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Management Diabetes mellitus Typ 1 – Consensus Report von ADA/EASD

Eine 14-köpfige Expertengruppe der amerikanischen und europäischen Diabetesgesellschaften hat sich zum Ziel gesetzt, den aktuellen Stand der Wissenschaft zum Management des Typ-1-Diabetes zusammenzufassen und einen praktischen Leitfaden für die wichtigsten Aspekte der Therapie zu entwickeln. Hier die wichtigsten Punkte aus dem Consensus Report.

Keypoints

  • Oberstes Ziel des Diabetesmanagements ist die Unterstützung von Patienten, ein langes und gesundes Leben zu führen. Dabei sollten psychosoziale Aspekte eine wichtige Rolle spielen.

  • Die Therapieziele sollten individuell gesetzt werden entsprechend den Kapazitäten und psychosozialen Bedürfnissen der Patienten.

  • Der HbA1c ist nicht angemessen als einziger Parameter zur Therapieevaluation.

  • CGM stellt den Standard für das Glukosemonitoring bei erwachsenen Patienten mit T1D dar.

  • Klinische Psychologen und/oder medizinische Sozialarbeiter sollten feste Mitglieder eines Diabetesbehandlungsteams sein.

Seit der Einführung des Insulins als „Lebensretter“ für Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 (T1D) vor 100 Jahren hat sich viel getan. Eine Heilung ist nach wie vor weder verfügbar noch in Sicht, jedoch hat sich das Therapiemanagement enorm verbessert und Patienten profitieren hinsichtlich Glykämiekontrolle, Lebensqualität, Komplikationsvermeidung und Lebenserwartung. Zunehmend in den Fokus rückt auch die psychosoziale Relevanz der Erkrankung. Auf Basis zahlreicher unterschiedlicher Richtlinien zum Management des T1D wollte sich die ADA/EASD-Arbeitsgruppe im Consensus Report zum T1D, analog zum sehr einflussreichen ADA/EASD Consensus Report zum Typ-2-Diabetes, auf die wichtigsten Bereiche fokussieren, die für das praktische Diabetesmanagement durch einen Diabetologen relevant sind. Einige Schlüsselaspekte der insgesamt 17 Bereiche, die durch die Expertengruppe bearbeitet, extern redigiert und nach öffentlicher Konsultation und Diskussion entsprechend modifiziert wurden, sollen hier dargestellt werden. Das Manuskript wurde in den Journalen „Diabetologia“ und „Diabetes Care“ publiziert.1,2

Zweck und Ziele des T1D-Managements

Das Ziel des Diabetesmanagements ist die Unterstützung von Patienten mit T1D, ein langes und gesundes Leben zu führen. Die Strategien dafür umfassen folgende Aspekte:

  • Effektive Zuführung von Insulin zur Aufrechterhaltung einer Norm-nahen Glykämie zur Prävention von Entwicklung und Progress von Diabetes-assoziierten Komplikationen

  • Minimierung von Hypoglykämien und Prävention von diabetischer Ketoazidose; entsprechende Behandlungsempfehlung bei Auftreten dieser Akutkomplikationen

  • Effektives Management von kardiovaskulären Risikofaktoren

  • Minimierung der psychosozialen Belastung durch das Leben mit T1D und Förderung des psychischen Wohlbefindens

Glykämieziele

Die Therapieziele sollten individuell gesetzt werden entsprechend den Kapazitäten und psychosozialen Bedürfnissen der Patienten. Wichtig ist, dass diese Parameter sich im Verlauf der Zeit ändern können und daher regelmäßig überprüft werden sollten.

Für die meisten Erwachsenen ist ein HbA1C-Ziel von <7,0% (53mmol/mol) ohne signifikante Hypoglykämien angemessen. Zielwerte unter 7% (53mmol/mol) können akzeptabel und vorteilhaft sein, sofern sie sicher und ohne Beeinträchtigungen erreichbar sind. Weniger strikte HbA1C-Ziele (<8,0% [64mmol/mol]) können für Patienten mit limitierter Lebenserwartung angemessen sein oder wenn die Belastungen durch eine straffe Therapie die Vorteile überwiegen. Dabei hat jede Reduktion des HbA1c von initial erhöhten Werten einen signifikanten Vorteil unabhängig vom Erreichen des „Zielwertes“.

