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Die antidiabetische Therapie bei Lebererkrankungen
Jatros
Autor:
Assoz. Prof. Priv.-Doz. Dr. Susanne Kaser
Stellvertretende Direktorin der Universitätsklinik für Innere Medizin I<br/> Medizinische Universität Innsbruck<br/> E-Mail: susanne.kaser@i-med.ac.at
30
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07.03.2019
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<p class="article-intro">Die nicht alkoholische Fettlebererkrankung (NAFLD) gilt als hepatische Manifestation des metabolischen Syndroms, entsprechend ist die Prävalenz speziell bei adipösen Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 sehr hoch. Für einzelne Wirkstoffe lassen klinische Studien einen Benefit bei NAFLD vermuten. Für die medikamentöse Behandlung eines Diabetes mellitus Typ 2 bei fortgeschrittenen Lebererkrankungen ist die Datenlage hingegen sehr limitiert.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Lebensstilmodifikation mit Gewichtsreduktion, mediterraner Ernährung und körperlicher Bewegung stellt die effektivste Therapie einer NAFLD dar.</li> <li>Studien weisen auf einen günstigen Effekt von Pioglitazon, Liraglutid und SGLT2-Inhibitoren bei NAFLD hin, wobei die Datenlage für Pioglitazon am umfangreichsten ist.</li> <li>Die Erfahrungen mit den meisten oralen Antidiabetika bzw. GLP-1-Rezeptoragonisten bei fortgeschrittener Leberfunktionsstörung sind beschränkt.</li> </ul> </div> <h2>Erhöhtes kardiovaskuläres Risiko und Mortalität</h2> <p>Diabetes mellitus Typ 2 ist sehr häufig mit dem Vorliegen einer nicht alkoholischen Fettlebererkrankung assoziiert. Diese umfasst ein breites klinisches Spektrum von der simplen Steatose über die nicht alkoholische Steatohepatitis (NASH) bis hin zur Leberzirrhose. Neben den hepatologischen Komplikationen weisen vor allem Patienten mit NASH ein deutlich erhöhtes kardiovaskuläres Risiko und eine erhöhte Mortalität auf. Ursache dafür ist unter anderem eine Verschlechterung der hepatischen Insulinsensitivität bedingt durch die Lipidakkumulation in den Hepatozyten. Zur Durchbrechung dieses Circulus vitiosus ist daher eine gezielte Therapie der NAFLD sinnvoll und notwendig.</p> <h2>Beschränkte Optionen bei NA FLD und NA SH</h2> <p><strong>Lebensstilmodifikationen</strong><br /> Für einige Wirkstoffe konnte in meist kleinen Studien ein protektiver Effekt gezeigt werden. Die einzige derzeit wirklich etablierte Therapie stellt aber eine Lebensstilmodifikation mit Gewichtsreduktion bei Übergewicht oder Adipositas, vermehrter körperlicher Bewegung und mediterraner Ernährung dar. Romero-Gomez et al.<sup>1</sup> konnten 2017 zeigen, dass eine Gewichtsreduktion von 10 % gegenüber dem Ausgangskörpergewicht bei mehr als 80 % der Patienten zu einer Regression der Fibrose und bei 100 % der Studienteilnehmer zu einer Verbesserung der Steatose führt. Ernüchternd in dieser Studie war allerdings, dass nur etwa 10 % der Probanden die angestrebte Gewichtsreduktion auch erreichten. Nichtsdestotrotz zeigt diese Studie das enorme therapeutische Potenzial einer entsprechenden Lebensstilmodifikation und die potenzielle Reversibilität der Leberschädigung bei NAFLD.</p> <p><strong>Glitazone</strong><br /> Die robustesten Daten für eine mögliche Hepatoprotektion eines Antidiabetikums liegen für die Glitazone vor. In einer Studie an prädiabetischen und diabetischen Patienten mit fortgeschrittener NAFLD zeigte sich nach mehrjähriger Therapie mit Pioglitazon eine signifikante Verbesserung des NAFLD Activity Scores.<sup>2</sup> In einer Metaanalyse, in die sowohl Studien mit Rosiglitazon als auch Pioglitazon inkludiert wurden, konnte eine signifikante Verbesserung einer fortgeschrittenen Fibrose unter Glitazontherapie nachgewiesen werden.