entlasten. «Das könnte die Zukunft der diabetischen Ulkusprophylaxe am Fuss sein», so Chanda.</p> </div></p>
<p class="article-quelle">Quelle: 16. Post ADA-/Endocrine-Symposium, 31. August 2017, Bern
</p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Bril F, Cusi K: Management of nonalcoholic fatty liver disease in patients with type 2 diabetes: a call to action. Diabetes Care 2017; 40: 419-30 <strong>2</strong> Bril F et al.: Hepatic steatosis and insulin resistance, but not steatohepatitis, promote atherogenic dyslipidemia in NAFLD. J Clin Endocrinol Metab 2016; 101: 644-52 <strong>3</strong> Ho JE et al.: Predictors of new-onset heart failure: differences in preserved versus reduced ejection fraction. Circ Heart Fail 2013; 6: 279-86 <strong>4</strong> Paneni F, Lüscher TF: Cardiovascular protection in the treatment of type 2 diabetes: a review of clinical trial results across drug classes. Am J Med 2017; 130: S18-29 <strong>5</strong> Sonesson C et al.: Cardiovascular effects of dapagliflozin in patients with type 2 diabetes and different risk categories: a meta-analysis. Cardiovasc Diabetol 2016; 15: 37 <strong>6</strong> Kosiborod M et al.: Lower risk of heart failure and death in patients initiated on sodium-glucose cotransporter-2 inhibitors versus other glucose-lowering drugs: The CVDREAL study (comparative effectiveness of cardiovascular outcomes in new users of sodium-glucose cotransporter- 2 inhibitors). Circulation 2017; 136: 249-59 <strong>7</strong> Neal B et al.: Canagliflozin and cardiovascular and renal events in type 2 diabetes. N Engl J Med 2017; 377: 644-57 <strong>8</strong> Lipska KJ et al.: Potential overtreatment of diabetes mellitus in older adults with tight glycemic control. JAMA Intern Med 2015; 175: 356-62 <strong>9</strong> Palmer SC et al.: Comparison of clinical outcomes and adverse events associated with glucose- lowering drugs in patients with type 2 diabetes: a meta- analysis. JAMA 2016; 316: 313-24 <strong>10</strong> Schopman JE et al.: The incidence of mild and severe hypoglycaemia in patients with type 2 diabetes mellitus treated with sulfonylureas: a systematic review and meta-analysis. Diabetes Metab Res Rev 2014; 30: 11-22 <strong>11</strong> Simpson SH et al.: Mortality risk among sulfonylureas: a systematic review and network meta-analysis. Lancet Diabetes Endocrinol 2015; 3: 43-51 <strong>12</strong> Marso SPet al.: Efficacy and safety of degludec versus glargine in type 2 diabetes. N Engl J Med 2017; 377: 723-32 <strong>13</strong> Yavus M: 2017 updates on technology and advances in DFU prevention. ADA 2017</p>
</div>
</p>
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