Herz, Gefässe und Augen: Wirksamkeits- und Verträglichkeitsdaten zu Semaglutid
Bericht:
Dipl.-Ing. Manuel Spalt-Zoidl
Medizinjournalist
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Agonisten des Glukagon-like Peptid-1-Rezeptors (GLP-1-RA) weisen neben positiven Wirksamkeitsergebnissen bei der Behandlung von Diabetes Typ 2 (DT2) und der Gewichtsregulierung auch interessante Nebeneffekte mit potenziellen Implikationen für zukünftige Studien auf. Eine Reihe dieser Ergebnisse wurde im Rahmen einer Oral Session an der 61. Jahrestagung der European Association for the Study of Diabetes (EASD) vorgestellt.
Keypoints
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In einer Kohortenstudie mit über 58000 Patient:innen mit DT2 und ASCVD zeigte Semaglutid eine signifikant niedrigere Rate von 3-Punkte-MACE als Dulaglutid.
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In einer gepoolten Analyse aus drei Studien bei Menschen mit DT2 und ASCVD, CKD oder PAVK reduzierte Semaglutid das Risiko für MALE-bedingte Hospitalisierungen gegenüber Placebosignifikant.
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In einer Sicherheitsanalyse von 112 Studien mit fast100000 Patient:innen traten unter GLP-1-RA (Semaglutid oder Liraglutid) nur drei bestätigte Fälle einer NAION auf, eine Rate, die unterhalb der Placebo- und der allgemeinen DT2-Populationsrate liegt.
Herz: Vergleich zwischen Semaglutid und Dulaglutid
GLP-1-RA wie Semaglutid und Dulaglutid verringern das kardiovaskuläre Risiko bei Menschen mit DT2 und komorbider atherosklerotischer kardiovaskulärer Erkrankung (ASCVD).1–3 Um Vergleichsdaten zwischen den beiden Arzneimitteln hinsichtlich der kardiovaskulären Wirksamkeit zu generieren, führten Xi Tan, USA, und Kolleg:innen eine Kohortenstudie mit US-amerikanischen Medicare-Empfänger:innen durch. Hierfür wurden insgesamt 58336 Patient:innen mit DT2 und ASCVD anhand eines Propensity-Score-Matching-Algorithmus im Verhältnis 1:1 einer Semaglutid- und einer Dulaglutid-Kohorte zugeteilt.4
Der primäre Endpunkt der Studie umfasste einen 3-Punkte-MACE: zusammengesetzter Parameter aus Todesfällen jedweder Ursache und nicht tödlichen Myokardinfarkten oder Schlaganfällen. Die durchschnittlichen Beobachtungszeiträume betrugen 12 Monate bei Semaglutid und 13 Monate bei Dulaglutid.4 Dulaglutid war über einen Zeitraum von 36 Monaten hinweg mit einer signifikant höheren kumulativen Inzidenzrate eines 3-Punkte-MACE gegenüber Semaglutid (40,0 vs. 30,3 pro 1000 Patient:innenjahre) assoziiert. Dies entspricht einer Hazard-Ratio (HR) von 0,77 (95% CI: 0,71–0,84; p<0,001) bzw. einer Reduktion von 23% des Eintritts von 3-Punkte-MACE-Ereignissen zugunsten einer Behandlung mit Semaglutid (Abb.1).4
Abb. 1: Kaplan-Meier-Kurve der kumulativen Inzidenzrate von 3-Punkte-MACE pro 1000 Personenjahre bei Semaglutid und Dulaglutid (modifiziert nach Tan X et al. 2025)4
Gefässe: Risikoreduktion von MALE durch Semaglutid
Die periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK) stellt eine weltweit häufige Erkrankung mit 200 Millionen Betroffenen dar und ist, häufig in Kombination mit DT2, mit einem gesteigerten Risiko für schwerwiegende unerwünschte Ereignissen an den Gliedmassen (MALE) und Amputationen vergesellschaftet, berichtete Prof. Subodh Verma, University of Toronto, Kanada.5 Bei SOUL, FLOW und STRIDE handelte es sich um placebokontrollierte Studien, welche die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Semaglutid in unterschiedlichen Populationen mit DT2 und komorbider ASCVD, chronischer Niereninsuffizienz (CKD) oder PAVK beurteilten.6–8 Die Autor:innen der einzelnen Studien erkannten positive Trends in Richtung einer Risikoreduktion von MALE durch Semaglutid im Vergleich zu Placebo, sodass eine gepoolte Analyse dieser Daten durchgeführt wurde.9
Der primäre Endpunkt der Analyse umfasste die Zeit bis zum ersten MALE bei 6988 Patient:innen in der gepoolten Semaglutid- und 6987 Patient:innen in der Placebogruppe. Das Ereignis wurde von einem unabhängigen Panel anhand präspezifizierter Kriterien für Hospitalisierung aufgrund von akuter oder chronischer Extremitätenischämie bestimmt.9 Semaglutid war gegenüber Placebo mit einem 30% geringeren relativen Risiko für ein MALE über 48 Wochen hinweg assoziiert (HR: 0,70; 95% CI: 0,53–0,91; p=0,0072; Abb.2).9
