
„Wir gehen unseren Weg konsequent weiter“
Unser Gesprächspartner:
Univ.-Prof. DDr. Wolfram Hötzenecker
Vorstand der Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie
Kepler Universitätsklinikum, Linz
E-Mail: Wolfram.Hoetzenecker@kepleruniklinikum.at
Das Interview führte Dr. Rita Rom
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Einige Inhalte sind aufgrund rechtlicher Bestimmungen nur für registrierte Nutzer bzw. medizinisches Fachpersonal zugänglich.
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
Im Juli letzten Jahres konnte Univ.-Prof. DDr. Wolfram Hötzenecker am Kepler Universitätsklinikum Linz den neuen Lehrstuhl für Dermatologie und Venerologie antreten. Nahezu zeitgleich wurde auch die Zertifizierung des „Allergie Zentrums am Kepler Universitätsklinikum“ zum Comprehensive Allergy Center (CAC) der DGAKI (Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Klinische Immunologie) erfolgreich abgeschlossen. Prof. Hötzenecker berichtet im Interview von den Vorteilen, welche eine Behandlung am Allergiezentrum für Patienten mit sich bringt, und auf welche Schwerpunkte in Forschung und Klinik er zukünftig seinen Fokus zu legen gedenkt.
Prof. Hötzenecker, Sie verfügen über internationale Erfahrung in Lehre und Forschung. Die Medizinische Fakultät am Standort Linz ist vergleichsweise jung. Was reizt Sie daran, an der Johannes-Kepler-Universität tätig zu sein?
W. Hötzenecker: Einerseits ist es natürlich so, dass ich im Ausland viel Erfahrung sammeln konnte. In Deutschland, der Schweiz und Amerika hatte ich die Gelegenheit, verschiedene Gesundheitssysteme und verschiedene Führungsstrukturen in unterschiedlichen Kliniken kennenzulernen. Als ich dann erfahren habe, dass eine neue, junge medizinische Fakultät am Standort Linz für Oberösterreich gegründet werden soll, war das für mich als Oberösterreicher und gebürtiger Linzer recht interessant. So habe ich mich für das Primariat beworben und durfte es 2017 schließlich auch antreten. Der zweite Glücksfall war natürlich, dass auch der Lehrstuhl Dermatologie kurz danach ausgeschrieben wurde und wir im Juli 2020 eine Universitätsklinik für Dermatologie geworden sind.
Andererseits sind die Gestaltungsmöglichkeiten schon sehr verlockend. Als junge medizinische Fakultät kann man zwar noch nicht von den Vorteilen profitieren, die eine renommierte Universität hat, wie z.B. gewachsenen Forschungsstrukturen mit vielen interessanten Lehrstuhlinhaberinnen und -inhabern und einem Forschungsumfeld, das auch stimuliert. Man findet hier aber breitere Gestaltungsmöglichkeiten, die es an den etablierten Universitäten nicht gibt. An einer jungen Fakultät ist das Feld noch weit offen und man muss sich nicht auf Nischen beschränken.
Welche Forschungsschwerpunkte verfolgen Sie an der Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie?
W. Hötzenecker: Wir haben den Vorteil, dass wir hier in Linz als medizinische Fakultät und nicht als medizinische Universität die interfakultäre Zusammenarbeit pflegen können. Linz ist bekannt für den Schwerpunkt im Bereich der Medizintechnik und Medizininformatik. Da knüpfen wir im Bereich der Dermatologie an und beschäftigen uns mit „artificial intelligence“, die letztendlich in der Bilderkennung von dermatohistologischen Schnittpräparaten helfen soll. Ein weiterer Schwerpunkt, den ich schon in Wien, Tübingen, Boston und Zürich verfolgt habe, ist die Immundermatologie, wo wir uns auch im Bereich der Grundlagen- und der Translationalwissenschaft mit dem Immunsystem der Haut auseinandersetzen. Hier wollen wir uns vorwiegend mit entzündlichen Hauterkrankungen, wie der atopischen Dermatitis, aber auch mit schweren kutanen Arzneimittelreaktionen, wo ja noch relativ wenig in Bezug auf die Pathogenese erforscht ist, auseinandersetzen.
Das „Allergie Zentrum am Kepler Universitätsklinikum“ ist das österreichweit erste zertifizierte Allergiezentrum. Warum war Ihnen die Zentrumsgründung so wichtig? Worin liegen die Vorteile eines Allergiezentrums?
