
Adipositaschirurgie spart Geld und verlängert Leben
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Teil 1:
Metabolisch-bariatrische Chirurgie ist die effektivste Therapie sowie eine der sichersten Behandlungen im Zusammenhang mit Adipositas und damit assoziierten Komorbiditäten. Besonders bei bestehenden Komorbiditäten wie schlecht eingestelltem Diabetes mellitus Typ 2 geht der Trend in die Richtung, einen metabolischen Eingriff schon frühzeitig anzudenken, um ein Fortschreiten der Erkrankung zu verhindern bzw. eine Remission zu erreichen. Die Wahl der Operationsmethode sollte für jeden Patienten nach ausführlicher präoperativer Abklärung individuell erfolgen und ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Insgesamt führt bariatrische Chirurgie nicht nur zur Verbesserung der Lebensqualität, sondern entlastet auch das Gesundheitssystem durch Kostenreduktion und erhöht die individuelle Lebenserwartung des einzelnen Patienten um mehrere Jahre.
Adipositas und deren Begleiterkrankungen
Bei Übergewicht (BMI ≥25kg/m²) und Adipositas (BMI ≥30kg/m²) ist weltweit ein kontinuierlicher Anstieg zu verzeichnen. Dabei ist Adipositas, welche mit einer Reihe von Begleiterkrankungen einhergeht, eines der am weitesten verbreiteten Krankheitsbilder weltweit. Von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vor Kurzem vorgelegte Zahlen zeigen auf, dass in Europa derzeit bereits 50% aller Menschen übergewichtig und 20% adipös sind.1 In Österreich liegt der Anteil an von Adipositas betroffenen Menschen laut dem Ernährungsbericht 2017 bei 13,4% für Männer und 10,7% für Frauen.2
Die sehr strikte Einteilung in Übergewicht und Adipositas hat Sinn, da Beobachtungsstudien mit großen Patientenzahlen zeigen konnten, dass die relative Mortalität bei einem BMI zwischen 22,5 und 25kg/m² am niedrigsten ist und darüber um 30% pro 5kg/m² BMI ansteigt.3 Der Grund für diesen Mortalitätsanstieg bei steigendem BMI sind vor allem die mit Adipositas einhergehenden Komorbiditäten, welche mit dem metabolischen Syndrom assoziiert sind. Hervorzuheben sind vor allem Diabetes mellitus Typ 2 (DM2), arterielle Hypertonie, Hyperlipidämie und Schlafapnoe, aber auch weitere Erkrankungen, wie Fettleber/NASH („nonalcoholic steato-hepatitis“) und Erkrankungen des Bewegungs- und Stützapparates.4
Etwa 80% aller DM2-Erkrankungen sind auf Übergewicht oder Adipositas zurückzuführen, wobei gerade hier eine hohe Anzahl noch nicht diagnostizierter Diabetiker vorliegt.5 Bei DM2 als Stoffwechselerkrankung kommt es durch chronische Entzündungsreaktionen zur Abnahme der Insulinsensitivität der unterschiedlichen Gewebe im Körper. Ausgelöst wird diese Kaskade durch Botenstoffe („Adipozytokine“) im viszeralen Fettgewebe, welche bei Adipositas vermehrt abgegeben werden.6, 7 Insgesamt sind weltweit etwa 400 Millionen Menschen an DM2 erkrankt.5
Chirurgische Behandlung von Adipositas und deren Begleiterkrankungen
Insgesamt kommt es durch den weltweit stetigen Anstieg von Adipositas auch zu einem kontinuierlichen Ansteigen des Stellenwertes von adipositaschirurgischen Eingriffen. Wo der Begriff der „bariatrischen Chirurgie“ vor allem Gewichtsverlust im Fokus hat, rückt heutzutage durch die exzellenten Remissionsraten von Komorbiditäten der Begriff der „metabolischen Chirurgie“ in den Vordergrund. So können DM2, arterielle Hypertonie, Hyperlipidämie, Schlafapnoe sowie Lebersteatose/NASH durch metabolische Chirurgie in Remission gebracht bzw. deutlich verbessert werden. Einmal entstandene Schädigungen des Bewegungs- und Stützapparates können meist nicht mehr signifikant verbessert werden, hier kann nur noch eine weitere Progression verhindert werden.8, 9
In einer der weltweit aufwendigsten bariatrischen Studien, der Swedish Obese Subjects Study (SOS), konnte an einem großen Studienkollektiv gezeigt werden, dass es im Langzeitverlauf nach bariatrischer Chirurgie, besonders nach Y-Roux- Magenbypass, bei bestehendem DM2 zu hohen Remissionsraten kommt und ein Neuauftreten von DM2 adäquat verhindert werden kann.10–12 Weiters kann durch bariatrische Chirurgie das Risiko für eine Erkrankung an einer Reihe von Karzinomen (Kolonkarzinom, postmenopausales Mammakarzinom, Ovarialkarzinom usw.) bzw. die Mortalität in diesem Zusammenhang gesenkt werden.13, 14
Weitere Effekte und Ziele von adipositaschirurgischen Eingriffen sind einerseits eine Verbesserung der Lebensqualität, andererseits auch eine Verlängerung der Lebenszeit. Erstere wird durch Reduktion von Schmerzen, durch Wiedererlangen der Möglichkeit von sportlichen Aktivitäten und durch Verbesserung von adipositasbedingter Depression erreicht.15
Im Bereich der bariatrischen Chirurgie gibt es eine Reihe verschiedener Operationsmethoden, welche auf unterschiedliche Art und Weise auf den Magen-Darm- Trakt und dessen Hormone einwirken. Jährlich werden derzeit rund 685 000 adipositaschirurgische Eingriffe weltweit durchgeführt. Die global am häufigsten angewandte bariatrische Operationsmethode ist die Sleeve-Gastrektomie (Schlauchmagen) (Abb. 1), welche jährlich rund 340 000-mal durchgeführt wird und 53% aller Eingriffe ausmacht. Auf den Plätzen zwei und drei befinden sich der klassische Y-Roux-Magenbypass (Abb. 2) mit über 191 000 Eingriffen (30%) sowie der neuere Omega-Loop-/One-Anastomosis-Magenbypass (Abb. 3) mit über 30 000 Eingriffen (5%).16
In Österreich ist entgegen den weltweiten Trends der Y-Roux-Magenbypass an erster Stelle (50%), Sleeve-Gastrektomie und Omega-Loop-/One-Anastomosis-Magenbypass folgen mit 29% und 16%. Die Gesamtzahl der adipositaschirurgischen Operationen in Österreich beläuft sich auf 3500 Eingriffe im Jahr.16
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Wann ist ein chirurgischer Eingriff sinnvoll?
