© Getty Images/iStockphoto

Gen trifft Ernährung – Typ-1-Diabetes

<p class="article-intro">Einerseits nimmt der Anteil an Fast Food, aber auch jener an Convenience Food zu, andererseits sind Ernährungstrends von vegan, clean bis Paleo ein Zeichen unserer Zeit geworden. Diese neue Ernährungswelt beeinflusst auch die Funktion unserer Gene. Wir sehen steigende Neuerkrankungsraten von Typ-1-Diabetes in unserer Gesellschaft – ein spannender Kontext.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Typ-1-Diabetes &ndash; komplexer Entstehungsprozess</h2> <p>Die Entstehung von Typ-1-Diabetes (T1D) ist komplex. Sie resultiert aus genetisch determinierten chronischen Entz&uuml;ndungsprozessen im engen Zusammenspiel mit diversen Substanzen aus der Umwelt, die &uuml;ber den Verdauungstrakt in den Organismus gelangen. Bei der gro&szlig;en Mehrheit der Menschen mit T1D-Risikogenen entwickelt sich die Krankheit nicht und ca. 90 % der Betroffenen haben keine T1D-erkrankten Verwandten ersten Grades.<sup>1</sup> Die Zahl neu diagnostizierter Typ-1-Dia&shy;betes-F&auml;lle bei genetisch vorbelasteten Individuen ist im letzten halben Jahrhundert enorm gestiegen. In Europa sprechen wir von einer durchschnittlichen Steigerung von 3 % pro Jahr. Ursachen daf&uuml;r werden in &bdquo;Triggern&ldquo; oder Verst&auml;rkern wie Enteroviren, Ern&auml;hrung und nicht zuletzt dem Darmmikrobiom gesehen. Die zentrale Bedeutung der Darmimmunit&auml;t in der Pathogenese des T1D hat sich in letzter Zeit durch die neue Mikrobiomdatenlage gefestigt. Das endokrine Pankreas und das Darmimmunsystem sind Teil eines engen Netzwerkes, das stark durch den Darminhalt (Mikrobiota und Nahrungsbestandteile) beeinflusst wird. Das Darmmikrobiom entwickelt sich von Geburt an bis zum 3. Lebensjahr und ist abh&auml;ngig von der Art der Geburt, beeinflusst durch das Stillverhalten, der Einf&uuml;hrung von fester Nahrung und der Gabe von Antibiotika. Das Mikrobiom ver&auml;ndert in diesem st&auml;ndigen Austausch die mukosale und systemische Immunit&auml;t.<sup>2</sup></p> <h2>Inselautoantik&ouml;rper-Status und protektive Faktoren</h2> <p>Der Inselautoantik&ouml;rper-Status der Kinder dient der differenzierten Diagnostik. Wenn ein oder mehrere Inselautoantik&ouml;rper im Blut nachweisbar sind, spricht man von einer &bdquo;Inselautoimmunit&auml;t&ldquo;. Bei mehreren Inselautoantik&ouml;rpern entwickeln nahezu 100 % der Betroffenen innerhalb von 20 Jahren einen Typ-1-Diabetes. Stillen hat einen leicht protektiven Effekt. Best&auml;tigt ist, dass zum Zeitpunkt des Beginns der Beikost von Getreide gestillte Kinder ein erniedrigtes Risiko f&uuml;r Inselautoimmunit&auml;t und Typ-1-Diabetes haben. Die Daten zu einem Zusammenhang mit dem Verzehr von Kuhmilch in den ersten Lebensmonaten sind widerspr&uuml;chlich. Bei diagnostizierter Inselautoimmunit&auml;t k&ouml;nnten bestimmte Fetts&auml;uren, aus Kuhmilch und Fleisch, als Ausl&ouml;ser von Typ-1-Diabetes fungieren. Hierbei k&ouml;nnten weitere best&auml;tigende Daten zu neuen pr&auml;ventiven Ans&auml;tzen f&uuml;hren. Die Einf&uuml;hrung von Getreide (glutenh&auml;ltig und glutenfrei) ergab in DAISY (the Diabetes and Autoimmunity Study in the Young) ein erh&ouml;htes Risiko f&uuml;r Inselautoimmunit&auml;t im u-f&ouml;rmigen Zusammenhang mit dem Tiefstwert bei Einf&uuml;hrung im 4.&ndash;6. Lebensmonat. ABIS (All Babies in Southeast Sweden) zeigte, dass geringe Zufuhr von Gem&uuml;se der Mutter (3- bis 5-mal pro Woche) ein h&ouml;heres Inselautoimmunit&auml;t-Risiko ergab. Eine randomisierte Studie mit einer glutenfreien Ern&auml;hrung mit 6&ndash;12 Monaten ergab keine erniedrigte Entwicklung von Inselautoimmunit&auml;t bei genetischen Hochrisikokindern und zeigte auch keinen erniedrigten Inselautoantik&ouml;rperstatus bei Kindern mit diagnostizierter Inselautoimmunit&auml;t.