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Eine ungewöhnliche Ursache des seltenen Cushing-Syndroms
Jatros
Autor:
Dr. Philip Luger
Autor:
Univ.-Doz. Dr. Christoph Schnack
<br>1. Medizinische Abteilung<br> Krankenanstalt Rudolfstiftung, Wien<br> E-Mail: philip.2.luger@extern.wienkav.at<br> E-Mail: christoph.schnack@wienkav.at
30
Min. Lesezeit
12.11.2019
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<p class="article-intro">Von der Diagnose zur Therapie bei einer Patientin mit Cushing-Syndrom und bilateralen Nebennierenadenomen.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die 55-jährige weibliche Patientin wurde wegen einer hyperglykämischen Entgleisung bei bekanntem Diabetes Typ 2 mit Urosepsis, Influenza- A-Infektion und Pneumonie akut stationär aufgenommen.</li> <li>Sonografisch wurden Nebennierenadenome bds. vermutet.</li> <li>Sie litt zusätzlich seit circa einem Jahr an einer Gewichtszunahme und unzureichend eingestelltem Diabetes mellitus Typ 2.</li> <li>Bei bestehendem Cushing- Syndrom erfolgte eine neuerliche stationäre Aufnahme zur weiteren Abklärung und es stellte sich eine noduläre Hyperplasie beider Nebennieren heraus.</li> </ul> </div> <p>Erstmalig an unserer Abteilung vorstellig war die 55-jährige Patientin nach einer hyperglykämischen Entgleisung (Glukose 362 mg/dl) im Jänner 2019 im Rahmen einer Urosepsis bei einem seit 2006 bekannten und unzureichend eingestellten Diabetes mellitus Typ 2 sowie einer Influenza-A-Infektion und Pneumonie, wobei Nebennierenadenome beidseitig sonografisch diagnostiziert wurden. Wegen einer seit einem Jahr bestehenden massiven Gewichtszunahme und eines cushingoiden Habitus wurde die Patientin schon zuvor im niedergelassenen Bereich durchuntersucht und ein Cushing-Syndrom diagnostiziert. Laborchemisch zeigten sich bereits 2018 ein etwas erhöhtes Morgencortisol im Serum mit 21,07 mcg/ dl (Normwert bis 18,4 mcg/dl) bei gleichzeitig supprimiertem ACTH (< 5 pg/ml), eine stark erhöhte Cortisol-Ausscheidung im 24 h-Harn (> 2070 nmol/24 h, über der oberen Messgrenze des Labors) sowie eine fehlende Supprimierbarkeit der Cortisol- Sekretion nach 1 mg Dexamethason. In einer MRT des Abdomens fanden sich ca. 5 cm große Raumforderungen an beiden Nebennieren. An unserer Abteilung wurden die MRT-Bilder der Patientin radiologisch neuerlich begutachtet und die Raumforderungen als Adenome eingestuft und somit der Sonografie-Befund bestätigt. <br />Laborchemisch fand sich ein weitgehend aufgehobener Tagesrhythmus des Serumcortisols (20,7 μg/dl, 18,7 μg/dl, 16,05 μg/dl) mit nur mäßig erhöhtem Morgencortisol- Spiegel; die Cortisol-Ausscheidung im 24 h-Harn war mit 2659 nmol/24 h stark erhöht (Norm bis 806,8 nmol/24 h). <br />Um auszuschließen, dass bei unserer Patientin die Cortisol-Überproduktion durch eine einseitige Nebennierenveränderung mit kontralateralem hormonell inaktivem Nebennierenadenom vorliegt, entschlossen wir uns zur Durchführung eines Nebennierenvenensamplings an der radiologischen Abteilung des AKH im April 2019. Dabei fanden sich beidseits hohe Cortisol-Konzentrationen in den Nebennierenvenen mit deutlichem Gradienten zum übrigen venösen Gefäßsystem. Der Cortisol- Spiegel in der Vena suprarenalis dextra betrug 86,6 mcg/dl, in der Vena suprarenalis sinistra 97,5 mcg/dl, der maximale Cortisol-Spiegel im restlichen venösen Gefäßsystem der Vena cava betrug hingegen nur 19,9 mcg/dl. Somit ließ sich eindeutig auf beiden Seiten eine stark erhöhte Cortisol-Produktion nachweisen und es wurde die Indikation zur beidseitigen Adrenalektomie gestellt. An der Urologischen Abteilung der Krankenanstalt Rudolfstiftung wurde, zeitlich getrennt im Abstand von einem Monat geplant, die beidseitige Adrenalektomie durchgeführt. Der histologische Befund zeigte beidseits eine ausgeprägte noduläre Nebennierenrindenhyperplasie ohne Hinweis auf Malignität. Als Zusatzbefund wurde ein beidseitiges Mammakarzinom diagnostiziert, welches in einer brusterhaltenden Operation im Juli 2019 erfolgreich operiert werden konnte (invasives Mammakarzinom ohne speziellen Subtyp; Grading G2, Angio/Lymphangioinvasion: –/–, links: ER-Score 8; PRScore 2; Ki-67 Labelling Index ca. 23 %; HER2-neu/IHC. Score 0, Überexpression neg.). Eine Therapie mit Anastrozol wurde eingeleitet und eine weitere onkologische Versorgung ist organisiert.