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Osteoporose

Identifikation von Patienten mit hohem Frakturrisiko

<p class="article-intro">Für das Osteoporosemanagement ist das unmittelbare Frakturrisiko das praxistauglichere Instrument als das 10-Jahres-Frakturrisiko. Diese Meinung vertritt jedenfalls Dr. med. Karine Briot vom Cochin-Spital in Paris. An der SVGO-Jahresversammlung in Bern stellte die Rheumatologin das neue Konzept näher vor.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Eine medikament&ouml;se Osteoporosetherapie ist in der Regel indiziert, wenn Patienten bereits eine osteoporotische Fraktur erlitten haben oder das mithilfe des FRAX-Tools aufgrund epidemiologischer Daten ermittelte 10-Jahres-Frakturrisiko deutlich erh&ouml;ht ist. &laquo;Dieses Vorgehen hat aber etliche Nachteile&raquo;, betonte Dr. med. Karine Briot. &laquo;Denn das FRAX-Tool hat Einschr&auml;nkungen und f&uuml;r die Patienten sind zehn Jahre eine sehr lange Periode, in der sich viele andere gesundheitsrelevante Ereignisse wie Krebs oder ein Unfall ereignen k&ouml;nnen&raquo;, so die Referentin.<sup>1</sup> Auch sind Knochenbr&uuml;che f&uuml;r die Patienten ein seltenes Ereignis und vor allem eine Folge von riskantem Verhalten, St&uuml;rzen oder Unf&auml;llen und weniger eine direkte Folge der Osteoporose. &laquo;All diese Gr&uuml;nde beeintr&auml;chtigen die Adh&auml;renz und f&uuml;hren h&auml;ufig zu einem vorzeitigen Therapiestopp&raquo;, f&uuml;hrte Briot aus. Vielversprechender und motivierender sei da die Konzentration auf das unmittelbare Frakturrisiko.<br /> Einige Kriterien, um Hochrisikopatienten zu identifizieren und deren unmittelbares Frakturrisiko einzusch&auml;tzen, wurden bereits identifiziert. So steigt etwa bei der glukokortikoidinduzierten Osteoporose die Inzidenz f&uuml;r vertebrale und nichtvertebrale Frakturen im ersten Monat nach Behandlungsbeginn stark an und sinkt nach Behandlungsende allm&auml;hlich wieder auf das Ausgangsrisiko vor Therapiestart ab.<sup>2</sup> Zudem ist das Frakturrisiko bei Therapiestartern deutlich h&ouml;her als bei Patienten unter einer Dauerbehandlung mit Steroiden.<sup>3</sup> &laquo;Aus diesen Erkenntnissen leitet sich bei der glukokortikoidinduzierten Osteoporose die Notwendigkeit f&uuml;r ein optimiertes Management insbesondere zu Beginn einer Steroidtherapie ab&raquo;, erkl&auml;rte Briot.</p> <h2>Erlittene Frakturen als Pr&auml;diktoren</h2> <p>Bei Frauen in der Postmenopause sind Frakturen ein Hauptrisikofaktor f&uuml;r weitere Knochenbr&uuml;che. &laquo;Besonders gross ist das Risiko an der alten Bruchstelle&raquo;, sagte die Referentin. Die Wahrscheinlichkeit f&uuml;r eine Fraktur ver&auml;ndert sich jedoch mit der Zeit (Abb. 1).<sup>4</sup> So betr&auml;gt das relative Risiko f&uuml;r einen zweiten Bruch im ersten Jahr nach einer Fraktur 23 % und in den ersten f&uuml;nf Jahren 54 % .<sup>5</sup> &laquo;F&uuml;r Frauen nach den Wechseljahren ist es deshalb besonders wichtig, nach einer Fraktur eine ad&auml;quate Osteoporosebehandlung zu erhalten&raquo;, betonte die Spezialistin.<br /> Um das unmittelbare Frakturrisiko korrekt einzusch&auml;tzen, sei es zudem zentral, die Wahrscheinlichkeit f&uuml;r einen Knochenbruch in bestimmten Zeitfenstern zu betrachten, so Dr. Briot. &laquo;Denn nach den Wechseljahren bleibt das Frakturrisiko nach einem Knochenbruch zwar langfristig &ndash; mindestens &uuml;ber 15 Jahre &ndash; erh&ouml;ht, f&uuml;r das Frakturrisiko spielt es jedoch eine Rolle, wie lange der Bruch schon zur&uuml;ckliegt&raquo;, sagte sie. Arbeiten konnten zeigen, dass postmenopausale Frauen nach einem frischen Bruch ein um 65 % h&ouml;heres Frakturrisiko haben als Frauen nach den Wechseljahren mit einem Knochenbruch, der schon l&auml;nger als f&uuml;nf Jahre zur&uuml;ckliegt.