
Diabetes und Herz
Autor:
Prim. Univ.-Prof. Dr. Martin Clodi
Vorstand der Abteilung für Innere Medizin
Krankenhaus der Barmherzigen Brüder, Linz
E-Mail: martin.clodi@medinterne.at
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Aufgrund der Evidenz aus Studienergebnissen hat sich in den letzten Jahren zunehmend gezeigt, dass die für Diabetes eingesetzten Medikamente auch einen guten Wirkmechanismus im Bereich des kardiovaskulären Systems aufweisen.
Keypoints
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Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes und kardiovaskuläre Erkrankungen haben eine ganz klare Interaktion. Sehr wahrscheinlich ist die diabetische Stoffwechsellage ein sehr starker Treiber für die atherosklerotische Erkrankung.
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Bei Patienten mit Diabetes und kardiovaskulären Erkrankungen bzw. Patienten mit Diabetes in der sogenannten Primär-/(Sekundär-)Prävention sollte ein multifaktorielles Therapiemanagement durchgeführt werden.
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SGLT2-Hemmer und GLP-1-Analoga konnten Mortalitätsbenefitdaten bei Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen und Nierenerkrankungen zeigen. Bei allen Patienten mit Diabetes sollte als Erstmedikation eine Therapie mit Metformin gestartet werden.
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Die Herzinsuffizienztherapie bei Patienten mit Diabetes unterscheidet sich nicht von der Therapie für Patienten ohne Diabetes.
Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Die Interaktion zwischen diabetischer Stoffwechsellage und Herz-Kreislauf-System ist schon seit vielen Jahrzehnten bekannt. Durch die aktuellen Studienergebnisse der letzten Jahre und auch die bekannte Interaktion zwischen Diabetes und Glukosehomöostasestörung sind allerdings zusätzliche Fakten entstanden, die eine viel höhere Interaktion zwischen Glukosestoffwechselstörung und Herz-Kreislauf-System zeigen.
Herzinfarkt
So ist mittlerweile bekannt, dass zwei von drei Patienten, die mit einem akuten Herzinfarkt (STEMI) in den Herzkatheter kommen, eine Glukosestoffwechselstörung haben. Ungefähr ein Viertel weist einen bekannten Diabetes auf, ein Viertel einen nicht bekannten, jedoch neu diagnostizierten Diabetes und der Rest eine gestörte Nüchternglukose bzw. einen Prädiabetes. Bei den elektiven Zuweisungen zum Herzkatheter sind die Zahlen sehr ähnlich (Tab. 1).
Tab. 1: Diabetes und Prädiabetes bei akuter und elektiver Einweisung wegen KHK (nach Bartnik et al.: Eur Heart J 2004)
Herzinsuffizienz
Im Bereich der Herzinsuffizienz sind die Zahlen noch dramatischer, so konnte in fast allen Herzinsuffizienzstudien, die in den letzten Jahren publiziert wurden, gezeigt werden, dass in dieser Population 40 bis 60% an einem Typ-2-Diabetes erkrankt sind, 20% einen Prädiabetes aufweisen und nur ca. 16 bis 18% dieser Population als glukosestoffwechselgesund angesehen werden können (Abb. 1). In einer Publikation meiner Arbeitsgruppe von 2009 konnten wir allerdings auch in diesem Kollektiv nachweisen, dass selbst die als glukosegesund geltende Population eine Insulinresistenz aufweist.
Abb. 1: Herzinsuffizienzstudie CHARM: Sowohl Patienten mit reduzierter (HFrEF) als auch Patienten mit erhaltener (HFpEF) linksventrikulärer Funktion haben Diabetes und Prädiabetes (nach Kristensen et al. 2017)
Periphere arterielle Verschlusskrankheit und Schlaganfall
Die Daten zum kardiovaskulären System und zur Glukosestoffwechselstörung gibt es allerdings auch für die periphere arterielle Verschlusskrankheit wie auch für den Schlaganfall. So konnte in einer Publikation im Journal „Diabetes Care“ gezeigt werden, dass 63,8% der Patienten mit akutem Schlaganfall einen Diabetes oder einen Prädiabetes aufweisen. In unserer eigenen Untersuchung konnten wir zeigen, dass diese Daten auch in Österreich in einem Akutkrankenhaus in Linz ganz ähnlich sind. Aus diesen Daten ergibt sich, dass 60% aller akuten Herzinfarkte, 85% aller Patienten vor elektiver Koronarangiografie in einer österreichischen Untersuchung, 63% aller Insultpatienten und 82% aller Patienten mit Herzinsuffizienz einen Diabetes oder Prädiabetes aufweisen. Insgesamt haben somit zwei von drei Personen ein kardiovaskuläres Akutereignis erlebt.
