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Die nächsten Schritte

Auf dem Weg zum künstlichen Pankreas

Der vollständige Ersatz des Pankreas durch eine automatisierte, CGM-gesteuerte Pumpentherapie mit Insulin und Glukagon gehört zu den ehrgeizigeren Zielen in der Diabetologie. An der Universität Boston nimmt das Projekt konkrete Gestalt an. Im Rahmen des ATTD-Kongresses wurde der Zeitplan vorgestellt.


Closed loop»-Systeme im Sinne sensorgesteuerter Insulinpumpen sind bereits klinische Realität und in den USA auch bereits zugelassen. Zum «artificial pancreas» fehlt jedoch noch ein wichtiger Schritt: die automatische Verabreichung von Glukagon zur Steuerung gegen die Insulinwirkung. «Beim Typ-1-Diabetiker geht die Betazelle verloren. Die Alphazelle geht im Gegensatz zur Betazelle zwar nicht unter, wird jedoch dysfunktional», sagte Dr. Steven Russell von der Boston University. Bihormonale Systeme hätten demnach eine Reihe von Vorteilen. Sie könnten Hypoglykämien verhindern und die Berechnung des Kohlenhydratkonsums überflüssig machen, indem sie alleine durch die Zuckerwerte im Blut und grundlegende Informationen zur Nahrungsaufnahme (kleine Mahlzeit/grosse Mahlzeit) gesteuert würden. Russell berichtete im Rahmen des ATTD-Kongresses von Erfahrungen mit einem experimentellen «artificial pancreas », das sich bereits in weit fortgeschrittener klinischer Entwicklung befindet. Eine der Säulen dieses Systems ist ein innovativer Algorithmus zur Steuerung der Pumpe(n), der als Basisinformation nur das Körpergewicht des Patienten benötigt und sich dann automatisch an dessen Insulinbedarf über 24 Stunden anpasst.

«Closed loop»: erfolgreiche Studien, praktische Herausforderungen

Mit diesem Algorithmus wurden bereits mehrere Studien sowohl im «Closed loop»- Betrieb auf Insulinbasis als auch im bihormonalen Betrieb durchgeführt. So konnte in einer Studie mit 43 Typ-1-Diabetikern mit dem bihormonalen System eine überlegene glykämische Kontrolle im Vergleich sowohl zu konventioneller Pumpentherapie als auch zur sensorgesteuerten Insulinpumpe demonstriert werden.1 Russell unterstrich, dass in einer abschliessenden Befragung die Patienten dem bihormonalen System klar den Vorzug gaben.
Gegenwärtig wird an der Lösung praktischer Probleme gearbeitet. Diese beginnen beim Glukagon. Dieses war nämlich bislang ausschliesslich als Notfallmedikament verfügbar und nur schlecht für den Einsatz in der Pumpe geeignet. Seit Kurzem gibt es mit Dasiglucagon nun ein «Pumpen-Glukagon», das selbst bei Temperaturen über 40 Grad mehr als einen Monat gelagert werden kann. Eine im Rahmen des ATTD-Kongresses vorgestellte Studie zeigt die Äquivalenz zu rekombinantem humanem Glukagon.2
Darüber hinaus war noch die Frage des Devices zu klären. Mit dem Beta Bionics iLet™ wird nun erstmals ein derzeit noch experimentelles komplett integriertes «bionic pancreas», das mit Insulin und Glukagon oder auch nur mit Insulin befüllt werden kann, entwickelt (Abb. 1).3 Dieses wird zusätzlich die Elektronik enthalten, die benötigt wird, um die Abgabe der Hormone zu steuern. Das Gerät verfügt über einen Touchscreen, ist gegenwärtig so gross wie ein Smartphone und kann mit unterschiedlichen CGM-Sensoren kommunizieren. Das Device soll bis April 2019 in seiner endgültigen Version fertiggestellt sein. Bis dahin sollen auch eine Phase- III-Studie zum Einsatz mit Insulin (im Vergleich zu einer Standard- Insulintherapie) sowie eine Phase- II-Studie mit Insulin und Glukagon, also einem vollständigen «artificial pancreas », abgeschlossen sein. Die Phase-IIIStudien im bihormonalen Betrieb sollen dann bis 2020 laufen.

Quelle: ATTD – Advanced Technologies & Treatments for Diabetes, 14.–17. Februar 2018, Wien

1 El-Khatib FH et al.: Home use of a bihormonal bionic pancreas versus insulin pump therapy in adults with type 1 diabetes: a multicentre randomised crossover trial. Lancet 2017; 389(10067): 369-80 2 Jafri A et al.: The stable glucagon analog dasiglucagon is well-tolerated and as effective as recombinant human glucagon when delivered by the bionic pancreas in response to insulin excess. ATTD 2018, ATTD8-0235 3 https://www.betabionics.org/

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