
©
Getty Images
Highlights vom EASD-Kongress 2018
30
Min. Lesezeit
20.12.2018
Weiterempfehlen
<p class="article-intro">Das Highlight des diesjährigen Kongresses der EASD in Berlin war die Präsentation des Konsensusdokuments zum Management der Hyperglykämie bei Typ-2-Diabetes durch die European Association for the Study of Diabetes (EASD) und die American Diabetes Association (ADA). Darüber hinaus gab es aber auch weitere spannende Präsentationen. Mit insgesamt 15 699 Besuchern aus 132 Ländern wurde erneut eine Rekordmarke erzielt.</p>
<hr />
<p class="article-content"><h2>Konsensus: Management der Hyperglykämie bei Typ-2-Diabetes</h2> <p><strong>Lebensstil</strong><br />Der Konsensus<sup>1</sup> betont als zentrales Element des Diabetesmanagements die Modifikation des Lebensstils und dabei insbesondere die Gewichtsreduktion. Die Bedeutung des Lebensstils wird im Vergleich zum Vorgängerdokument aus dem Jahr 2015 aufgewertet. Basierend auf den Ergebnissen der DiRECT-Studie hält die Leitlinie fest, dass bei entsprechender Gewichtsreduktion (die in DiRECT mit Formula- Diät erreicht wurde) bei einem Teil der Typ-2-Population eine Remission erreicht werden kann bzw. könnte, wenn Empfehlungen zur Ernährung und Bewegung befolgt würden. Hinsichtlich der Ernährung wird eine stark individualisierte Beratung der Patienten empfohlen. Der Konsensus unterstreicht, dass substanzielle Gewichtsreduktion mittels Diät oder bariatrischer Chirurgie die einzige Intervention darstellt, mit der eine Remission erreichbar ist. Die bariatrische Chirurgie kann (bei europäischen Patienten) ab einem BMI von 40kg/m<sup>2</sup> eine Option sein, wenn mit weniger invasiven Methoden keine ausreichende Gewichtsreduktion erreicht wird.</p> <p><strong>Medikamentöse Therapie – individualisiert</strong><br />In der medikamentösen Therapie bleibt Metformin die erste Wahl, falls es vertragen wird und keine Kontraindikationen vorliegen. Neu sind die Empfehlungen für Patienten, die mit Lifestyle-Intervention und Metformin nicht ausreichend kontrolliert werden können. In diesen Fällen soll sich die weitere Therapie an vorhandenen Komorbiditäten orientieren. Basierend auf den in den letzten Jahren publizierten grossen Outcome-Studien bieten sich SGLT2-Inhibitoren zusätzlich zu Metformin als Therapie für Patienten an, die unter Herzinsuffizienz oder chronischer Nierenerkrankung leiden. Allerdings wird darauf hingewiesen, dass SGLT2-Inhibitoren bei weit fortgeschrittener Nierenerkrankung kontraindiziert sind. Im Gegensatz dazu bieten GLP-1-Rezeptoragonisten und SGLT2-Inhibitoren Vorteile für Patienten mit koronarer Herzerkrankung. Kann auf diesem Wege keine zufriedenstellende Kontrolle erreicht werden, empfiehlt sich die Kombination mit einem weiteren Medikament. Die Mitglieder der Task Force weisen allerdings darauf hin, dass man sich mit Kombinationen von mehr als zwei Substanzen zunehmend im evidenzfreien Raum bewegt. Da die gute Adhärenz der Schlüssel zu wirksamer glykämischer Kontrolle ist, sollte bei der Wahl der Medikation auch der Patientenwunsch berücksichtigt werden. Dies betrifft nicht zuletzt die Art der Verabreichung.