Für Patienten mit einem BMI von ≥40kg/m² oder einem BMI von ≥35kg/ m², wenn mindestens eine der oben genannten adipositasassoziierten Komorbiditäten vorliegt, besteht derzeit eine Indikation zu einem adipositaschirurgischen Eingriff. Dies wird in den internationalen Leitlinien der IFSO (International Federation for the Surgery of Obesity and Metabolic Disorders) sowie den Leitlinien der Österreichischen Gesellschaft für Adipositaschirurgie empfohlen. Im Vorfeld der Operation müssen allerdings bereits Versuche stattgefunden haben, auf konservativem Wege Gewicht zu verlieren. Kontraindikationen für bariatrische/metabolische Operationsmethoden sind mangelnde Compliance, Alkohol- und Drogenabusus sowie verschiedenste Erkrankungen des psychischen Formenkreises, mit Ausnahme der auf Adipositas zurückzuführenden reaktiven Depression.17
Aktuelle Empfehlungen der ADA (American Diabetes Association), an denen sich auch die 2018 erschienenen deutschen S3-Leitlinien „Chirurgie der Adipositas und metabolischer Erkrankungen“ orientieren, gehen einen Schritt weiter: Bei konservativ nicht bzw. schwierig einstellbarem Diabetes Typ 2 kann ab einem BMI von ≥30kg/m² eine metabolische Operation angeboten werden, ab einem BMI von ≥35kg/m² auch bei inadäquat eingestelltem Diabetes, und bei Diabetikern mit einem BMI ab 40kg/m² wird die metabolische Operation (unabhängig von der Einstellbarkeit) bereits explizit empfohlen.18, 19 Diese Empfehlung basiert auf Ergebnissen von 15 prospektiv randomisierten Studien, welche zeigten, dass eine postoperative Diabetesremission nicht vom präoperativen BMI abhängt. In allen Studien zeigte sich auch eine signifikant bessere Kontrolle bzw. Remission von DM2 im Langzeitverlauf in der Gruppe der metabolischen Chirurgie, verglichen mit konservativer Diabetestherapie.19
Große, vergleichende Metaanalysen zeigen, dass metabolische Chirurgie in Expertenhänden in spezialisierten Zentren nicht nur sehr effektiv, sondern auch sehr sicher ist. Komplikationsraten und Mortalität sind im sehr niedrigen Bereich, geringer als z.B. bei laparoskopischer Gallenblasen- oder Blinddarmentfernung.20
Die Auswahl der geeigneten Operationsmethode für den jeweiligen Patienten hängt von unterschiedlichen Faktoren ab und ist nicht immer einfach: Die Ausprägung und Anzahl der Komorbiditäten (DM2, arterielle Hypertonie, Schlafapnoe usw.) sowie Adipositasausmaß, Essverhalten, Beruf, Reflux, Alter usw. bestimmen die Wahl des operativen Verfahrens. Jeder der derzeitig verfügbaren Eingriffe hat sowohl Vorteile als auch Limitationen, welche abgewogen werden müssen. Beispielhaft können mit Operationen aus der Gruppe der Magenbypässe die höchsten DM2-Langzeitremissionsraten erreicht werden, weshalb diese Operationen bei Patienten mit DM2 vorrangig verwendet werden sollten.10 Patienten, welche vor der Operation unter Reflux leiden oder bei denen bereits eine Barrett-Metaplasie besteht, profitieren am meisten vom Y-Roux-Magenbypass, da dadurch neben adäquatem Gewichtsverlust auch die Refluxsymptome verbessert werden können und eine bereits bestehende Barrett-Metaplasie nach der Operation potenziell reversibel ist.21, 22
Patienten, welche durch ihre berufliche Tätigkeit (z.B. Transport im öffentlichen Verkehr) postoperativ in keinem Fall Dumping- Symptome (Hypoglykämien) haben dürfen, sollen bariatrische Operationsverfahren erhalten, bei welchen der Pylorus in der Nahrungspassage bleibt und die Nahrung somit nur portionsweise in den Dünndarm abgegeben wird (z.B. Sleeve- Gastrektomie oder SADI-S [Single Anastomosis Duodeno-Ileal Bypass + Sleeve- Gastrektomie]).23, 24
Bei Patienten mit einem hohen BMI (≥50kg/m²) sollte ein Operationsverfahren gewählt werden, welches einen adäquaten Gewichtsverlust erzielen kann (wie z.B. SADI-S oder Omega-Loop-Bypass). Um die Rate an intraoperativen Komplikationen zu verringern, kann bei Patienten mit einem BMI ≥60kg/m2 auch in einem ersten Schritt eine Sleeve-Gastrektomie durchgeführt und nach initialem Gewichtsverlust auf einen SADI-S konvertiert werden, um weiteres Gewicht zu reduzieren.25 Analog dazu kann bei besonders adipösen Patienten (BMI ≥60kg/m²) mit erheblichem Operationsrisiko und einer Lebergröße, welche die bariatrische Operation massiv erschweren würde, neben diätologischen Maßnahmen auch in einem ersten Schritt endoskopisch ein Magenballon gesetzt und nach initialem Gewichtsverlust ein endgültiges operatives Verfahren durchgeführt werden.26
