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Ist Rauchen SINN-los?
Jatros
Autor:
Dr. Christian Tatschl
30
Min. Lesezeit
12.07.2018
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<p class="article-intro">Menschen mit einem höheren Gefühl, Sinn im Leben zu haben, tragen ein geringeres Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen und kardiovaskuläre Mortalität. Als Grund für diese Assoziation werden eine protektive Wirkung des Sinngefühls hinsichtlich physiologischer Abläufe, Reaktion auf Stress oder der Einfluss auf das Gesundheitsverhalten diskutiert. Nun bestätigt eine aktuelle Untersuchung auch einen signifikanten Zusammenhang zwischen Sinngefühl und Rauchverhalten.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>In einer rezenten Metaanalyse von zehn prospektiven Studien an über 136 000 Patienten konnte eine signifikante Assoziation zwischen einem höheren Gefühl von Sinn im Leben („purpose in life“, PIL) und einer 17-prozentigen Reduktion des relativen Risikos (RR) für kardiovaskuläre Ereignisse (RR 0,83; 95 % CI: 0,75–0,92; p=0,001) bzw. der Gesamtmortalität gezeigt werden (RR 0,83; 95 % CI: 0,75–0,91; p<0,001).<sup>1</sup> Die Gründe für diesen Zusammenhang sind nicht geklärt. Zahlreiche Studien zeigen jedoch Assoziationen von PIL mit Verbesserungen zahlreicher für das kardiometabolische Risiko relevanter Faktoren: Menschen mit höherem Sinngefühl haben einen gesünderen Lebensstil und machen mehr körperliche Bewegung, haben eine bessere Funktion des Immunsystems, eine günstigere Stressantwort, scheinen weniger impulsiv („delay discounting“) zu sein und leiden seltener am metabolischen Syndrom.<sup>2</sup> Darüber hinaus zeigten Kim et al.<sup>3</sup>, dass Personen mit einem höheren Gefühl von Sinn im Leben häufiger präventivmedizinische Leistungen nutzen (Messung des Cholesterinspiegels, Koloskopie, Mammografie, PAP-Abstrich, Prostatauntersuchung) und seltener in einem Spital stationär aufgenommen werden.</p> <h2>PIL und Rauchen</h2> <p>In einer aktuellen an 4036 japanischen Müttern mittleren Alters (im Mittel 42 Jahre) durchgeführten Querschnittsstudie wurde die Assoziation zwischen PIL und Tabakkonsum evaluiert. Um auch eine mögliche Dosis-Wirkungs-Beziehung abzuschätzen, wurden die Frauen in leichte Raucherinnen (<10 Zigaretten/Tag) und moderate bis starke Raucherinnen (=½ Packung/Tag) eingeteilt. Ein höherer PILWert war mit einer signifikant geringeren Wahrscheinlichkeit für Tabakkonsum assoziiert (Odds-Ratio: 0,80; 95 % CI: 0,70– 0,91). Diese inverse Assoziation zwischen Rauchverhalten und Ausprägung des Sinngefühls blieb für moderate und starke Raucherinnen auch nach Einbeziehung möglicher Confounder (psychischer Stress, Alkoholkonsum, sozioökonomische Faktoren) signifikant (Odds-Ratio: 0,70; 95 % CI: 0,57–0,86). Bei leichten Raucherinnen war diese Assoziation abgeschwächt und verlor bei voller Adjustierung die statistische Signifikanz (Abb. 1).<sup>4</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Diabetes_1803_Weblinks_s37_abb1.jpg" alt="" width="400" height="587" /></p> <h2>Bedeutung für die Praxis</h2> <p>Die Studie bestätigt eine Assoziation zwischen PIL und Rauchverhalten. Da es sich jedoch um eine Querschnittsstudie handelt, ist sie natürlich bezüglich der Aussagekraft zur Kausalität von PIL für den Tabakkonsum limitiert. Dennoch unterstützt sie die These, dass Personen mit höherem Gefühl von Sinn im Leben einen günstigeren Umgang mit ihrer Gesundheit pflegen. Da PIL modifizierbar ist, stellen sinnbezogene therapeutische Interventionen auch bezüglich der Verbesserung des Rauchverhaltens einen begründeten Ansatzpunkt für weitere Untersuchungen dar.</p></p>
<p class="article-footer">
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<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Cohen R et al.; Psychosom Med 2016; 78: 122-33 <strong>2</strong> Tatschl C; JATROS Diabetologie und Endokrinologie 2018; 2: 26-29 <strong>3</strong> Kim ES et al.; Proc Natl Acad Sci U S A 2014; 111: 16331-6 <strong>4</strong> Morimoto Y et al., BMJ Open 2018; 8: e020586 <strong>5</strong> Frankl VE: Der Mensch vor der Frage nach dem Sinn. 27. Aufl. 2015. München: Piper</p>
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