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Erkrankungen der Schilddrüse

<p class="article-intro">Trotz der hohen Prävalenz von Schilddrüsendysfunktionen gibt es keinen Konsens für ein Screening. Im Rahmen des Update Refresher Innere Medizin referierte PD Dr. med. Jan Krützfeldt vom Universitätsspital Zürich über den aktuellen Stand der Diagnostik und der Therapie von Schilddrüsenfunktionsstörungen.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Die laborchemische Diagnose der Schilddr&uuml;sen(SD)-Dysfunktion basiert auf der TSH-Bestimmung. Ist der TSHWert erh&ouml;ht, erlaubt die Bestimmung von fT4 die Differenzierung einer manifesten von einer subklinischen Hypothyreose. &laquo;Bei vermindertem TSH ist es n&ouml;tig, sowohl fT3 als auch fT4 zu messen, um zwischen einer manifesten oder subklinischen Hyperthyreose zu unterscheiden&raquo;, sagte PD Dr. med. Jan Kr&uuml;tzfeldt, Klinik f&uuml;r Endokrinologie, Diabetologie und klinische Ern&auml;hrung am Universit&auml;tsspital Z&uuml;rich. Als Grund nannte der Spezialist das Auftreten von isolierten fT3-Hyperthyreosen.<br /> Der TSH-Assay zur Bestimmung der SD-Dysfunktion ist pr&auml;zise, aber nicht perfekt. Faktoren wie Alter und &Uuml;bergewicht k&ouml;nnen zu falsch hohen, Nikotin und Kortison zu falsch niedrigen Werten f&uuml;hren. Als Nachteil wertete der Spezialist auch das Fehlen altersabh&auml;ngiger Referenzbereiche. Der altersabh&auml;ngige Einfluss des TSH-Werts zeigt sich besonders eindr&uuml;cklich am kardiovaskul&auml;ren Risiko. So ist eine leichte SD-Unterfunktion im Alter zwischen 50 und 70 Jahren mit einem Anstieg des kardiovaskul&auml;ren Risikos verbunden, w&auml;hrend bei den &uuml;ber 80-J&auml;hrigen eine gewisse Schutzfunktion beobachtet wurde.<sup>1</sup> Neben dem Patientenalter ist bei der Therapieentscheidung auch der prognostische Wert einer TSH-Verschiebung zu ber&uuml;cksichtigen. Wie eine Beobachtungsstudie bei &uuml;ber 55-J&auml;hrigen mit einer subklinischen Hypothyreose zeigte, ver&auml;nderte sich der initiale TSH-Wert von 5&ndash;10mU/l bei der Mehrheit der Patienten w&auml;hrend des mittleren Follow-up von ca. 3 Jahren nicht. Im Unterschied dazu entwickelten 40 % der Patienten, die einen initialen TSH-Wert &uuml;ber 10mU/l hatten, eine manifeste Unterfunktion.<sup>2</sup> &laquo;Diese Unterschiede im Verlauf sind einer der Gr&uuml;nde daf&uuml;r, weshalb ein Ersatz der Schilddr&uuml;senhormone ab einem TSH-Wert von =10mU/l empfohlen wird, w&auml;hrend die Therapieentscheidung bei Werten zwischen 5 und 10mU/l individuell getroffen wird&raquo;, sagte Kr&uuml;tzfeldt.<br /> Obwohl die Pr&auml;valenz mit 3 % f&uuml;r die Hypothyreose und 0,8 % f&uuml;r die Hyperthyreose hoch ist, gibt es auch in den aktuellen Guidelines (2015) keinen Konsens f&uuml;r ein TSH-Screening.<sup>3, 4</sup> Mit ausschlaggebend daf&uuml;r d&uuml;rfte sein, dass ca. 85 % der SD-Dysfunktionen subklinisch sind und es &ndash; anders als zum Beispiel bei einem Diabetes mellitus &ndash; keine spezifischen Folgeerkrankungen der Schilddr&uuml;senst&ouml;rungen gibt, die es erlauben w&uuml;rden, einem Laborwert einen eindeutigen Krankheitswert zuzuordnen.</p> <h2>Diagnostik und Behandlung der Hypothyreose</h2> <p>Die SD-Unterfunktion zeigt sich an einer persistierenden TSH-Erh&ouml;hung und wird fast immer durch eine Autoimmunthyreoiditis verursacht. Die Diagnose gelingt in 90 % der F&auml;lle durch die Anamnese, die klinische Untersuchung sowie die laborchemische Bestimmung von TSH und fT4. Anamnestisch wichtig sind Fragen nach einer Thyreoidektomie, einer Radiojodbehandlung oder einer Bestrahlung. Zudem muss an andere glandul&auml;re Autoimmunerkrankungen gedacht werden. Bei der Medikamentenanamnese sind onkologische Therapien, beispielsweise mit Antik&ouml;rpern, zunehmend bedeutsam. &laquo;Diese haben ein hohes Potenzial, eine Autoimmunthyreoiditis auszul&ouml;sen&raquo;, sagte Kr&uuml;tzfeldt.