Bei der Stellung einer Operationsindikation für ältere adipöse Patienten (>60 Jahre) werden heutzutage grundsätzlich nach oben keine Altersgrenzen gesetzt, es spielt allerdings das biologische Alter eine große Rolle. Das Motto bei diesen Patienten lautet „add life to years“, was heißen soll, dass es bei jenen vor allem um die Erhöhung der Lebensqualität (Schmerzreduktion, Mobilisierung usw.) geht und nicht der Gewichtsverlust im Vordergrund steht. Da bei Komorbiditäten die höchsten Remissionsraten zu erreichen sind, je kürzer die Erkrankung besteht, ist eine Remission bei älteren Patienten als weniger wahrscheinlich anzusehen.27
Umgekehrt macht es bei der kleinen Gruppe der adipösen Jugendlichen Sinn, frühzeitig einzugreifen, da die Chance, adipositasassoziierte Komorbiditäten in Remission zu bringen, mit der Dauer des Bestehens sinkt. Allerdings gilt: Je jünger die Patienten sind, umso schwerwiegender müssen die Komorbiditäten sein, um einen bariatrischen Eingriff zu rechtfertigen. Bei dieser Gruppe sollten nur erfahrene bariatrische Zentren tätig werden und die Kinder müssen zusammen mit ihren Eltern an speziellen prä-, peri- und postoperativen multidisziplinären Betreuungsprogrammen teilnehmen. Weiters muss der BMI ≥40kg/m² liegen, die skelettale Reife abgeschlossen sein und eine Einwilligungsfähigkeit vorliegen (keinesfalls vor dem 13. Lebensjahr).28
Wie funktioniert die Patientenselektion?
Sollte aufgrund der genannten Leitlinien die Indikation für einen bariatrischen Eingriff gestellt werden können und keine Kontraindikationen dagegensprechen, so muss für den jeweiligen Patienten die richtige Operationsmethode gewählt sowie das peri- und postoperative Risiko richtig eingeschätzt werden. Dieses kann durch eine Reihe von obligatorischen Untersuchungen sorgfältig abgeklärt werden:
Diätologische Betreuung und Beratung
Mittels Einzel- und Gruppengesprächen werden die Patienten schon im Vorfeld der Operation auf die neue Essenssituation vorbereitet. Diätologische Betreuung sollte dem Patienten vor der Operation, während des Krankenhausaufenthalts und postoperativ zur Verfügung stehen. Patienten mit einem besonders hohen BMI von ≥50kg/m² können mithilfe diätologischer Maßnahmen präoperativ über einen Zeitraum von rund 4 Wochen 5–10kg verlieren („Leberfasten“), damit durch eine Reduktion der Größe des linken Leberlappens während der Operation das Operationsgebiet besser eingesehen und somit das Operationsrisiko gesenkt werden kann.
Internistische Evaluierung
Die kardiopulmonale und respiratorische Abklärung ist besonders bei Patienten mit ausgeprägtem metabolischem Syndrom wichtig, um das Narkose- sowie das perioperative Risiko einzuschätzen und minimieren zu können.
Gastroskopie
Eine präoperative Gastroskopie zur Evaluierung von Hiatushernien, Ösophagitis, Gastritis, Helicobacter pylori usw. hilft einerseits, die richtige Operation für den jeweiligen Patienten zu finden, und dient andererseits der präoperativen Möglichkeit einer etwaigen Helicobacter-pylori-Eradikation oder der Behandlung der Gastritis/Ösophagitis. Hiatushernien werden standardmäßig im Rahmen des bariatrischen Eingriffs mitversorgt.
Stoffwechselabklärung
Diese dient der Abklärung bzw. dem Ausschluss von stoffwechselbedingten Ursachen der Adipositas wie z.B. Hypothyreose oder Cushing-Syndrom.
Psychologische Begutachtung
Zur Evaluierung der ausreichenden Compliance des Patienten, um eine lebenslange Vitamineinnahme sowie regelmäßige Kontrollbesuche zu gewährleisten, ist die psychologische Begutachtung sehr wichtig. Es werden auch Erkrankungen des psychischen Formenkreises, Essstörungen und Depressionen abgeklärt.
Weitere optionale Untersuchungen können bei der Wahl der Operationsmethode helfen:
24h-pH-Metrie und Manometrie
Bei Refluxerkrankungen, Voroperationen oder Erkrankungen von Magen und Speiseröhre kann durch diese beiden Untersuchungen eine Säurebelastung bzw. eine Motilitätsstörung des Ösophagus diagnostiziert und das Operationsverfahren angepasst werden.