</p> <p><strong>Über die orale Therapie hinaus …</strong><br />Wird das Behandlungsziel mit der oralen Therapie nicht erreicht, empfiehlt der Konsensus, als erste parenterale Therapie einen GLP-1-Rezeptoragonisten zu wählen und erst dann Insulin zu verordnen, wenn dieser nicht den gewünschten Erfolg bringt. Hinsichtlich der Kombination von Insulin mit den diversen Antidiabetika gibt der Konsensus detaillierte Anweisungen. Eine Intensivierung einer basalen Insulintherapie ist mit Metformin, SGLT2-Inhibitoren oder einem GLP-1-Analogon möglich. Eine Alternative stellt der zusätzliche Einsatz von prandialem Insulin dar. Bei Patienten mit sehr hohem HbA<sub>1c</sub> bei Diagnosestellung und Hinweisen auf einen katabolen Zustand ist an einen unerkannten Typ-1-Diabetes zu denken und dieser ist entsprechend abzuklären bzw. zu behandeln. Alle Patienten sollten zu Selbstmanagement ermutigt und entsprechend geschult werden.</p> <h2>Kurze Diabetesdauer erhöht die Chance auf Remission</h2> <p><strong>DiRECT-Studie revisited</strong><br /> Dass die DiRECT-Studie bei der Formulierung des Konsensus zum Management der Hyperglykämie bei Typ-2-Diabetes eine wesentliche Rolle gespielt hat, wurde bereits eingangs erwähnt. Eine Gruppe der Universität Newcastle um Prof. Dr. Roy Taylor demonstrierte bereits vor einigen Jahren, dass eine substanzielle Gewichtsreduktion durch eine stark kalorienreduzierte Diät (825–853kcal/d für 3–5 Monate) bei manchen Patienten zu einer langfristigen Remission eines Typ-2-Diabetes führen kann. Diese ist assoziiert mit ausgeprägtem Verlust an ektopem Fett in Leber und Pankreas. Diese Strategie wurde in der Studie Diabetes Remission Clinical Trial (DiRECT) prospektiv in einem grösseren Kollektiv untersucht. Die Anfang 2018 publizierten Einjahres-Ergebnisse<sup>2</sup> zeigen bei rund einem Viertel der Patienten in der Interventionsgruppe und keinem Patienten der Kontrollgruppe einen Gewichtsverlust von 15kg oder mehr. Bei knapp der Hälfte (46 % ) der Patienten in der Interventionsgruppe und 4 % der Kontrollpatienten kam es zur Remission des Diabetes (OR: 19,7; 95 % CI: 7,8–49,8; p<0,0001).</p> <p><strong>Radikale Gewichtsreduktion effektiv?</strong><br /><br />Im Rahmen des EASD-Kongresses in Berlin präsentierte Taylor nun Analysen, die in «Cell Metabolism»<sup>3</sup> publiziert wurden, zu den Mechanismen, die bei manchen Patienten eine Diabetesremission ermöglichen. Eine kürzere Diabetesdauer (durchschnittlich 2,7 Jahre vs. 3,8 Jahre) ist mit besseren Chancen auf ein Ansprechen assoziiert. Darüber hinaus unterschieden sich die Responder und Non- Responder kaum. Sie nahmen etwa gleich viel Gewicht ab, was zu vergleichbaren Reduktionen des Fettgehalts von Leber und Pankreas führte. Dennoch erholte sich bei den Respondern die Insulinproduktion, bei den Non-Respondern jedoch nicht. Die Ergebnisse legen nahe, dass mit zunehmender Diabetesdauer die Chance auf eine Remission sinkt, da die Fähigkeit der Betazelle, ihre Funktion wieder aufzunehmen, zurückgeht. Die klinische Botschaft ist, dass eine radikale Gewichtsreduktion bei allen Patienten zum Zeitpunkt der Typ-2-Diabetes-Diagnose versucht werden sollte.