<p class="article-intro">Einerseits nimmt der Anteil an Fast Food, aber auch jener an Convenience Food zu, andererseits sind Ernährungstrends von vegan, clean bis Paleo ein Zeichen unserer Zeit geworden. Diese neue Ernährungswelt beeinflusst auch die Funktion unserer Gene. Wir sehen steigende Neuerkrankungsraten von Typ-1-Diabetes in unserer Gesellschaft – ein spannender Kontext.</p>
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<p class="article-content"><h2>Typ-1-Diabetes – komplexer Entstehungsprozess</h2> <p>Die Entstehung von Typ-1-Diabetes (T1D) ist komplex. Sie resultiert aus genetisch determinierten chronischen Entzündungsprozessen im engen Zusammenspiel mit diversen Substanzen aus der Umwelt, die über den Verdauungstrakt in den Organismus gelangen. Bei der großen Mehrheit der Menschen mit T1D-Risikogenen entwickelt sich die Krankheit nicht und ca. 90 % der Betroffenen haben keine T1D-erkrankten Verwandten ersten Grades.<sup>1</sup> Die Zahl neu diagnostizierter Typ-1-Dia­betes-Fälle bei genetisch vorbelasteten Individuen ist im letzten halben Jahrhundert enorm gestiegen. In Europa sprechen wir von einer durchschnittlichen Steigerung von 3 % pro Jahr. Ursachen dafür werden in „Triggern“ oder Verstärkern wie Enteroviren, Ernährung und nicht zuletzt dem Darmmikrobiom gesehen. Die zentrale Bedeutung der Darmimmunität in der Pathogenese des T1D hat sich in letzter Zeit durch die neue Mikrobiomdatenlage gefestigt. Das endokrine Pankreas und das Darmimmunsystem sind Teil eines engen Netzwerkes, das stark durch den Darminhalt (Mikrobiota und Nahrungsbestandteile) beeinflusst wird. Das Darmmikrobiom entwickelt sich von Geburt an bis zum 3. Lebensjahr und ist abhängig von der Art der Geburt, beeinflusst durch das Stillverhalten, der Einführung von fester Nahrung und der Gabe von Antibiotika. Das Mikrobiom verändert in diesem ständigen Austausch die mukosale und systemische Immunität.<sup>2</sup></p> <h2>Inselautoantikörper-Status und protektive Faktoren</h2> <p>Der Inselautoantikörper-Status der Kinder dient der differenzierten Diagnostik. Wenn ein oder mehrere Inselautoantikörper im Blut nachweisbar sind, spricht man von einer „Inselautoimmunität“. Bei mehreren Inselautoantikörpern entwickeln nahezu 100 % der Betroffenen innerhalb von 20 Jahren einen Typ-1-Diabetes. Stillen hat einen leicht protektiven Effekt. Bestätigt ist, dass zum Zeitpunkt des Beginns der Beikost von Getreide gestillte Kinder ein erniedrigtes Risiko für Inselautoimmunität und Typ-1-Diabetes haben. Die Daten zu einem Zusammenhang mit dem Verzehr von Kuhmilch in den ersten Lebensmonaten sind widersprüchlich. Bei diagnostizierter Inselautoimmunität könnten bestimmte Fettsäuren, aus Kuhmilch und Fleisch, als Auslöser von Typ-1-Diabetes fungieren. Hierbei könnten weitere bestätigende Daten zu neuen präventiven Ansätzen führen. Die Einführung von Getreide (glutenhältig und glutenfrei) ergab in DAISY (the Diabetes and Autoimmunity Study in the Young) ein erhöhtes Risiko für Inselautoimmunität im u-förmigen Zusammenhang mit dem Tiefstwert bei Einführung im 4.–6. Lebensmonat. ABIS (All Babies in Southeast Sweden) zeigte, dass geringe Zufuhr von Gemüse der Mutter (3- bis 5-mal pro Woche) ein höheres Inselautoimmunität-Risiko ergab. Eine randomisierte Studie mit einer glutenfreien Ernährung mit 6–12 Monaten ergab keine erniedrigte Entwicklung von Inselautoimmunität bei genetischen Hochrisikokindern und zeigte auch keinen erniedrigten Inselautoantikörperstatus bei Kindern mit diagnostizierter Inselautoimmunität.