<sup>3</sup></p> <p><strong>Liraglutid</strong><br /> Optimistisch stimmen die Resultate einer kurzzeitigen und kleinen placebokontrollierten Phase-II-Studie mit Liraglutid. In dieser Studie kam es unter Liraglutid im Vergleich zu Placebo bei einer signifikant größeren Anzahl an Patienten zu einer Remission der NASH. Neben der geringen Fallzahl muss limitierend allerdings angemerkt werden, dass erwartungsgemäß auch die Gewichtsabnahme größer und die glykämische Kontrolle besser unter Liraglutidtherapie als unter Placebo war.<sup>4</sup></p> <p><strong>Empagliflozin</strong><br /> Auch SGLT2-Inhibitoren wurden bereits hinsichtlich eines positiven Effektes auf die NAFLD evaluiert. In der E-LIFTStudie führte Empagliflozin im Vergleich zu anderen antidiabetischen Therapien zu einer signifikanten Verbesserung des Steatosegrades.<sup>5</sup></p> <p><strong>Metformin</strong><br /> Schlechter ist die Datenlage für die Erstlinientherapie mit Metformin. Der Effekt von Metformin wurde in mehreren kleinen Studien untersucht, ein eindeutiger Benefit hat sich aber nicht nachweisen lassen. Exemplarisch fanden Haukeland JW et al. eine Verbesserung des Steatosegrads bei Metformin-behandelten Patienten, der Effekt war aber nicht signifikant größer als in der Placebogruppe.<sup>6</sup></p> <p><strong>Fazit</strong><br /> Zusammenfassend stellt also eine Gewichtsreduktion mit mediterraner Ernährung und regelmäßiger körperlicher Bewegung nach wie vor die effektivste Therapie einer NAFLD dar. Für Glitazone ist ein protektiver Effekt bei NASH durch mehrere Studien belegt, erste kleine Studien deuten auch auf günstige Effekte von GLP-1-Rezeptoragonisten und SGLT2- Hemmern hin.</p> <h2>Fortgeschrittene Lebererkrankungen</h2> <p>Fortgeschrittene Lebererkrankungen gehen unabhängig von der Ätiologie generell häufig mit Störungen des Glukosestoffwechsels einher. Typischerweise zeigt sich bei Patienten mit Leberzirrhose eine ausgeprägte Insulinresistenz mit konsekutiver Hyperinsulinämie.</p> <p><strong>Metformin</strong><br /> Für Metformin konnte zwar bisher kein spezifischer Benefit auf den Verlauf einer NAFLD gezeigt werden, eine retrospektive Auswertung von Patienten mit fortgeschrittener Lebererkrankung weist jedoch zumindest auf eine Sicherheit von Metformin bei Patienten mit Leberzirrhose hin, wobei es sich entsprechend der Fachinformation, wonach Metformin bei Leberinsuffizienz kontraindiziert ist, um eine Offlabel- Verwendung handelt. Zhang X et al. werteten in der genannten retrospektiven Studie Patienten mit Leberzirrhose unterschiedlicher Stadien und auch unterschiedlicher Ätiologie dahingehend aus, ob die Metformintherapie frühzeitig abgesetzt wurde oder Metformin weitergegeben wurde.<sup>7</sup> In dieser Analyse zeigte sich, dass das Überleben bei Metformin-behandelten Patienten besser war, dies traf sowohl für Patienten im Child-Pugh-Stadium A als auch B zu. Limitierend muss allerdings angemerkt werden, dass das Studienergebnis durch einen Behandlungs- Bias beeinflusst worden sein kann, der nur mit einem prospektiven Studiendesign ausgeschlossen werden könnte.</p> <p><strong>Pioglitazon</strong><br /> Während für Pioglitazon ein Benefit bei NAFLD gezeigt werden konnte, ist der Wirkstoff bei Patienten mit eingeschränkter Leberfunktion laut Fachinformation kontraindiziert.</p> <p><strong>DPP-4-Hemmer</strong><br /> Auch für DPP-4-Hemmer ist die Datenlage limitiert, für Sitagliptin konnten Cui J et al. Sicherheit bei Patienten mit Leberzirrhose im Stadium Child Pugh A zeigen.