<br /> Zu den h&auml;ufigsten Differenzialdiagnosen (DD) der Autoimmunthyreoiditis geh&ouml;ren die chronische Autoimmun- bzw. Hashimoto-Thyreoiditis, die stumme Thyreoiditis oder die bis zu 12 Monate nach einer Schwangerschaft auftretende Postpartum- Thyreoiditis. Die ebenfalls zu den DD geh&ouml;rende subakute Thyreoiditis tritt einige Monate nach einem viralen Infekt auf und ist typischerweise sehr schmerzhaft. Voraussetzung f&uuml;r die Diagnose ist eine Erh&ouml;hung des CRP und der Blutsenkungsgeschwindigkeit. Das Vorliegen einer Leukozytose ist f&uuml;r die Diagnose nicht erforderlich. Die Behandlung der subklinischen Hypothyreose mit LT4 erfolgt &uuml;blicherweise ab einem TSH-Wert &gt;10,0mU/l. Der TSH-Zielwert liegt bei j&uuml;ngeren Patienten zwischen 0,5 und 2,5mU/l, bei &auml;lteren Patienten zwischen 4 und 6mU/l. Bei TSH-Werten von 5&ndash;9mU/l sollte individuell &uuml;ber die Behandlung entschieden werden. Gr&uuml;nde f&uuml;r eine Behandlung sind klinische Zeichen einer SD-Unterfunktion und das Vorhandensein kardiovaskul&auml;rer Risikofaktoren. Nicht behandelt werden sollten TSH-Werte von 5&ndash;9mU/l bei betagten Patienten (&gt;85 Jahre). Bei Patienten mit bekannter KHK sollte die Einstiegsdosis von LT4 zudem nicht h&ouml;her als 25(50)&micro;g/d gew&auml;hlt werden.</p> <h2>Schilddr&uuml;sen&uuml;berfunktion</h2> <p>Die h&auml;ufigste Ursache f&uuml;r eine prim&auml;re Hyperthyreose ist der Morbus Basedow, gefolgt von der funktionellen Autonomie. Die Lebenszeitpr&auml;valenz f&uuml;r M. Basedow betr&auml;gt bei Frauen ca. 3 % und bei M&auml;nnern ca. 0,5 % . Bis zu 30&ndash;50 % der Betroffenen entwickeln eine endokrine Orbitopathie. &laquo;Die pl&ouml;tzliche hohe Zufuhr von Jod kann einen M. Basedow ausl&ouml;sen und sollte vermieden werden&raquo;, so der Spezialist.<br /> Je eindeutiger die klinische Pr&auml;sentation bei der SD-&Uuml;berfunktion ist, desto weniger Diagnostik ist n&ouml;tig. Typisch f&uuml;r den M. Basedow sind junges Alter und weibliches Geschlecht, symmetrische Struma, endokrine Orbitopathie, sehr selten auch pr&auml;tibiale Myx&ouml;deme. Ist die Klinik nicht eindeutig, ist die Bestimmung der TSH-Rezeptor- Antik&ouml;rper (TRAK) indiziert. Die SD-Szintigrafie ist nur indiziert bei negativen TRAK oder wenn zus&auml;tzlich Knoten vorhanden sind. Die thyreostatische Therapie erfolgt heute fast ausschliesslich mit Carbimazol (Neo-Mercazole<sup>&reg;</sup>). Der Wirkstoff Propylthiouracil (PTU) wird nur noch bei Schwangeren im ersten Trimenon eingesetzt. Die Dauer der medikament&ouml;sen Therapie betr&auml;gt 12 bis 18 Monate. Entscheidend f&uuml;r den Beginn und die Steuerung der Therapie sind die Werte der freien peripheren SD-Hormone fT3 und fT4, bis der TSH-Wert wieder in den Normbereich gestiegen ist. Abh&auml;ngig von der Schwere der &Uuml;berfunktion betr&auml;gt die Initialdosis in der Regel 3x 2 Tbl. &agrave; 5mg oder 3x 3 Tbl. &agrave; 5mg t&auml;glich. Die erste Kontrolle der SD-Werte sollte 2 bis 3 Wochen nach dem Therapiebeginn erfolgen. Ist die SD-Funktion gemessen an den freien SD-Werten euthyreot, ist eine rechtzeitige Dosisreduktion erforderlich. Die &uuml;bliche Erhaltungstherapie betr&auml;gt 5&ndash;15mg/d. Ist der M. Basedow nach der Behandlung von 18 Monaten noch aktiv, ist eine definitive Behandlung mittels Radiojodtherapie oder Thyreoidektomie indiziert.<br /> &laquo;Was die SD-Autonomie betrifft, so ist nicht jedes autonome Adenom behandlungsbed&uuml;rftig &raquo;, so Kr&uuml;tzfeldt. Sinnvoll ist die Behandlung der subklinischen Hyperthyreose bei SD-Autonomie mit TSH-Werten &lt;0,5mU/l bei Personen &uuml;ber 65 Jahre, Frauen in der Postmenopause mit einer Osteoporose und bei Personen mit Herzerkrankungen, speziell Vorhofflimmern. Bei allen &Uuml;brigen ist erst ab einem TSH-Wert &lt;0,1mU/l eine Behandlung erforderlich.