Knochendichtemessung
Zur Evaluation einer Beeinträchtigung der Knochenstabilität ist die Knochendichtemessung ein gutes Hilfsmittel, gegebenenfalls bestehende präoperative Mängel an Vitaminen und Elektrolyten sollten bereits im Vorfeld substituiert werden.
Adipositaschirurgie spart Geld und verlängert Leben
Finanzieller Impact für das Gesundheitswesen durch metabolische Chirurgie
Im Bereich der bariatrischen Chirurgie als relativ junger chirurgischer Disziplin ist es nicht leicht, Vorhersagen zur Lebensverlängerung für operierte Patienten zu tätigen sowie Vorteile (Geldersparnis) für das Gesundheitssystem zu ermitteln. Nichtsdestoweniger gibt es mittlerweile mehrere aussagekräftige Studien und Modelle, die sich mit diesem Thema beschäftigen und diese Aufgabe sehr gut lösen. Insgesamt sind sich alle größeren Studien darin einig, dass eine signifikante Lebensverlängerung sowie eine Reduktion der Kosten des Gesundheitssystems die Folge sind. Das ist auch insofern wichtig, als bekannt ist, dass mittlerweile jeder 5. Dollar (20%) im Gesundheitswesen in den USA für die Behandlung von Adipositas ausgegeben wird.29
Aktuelle Daten aus dem Vereinigten Königreich stellen eine durchschnittliche Lebenszeitverlängerung um 8 Jahre sowie, verglichen mit konservativer Therapie, eine deutliche Reduktion der Kosten für das Gesundheitssystem um 2742 Euro pro Lebenszeit eines Patienten dar.30 In einer aktuellen Studie der Gesellschaft für Adipositaschirurgie gemeinsam mit dem Institut für Pharmaökonomische Forschung konnte gezeigt werden, dass pro operiertem adipösem Patienten im Schnitt 24 600 Euro, gemessen an den kommenden 20 Jahren, gespart und zwischen 3,4 und 3,7 Jahren an Lebenszeit gewonnen werden können.31
Autoren:
Univ.-Doz. Dr. Gerhard Prager
Dr. Daniel Moritz Felsenreich
Univ.-Klinik für Chirurgie
Klinische Abteilung für Allgemeinchirurgie
Medizinische Universität Wien
E-Mail: gerhard.prager@meduniwien.ac.at
Teil 2:
Patientenselektion aus internistischer Sicht
Die Zahl bariatrischer Operationen steigt weltweit aufgrund der zunehmenden Prävalenz der morbiden Adipositas stark. Viele Studien haben Vorteile hinsichtlich der Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse, des Erreichens einer Diabetesremission und einer Reduktion der Krebsinzidenz gezeigt. Am meisten profitieren vermutlich Patienten mit einer hohen Insulinresistenz.
Der Cut-off-Wert von Nüchterninsulin >17mU/l erscheint hierbei als sinnvoll. Unabdingbar für ein positives Outcome ist die Motivation des Patienten, Nachsorgetermine einzuhalten, die notwendigen Supplementationen einzunehmen und Sport zu machen. Bis heute gibt es keine standardisierten Nachsorgeregime, da kontrollierte Studien zur Art der Nachsorge und Nährstoffsubstitution fehlen. Nachsorgerichtlinien müssten außerdem an die jeweiligen OP-Techniken adaptiert werden. Daher ist für alle betreuenden Ärzte die Kenntnis über die verschiedenen Methoden und darüber, welche Konsequenzen diese für die Mikround Makronährstoffaufnahme haben, von großer Bedeutung.
Hintergrund
Die WHO schätzt, dass im Jahr 2008 weltweit rund 300 Millionen Männer sowie 200 Millionen Frauen adipös waren. Jährlich sterben circa 3,4 Millionen Menschen an den Folgen von Übergewicht und Adipositas. Die Prävalenz von morbider Adipositas (BMI >40,0kg/m²) beträgt in den USA 4,9%. Bis zum heutigen Tag ist die bariatrische Chirurgie die einzige effektive Methode, dauerhaft Gewicht abzunehmen. So konnte die Swedish Obese Subjects (SOS) Study über einen Zeitraum von 20 Jahren den Vorteil der bariatrischen Chirurgie im Vergleich zu konservativen Behandlungsregimen in Bezug auf kardiovaskuläre Ereignisse, Mortalität sowie Diabetesremission und geringere Diabetesinzidenz zeigen. Entsprechend den NIH-Kriterien aus dem Jahr 1992 ist die bariatrische Chirurgie für alle Patienten mit BMI >40kg/m² oder BMI >35kg/m² und einer Komorbidität (wie z.B. Diabetes oder Schlafapnoe) indiziert. Das Alter der Patienten sollte zwischen 16 und 65 Jahren liegen. Außerdem müssen die Patienten dazu bereit sein, nach der Operation regelmäßig Kontrollen durchführen zu lassen. Wenn bereits vor einer Operation die Compliance infrage gestellt wird, sollte eine bariatrische Operation nicht durchgeführt werden. Alle Patienten sollten vor und nach dem bariatrischen Eingriff von einem interdisziplinären Team – bestehend aus Internisten (Endokrinologen), Diätologen, Chirurgen und Psychologen – an einem Zentrum betreut werden. Nur so sind postoperativ langfristige Erfolge gewährleistet und können Komplikationen sowie Mangelerscheinungen reduziert werden.
Wer profitiert?