<sup>6, 7</sup><br /> Von Bedeutung ist auch die Lokalisation der Fraktur. Kommt es sp&auml;ter zu einer zweiten Fraktur, ereignet sich diese sehr h&auml;ufig wieder an der gleichen Stelle. Studien zeigen &uuml;berdies, dass das Risiko, dass es an der alten Frakturstelle irgendwann wieder einmal zu einem Bruch kommt, an der Wirbels&auml;ule am h&ouml;chsten ist. Bei nichtvertebralen Frakturen hingegen sind sturzassoziierte Risikofaktoren die besseren Pr&auml;diktoren.<sup>8</sup> &laquo;Wir m&uuml;ssen die Risikofaktoren f&uuml;r die einzelnen Lokalisationen somit auch unterschiedlich bewerten&raquo;, fasste Dr. Briot zusammen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Innere_1605_Weblinks_seite50.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Sturzassoziierte Risikofaktoren von Bedeutung</h2> <p>Die Inzidenz eines zweiten Bruchs ist zudem abh&auml;ngig von Risikofaktoren, die bereits vor der ersten Fraktur vorhanden waren.<sup>9</sup> So haben Frauen bekanntlich generell ein h&ouml;heres Risiko als M&auml;nner, einen Knochenbruch zu erleiden. &laquo;Dies &auml;ndert sich auch nach einer bereits erlittenen Fraktur nicht&raquo;, erl&auml;uterte Dr. Briot.<br /> Das Risiko f&uuml;r eine zweite Fraktur steigt auch mit zunehmendem Alter, bei Frauen insbesondere ab 70 Jahren und bei M&auml;nnern ab 80 Jahren. Studien belegen weiter, dass es bei Patienten mit knochen- und sturzassoziierten Risikofaktoren (Gelenkschmerzen, Frakturen, St&uuml;rze, Polymedikation) h&auml;ufiger zu einem zweiten Bruch kommt als bei Patienten mit knochen- und sturzunabh&auml;ngigen Risikofaktoren wie beispielsweise Untergewicht.<sup>10</sup><br /> Welche Hauptrisikofaktoren einen zweiten Bruch innerhalb von zw&ouml;lf Monaten nach einer ersten Fraktur beg&uuml;nstigen, sei leider noch nicht gut untersucht, so die Referentin. &laquo;Das Konzept mit dem unmittelbaren Frakturrisiko ist noch zu neu.&raquo; Etwas Aufschluss geben aber immerhin schon erste retrospektiv erarbeitete Daten, die letztes Jahr an der ASBMR-Jahresversammlung im Rahmen einer Posterpr&auml;sentation vorgestellt wurden und von eigenen Analysen von Dr. Briot gest&uuml;tzt werden.<sup>11</sup> Diese unterstreichen die Bedeutung von sturzassoziierten Risikofaktoren f&uuml;r zweite Frakturen, wie St&uuml;rzen, Mobilit&auml;tseinschr&auml;nkungen, Gebrauch von Gehilfen, Alter, ZNS-Erkrankungen und anderen Komorbidit&auml;ten sowie Einnahme bestimmter Medikamente wie SSRI, Narkotika, Muskelrelaxanzien und psychoaktiver Substanzen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Innere_1605_Weblinks_seite51.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Fr&uuml;here und bessere Pr&auml;vention</h2> <p>&laquo;Ist erst einmal ein hohes unmittelbares Frakturrisiko ermittelt, k&ouml;nnen die betroffenen Patienten gezielt behandelt werden&raquo;, so die Referentin. Denkbar sei beispielsweise, dass Hochrisikopatienten mit einer persistierenden Osteoporose unter Bisphosphonaten von einer Behandlung nach einem Stufenplan profitieren und Knochenbr&uuml;che verhindert werden k&ouml;nnten.<sup>12</sup> So ist m&ouml;glicherweise bei einem Nichtansprechen auf ein schwaches Antiresorptivum ein Wechsel auf ein potenteres Medikament der gleichen Klasse angezeigt, bei Nichtansprechen auf orale Medikamente ein Wechsel auf ein parenterales Pr&auml;parat und bei Nichtansprechen auf ein starkes Antiresorptivum ein rascher Wechsel auf anabol wirkende Medikamente.