Ursachen
Die Ursache für diese Interaktion besteht in einer durch die Glukosestoffwechselstörung ausgelösten Veränderung im Bereich der freien Fettsäuren, die erhöht sind, in einer Insulinresistenz, in einer strukturellen Veränderung der Gefäßwände wie auch der Herzmuskelzellen. Es kommt zur myokardialen Fibrose und Matrixveränderungen im Herzmuskel. Weiters bestehen eine Mikroangiopathie und eine endotheliale Dysfunktion wie auch eine autonome diabetische Neuropathie. Dies alles zusammen führt einerseits zur Koronarsklerose und zur Sklerose an den großen Gefäßen und schlussendlich auch zum diabetischen Herz.
Wenn man nun die Sterbedaten von Österreich bzw. auch aus den USA hernimmt, sieht man, dass die Haupttodesursache kardiovaskuläre Erkrankungen mit einer Häufigkeit von 50 bis 70% sind. Die strikt diabetesbezogenen Todesfälle belaufen sich in einem Bereich von 10%.
Aufgrund des oben Erwähnten und der Studienlage muss man allerdings anmerken, dass zwei Drittel der kardiovaskulären Todesfälle primär durch den Diabetes verursacht wurden, der einen Schaden ausgelöst hat, der zu den Ereignissen führte. Die Diabeteserkrankung bzw. die pathologisch veränderte Stoffwechselsituation führt über Jahre und Jahrzehnte zu sukzessiven Veränderungen der kardiovaskulären Strukturen an Gefäßen und Muskulatur und schlussendlich zum Tod. Dies müsste eigentlich rekalkuliert werden und auch in den Statistiken anders angeführt werden.
Zunahme von Diabetes
Neueste Daten aus den USA aus dem National Health and Nutrition Examination Survey (NHANES), welche am 25. Juni des heurigen Jahres publiziert wurden, zeigen außerdem einen sehr dramatischen Anstieg der Diabetesrate von 9,9% im Jahr 2000 auf 14,3% im Jahr 2018 (Abb. 2). Noch dramatischer ist die Situation, wenn man die Population über 65 betrachtet, in der 29,5% an einem manifesten Diabetes leiden. In der Gruppe der 45- bis 64-jährigen Patienten sind es bereits 18,5% oder jeder Fünfte (Abb. 3).
Abb. 2: Diabetesentwicklung und Diabetesprävalenz zwischen 2000 und 2018 (in den USA/NHANES; adaptiert nach Wang et al. 2021)
Rolle der Blutglukosesenkung
In den Studien, die auf eine Senkung des HbA1c fokussiert hatten, wird immer wieder diskutiert, dass eine Senkung des Blutzuckers keinen Benefit für das kardiovaskuläre System bringt. Hier kann entgegengehalten werden, dass in vielen Metaanalysen wie auch Langzeit-Follow-up-Daten die Blutglukosesenkung zu einer 50%igen Reduktion von kardiovaskulären Ereignissen führt. Dies wurde sehr elegant im 30-jährigen Follow-up der DCCT/EDIC-Studie gezeigt. Diese Daten konnten im 30-Jahre-Follow-up der UKPDS wie auch in den Daten der VADT eindrucksvoll belegt werden. Aus diesen Daten kann man klar schließen, dass die Verbesserung der Glukosestoffwechselsituation im Sinne der Verbesserung des HbA1c für die Patienten einen Benefit zeigt. In unserer Untersuchung konnten wir außerdem durch den Einsatz des Parameters NT-proBNP eine Patientengruppe herauskristallisieren, die stärker gefährdet ist, an einem kardiovaskulären Ereignis zu erkranken. Patienten mit Diabetes und NT-proBNP über dem Cut-off von 125pg/ml hatten ein deutlich höheres Risiko, in den nächsten 5 Jahren ein Ereignis zu erleiden. Interessant dabei ist, dass 22% ein erhöhtes NT-proBNP hatten ohne eine diesbezügliche kardiale Anamnese (Abb. 4).
