Abschied von der Diagnose „Typ-2-Diabetes“?
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Die amerikanischen und europäischen Diabetesgesellschaften ADA und EASD präsentierten kürzlich in Form eines Konsensus-Reports ihre gemeinsame Position zur Personalisierung des Diabetes-Managements.1 Phäno- und Genotypisierung lösen die „Sammeldiagnose“ Typ-2-Diabetes in eine Vielzahl von Clustern auf.
Lebensqualität verbessern
Im Rahmen des EASD-Kongresses wurde ein gemeinsames EASD/ADA-Symposium mit dem Titel „ADA/EASD Precision medicine in diabetes initiative“ abgehalten. Das Ziel personalisierter Medizin sei, die Lebensqualität aller von Diabetes betroffenen Menschen zu verbessern, so DDr. Louis Philipson, Direktor des Kovler Diabetes Centers in Chicago. Der Weg zur Präzisionsmedizin beginnt mit einem vertieften Verständnis der Erkrankung und der Identifikation krankheitsspezifischer Biomarker, die anschließend in klinischen Studien untersucht und in Algorithmen inkorporiert werden können. Genetische Marker werden in Zukunft Teil dieser Strategie sein, dabei aber ein Faktor unter vielen bleiben, so Philipson.
Eine typische Aufgabe für Präzisionsmedizin liegt darin, aus der immer größer werdenden Auswahl an antidiabetischen Medikamenten für einen individuellen Patienten die besten auszuwählen, was optimale Wirksamkeit bei geringstmöglichen Nebenwirkungen bedeutet. Am weitesten sind diese Bemühungen im Fall einiger Formen von monogenetischem Diabetes gediehen, die ausgezeichnet auf Sulfonylharnstoffe, nicht aber auf andere orale Antidiabetika ansprechen. Allerdings sei es in der Praxis oft schwierig, diese Formen von Diabetes unter der Vielzahl von Typ-2-Diabetes-Fällen zu erkennen. Mittlerweile habe die intensive Forschung zu diesem Thema bereits gezeigt, dass monogenetischer Diabetes nicht so selten ist, wie man noch vor Kurzem dachte, sondern ein bis zwei Prozent der Diabeteserkrankungen ausmachen dürfte, so Philipson. Die klinische Herausforderung liege nun darin, jene Patienten zu identifizieren, bei denen eine genetische Testung sinnvoll und kosteneffektiv ist.
Sammeldiagnose: Diabetes Typ 2
In den kommenden Jahren könnte die Diagnose „Typ-2-Diabetes“ in eine Vielzahl von Subgruppen und Diagnosen mit unterschiedlichen pathophysiologischen Hintergründen und unterschiedlichen Therapieoptionen zerfallen. Typ-2-Diabetes sei eine „Sammeldiagnose“, so Prof. Dr. Miriam Udler von der Harvard Medical School in ihrem Vortrag, da er so gut wie alles umfasst, was nicht Typ-1-Diabetes oder monogenetischer Diabetes ist. Dies liege nicht zuletzt an der unscharfen Definition, die ausschließlich von Hyperglykämie bei Fehlen anderer bekannter Ursachen ausgeht. Eine Definition von Subgruppen kann anhand klinischer Phänotypen oder genetischer Faktoren versucht werden. Eine Subtypisierung des Diabetes wurde vor wenigen Jahren von einer schwedischen Gruppe vorgeschlagen, die neben dem Typ-1-Diabetes (= schwerer Autoimmundiabetes) noch fünf weitere Cluster definierte, die die Diagnose Typ-2-Diabetes ersetzen.2 Dieses Modell konnte erfolgreich auf mehrere weitere Populationen angewandt werden, so Udler. Allerdings habe es sich beispielsweise in Indien als unpassend erwiesen und musste in dieser Population um zusätzliche Biomarker und Cluster erweitert werden. Darüber hinaus habe sich gezeigt, dass Patienten über die Jahre von einem Cluster in einen anderen wechseln können. Welche therapeutischen Konsequenzen diese Cluster haben, ist unklar. Analysen der Studien RECORD und ADOPT haben gezeigt, dass individuelle Risikofaktoren (wie zum Beispiel eGFR bei Einschluss in die Studie) bessere Prädiktoren für Outcomes sind als die Zugehörigkeit zu einem Cluster.3
Die Rolle der Genetik in der personalisierten Medizin
„Eine alternative Option der Clusterbildung bietet die Genetik. Dies stellt sich jedoch bei komplexerem genetischem Hintergrund schwieriger dar als im Falle der monogenetischen Erkrankungen, erklärte Prof. Dr. Niels Grarup von der Universität Kopenhagen. Versuche, anhand von GWAS (Genome Wide Association Studies) genetische Scores zu erstellen, laufen seit mehreren Jahren. Eine große Zahl von Risikoloci wurde identifiziert. Ebenso wird versucht, diese Loci mit bekannten pathophysiologischen Aspekten des Diabetes in Verbindung zu bringen. Eine Analyse von 94 Loci brachte fünf klinische Cluster (Beta-Zell-Typ, Proinsulin-Typ, Adipositas-Typ, Lipodystrophie-Typ und Leber/Lipid-Typ) zum Vorschein, die jeweils mit einer Reihe genetischer Marker assoziiert sind.4 Eine Analyse dieser Cluster hinsichtlich des Auftretens bestimmter Diabetes-Komplikationen soll demnächst publiziert werden. Die Konsequenzen aus diesen Erkenntnissen für die Therapie sind derzeit jedoch noch unklar.
Quelle
EASD/ADA-Symposium: ADA/EASD Precision medicine in diabetes initiative im Rahmen des EASD-Kongresses 2020; Session S07
Literatur
Chung WK et al.: Precision Medicine in Diabetes: A Consensus Report From the American Diabetes Association (ADA) and the European Association for the Study of Diabetes (EASD). Diabetes Care 2020; 43(7): 1617-35 bzw. Diabetologia 2020; 63(9): 1671-93
Ahlqvist E et al.: Novel subgroups of adult-onset diabetes and their association with outcomes: a data-driven cluster analysis of six variables. Lancet Diabetes Endocrinol 2018; 6(5): 361-9
Dennis JM et al.: Disease progression and treatment response in data-driven subgroups of type 2 diabetes compared with models based on simple clinical features: an analysis using clinical trial data. Lancet Diabetes Endocrinol 2019; 7(6): 442-51
Udler MS et al.: Type 2 diabetes genetic loci informed by multi-trait associations point to disease mechanisms and subtypes: A soft clustering analysis. PLoS Med 2018; 15(9): e1002654
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