</p> <h2>Typ-2-Diabetiker mit signifikant erhöhtem Krebsrisiko</h2> <p>Eine von der University of Manchester auf Basis von Daten von 176 886 erwachsenen Diabetespatienten aus dem UK Clinical Practice Research Datalink sowie 852 946 gesunden Kontrollen durchgeführte Studie bei Diabetikern zeigt nicht nur ein erhöhtes Risiko, an einem von 13 bekanntermassen mit Übergewicht assoziierten Karzinomen zu sterben, sondern auch ein erhöhtes Risiko für Krebserkrankungen, die nicht in Zusammenhang mit Adipositas stehen.<sup>4</sup> Das Risiko ist bei Diabetikern auch höher als bei Personen, die unter Übergewicht, nicht jedoch unter Typ-2-Diabetes leiden. Die Daten waren hinsichtlich Alter, Rauchen sowie ethnischen und sozialen Hintergrundes analysiert worden.<br /> Im Verlauf einer Beobachtungszeit von durchschnittlich 7,1 Jahren starben 9606 Patienten mit Typ-2-Diabetes sowie 37 853 Kontrollen an Krebs. Damit ergab sich für Männer mit Diabetes ein um 22 % erhöhtes Risiko, an Krebs zu sterben. Für Frauen betrug die Risikoerhöhung im Vergleich zu Kontrollen 31 % . Besonders deutlich war das Risiko für die sogenannten «obesity- related» Krebserkrankungen erhöht – nämlich um 84 % bzw. 47 % . Überraschender war jedoch, dass Diabetiker auch ein um 6 % bzw. 18 % höheres Risiko aufweisen, an Krebserkrankungen zu sterben, die nicht mit Adipositas in Zusammenhang gebracht werden.<br /> Besonders hoch ist das Risiko, wenn Adipositas und Diabetes zusammenkommen. Personen mit einem BMI zwischen 35 und 39,9kg/m<sup>2</sup> und Diabetes zeigten ein stark erhöhtes Risiko, an bestimmten Karzinomen zu sterben. Für das Endometriumkarzinom wurde ein vierfach erhöhtes Mortalitätsrisiko gefunden. Eine weitere Studie an 400 000 Patienten zeigte, dass Diabetiker, wenn sie eine Krebserkrankung entwickeln, auch eine schlechtere Prognose haben als Krebspatienten ohne Typ-2-Diabetes. Die Studie untersuchte auch Trends in der Karzinominzidenz und fand für Pankreas- und Lungenkarzinome eine steigende Häufigkeit in der Diabetikerpopulation.<sup>5</sup></p> <h2>Nasales Glukagon bei Insulininduzierten Hypoglykämien</h2> <p>Im Rahmen einer Studie<sup>6</sup> wurde der Einsatz von nasalem Glukagon in Form von 3mg synthetischem Glukagon als Trockenpulver- Spray zur einmaligen Anwendung als Notfallmedikation untersucht. In der randomisierten Cross-over-Studie an erwachsenen Typ-1-Diabetikern wurde mittels intravenöser Insulininfusion eine Hypoglykämie (Blutglukose <3,3mmol/l) induziert. 5 Minuten nach Ende der Insulininfusion erhielten die Probanden entweder 3mg nasales Glukagon oder 1mg Glukagon als intramuskuläre Injektion. In der zweiten Studienphase erhielten die Teilnehmer dann die jeweils andere Applikationsform. Von den 66 Studienteilnehmern, die beide Studienphasen durchlaufen hatten, lag der Therapieerfolg bei 100 % . Die mediane Zeitdauer bis zum Behandlungserfolg lag unter nasalem Glukagon bei 11,4 Minuten, unter intramuskulärem Glukagon bei 9,8 Minuten. Die Studie bestätigte damit die Nichtunterlegenheit von nasalem Glukagon gegenüber der Injektion. Unerwünschte Ereignisse, die unter nasalem Glukagon mit einer Inzidenz von ≥10 % auftraten, waren wässrige Augen, Jucken oder Verstopfung der Nase, Nasenrinnen, Niesen, Augenrötungen oder Jucken der Augen oder in der Kehle. Nasales Glukagon erscheint damit laut Studienautoren ebenso sicher und effektiv zu sein wie die intramuskuläre Gabe von Glukagon und könnte eine attraktive therapeutische Alternative als Notfallmedikament bei Insulin-induzierten Hypoglykämien darstellen.