Aufgrund beschränkter Kapazitäten ist aus medizinischer Sicht eine wichtige Frage, welche Patienten insbesondere von einer metabolischen Operation profitieren.
Bereits vor 35 Jahren wurde von Henry Buchwald erstmals der Begriff „metabolische Chirurgie“ anstatt „bariatrischer Chirurgie“ verwendet. Allerdings war es lange Zeit so, dass viele Studien ihre eigenen Kriterien zur Diabetesremission „schufen“. Erst als John Buse 2009 im Journal Diabetes Care Kriterien für die Diabetesremission veröffentlichte, kam es zu einer Vereinheitlichung: Als Patienten mit kompletter Diabetesremission dürfen nur jene bezeichnet werden, die zumindest ein Jahr ein HbA1c <6,0% sowie einen Nüchternblutzucker <100mg/dl aufweisen, ohne dass glukosesenkende Medikamente eingesetzt werden. Neuere Studien zeigen eine Diabetesremission von 7–42% nach bariatrischer Chirurgie. Kritisch sei angemerkt, dass bei erneuter Gewichtszunahme nach bariatrischer Chirurgie natürlich auch das Wiederauftreten eines Typ-2-Diabetes häufig ist.
Patienten mit Typ-2-Diabetes
In allen Adipositaskohorten sind circa 16–20% der Patienten Typ-2-Diabetiker. Diese Patienten profitieren besonders von einer bariatrischen Operation, wie unter anderem die SOS-Studie zeigen konnte. Die SOS-Studie gilt als Landmark-Studie im Bereich der bariatrischen Chirurgie. Auch wenn es sich um keine randomisierte Studie handelt, so war es die erste, bei der Operation versus konservative Therapie bei einer großen Patientenzahl über viele Jahre verglichen werden konnte. Das Ergebnis war eine signifikante Reduktion der kardiovaskulären Ereignisse in der Gruppe der Patienten, die operiert wurden; wenn man aber die Ergebnisse genauer betrachtet, so kommt man zu der Erkenntnis, dass die Reduktion der kardiovaskulären Ereignisse nur bei Patienten mit Typ-2-Diabetes signifikant war, nicht aber bei Patienten mit normaler Glukosetoleranz. Phil Schauer, USA, und Geltrude Mingrone, Italien, führten randomisierte Studien bei Patienten mit Typ-2-Diabetes durch. Die Gruppen waren konservative Therapie versus Magenbypass versus Sleeve-Gastrektomie bzw. in der italienischen Studie eine biliopankreatische Diversion. Alle Patienten nach einer Operation zeigten eine deutliche Verbesserung des Diabetes bzw. einen hohen Anteil an Diabetesremissionen im Vergleich zu konservativer Therapie. In der amerikanischen Kohorte waren auch Patienten mit einem BMI <35kg/m² eingeschlossen und auch bei diesen Patienten zeigten sich gute Ergebnisse hinsichtlich der Diabetesremission. Bei so gut wie allen Patienten im operativen Arm konnte bei einem Follow-up von 5 Jahren die antidiabetische Therapie reduziert werden (Abb. 1). Aufgrund dieser und anderer Daten hat in den aktuellen ADA Guidelines zur Behandlung der Adipositas bei Patienten mit Typ-2-Diabetes die bariatrische Chirurgie eine Klasse-A-Indikation bei Menschen mit einem BMI >40kg/m² oder bei inadäquat eingestelltem Blutzucker und einem BMI >35kg/ m². Selbst bei Patienten mit einem BMI zwischen 30 und 35kg/m² stellt die amerikanische Diabetesgesellschaft eine Klasse-B-Indikation für die Operation, wenn der Diabetes trotz optimaler medikamentöser Therapie inadäquat eingestellt ist.1
Patienten mit hoher Insulinresistenz bzw. Prädiabetes
Abgesehen von Patienten mit bereits bestehendem Typ-2-Diabetes profitieren auch Patienten mit einer hohen Insulinresistenz bzw. Prädiabetes von einer bariatrischen Operation. Eine Analyse der SOS-Studie hat gezeigt, dass 78% an neuen Fällen von Typ-2-Diabetes durch die operationsbedingte Gewichtsabnahme verhindert werden können. In der SOS-Studie wurden zwar keine Glukosetoleranztests durchgeführt, allerdings wurden die Nüchterninsulinspiegel gemessen. Die SOS-Studie konnte zeigen, dass der Nüchterninsulinspiegel prädiktiver ist als der Ausgangs- BMI. Ein Cut-off von mehr als 17mU/l gibt an, ab welchem Nüchterninsulin Patienten von einer Operation in Bezug auf kardiovaskuläre Ereignisse profitieren. Die „number needed to treat“ (NNT), also die Zahl von Patienten, die man behandeln muss, um ein kardiovaskuläres Ereignis zu verhindern, ist bei Patienten mit einem Nüchterninsulinspiegel >17mU/l 21, bei Patienten mit einem Nüchterninsulinspiegel <17mU/l ist sie 173. Diese NNT, um ein kardiovaskuläres Ereignis zu verhindern, ist damit deutlich geringer als jene bei vielen Medikamenten, insbesondere Empagliflozin oder auch ACE-Hemmern und Statinen. Hervorzuheben ist insbesondere, dass es sich ja um nicht kardiovaskulär kranke Patienten handelt, dies gibt der niedrigen NNT noch eine weitere Bedeutung. Andererseits stellt es die viel diskutierte Bedeutung des BMI infrage, da dieser bei Weitem nicht so prädiktiv wie das Nüchterninsulin ist. Zusammengefasst kann man somit festhalten, dass Patienten mit einem Nüchterninsulin >17mU/l von einer bariatrischen Operation hinsichtlich der Vermeidung eines kardiovaskulären Ereignisses stark profitieren.2
HOMA-Insulinresistenz-Index
Eine einfache Quantifizierung der Insulinresistenz bietet der HOMA-Insulinresistenz- Index (HOMA-IR), welcher aus dem Nüchternblutzucker und dem Nüchterninsulinspiegel berechnet wird und bei einem Wert >3 eine Insulinresistenz anzeigt. In der Adipositasambulanz der 1. Medizinischen Abteilung an der KA Rudolfstiftung haben so gut wie alle Patienten vor einer bariatrischen Operation einen erhöhten HOMA-Insulinresistenz- Index. Unterteilt man die Kohorte nach der Glukosetoleranz, so zeigen Patienten mit normaler Glukosetoleranz einen mittleren HOMA-Index von 4,5±2,4, Patienten mit gestörter Glukosetoleranz einen mittleren HOMA-Index von 7,6±3,2 und Patienten mit Typ-2-Diabetes einen mittleren HOMA-Index von 11,8±7,8. Auffällig ist, dass auch Patienten mit einer normalen Glukosetoleranz, aber morbider Adipositas eine Insulinresistenz aufweisen.