</p> <h2>Nebennierenadenome</h2> <p>Nebennierenadenome gehören zu den häufigsten Tumoren des endokrinen Systems mit einer Prävalenz von 3 % und im Alter bis auf 6–10 % steigend. Meist sind sie hormonell inaktiv (circa 80 %). Im Falle eines „hormonaktiven“ Nebennierenadenoms liegt bei circa 4 % ein Phäochromozytom und in 2 % ein Aldosteron-produzierendes Adenom vor. Häufiger ursächlich ist bei Aldosteron-Überproduktion eine bilaterale Hyperplasie. In 5–10 % lässt sich eine autonome Cortisol- Produktion nachweisen. Das bei unserer Patientin aufgetretene Cushing-Syndrom mit Gewichtszunahme, Bluthochdruck, Stammfettsucht, „Vollmondgesicht“, Depression, Kopfschmerzen, Osteoporose, gestörter Glukosetoleranz bis hin zu einem manifesten Diabetes ist aber in circa 80 % ACTH-abhängig (meist Hypophysenadenom – Morbus Cushing). Nur in 20 % liegt wie bei unserer Patientin ein ACTH-unabhängiges Cushing-Syndrom mit erhöhter Cortisol-Produktion der Nebenniere vor. Hierbei ist in circa 15 % ein Adenom (einseitig) als Ursache anzusehen. In nur weniger als 2 % der Fälle ist das an sich schon seltene endogene Cushing- Syndrom (Prävalenz ca. 35–55 pro 1 Million Menschen) durch eine sogenannte makronoduläre Hyperplasie beider Nebennieren mit beidseitiger Cortisol-Überproduktion bedingt. Virilisierende oder feminisierende Adenome sind meist maligne und sehr selten. Diagnostik Zu den ersten Schritten bei Verdacht auf ein Cushing-Syndrom zählen die Bestimmung des 24 h-Harncortisols, der 1 mg-Dexamethason-Kurztest sowie die Cortisol- Bestimmung spätabends im Speichel oder Serum. Bei Bestätigung eines Hypercortisolismus sollte das Plasma-ACTH bestimmt werden, wodurch sich zumeist ein Hinweis auf die Lokalisation des Prozesses ergibt. Bei supprimiertem ACTH sollte eine Bildgebung der Nebennieren erfolgen. Durch einen hoch dosierten 8 mg-Dexamethason- Test und CRH-Test kann meist zwischen hypophysärem Morbus Cushing und ektopem Cushing-Syndrom unterschieden werden (Abb. 1).</p> <p> </p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Diabetes_1905_Weblinks_s40_abb1.jpg" alt="" width="676" height="881" /></p> <h2>Therapie</h2> <p>Die Therapie der Wahl eines hormonaktiven Nebennierenadenoms ist immer die chirurgische Entfernung. Im Falle unserer Patientin erfolgte eine beidseitige Adrenalektomie, wonach eine lebenslange Cortisol- Substitution erfolgen muss. Die Patientin erhielt unmittelbar im Anschluss an die Entfernung der zweiten Nebenniere einen 100 mg-Bolus Hydrokortison intravenös und in weiterer Folge eine 24 h-Dauerinfusion Hydrokortison. Im weiteren Verlauf erfolgte die Einstellung auf Hydrokortison per os. Die Hydrokortison-Dosis sollte entsprechend der physiologischen Cortisol- Produktion 15–25 mg/d betragen. Die Dosierung muss an den Bedarf und den klinischen Zustand des Patienten angepasst werden. Ein verlässlicher Laborwert zur Evaluierung der adäquaten Dosis ist leider nicht verfügbar. Im Falle von Erkrankung und Stresssituationen wie Operationen muss die Dosis entsprechend gesteigert werden. Patienten erhalten einen Notfallausweis, der sie als Cortisol-Substitutionspflichtig ausweist und entsprechende Notfallerstmaßnahmen und Dosierungsanpassungsempfehlungen enthält.</p></p>
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