<sup>3</sup> <br />Hoher Zuckerkonsum und Konsum von mit Zucker gesüßten Getränken stehen im Zusammenhang mit der Entwicklung von T1D bei Inselautoimmunität. Die Aufnahme von Omega-3-Fettsäuren und deren Anteil in Erythrozytenmembranen standen im inversen Zusammenhang mit früher Inselautoimmunität.<sup>4</sup> <br />Bei Patienten mit T1D wurden Bacteroides dorei, die verstärkt durch eine Ernährung mit hohem Fett- und Glutengehalt entstehen, beobachtet. Diese Bakterien fermentieren Glukose nicht zu Butyrat, das entscheidend für die Epithelmembran ist und einem Leaky-Gut-Syndrom vorbeugt. Resistente Stärke scheint daher eine wichtige Rolle bei der T1D-Prävention zu haben, da es zu einer Erhöhung der fäkalen Butyratwerte führt.<sup>5</sup> <br />Kurzkettige Fettsäuren aus der Darmmikrobiota, wie Acetat und Butyrat, scheinen auch die Serotoninsynthese im Darm zu verstärken und damit die Anzahl von Betazellen zu erhöhen. Damit ist die Aufnahme der essenziellen Aminosäure Tryptophan als Vorstufe für Serotonin wichtig. Darüber hinaus bildet das Darmmikrobiom aus Tryptophan Indolderivate, die dann als Liganden des Arylhydrocarbon-Rezeptors dienen und damit die Produktion von IL-22 erhöhen. Dieser Crosstalk zwischen Mikrobiom und Immunsystem könnte auch für die Genese des T1D relevant sein.<sup>6</sup></p> <h2>Umweltfaktoren und gesunde Ernährung</h2> <p>Für T1D gelten die allgemeinen Richtlinien für eine gesunde Ernährung (Österreichische Ernährungspyramide), die vor allem auch aufgrund der geringen Geschmackssensitivität für Süßes bei Diabetikern besonders beachtet werden sollten. Genvarianten des T1R2/T1R3-Rezeptors ergeben eine veränderte intrazelluläre Transduktionskaskade. Die Geschmackswahrnehmungsschwelle für Süßes erhöht sich scheinbar auch teilweise als Adaptierung zur chronisch erhöhten zirkulierenden Blutglukose. <br />Wichtig ist, dass auch bei kurzfristig erfolgreicher Behandlung die Umweltfaktoren bestmöglich und vollständig mitbedacht und verändert werden, um längerfristig T1D zu vermeiden oder zu behandeln.<sup>7</sup> <br />80 bis 90 % aller Lebensmittel gelangen in einer vorbereiteten Form zum Verbraucher. Das Paleo-Prinzip ergibt einen hohen Fleischanteil ohne Ballaststoffe aus Getreide und Milchprodukten. Das Clean Eating entspricht in etwa der Paleo-Diät, mit dem Unterschied, dass auch Milchprodukte und Vollkornprodukte erlaubt sind. Es gibt eher kleinere Portionen über den Tag verteilt. Der Veganismus ist eine Lebenseinstellung mit hohen Anforderungen an die Ernährung.</p></p>
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<p><br /><strong>1</strong> Atkinson MA et al.: Current concepts on the pathogenesis of type 1 diabetes--considerations for attempts to prevent and reverse the disease. Diabetes Care 2015; 38(6): 979-88 <strong>2</strong> Paun A et al.: The influence of the microbiome on type 1 diabetes. J Immunol 2017; 198(2): 590-5 <strong>3</strong> Rewers M, Ludvigsson J: Environmental risk factors for type 1 diabetes. Lancet 2016; 387(10035): 2340-8 <strong>4</strong> Lamb MM et al.: Sugar intake is associated with progression from islet autoimmunity to type 1 diabetes: the Diabetes Autoimmunity Study in the Young. Diabetologia 2015; 58(9): 2027-34 <strong>5</strong> Davis-Richardson AG, Triplett EW: A model for the role of gut bacteria in the development of autoimmunity for type 1 diabetes. Diabetologia 2015; 58(7): 1386-93 <strong>6</strong> Das UN: Is there a role for bioactive lipids in the pathobiology of diabetes mellitus? Front Endocrinol (Lausanne) 2017; 8: 182 <strong>7</strong> Neiers F et al.: What does diabetes "taste" like? Curr Diab Rep 2016; 16(6): 49</p>
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