Reduktion der Diabetesinzidenz und Karzinome
Wesentliche Bedeutung hinsichtlich metabolischer Chirurgie und Diabetes hat nicht nur das Erreichen einer Diabetesremission, sondern auch eine Reduktion der Diabetesinzidenz durch den Gewichtsverlust. In der bereits erwähnten SOS-Studie konnte eine Reduktion der Diabetesinzidenz demonstriert werden, welche auch über die Jahre bestand (Abb. 2). Bei Patienten nach bariatrischer Chirurgie war in dieser Studie das Risiko, an Typ-2-Diabetes zu erkranken, um 96% nach 2 Jahren, um 84% nach 10 Jahren und um 78% nach 15 Jahren vermindert.2
Abgesehen von dem großen Gebiet der Verbesserung der kardiovaskulären Erkrankungen ist auch das Thema Krebs ein bedeutendes, allein schon deshalb, da Karzinome eine der häufigsten Todesursachen in der westlichen Welt sind. Eine Vielzahl an Studien konnte zeigen, dass bariatrische Chirurgie zu einer Reduktion von Krebs führt.3, 4 Daten von über 18 000 Patienten (verglichen mit 40 000 Kontrollen) aus der Kaiser-Permanente-Kohorte zeigten, dass der prozentuelle Gewichtsverlust ein Jahr nach der Operation ausschlaggebend für die Reduktion des Krebsrisikos ist. Bei Patienten nach bariatrischer Chirurgie reduzierte sich das Risiko, an Krebs zu erkranken, um 14% pro 10% Gewichtsverlust. In dieser Studie hat der durchschnittliche Patient nach einem Jahr einen Gewichtsverlust von 27%, was einer Reduktion des Krebsrisikos von 34% entspricht. Der unabhängige Prädiktor für die Reduktion der Karzinominzidenz war aber die Gewichtsreduktion und nicht die bariatrische Operation per se.5
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Komplikationen
Bei all den Vorteilen, die ein Gewichtsverlust, der erzielt wird durch bariatrischmetabolische Chirurgie, Patienten bietet, darf nicht vergessen werden, dass es auch eine Reihe an Komplikationen gibt, die entstehen können, bzw. dass man nach einer solchen Operation auf eine lebenslange Nachsorge angewiesen ist. Auch Supplemente sollten lebenslang zugeführt werden, um Spätfolgen hintanzuhalten. Im Allgemeinen treten postoperative Komplikationen weniger häufig bei Patienten auf, die sich einer regelmäßigen Nachsorge unterziehen. Die Art und Häufigkeit chirurgischer Komplikationen sowie Mangelerscheinungen sind abhängig von der OP-Methode.
Dumping-Syndrom
Eine häufig nach Magenbypass-Operation, aber auch nach Sleeve-Gastrektomie auftretende Komplikation ist das Dumping- Syndrom. In den meisten Fällen kommt es zwei bis drei Stunden nach Nahrungsaufnahme (insbesondere nach Aufnahme von einfachen Kohlenhydraten) zu einer Unterzuckerung, die von den Patienten mit den für Hypoglykämie typischen Symptomen (Schwitzen, Zittern, Nervosität, Heißhunger) wahrgenommen wird. Patienten, die am Dumping-Syndrom leiden, sollten daher eine ausführliche Ernährungsberatung erhalten und mehrmals täglich kleine Mahlzeiten, idealerweise mit komplexen Kohlenhydraten, zu sich nehmen. In den meisten Fällen lässt sich eine Hypoglykämie durch diese Methode vermeiden. Falls dies nicht ausreicht, kann versucht werden, Arcabose zu den Hauptmahlzeiten zu verabreichen und dadurch die Zuckeraufnahme zu reduzieren. Falls trotz der Therapie mit Acarbose nach wie vor nachgewiesenermaßen Hypoglykämien auftreten, sollte der Patient vom niedergelassenen Arzt an das betreuende Zentrum überwiesen werden. Ein Therapieversuch, zum Beispiel mit Octreotid, ist möglich, in schweren Einzelfällen wurden aber auch schon Magenbypässe rückoperiert, da man diese Komplikation nicht anders beheben konnte.