</p> <h2>Linagliptin sicher in kardiovaskulärer Risikopopulation</h2> <p>Als interessant erwies sich die bereits vor dem EASD oftmals genannte CARMELINA- Studie.<sup>7</sup> In CARMELINA unterschied sich Linagliptin in einer Population erwachsener Typ-2-Diabetiker hinsichtlich des kardiovaskulären und renalen Sicherheitsprofils nicht von Placebo. Damit entsprach das Sicherheitsprofil von Linagliptin den Ergebnissen, die in früheren Studien beobachtet wurden. Auch im Hinblick auf Hospitalisierungen wegen Herzinsuffizienz wurde kein Unterschied zwischen Verum- und Placebogruppe festgestellt.<br />CARMELINA ist eine multinationale, randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Studie mit insgesamt 6979 erwachsenen Patienten mit Typ-2-Diabetes, die an mehr als 600 Zentren in 27 Ländern behandelt werden. Die Studienpatienten wiesen ein hohes kardiovaskuläres Risiko auf und litten mehrheitlich unter chronischer Nierenerkrankung. Die mediane Beobachtungszeit lag bei 2,2 Jahren. Linagliptin wurde zusätzlich zur Standardtherapie, bestehend aus antidiabetischer und kardiovaskulärer Medikation, gegeben.<br />In CARMELINA traten kardiovaskuläre Ereignisse im Sinne des primären Endpunkts (3-Punkte-MACE aus kardiovaskulärem Tod, nicht tödlichem Myokardinfarkt und nicht tödlichem Schlaganfall) bei 12,4 % der Patienten in der Linagliptin- Gruppe und 12,1 % der Placebopatienten auf. Eine abnehmende Nierenfunktion gab es bei 9,4 % der Linagliptin- und 8,8 % der Placebopatienten.</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: EASD-Kongress 2018, 1.–5. Oktober 2018, Berlin
</p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> http://diabetologia-journal.org/wp-content/uploads/ 2018/09/EASD-ADA.pdf <strong>2</strong> Lean M E et al.: L ancet 2018; 391(10120): 541-51 <strong>3</strong> Taylor R et al.: E ASD 2 018, Posterpräsentation: Abstract 512 <strong>4</strong> Alam NN et al.: EASD 2018, Abstract 1117 <strong>5</strong> Bjornsdottir HH et al.: EASD 2018, Abstract 1211 <strong>6</strong> Suico J et al.: EASD 2018, Abstract #150; Oral Presentation Leona Plum-Moerschel <strong>7</strong> Rosenstock J et al.: EASD 2018; Oral Presentation at the 54th Annual Meeting of the European Association for the Study of Diabetes (EASD), Thursday, 4 October 2018, 17.15–18.15, Langerhans Hall, Berlin, Germany</p>
</div>
</p>
Das könnte Sie auch interessieren:
Diabetes erhöht das Sturzrisiko deutlich
Eine dänische Studie kommt zu dem Ergebnis, dass sowohl Patienten mit Typ-1- als auch Patienten mit Typ-2-Diabetes öfter stürzen und häufiger Frakturen erleiden als Menschen aus einer ...
Neue Studiendaten zu Typ-2-Diabetes und Lebensstil
Dass gesunde Ernährung und Bewegung das Diabetesrisiko sowie verschiedene Risiken von Patienten mit Diabetes senken, ist seit Langem bekannt. Und das Detailwissen zur Bedeutung von ...
Wie oft wird Diabetes nicht oder spät erkannt?
Im Allgemeinen wird von einer hohen Dunkelziffer an Personen mit undiagnostiziertem Typ-2-Diabetes ausgegangen. Ein Teil davon sind von Ärzten „übersehene“ Fälle. Eine von der University ...