<sup>3</sup> <br />Hoher Zuckerkonsum und Konsum von mit Zucker ges&uuml;&szlig;ten Getr&auml;nken stehen im Zusammenhang mit der Entwicklung von T1D bei Inselautoimmunit&auml;t. Die Aufnahme von Omega-3-Fetts&auml;uren und deren Anteil in Erythrozytenmembranen standen im inversen Zusammenhang mit fr&uuml;her Inselautoimmunit&auml;t.<sup>4</sup> <br />Bei Patienten mit T1D wurden Bacteroides dorei, die verst&auml;rkt durch eine Ern&auml;hrung mit hohem Fett- und Glutengehalt entstehen, beobachtet. Diese Bakterien fermentieren Glukose nicht zu Butyrat, das entscheidend f&uuml;r die Epithelmembran ist und einem Leaky-Gut-Syndrom vorbeugt. Resistente St&auml;rke scheint daher eine wichtige Rolle bei der T1D-Pr&auml;vention zu haben, da es zu einer Erh&ouml;hung der f&auml;kalen Butyratwerte f&uuml;hrt.<sup>5</sup> <br />Kurzkettige Fetts&auml;uren aus der Darmmikrobiota, wie Acetat und Butyrat, scheinen auch die Serotoninsynthese im Darm zu verst&auml;rken und damit die Anzahl von Betazellen zu erh&ouml;hen. Damit ist die Aufnahme der essenziellen Aminos&auml;ure Tryptophan als Vorstufe f&uuml;r Serotonin wichtig. Dar&uuml;ber hinaus bildet das Darmmikrobiom aus Tryptophan Indolderivate, die dann als Liganden des Arylhydrocarbon-Rezeptors dienen und damit die Produktion von IL-22 erh&ouml;hen. Dieser Crosstalk zwischen Mikrobiom und Immunsystem k&ouml;nnte auch f&uuml;r die Genese des T1D relevant sein.<sup>6</sup></p> <h2>Umweltfaktoren und gesunde Ern&auml;hrung</h2> <p>F&uuml;r T1D gelten die allgemeinen Richtlinien f&uuml;r eine gesunde Ern&auml;hrung (&Ouml;sterreichische Ern&auml;hrungspyramide), die vor allem auch aufgrund der geringen Geschmackssensitivit&auml;t f&uuml;r S&uuml;&szlig;es bei Diabetikern besonders beachtet werden sollten. Genvarianten des T1R2/T1R3-Rezeptors ergeben eine ver&auml;nderte intrazellul&auml;re Transduktionskaskade. Die Geschmackswahrnehmungsschwelle f&uuml;r S&uuml;&szlig;es erh&ouml;ht sich scheinbar auch teilweise als Adaptierung zur chronisch erh&ouml;hten zirkulierenden Blutglukose. <br />Wichtig ist, dass auch bei kurzfristig erfolgreicher Behandlung die Umweltfaktoren bestm&ouml;glich und vollst&auml;ndig mitbedacht und ver&auml;ndert werden, um l&auml;ngerfristig T1D zu vermeiden oder zu behandeln.<sup>7</sup> <br />80 bis 90 % aller Lebensmittel gelangen in einer vorbereiteten Form zum Verbraucher. Das Paleo-Prinzip ergibt einen hohen Fleischanteil ohne Ballaststoffe aus Getreide und Milchprodukten. Das Clean Eating entspricht in etwa der Paleo-Di&auml;t, mit dem Unterschied, dass auch Milchprodukte und Vollkornprodukte erlaubt sind. Es gibt eher kleinere Portionen &uuml;ber den Tag verteilt. Der Veganismus ist eine Lebenseinstellung mit hohen Anforderungen an die Ern&auml;hrung.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><br /><strong>1</strong> Atkinson MA et al.: Current concepts on the pathogenesis of type 1 diabetes--considerations for attempts to prevent and reverse the disease. Diabetes Care 2015; 38(6): 979-88 <strong>2</strong> Paun A et al.: The influence of the microbiome on type 1 diabetes. J Immunol 2017; 198(2): 590-5 <strong>3</strong> Rewers M, Ludvigsson J: Environmental risk factors for type 1 diabetes. Lancet 2016; 387(10035): 2340-8 <strong>4</strong> Lamb MM et al.: Sugar intake is associated with progression from islet autoimmunity to type 1 diabetes: the Diabetes Autoimmunity Study in the Young. Diabetologia 2015; 58(9): 2027-34 <strong>5</strong> Davis-Richardson AG, Triplett EW: A model for the role of gut bacteria in the development of autoimmunity for type 1 diabetes. Diabetologia 2015; 58(7): 1386-93 <strong>6</strong> Das UN: Is there a role for bioactive lipids in the pathobiology of diabetes mellitus? Front Endocrinol (Lausanne) 2017; 8: 182 <strong>7</strong> Neiers F et al.: What does diabetes "taste" like? Curr Diab Rep 2016; 16(6): 49</p> </div> </p>
Back to top