Jenseits des Glykämiemanagements

Diese Empfehlungen sind mangels belastbarer Daten weitgehend extrapoliert von anderen Populationen einschließlich jener mit Typ-2-Diabetes:

Blutdruckziele
  • <140/90 angemessen für Patienten mit niedrigem Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen (10-Jahres-Risiko <15%)

  • <130/80 angemessen für Patienten mit höherem kardiovaskulärem Risiko oder mikrovaskulären Komplikationen (insb. Niereninsuffizienz)

  • ACE-Inhibitoren oder AT-Blocker empfohlen als First-Line-Therapie

Statintherapie
  • Patienten >40 Jahre

  • Patienten zwischen 20 und 39 Jahren mit zusätzlichen kardiovaskulären Risikofaktoren oder 10-Jahres-Risiko >10%

  • Zusätzlich können Substanzen wie Ezetimib oder PCSK9-Inhibitoren notwendig sein.

Thrombozytenaggregation
  • Sollte bedacht werden bei bestehendem kardiovaskulärem Risiko

  • Können als Primärprävention indiziert sein, aber sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung notwendig

Glykämieobjektivierung

Es ist unstrittig, dass die Messung des HbA1c keine Aussage über Blutglukose-Variabilität und Hypoglykämien zulässt. Zudem unterliegt der HbA1c zahlreichen weiteren unabhängigen Einflussfaktoren. Damit ist der HbA1c als einziger Parameter zur Therapieevaluation nicht angemessen.

Blutglukose-Monitoring (BGM)

Die optimale Frequenz und Anzahl täglicher BGM ist unklar und hängt von der Variabilität des Lebensstils ab. Trotz häufiger BGM ist die Frequenz von unentdeckten Hyper- und Hypoglykämien inakzeptabel hoch.

Kontinuierliche Glukosemessung (CGM)

CGM stellt den Standard für das Glukosemonitoring bei erwachsenen Patienten mit T1D dar und sollte mit der Zielvorgabe Verbesserung des HbA1c (insb. wenn erhöht) und Reduzierung von Hypoglykämien geschult werden.

Psychologische Probleme und Funktionsstörungen

Praxistipp
Besonders die übersichtlichen Ab­­bildungen und Tabellen bieten einen klaren Hand­lungsleitfaden, z. B. für das Vorgehen bei Diagnose­stellung oder Therapie­eskalation, und können Diabetologen und interes­sierten Kollegen eine sinn­volle Hilfestellung beim Management dieses kom­plexen Krankheitsbildes geben.

T1D bedeutet eine psychologische Herausforderung (tägliches Selbstmanagement, Risiko von Komplikationen), die signifikant die Lebensqualität der Betroffenen, der Familie, von Freunden und Partnern beeinträchtigt. Die Probleme umfassen dabei Diabetes-assoziierten emotionalen Stress, Depression, Angst und gestörtes Essverhalten und Essstörungen. Kognitive, emotionale und soziale Faktoren sind kritisch für das tägliche Selbstmanagement und den Behandlungserfolg.

Alle Mitglieder eines Diabetesbehandlungsteams sollten für die Beobachtung des psychischen Zustandes von Patienten und das Angebot von psychologischer Unterstützung als Teil der Betreuung mitverantwortlich sein. Die Stufen der psychologischen Unterstützung gehen dabei von einem informellen Coaching über eine psychologische Beratung und Therapie bis hin zur psychiatrischen Behandlung bei schwerer psychischer Erkrankung. Idealerweise sollten klinische Psychologen und/oder medizinische Sozialarbeiter feste Mitglieder eines Diabetesbehandlungsteams sein.

Fazit

Mit diesem Consensus Report steht ein kompaktes Dokument zur Verfügung, das die praxisrelevanten Aspekte im Management des T1D abdeckt.

1 Holt RIG et al.: The management of type 1 diabetes in adults. A Consensus Report by the American Diabetes Association (ADA) and the European Association for the Study of Diabetes (EASD). Diabetes Care 2021; 44(11): 2589-625 2 Holt RIG et al.: The management of type 1 diabetes in adults. A consensus report by the American Diabetes Association (ADA) and the European Association for the Study of Diabetes (EASD). Diabetologia 2021; 64(12): 2609-52

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