W. Hötzenecker: Ich habe damals in meiner Schweizer Zeit die Allergologie aus einer Hand erlebt. In der Schweiz gibt es den Facharzt für Allergologie und klinische Immunologie, die Ausbildung dafür habe ich am Universitätsspital Zürich absolviert. Und es hat mir imponiert, wie die Allergologie, die in Österreich und Deutschland zwischen den Fachgebieten zersplittert ist, in der Schweiz geeint von einer Fachärztin bzw. einem Facharzt praktiziert wird. Als ich dann nach Linz gekommen bin, habe ich von Anfang an einen interdisziplinären Ansatz verfolgt. Ich habe versucht, die Allergologie in den verschiedenen Fachgebieten abzudecken – das reicht von der Lungenheilkunde, der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, der Kinderheilkunde über die Dermatologie bis zur Gastroenterologie. Hier findet man überall Patienten mit allergologischen Erkrankungen und wir waren bestrebt, ein interdisziplinäres Team zu deren Behandlung aufzubauen. Das ist uns gelungen: Wir haben innerhalb des Kepler Universitätsklinikums ein Allergiezentrum gegründet, das interdisziplinär mit einem Zentrumsrat ausgestattet ist, die Vertreter der verschiedenen Fachgebiete treffen und tauschen sich regelmäßig auf fachärztlicher wie auch primarärztlicher Ebene aus und besprechen und behandeln die Patienten gemeinsam. Um diese Zentrumsbildung mit einer Zertifizierung abschließen zu können, haben wir uns als Comprehensive Allergy Center zertifiziert, womit nicht nur die klinische, sondern auch die wissenschaftliche Schiene abgedeckt werden soll. Letztendlich konnten wir uns glücklicherweise im Juli 2020 zertifizieren und sind somit das erste zertifizierte Allergy Center in Österreich.
Nach über zwei Jahren Betrieb – wie würden Sie die Zusammenarbeit aller an der Behandlung Beteiligten bewerten? Funktioniert das gut?
W. Hötzenecker: Es funktioniert sehr, sehr gut: Wir haben hier in Linz das Glück, dass die Kliniken, die hier im Allergiezentrum zusammenarbeiten, gemeinsam an einem Strang ziehen. Wir wollen für unsere Patienten eine Behandlung aus einer Hand anbieten. Wir wollen nicht, dass der Patient über den Hausarzt zum Dermatologen geschickt wird, dann wieder eine Zuweisung bekommt für einen Lungenfunktionstest, dann wieder eine Zuweisung zur Rhinomanometrie auf der HNO. Die Patienten werden direkt zum Allergiezentrum zugewiesen, dort zentral triagiert, auch in Bezug auf die unterschiedlichen Fachgebiete. Und wenn dann unser Patient auf der Dermatologie/Allergologie zum Beispiel eine Leistung aus dem Zentrum braucht, halten wir für unsere Patienten bestimmte Slots in anderen Abteilungen frei, sodass wir den Patienten nicht zuweisen müssen; er kann dann einfach in die Abteilung für Lungenheilkunde hinübergehen, bekommt seine Lungenfunktionstestung und kommt nach einer Stunde zurück und wir können weitermachen.
Sind auch Selbsthilfeorganisationen in Ihr Netzwerk eingebunden? Gibt es eine Zusammenarbeit mit bestimmten Selbsthilfegruppen?
W. Hötzenecker: Ja, wir arbeiten zum Beispiel sehr gut mit den Asthmaselbsthilfegruppen zusammen, vorwiegend auf dem Gebiet des allergischen Asthmas als Teilgebiet des Asthma bronchiale. Da gibt es natürlich Selbsthilfegruppen, die aktiv sind. Das wird vorwiegend über die Abteilung für Lungenheilkunde gesteuert, die auch Teil des Allergiezentrums ist. Für andere Erkrankungen, wie z.B. die Mastozytose, haben wir auch eine Spezialsprechstunde, wo wir mit Selbsthilfegruppen zusammenarbeiten, und natürlich mit der AUVA in Hinblick auf die Berufskrankheiten.
Welche allergischen Erkrankungen können am Allergiezentrum des Kepler Universitätsklinikums behandelt werden bzw. welche sind die häufigsten? Gibt es einen speziellen Fokus, den Sie verfolgen?