<sup>13</sup><br /> Hinl&auml;nglich bekannt ist, dass Gesundheitsedukation und regelm&auml;ssige k&ouml;rperliche Aktivit&auml;t St&uuml;rzen und somit Frakturen vorbeugen. Bei 70- bis 89-j&auml;hrigen M&auml;nnern verhindert k&ouml;rperliches Training im Rahmen eines speziellen Sportprogrammes St&uuml;rze und Frakturen sogar deutlich besser als Gesundheitsedukation allein (Abb. 2).<sup>14</sup> Bei den Frauen hingegen scheinen aufgrund bisheriger Daten beide Massnahmen gleich wirksam zu sein. &laquo;Wir m&uuml;ssen nat&uuml;rlich noch weitere Studien durchf&uuml;hren, ehe wir die Wirksamkeit einzelner Interventionen f&uuml;r die Sturz- und Frakturprophylaxe sicher beurteilen und konkrete Behandlungsempfehlungen abgeben k&ouml;nnen&raquo;, betonte Dr. Briot. Auch m&uuml;ssten Pr&auml;diktoren f&uuml;r die Identifikation von Hochrisikopatienten weiter untersucht werden, bevor das Instrument des unmittelbaren Frakturrisikos in der Praxis auf breiter Ebene angewendet werden k&ouml;nne. Doch die Referentin ist &uuml;berzeugt: &laquo;Einmal eingef&uuml;hrt, wird das neue Konzept eine fr&uuml;here und bessere Frakturpr&auml;vention erm&ouml;glichen.&raquo;</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Alami S et al: Barriers to effective postmenopausal osteoporosis treatment: a qualitative study of patients&rsquo; and practitioners&rsquo; views. PLoS One 2016; e0158365 <strong>2</strong> Van Staa TP et al: Use of oral corticosteroids and risk of fractures. J Bone Miner Res 2005; 20: 1487-94; discussion 1486 <strong>3</strong> Amiche MA et al: Fracture risk in oral glucocorticoid users: a Bayesian meta-regression leveraging control arms of osteoporosis clinical trials. Osteoporos Int 2016; 27: 1709-18 <strong>4</strong> van Geel TA et al: Clinical subsequent fractures cluster in time after first fractures. Ann Rheum Dis 2009; 68: 99-102 <strong>5</strong> Lindsay R et al: Risk of new vertebral fracture in the year following a fracture. JAMA 2001; 285: 320-3 <strong>6</strong> Ryg J et al: Hip fracture patients at risk of second hip fracture: a nationwide population-based cohort study of 169,145 cases during 1977-2001. J Bone Miner Res 2009; 24: 1299-307 <strong>7</strong> Clinton J et al: Proximal humeral fracture as a risk factor for subsequent hip fractures. J Bone Joint Surg Am 2009; 91: 503-11 <strong>8</strong> FitzGerald G et al: Differing risk profiles for individual fracture sites: evidence from the Global Longitudinal Study of Osteoporosis in Women (GLOW). J Bone Miner Res 2012; 27: 1907-15 <strong>9</strong> Huntjens KM et al: Risk of subsequent fracture and mortality within 5 years after a non-vertebral fracture. Osteoporos Int 2010; 21: 2075-82 <strong>10</strong> Huntjens KM et al: The role of the combination of bone and fall related risk factors on short-term subsequent fracture risk and mortality. BMC Musculoskelet Disord 2013; 14: 121 <strong>11</strong> Bonafede M et al: Predicting imminent risk for fracture in patients with osteoporosis using commercially insured claims data. ASBMR 2015 Annual Meeting. OR 1066 <strong>12</strong> Hawley S et al: Incidence and predictors of multiple fractures despite high adherence to oral bisphosphonates: a binational population-based cohort study. J Bone Miner Res 2016; 31: 234-44 <strong>13</strong> Diez-Perez A et al: Treatment failure in osteoporosis. Osteoporos Int 2012; 23: 2769-74 <strong>14</strong> Gill TM et al: Effect of structured physical activity on prevention of serious fall injuries in adults aged 70-89: randomized clinical trial (LIFE Stud y). BMJ 2016; 352: i245</p> </div> </p>
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