Abb. 2: Die kumulative Inzidenz bestätigter «major adverse limb events» (MALE; schwere gefässbedingte Extremitätenereignisse) war unter Semaglutid signifikant niedriger als unter Placebo. Die Hazard-Ratio (HR) von 0,70 (95% CI: 0,53–0,91; p=0,0072) zeigt eine 30%ige Risikoreduktion für MALE unter Semaglutid im Vergleich zu Placebo. Dargestellt: Kaplan-Meier-Kurve der Zeit bis zu einem MALE unter Semaglutid resp. Placebo im Verlauf von 48 Wochen (modifiziert nach Verma S et al. 2025)9
Numerisch kam es in der gepoolten Semaglutid-Gruppe zu weniger Hospitalisierungen aufgrund von akuten Extremitätenischämien mit einer HR von 0,77 (95% CI: 0,40–1,44; p=0,4094) und statistisch signifikant weniger Hospitalisierungen aufgrund von chronischen Extremitätenischämien mit einer HR von 0,72 (95% CI: 0,54–0,95; p=0,0195) über 48 Wochen hinweg. Die Wirksamkeit von Semaglutid konnte dabei unabhängig von PAVK bei Baseline gezeigt werden.9
Augen: NAION unter Semaglutid seltener als in der DT2-Population
Tina Vilsbøll, University of Copenhagen, Dänemark, zeigte abschliessend, dass epidemiologische Studien gemischte Risikoergebnisse bezüglich nichtarteriitischer anteriorer ischämischer Optikusneuropathie (NAION) unter Semaglutid berichteten. So fanden beispielsweise Grauslund et al. ein erhöhtes Risiko, während Abbass et al. kein erhöhtes Risiko nachweisen konnten.10,11
Im Rahmen einer Sicherheitsbeurteilung wurde die Inzidenz von NAION über 112 Phase-II-, Phase-III- und Phase-IV-Studien mit den GLP-1-RA Liraglutid und Semaglutid beurteilt. Die NAION-Fälle wurden von zwei unabhängigen verblindeten Ophthalmolog:innen als definitive, wahrscheinliche und unwahrscheinliche Fälle kategorisiert. Die Analyse umfasste 64917 Patient:innen unter GLP-1-RA über einen Behandlungszeitraum von 119393 Personenjahren und 31912 Personen in Placebogruppen mit 86384 Personenjahren im placebokontrollierten Setting.12 Innerhalb der GLP-1-RA-Gruppen wurden 3 und in den Placebogruppen 5 Fälle einer NAION bestätigt. Daraus ergibt sich eine entsprechende Inzidenzrate von 3 beziehungsweise 6 Fällen pro 100000 Patientenjahre, eine Rate, die unter der geschätzten NAION-Rate der allgemeinen DT2-Population (9,3 pro 100000 Patientenjahre) liegt.10,12
Quelle:
61. Jahrestagung der European Association for the Study of Diabetes (EASD), 15.–19. September 2025, Wien
Literatur:
1 Marso SP et al.: Semaglutide and cardiovascular outcomes in patients with type 2 diabetes. N Engl J Med 2016; 375: 1834-44 2 Gerstein HC et al.: Dulaglutide and cardiovascular outcomes in type 2 diabetes (REWIND): a double-blind, randomised placebo-controlled trial. Lancet 2019; 394: 121-30 3 Inzucchi SE et al.: Cardiovascular events in adults with type 2 diabetes and ASCVD initiating once-weekly semaglutide vs DPP-4is in the USA. Diabetes Ther 2025; 16: 187-203 4 Tan X et al.: Comparative effectiveness of once-weekly semaglutide vs dulaglutide on cardiovascular outcomes in US Medicare beneficiaries with type 2 diabetes and atherosclerotic cardiovascular disease. Vortrag ID LBA 19 auf der 61. Jahrestagung der EASD 2025, Wien 5 Hussain MA et al.: Population-based secular trends in lower-extremity amputation for diabetes and peripheral artery disease. CMAJ 2019; 191: E955-61 6 McGuire DK et al.: Oral semaglutide and cardiovascular outcomes in high-risk type 2 diabetes. N Engl J Med 2025; 392: 2001-12 7 Perkovic V et al.: Effects of semaglutide on chronic kidney disease in patients with type 2 diabetes. N Engl J Med 2024; 391: 109-21 8 Bonaca MP et al.: Semaglutide and walking capacity in people with symptomatic peripheral artery disease and type 2 diabetes (STRIDE): a phase 3b, double-blind, randomised, placebo-controlled trial. Lancet 2025; 405: 1580-93 9 Verma S et al.: Semaglutide and risk reduction of major adverse limb events in diabetes: a pooled analysis of 13,975 participants from the SOUL, FLOW and STRIDE randomised trials. Vortrag ID LBA 21 auf der 61. Jahrestagung der EASD 2025, Wien 10 Grauslund J et al.: Once-weekly semaglutide doubles the five-year risk of nonarteritic anterior ischemic optic neuropathy in a Danish cohort of 424,152 persons with type 2 diabetes. Int J Retina Vitreous 2024; 10: 97 11 Abbass NJ et al.: The effect of semaglutide and GLP-1 RAs on risk of nonarteritic anterior ischemic optic neuropathy. Am J Ophthalmol 2025; 274: 24-31 12 Vilsbøll T et al.: Incidence of non-arteritic ischaemic optic neuropathy across completed phase 2, 3 and 4 trials evaluating the glucagon-like peptide-1 receptor agonists liraglutide and semaglutide. Vortrag ID LBA 22 auf der 61. Jahrestagung der EASD 2025, Wien
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