W. Hötzenecker: Am häufigsten sind Patienten mit Allergien der oberen Atemwege, sprich einer Stauballergie, Pollenallergie, gefolgt vom Formenkreis des Asthma bronchiale. Die nächste große Gruppe sind die Patienten mit Nahrungsmittelallergien oder -unverträglichkeiten. Hier sehen wir vor allem Kinder mit teils schweren Nahrungsmittelallergien, die wir hier gemeinsam mit der Pädiatrie interdisziplinär versorgen. Nicht zu unterschätzen ist die große und wachsende Gruppe der älteren Patienten, die immer wieder auf Arzneimittel reagieren. Arzneimittelreaktionen treten zwar durchaus auch bei jüngeren Patienten auf, die auf ein Antibiotikum oder ein Lokalanästhetikum reagieren. Häufiger findet man sie jedoch bei älteren, oft polymedizierten Patienten. Wenn dann ein Arzneimittelausschlag auftritt, beginnt die Suche nach der Nadel im Heuhaufen, da diese Patienten teilweise bis zu zehn Medikamente einnehmen. Und schließlich bieten wir noch die klassische Versorgung im Bereich der Bienen- und Wespengiftallergien.
Würden Sie auch anderen österreichischen Allergiezentren eine Zertifizierung empfehlen? Wenn ja, worauf ist dabei zu achten?
Sie ist auf jeden Fall zu empfehlen. Man darf jedoch die Vorarbeit nicht unterschätzen: Wir haben sicher zwei Jahre intensiv gearbeitet, um die gesamten Abläufe, die SOPs, die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Fachgebieten, die Zusammenarbeit mit den Patientenselbsthilfegruppen, den Außenauftritt usw. zu Papier zu bringen. Da steckt viel Arbeit dahinter, aber es ist letzten Endes ein sehr lohnendes Ziel, weil man merkt, dass die verschiedenen Fachgebiete, die im Allergiezentrum vereint sind, wirklich zusammenwachsen und teilweise eng zusammenarbeiten im Sinne der Patienten, der Behandlung und Diagnose der allergologischen Erkrankungen.
Inwieweit kann davon auch eine weiterführende Zusammenarbeit profitieren? Ich denke da etwa an gemeinsame Forschungsprojekte, Ausbildung.
W. Hötzenecker: Genau. Man kann natürlich auch die kritische Masse für diverse Studien oder Forschungsprojekte im Bereich der Allergie erhöhen, das ist sicherlich ein Vorteil. Und was man nicht vergessen darf: Wir hoffen ja nach wie vor, dass 2021 die Spezialisierung in Allergologie von der Ärztekammer und vom Ministerium bewilligt wird. Die Chancen stehen nicht schlecht. Dabei handelt es sich dann um eine interdisziplinäre Spezialisierung. Das heißt, wenn man in Zukunft Spezialisten auf diesem Gebiet ausbilden will, muss man über Ausbildungsverbünde wie unser Allergiezentrum verfügen.
Sie haben Ihren Lehrstuhl in denkbar schlechten Zeiten angetreten. Wie haben Sie das letzte halbe Jahr organisiert und wie wirkt sich die Pandemie auf Ihre weitere Planung aus?
W. Hötzenecker: Wir führen unsere Lehrarbeit jetzt vorwiegend virtuell durch. Die Praktika leiden natürlich etwas hinsichtlich Praxisrealität unter den aktuellen Bedingungen. Was die Patientenversorgung betrifft, so haben wir die Ambulanz auf Notfälle heruntergefahren. Wir betreiben aber weiterhin die Tumorchirurgie und die Versorgung von Tumorpatienten, z.B. Patienten mit Melanomen, und dermatologischen Notfällen. Natürlich musste unsere Klinik, wie alle Dermatologien in Österreich, Ressourcen für die Versorgung der Covid-19-Patienten zur Verfügung stellen. Allerdings denke ich, dass uns der Start ganz gut geglückt ist. Wir gehen einfach unseren Weg konsequent weiter. Wir werden die klinische Versorgung, die wir vollumfänglich im Bereich der Dermatologie anbieten, auch weiterhin ausbauen. In der Forschung werden wir das Team stärken, in der Lehre weiterhin Studierende ausbilden und auch deren Anzahl erhöhen.
Wir danken für das Gespräch!
Das könnte Sie auch interessieren:
Entzündliche Nagelerkrankungen besser behandeln
Nagelerkrankungen sind nicht nur ein kosmetisches Problem – selbst milde Formen können die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Besonders die Nagelpsoriasis stellt ...
JAK-Hemmer: auch eine Option für seltene entzündliche Dermatosen?
JAK-Hemmer haben sich bereits als stark wirksame Therapeutika beim atopischen Ekzem, bei der Vitiligo und der Alopecia areata etabliert. Doch positive Wirknachweise gibt es auch für eine ...
Neues für die Therapie des chronischen Handekzems
Mit Delgocitinib steht seit Kurzem endlich eine zielgerichtete Lokaltherapie für das chronische Handekzem zur Verfügung. Weitere JAK-Hemmer wie Upadacitinib befinden sich derzeit in ...