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Sag mir, wo du wohnst …

Einfluss der Wohngegend auf das Diabetesrisiko

<p class="article-intro">Menschen, welche in sozioökonomisch benachteiligten Wohngegenden leben, zeigen – unabhängig vom individuellen sozioökonomischen Status – schlechtere klinische Ergebnisse als Menschen, die in wohlhabenderen Gegenden wohnen. Die Resultate der Young Finns Study zeigen, wie frühzeitig sich im Lebensverlauf bei Bewohnern benachteiligter Wohngegenden kardiometabolische Risikofaktoren negativ zu entwickeln beginnen.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Der Einfluss der sozio&ouml;konomischen Situation einer Wohngegend auf das Wohlbefinden der dort lebenden Menschen gilt mittlerweile als anerkannt. So haben gro&szlig;e epidemiologische Studien gezeigt, dass beispielsweise die Pr&auml;valenz von Diabetes und kardiovaskul&auml;ren Erkrankungen im Zusammenhang mit der sozio&ouml;konomischen Benachteiligung der jeweiligen Wohngegend steht.<sup>1&ndash;3</sup> Dar&uuml;ber hinaus konnte gezeigt werden, dass Menschen, denen im Rahmen sozialer Unterst&uuml;tzungsprogramme die M&ouml;glichkeit geboten wurde, in weniger arme Wohngegenden zu &uuml;bersiedeln, nach 10 bis 15 Jahren weniger h&auml;ufig an extremer Adipositas und Diabetes litten.<sup>4</sup> Bislang war jedoch wenig dar&uuml;ber bekannt, wann im Verlauf von Kindheit und Erwachsenenalter verschiedene kardiometabolische Risikofaktoren beginnen, zwischen den Bewohnern sozio&ouml;konomisch unterschiedlicher Wohngegenden divergierende Verl&auml;ufe zu nehmen. Eine eindr&uuml;ckliche Antwort auf diese Frage liefert nun die Young Finns Study.<sup>5</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Diabetes_1901_Weblinks_a5-abb1.jpg" alt="" width="664" height="376" /></p> <h2>Sozio&ouml;konomische Benachteiligung wirkt sich fr&uuml;hzeitig aus</h2> <p>Kivim&auml;ki et al.<sup>5</sup> nutzten die Daten der landesweit durchgef&uuml;hrten Young Finns Study und verfolgten die kardiometabolische Entwicklung von 3467 Personen &uuml;ber einen Zeitraum von &uuml;ber 30 Jahren von der Kindheit (6&ndash;21 Jahre) bis ins Erwachsenenalter (22&ndash;48 Jahre) vor dem Hintergrund des sozio&ouml;konomischen Status der Wohngegend, in der die Teilnehmer w&auml;hrend der Studie lebten. Dabei wurde der sozi&ouml;konomische Status anhand von Statistics Finland berechnet, einer Datenbank, die Bildungsgrad, Arbeitslosigkeit und Wohneigentum in Rastern von 250m<sup>2</sup> bewertet. Die Teilnehmer wurden w&auml;hrend der Studie acht biomedizinischen Evaluierungen unterzogen. <br />Es zeigte sich, dass die untersuchten kardiometabolischen Risikofaktoren bei Bewohnern von sozio&ouml;konomisch sehr benachteiligten Wohngegenden gegen&uuml;ber Bewohnern wenig benachteiligter Nachbarschaften sehr fr&uuml;hzeitig ung&uuml;nstige Verl&auml;ufe nehmen: Bereits ab dem 6. Lebensjahr war das Ern&auml;hrungsverhalten (weniger Gem&uuml;se/Obst) ung&uuml;nstiger (p&lt;0,0001). Ab dem 12. Lebensjahr wurde h&auml;ufiger t&auml;glich geraucht (p&lt;0,0001) und weniger k&ouml;rperliche Aktivit&auml;t ausge&uuml;bt (p=0,007). Ab dem 21. Lebensjahr hatten die Teilnehmer aus den stark benachteiligten Wohngegenden einen h&ouml;heren Body- Mass-Index (p=0,0004) und ab dem 24. Lebensjahr auch einen h&ouml;heren systolischen Blutdruck (p=0,05). Die N&uuml;chternglukose war ab dem 27. Lebensjahr (p&lt;0,0001) erh&ouml;ht und die Insulinsensitivit&auml;t geringer (p=0,0004). <br />Nach dem 31-j&auml;hrigen Follow-up hatten Bewohner stark benachteiligter Wohngegenden gegen&uuml;ber jenen aus Nachbarschaften mit geringer Benachteiligung ein um 44 % h&ouml;heres Risiko f&uuml;r Adipositas, ein um 83 % erh&ouml;htes Risiko f&uuml;r Hypertonie und ein um 73 % h&ouml;heres Risiko f&uuml;r das Vorhandensein einer Fettleber (Abb. 1). Das Diabetesrisiko der Teilnehmer mit hoher kumulativer Benachteiligung war fast um das Vierfache erh&ouml;ht (Abb. 2).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Diabetes_1901_Weblinks_a5-abb2.jpg" alt="" width="658" height="382" /></p> <h2>Schlussfolgerung der Autoren</h2> <p>Den Daten der Young Finns Study zufolge stellt das Wohnen in einer sozi&ouml;konomisch benachteiligten Nachbarschaft einen starken Pr&auml;diktor f&uuml;r das Auftreten von Diabetes mellitus dar und wirkt sich bereits fr&uuml;hzeitig im Lebensverlauf durch den Einfluss auf Lebensstil und modifizierbare kardiovaskul&auml;re Risikofaktoren aus.</p> <div id="fazit"> <h2>ZUM NACHDENKEN</h2> <p>Die Resultate der Young Finns Study unterstreichen die Bedeutung von Strategien zur Verbesserung der Situation von Einwohnern sozio&ouml;konomisch benachteiligter Wohngegenden f&uuml;r deren Gesundheitsentwicklung.</p> </div></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Diez Roux AV et al.: Neighbourhood of residence and incidence of coronary heart disease. N Engl J Med 2001; 345: 99-106 2 Christine PJ et al.: Longitudinal associations between neighbourhood physical and social environments and incident type<strong> 2</strong> diabetes mellitus: the Multi- Ethnic Study of Atherosclerosis (MESA). JAMA Intern Med 2015; 175: 1311-20 <strong>3</strong> Halonen JI et al.: Childhood psychosocial adversity and adult neighbourhood disadvantage as predictors of cardiovascular disease: a cohort study. Circulation 2015; 132: 371-79 <strong>4</strong> Ludwig J et al.: Neighbourhoods, obesity, and diabetes&mdash;a randomized social experiment. N Engl J Med 2011; 365: 1509-19<strong> 5</strong> Kivim&auml;ki M et al.: Neighbourhood socioeconomic disadvantage, risk factors, and diabetes from childhood to middle age in the Young Finns Study: a cohort study. Lancet Public Health 2018; 3(8): e365-e373</p> </div> </p>
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