Abb. 4: Patienten mit Diabetes und NT-proBNP über dem Cut-off von 125pg/ml hatten ein deutlich höheres Risiko für ein kardiovaskuläres Ereignis
Therapeutische Konsequenzen und Optionen
Dies hat umfangreiche therapeutische Konsequenzen. Für den Patienten mit Diabetes und kardiovaskulären Erkrankungen bzw. auch den Patienten mit Diabetes in der sogenannten Primär-/(Sekundär-)Prävention sollte ein multifaktorielles Therapiemanagement durchgeführt werden. Dies umfasst die Gesprächssituation bezüglich der Lebensumstände, d.h. Veränderung der Ernährungsgewohnheiten mit langsamer Gewichtsreduktion (max. 1kg pro Monat) mit zusätzlich körperlicher Aktivität. Im Weiteren sollten in einem multifaktoriellen Setting immer der Blutdruck und die Fettstoffwechselsituation ebenso mitberücksichtigt werden. Hinsichtlich der Diabetesmedikation haben sich in den letzten Jahren in den von der FDA initiierten kardiovaskulären Outcome-Studien dramatisch positive Studienergebnisse gezeigt. Die Empfehlungen der Diabetestherapie für diese Patienten sind in den aktuellen Leitlinien der Österreichischen Diabetes Gesellschaft unter www.oedg.org nachzulesen.
Gerade bei Patienten mit atherosklerotisch kardiovaskulären Erkrankungen zeigten die Gruppen der GLP-1-Analoga und der SGLT2-Hemmer in den Studien einen sehr positiven Benefit. Nicht zu vergessen ist, dass bei allen Patienten mit Diabetes primär als Erstmedikation eine Therapie mit Metformin gestartet werden sollte. Es gibt für Metformin sehr gute Daten beginnend mit der UKPDS-Studie, wobei auch die Mortalität verbessert wurde, bis zu Studien, die einen ganz klaren Benefit für die nicht alkoholische Fettleberentzündung zeigen durch Metformin.
Die neuen Blockbuster in der Diabetesmedikation, die SGLT2-Hemmer und GLP-1-Analoga, haben in den rezenten Studien nicht nur einen Benefit in der Therapie bezüglich der Blutglukoseeinstellung bzw. beim Gewichtsmanagement gezeigt, sondern konnten auch ganz klare Mortalitätsbenefitdaten bei Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen und Nierenerkrankungen zeigen. Die Entwicklung dieser Medikationen ist absolut im Fluss.
Ganz wesentlich möchte ich auch darauf hinweisen, dass die Herzinsuffizienztherapie bei Patienten mit Diabetes sich nicht von der Therapie für Patienten ohne Diabetes unterscheidet. In Anbetracht dessen, dass die meisten Patienten mit Herzinsuffizienz auch einen Diabetes oder Prädiabetes haben, ist das allerdings vorauszusetzen.
Es wurde im letzten Jahr eine sehr interessante Studie von der Austrian Working Group für Herzinsuffizienz publiziert, die doch ganz klar zeigen konnte, dass die Rate der Therapie mit Betablocker, ACE-Hemmer bzw. Angiotensin-Rezeptorblocker deutlich zu niedrig ist bei Patienten mit Herzinsuffizienz. Es werden zum Teil nur 50% der maximal notwendigen Dosis erreicht bzw. zum Teil die Therapien überhaupt nicht gestartet.
Dies ist insofern wesentlich, als man für all diese Substanzen (Betablocker, RAAS-Blocker, MRA, ARNI) positive Studien hinsichtlich Reduktion der Mortalität und der Morbidität bei Herzinsuffizienz gesehen hat. Das heißt, auch die neu hinzukommenden Substanzen wie vor allem SGLT2-Hemmer (aber auch GLP-1-Agonisten) sind wichtig für Patienten mit Diabetes, es sollte jedoch nicht auf die Grund- und Basistherapie der Patienten vergessen werden.Die neuen ESC-Leitlinien zur Herzinsuffizienz werden die Basistherapie insofern verrücken, als auch SGLT2-Hemmer einen Platz an vorderster Front bekommen. Nichtsdestotrotz sind alle Therapiestudien mit SGLT2-Hemmern auf dem Boden der anderen Medikamente durchgeführt worden.
Fazit
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes und kardiovaskuläre Erkrankungen eine ganz klare Interaktion besitzen, wobei sehr wahrscheinlich die diabetische Stoffwechsellage ein sehr starker Treiber für die atherosklerotische Erkrankung bei den Patientinnen und Patienten ist.
Literatur:
beim Verfasser
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