Risiken aufgrund von Nährstoffmängeln
Die Nährstoffmängel beziehen sich auf verminderte Makro- und Mikronährstoffe. Bei den Makronährstoffen steht vor allem der Eiweißmangel im Vordergrund. Um einen Proteinmangel zu verhindern, muss jeder Patient 60g Protein täglich zu sich nehmen. Auch für motivierte Patienten ist es aber schwierig, in der Phase des starken Gewichtsverlusts mehr als 40g Protein täglich zu sich zu nehmen, daher müssen die meisten Patienten Proteine in Form von Eiweißpulver zu sich nehmen. Im Falle des Eiweißmangels kann es ansonsten zum Verlust von Muskelmasse sowie in schweren Fällen zur Ausbildung von hypalbuminämischen Ödemen kommen.
Die Mängel an Mikronährstoffen beziehen sich auf wasserlösliche und fettlösliche Vitamine sowie essenzielle Mineral- und Spurenelemente. Zu den wasserlöslichen Vitaminen, bei denen es zu Mängeln nach bariatrischer Operation kommen kann, zählen Vitamin B1, Vitamin B2, Vitamin B12, Folsäure und Vitamin C. Studien haben gezeigt, dass bis zu 49% der Patienten nach bariatrischer Chirurgie einen Vitamin-B1-Mangel haben, einerseits aufgrund der Malabsorption, andererseits durch das häufigere Erbrechen. Aggraviert wird dieses Problem durch einen relativ kleinen körpereigenen Vitamin- B1-Speicher (für 18–20 Tage). Daher wird bereits 6 Monate nach einer bariatrischen Operation eine Vitamin-B1-Kontrolle empfohlen. Falls es trotz Substitution zu keinem Ausgleich kommt, sollte man eine bakterielle Überwucherung im Darm ausschließen.
Vitamin-B12-Mangel ist nach Eisenmangel die häufigste Ursache für eine Anämie nach bariatrischer Operation. Die Ursache ist multifaktoriell, ein Hauptgrund ist aber sicherlich die Malabsorption aufgrund des operationsbedingt fehlenden „intrinsic factor“. Aufgrund des großen Vitamin-B12-Speichers im Körper (bis zu 3 Jahre) ist das Auftreten von Vitamin- B12-Mangel (insbesondere nach Magenbypass-Operation) unterschiedlich. Daher sollte auch noch Jahre nach bariatrischen Operationen jährlich eine Vitamin- B12-Kontrolle durchgeführt werden. Bei Verdacht auf Vitamin-B12-Mangel sollten zusätzlich die sensitiveren Marker Homocystein oder Holotranscobalamin bestimmt werden. Vitamin B12 kann nur intravenös, sublingual oder intramuskulär substituiert werden.
Auch der Folsäuremangel ist sehr häufig, sowohl bei Patienten nach Magenbypass- Operation als auch bei Patienten nach Sleeve-Gastrektomie, da die Folsäurespeicher im menschlichen Körper sehr klein sind. Folsäure wird gut vom Dünnund Dickdarm absorbiert, sodass der Folsäuremangel eher durch Fehlernährung als durch Malabsorption bedingt ist. Daher ist der Folsäurespiegel ein guter Marker für die Therapieadhärenz der Patienten. Vor allem bei Frauen im gebärfähigen Alter ist ein Folsäuremangel aufgrund der Gefahr von fetalen Missbildungen (Neuralrohrdefekte) unbedingt zu vermeiden.
Bei den fettlöslichen Vitaminen kann es zu Vitamin-A-, Vitamin-D-, Vitamin-Eund Vitamin-K-Mangel nach bariatrischer Operation kommen. Vitamin A und Vitamin E sollten nach Standardempfehlungen substituiert werden. In einer retrospektiven Datenanalyse konnte bei 80% der Patienten nach Magenbypass ein Vitamin- D-Mangel nachgewiesen werden. Daher sollte ein Vitamin-D-Spiegel bereits präoperativ bestimmt und ein Mangel ausgeglichen werden, um einen postoperativen Mangel zu minimieren. Eine rezente Metaanalyse zeigt, dass ein 25-Hydroxy- Vitamin-D-Spiegel ≥60nmol/l optimal für Patienten nach bariatrischer Operation wäre.
Zu den wichtigen essenziellen Mineralstoffen zählen Eisen und Kalzium. Hauptursache des Eisenmangels ist die verminderte Absorption aufgrund der Trennung des Resorptionsorts vom Verdauungsbrei nach Magenbypass-Operation. Außerdem vertragen viele Patienten kein rotes Fleisch. Um die Resorption von Eisen zu erhöhen, sollten diese Patienten Eisentabletten nüchtern, gleichzeitig mit Vitamin C einnehmen, aber nicht mit Kalzium (da Kalzium den pH-Wert im Magen anhebt, wodurch wiederum die Eisenresorption verschlechtert wird).
Immer mehr Studien zeigen, dass Patienten nach Magenbypass-Operation ein erhöhtes Frakturrisiko haben. Allerdings dürfte nicht eine präoperative Fraktur prädiktiv für die Fraktur nach bariatrischer Operation sein, sondern, abgesehen von der bariatrischen Methode, das Übergewicht per se. Es müssen zusätzlich zum Vitamin-D-Spiegel auch der Kalziumspiegel sowie nach Magenbypass auch alkalische Phosphatase und 24h-Harnkalzium alle 6–12 Monate kontrolliert werden. Kalzium wird oral substituiert, beginnend mit 1,2g Kalzium täglich.