</p> <h2>Schilddr&uuml;senknoten</h2> <p>Die Technisierung hat dazu gef&uuml;hrt, dass in den letzten Jahren immer h&auml;ufiger SD-Karzinome diagnostiziert wurden. Dabei handelt es sich h&auml;ufig um indolente Mikrokarzinome, die vor allem bei &auml;lteren Menschen h&auml;ufig auftreten, wie Autopsiestudien zeigten. &laquo;Um die Detektion von Mikrokarzinomen zu vermeiden, sollte bei Patienten mit einer SD-Unterfunktion und normalem Palpationsbefund die Ultraschalluntersuchung mit Bedacht eingesetzt werden&raquo;, riet der Spezialist. Klinisch relevante Knoten finden sich bei ca. 5 % der &uuml;ber 50-J&auml;hrigen. Diese werden entweder bei Patienten mit Symptomen oder bei einer routinem&auml;ssigen SD-Palpation entdeckt. Eine klinisch auff&auml;llige Schilddr&uuml;se wird anhand ihrer Gr&ouml;sse in die Schweregrade Struma I&ndash;III eingeteilt. Der Spezialist empfiehlt, sich bei einem positiven Befund am Work-up der US-amerikanischen SD-Gesellschaft (ATA) zu orientieren (Abb. 1).<sup>5</sup> Dieser empfiehlt, Knoten, die kleiner sind als 1cm, in der Regel nicht zu punktieren. &laquo;Gem&auml;ss Guidelines k&ouml;nnte bei einem sonografisch wenig verd&auml;chtigen Muster sogar komplett auf eine Feinnadelpunktion verzichtet werden&raquo;, so Kr&uuml;tzfeldt. Zu den Ultraschallkriterien mit der h&ouml;chsten Spezifit&auml;t f&uuml;r ein SD-Karzinom geh&ouml;ren Mikrokalzifikationen. Auff&auml;llig sind auch echoarme Knoten mit einer irregul&auml;ren Begrenzung sowie einer vertikalen Knotenform (&laquo;taller than wide&raquo;). Die Frage, ob eine konservative Verlaufskontrolle mittels Ultraschall der Feinnadelpunktion vorzuziehen ist, stellt sich vor allem auch bei sehr alten Patienten und Personen mit einer geringen Lebenserwartung und kann, wie der Spezialist betonte, &laquo;durch die Allgemeinpraktiker gesteuert werden&raquo;.<br /> Die f&uuml;r die Patienten relevante Frage, wie hoch das Risiko sei, dass ein Knoten wachse, beantwortete der Spezialist anhand einer grossen multizentrischen Studie aus Italien.<sup>6</sup> Diese hatte gezeigt, dass etwa 15 % der SD-Knoten wuchsen und weitere ca. 15 % spontan kleiner wurden, w&auml;hrend die restlichen unver&auml;ndert blieben. Ob sich die Gr&ouml;sse ver&auml;ndert, zeigte sich allerdings schon nach einem Jahr. &laquo;Aus diesem Grunde empfehle ich, nach einem Jahr die Ultraschalluntersuchung zu wiederholen und bei unver&auml;ndertem Befund zur klinischen Kontrolle &uuml;berzugehen &raquo;, so der Spezialist.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Innere_1702_Weblinks_s32_abb1.jpg" alt="" width="1419" height="834" /></p></p> <p class="article-quelle">Quelle: Update Refresher Innere Medizin, 23. November 2016, Zürich </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Biondi B, Cooper DS: The clinical significance of subclinical thyroid dysfunction. Endocr Rev 2008; 29: 76-131 <strong>2</strong> D&iacute;ez JJ, Iglesias P: Spontaneous subclinical hypothyroidism in patients older than 55 years: an analysis of natural course and risk factors for the development of overt thyroid failure. J Clin Endocrinol Metab 2004; 89: 4890-7 <strong>3</strong> Garmendia Madariaga A et al: The incidence and prevalence of thyroid dysfunction in Europe: a meta-analysis. J Clin Endocrinol Metab 2014; 99: 923-31 <strong>4</strong> LeFevre ML; U.S. Preventive Services Task Force: Screening for thyroid dysfunction: U.S. Preventive Services Task Force recommendation statement. Ann Intern Med 2015; 162: 641-50 <strong>5</strong> Haugen BR et al: 2015 American Thyroid Association Management Guidelines for adult patients with thyroid nodules and differentiated thyroid cancer: The American Thyroid Association Guidelines Task Force on Thyroid Nodules and Differentiated Thyroid Cancer. Thyroid 2016; 26: 1-133 <strong>6</strong> Durante C et al: The natural history of benign thyroid nodules. JAMA 2015; 313: 926-35</p> </div> </p>
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