<sup>8</sup></p> <p><strong>Sulfonylharnstoffe</strong><br /> Kritisch zu hinterfragen ist die Verwendung von Sulfonylharnstoffen bei fortgeschrittener Lebererkrankung. Einerseits würde diese zu einer weiteren Verschlechterung der Hyperinsulinämie führen, andererseits ist das Hypoglykämierisiko bei häufig gleichzeitig bestehender Niereninsuffizienz doch deutlich erhöht. Entsprechend besteht für die beiden am häufigsten eingesetzten Sulfonylharnstoffe Gliclazid und Glimepirid eine Kontraindikation bei schwerer Leberfunktionsstörung.</p> <p><strong>SGLT2-Inhibitoren</strong><br /> Ebenfalls limitiert ist die klinische Datenlage zu SGLT2-Inhibitoren, für die meisten wird aufgrund fehlender Erfahrung auch eine Verwendung bei schwerer Leberfunktionseinschränkung ausdrücklich nicht empfohlen. Ähnlich wie für Sulfonylharnstoffe ist allerdings die Verwendung schon durch die begleitende Niereninsuffizienz häufig kontraindiziert, auch bei fortgeschrittener Lebererkrankung infolge von Alkoholkrankheit ist aufgrund der Gefahr einer euglykämischen Ketoazidose Vorsicht geboten.</p> <p><strong>GLP-1-Rezeptoragonisten</strong><br /> Sofern eine Gewichtsabnahme gewünscht oder akzeptabel ist, können auch GLP-1-Rezeptoragonisten bei fortgeschrittener Leberinsuffizienz eingesetzt werden. Die Dosis der bei uns verfügbaren GLP-1 Rezeptoragonisten muss laut Fachinformation bei fortgeschrittener Leberfunktionseinschränkung nicht angepasst werden, allerdings wird bei einigen auf die fehlende Erfahrung in dieser Situation in der Fachinformation ausdrücklich aufmerksam gemacht.</p> <p><strong>Fazit</strong><br /> Zusammenfassend ist die Datenlage zu oralen Antidiabetika und GLP-1-Rezeptoragonisten bei fortgeschrittener Leberfunktionsstörung sehr eingeschränkt. Aufgrund der häufigen und meist schweren Komorbiditäten verbieten sich zudem verschiedene Wirkstoffe, sodass eine Insulintherapie für viele dieser Patienten letztendlich erforderlich ist.</p> <div id="fazit"> <h2>PRAXISTIPP</h2> <p>Bei NAFLD ist den Patienten zu einer Lebensstilmodifikation mit mediterraner Ernährung, Bewegung und Gewichtsreduktion zu raten. Bei fortgeschrittener Lebererkrankung dagegen kommt man um eine Insulintherapie kaum herum.</p> </div></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Romero-Gómez M et al.: Treatment of NAFLD with diet, physical activity and exercise. J Hepatol 2017; 67(4): 829- 46 <strong>2</strong> Cusi K et al.: Long-term pioglitazone treatment for patients with nonalcoholic steatohepatitis and prediabetes or type 2 diabetes mellitus: a randomized trial. Ann Intern Med 2016; 165(5): 305-15<strong> 3</strong> Musso G et al.: Thiazolidinediones and advanced liver fibrosis in nonalcoholic steatohepatitis: a meta-analysis. JAMA Intern Med 2017; 177(5): 633-40 <strong>4</strong> Armstrong MJ et al.: Liraglutide safety and efficacy in patients with non-alcoholic steatohepatitis (LEAN): a multicentre, double-blind, randomised, placebo- controlled phase 2 study. Lancet 2016; 387(10019): 679-90 <strong>5</strong> Kuchay MS et al.: Effect of empagliflozin on liver fat in patients with type 2 diabetes and nonalcoholic fatty liver disease: a randomized controlled trial (E-LIFT Trial). Diabetes Care 2018; 41(8): 1801-8 <strong>6</strong> Haukeland JW et al.: Metformin in patients with non-alcoholic fatty liver disease: a randomized, controlled trial. Scand J Gastroenterol 2009; 44(7): 853-60<strong> 7</strong> Zhang X et al.: Continuation of metformin use after a diagnosis of cirrhosis significantly improves survival of patients with diabetes. Hepatology 2014; 60(6): 2008-16 <strong>8</strong> Cui J et al.: Sitagliptin vs. placebo for non-alcoholic fatty liver disease: a randomized controlled trial. J Hepatol 2016; 65(2): 369-76</p>
</div>
</p>
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