Zu den wichtigen Spurenelementen nach bariatrischer Operation zählen Zink, Kupfer und Selen. Alle drei sollten ausreichend in der Standardmultivitaminsubstitution der Patienten enthalten sein. Allerdings kann es zu ausgeprägtem Zinkmangel kommen, der eine zusätzliche Zinksubstitution erforderlich machen kann. Die häufigsten Symptome des Zinkmangels sind Haarausfall, Nagelveränderungen und Glossitis. Die notwendige Frequenz der Kontrollen und die Spezifizierung der zu untersuchenden Parameter können dem Leitfaden „Metabolische Chirurgie und die perioperative Betreuung“ auf www.adipositas-austria.org entnommen werden.
Psychische Komplikation
Bei allen oben genannten Punkten darf man aber auch nicht die Psyche außer Acht lassen. Durch eine bariatrische/metabolische Operation ändert sich sehr viel im Leben des Patienten. Der deutliche Gewichtsverlust ändert natürlich auch den Status in menschlichen Beziehungen. Durch die Gewichtsabnahme steigen die Attraktivität und oft auch das Selbstbewusstsein eines Patienten, sodass oft Beziehungsstrukturen aus dem Gleichgewicht gebracht werden. Daher ist es nicht verwunderlich, dass es nach bariatrischer Operation zu einem Anstieg der Zahl an Trennungen bzw. Scheidungen kommt, aber auch zu einem Anstieg der Häufigkeit des Beginns neuer Partnerschaften. Dies wurde sehr rezent durch eine Analyse der SOS-Kohorte gemeinsam mit dem Scandinavian Obesity Register gezeigt.6
Ein weiterer kritischer Punkt ist der Alkoholabusus, insbesondere nach Magenbypass- Operation. Auch hier konnte wieder die SOS-Kohorte untersucht werden, es zeigte sich ein 5-fach erhöhtes Risiko, nach Magenbypass alkoholabhängig zu werden.7 Aufgrund der Operationsmethode gelangt der Alkohol schneller in die Lebervene, dadurch ist man rascher alkoholisiert. Dieser Effekt dürfte verantwortlich für den Anstieg der Alkoholabhängigkeit nach bariatrischer Operation sein.
Betreuung von Patienten nach bariatrisch-metabolischer Chirurgie
Die Betreuung von Patienten vor und nach bariatrischer-metabolischer Chirurgie erfolgt nach wie vor fast ausschließlich in den durchführenden Zentren. Eine Behandlung vor und nach Operation durch ein multidisziplinäres Team, bestehend aus Chirurgen, Internisten, Diätologen und Psychologen, gilt in den internationalen Guidelines als Grundvoraussetzung dafür, dass so eine Operation überhaupt durchgeführt werden darf!
Aufgrund des Anstiegs der Adipositasprävalenz und dadurch bedingt der Zunahme der Gewichtsreduktionschirurgie wird eine lebenslange Nachsorge an den betreuenden Zentren auf Dauer nicht mehr durchführbar sein. Die lebenslange Betreuung ist aber insofern von großer Bedeutung, als viele Komplikationen erst circa 2 Jahre nach einer Operation beginnen. Es ist von essenzieller Bedeutung, dass der Hausarzt bzw. auch der betreuende Internist bei Komplikationen, die zum Beispiel aufgrund einer verminderten Adhärenz zur Einnahme von Supplementen (z.B. eine Anämie) entstehen können, an die bariatrische Operation als Ursache denkt und dementsprechend reagieren kann. Allein dadurch könnten viele Spitalsbesuche vermieden werden.
Im Idealfall entsteht ein Netzwerk von betreuenden niedergelassenen Ärzten und operierenden Zentren, sodass eine unkomplizierte Kooperation möglich ist.
Dazu muss man aber den niedergelassenen Ärzten, die Menschen mit Adipositas behandeln, die Möglichkeit geben, Wissen über die Behandlung und Betreuung dieser Patienten zu erlangen. Die Österreichische Adipositas Gesellschaft bietet ab 2019 eine Ausbildung zum Adipositastrainer an, bei der diese Kenntnisse vermittelt werden sollen. Abgesehen von der bariatrischen Behandlung von Patienten liegt auch ein großer Fokus auf dem Gebiet der Betreuung von adipösen Menschen mit Komorbiditäten sowie auf dem Thema Ernährung. Diese Ausbildung findet gemeinsam mit einem Adipositastrainer statt, der das schon länger bestehende Ausbildungsprogramm von Dr. Anna Cavini (www.downandup.at) in Kärnten absolviert hat.
Ein bestimmter Zeitpunkt, ab dem eine Behandlung nach bariatrischer-metabolischer Operation an den Hausarzt übergeben werden sollte, ist schwer festzulegen. Aus internistischer Sicht ist die Kontrolle beim behandelnden Internisten am Zentrum ein Jahr bzw. 2 Jahre nach der Operation von großer Bedeutung, da zu diesem Zeitpunkt einerseits der maximale Gewichtsverlust zu erwarten ist, andererseits nach 2 Jahren aber auch schon die ersten Komplikationen auftreten können.
Im Falle einer Schwangerschaft, vor allem einer Schwangerschaft bald nach der Operation, sollte allerdings immer eine internistische Kontrolle am behandelnden Zentrum stattfinden.
Autorin:
Dr. Johanna Brix
1. Medizinische Abteilung
Krankenhaus Rudolfstiftung, Wien
E-Mail: johanna.brix@wienkav.at
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