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Übung macht den Meister
Jatros
30
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15.09.2016
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<p class="article-intro">Im Bereich der ästhetisch tätigen Dermatologen hat sich Prof. Dr. Sanja Schuller-Petrovic einen besonders guten Namen gemacht. Im Anschluss an die AFIAS-Tagung in Wien konnte <em>JATROS Dermatologie & Plastische Chirurgie</em> die Expertin für ein Interview gewinnen.</p>
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<p class="article-content"><p><strong>Wie viel Erfahrung sollte der Anwender haben, bevor er Patienten mit Fillern/Botox/Fäden behandelt?</strong><br /> <strong>S. Schuller-Petrovic:</strong> Auf jeden Fall sollte eine theoretische und praktische Ausbildung zu diesem Thema absolviert werden. Die ÖGDC (Österreichische Gesellschaft für Dermatochirurgie) veranstaltet jährlich ganztägige Zertifizierungskurse mit Hands-on-Möglichkeit. Übung und Erfahrung machen den Meister. Am Anfang sollte man vorsichtig und eher konservativ agieren.<br /> <br /><strong> Ist ein gewisses manuelles Geschick von Vorteil bei der Anwendung von Fillern?</strong><br /> <strong>S. Schuller-Petrovic:</strong> Selbstverständlich sind manuelles Geschick und auch ein gutes ästhetisches Verständnis Voraussetzungen für eine Tätigkeit im ästhetischen Bereich und daher von großer Wichtigkeit. In der neuen Ausbildungsordnung für den Facharzt für Dermatologie gibt es ein spezielles Modul mit dem Thema korrektive Dermatologie.<br /> <br /><strong> Sind Sie der Ansicht, dass außer Dermatologen und plastischen Chirurgen auch andere Mediziner Schönheitsbehandlungen durchführen sollten?</strong><br /> <strong>S. Schuller-Petrovic:</strong> Es liegt auf der Hand, dass Fachrichtungen wie Augenheilkunde, Dermatologie, HNO, MKG-Chirurgie, aber auch Gynäkologie in Zusammenhang mit ihrem Organ die beste Expertise besitzen und deswegen in ihrem Organbereich auch die ästhetischen Operationen durchführen dürfen. Das ist auch im – seit 2013 gültigen – Gesetz für ästhetische Operationen verankert.<br /> <br /><strong> Wie sehr lassen Sie sich von Patientenwünschen beeinflussen bzw. als wie wichtig empfinden Sie die Arzt-Patienten-Bindung gerade im ästhetischen Bereich (auch im Hinblick auf Klagen, telefonische Erreichbarkeit, die psychiatrische Komponente, z.B. somatoforme Störungen, Depressionen, Eigenwahrnehmung – Fremdwahrnehmung)?</strong><br /> <strong>S. Schuller-Petrovic:</strong> Bei Patienten im ästhetischen Bereich ist die Erkennung von psychisch bedingten Störungen (z.B. Dysmorphophobie) sehr wichtig und nicht immer ganz leicht. Auch das sogenannte Doctorshopping ist ein Problem. Im eingehenden anamnestisch-therapeutischen Gespräch muss das Problem erkannt und dem Patienten das Für und Wider der möglichen Eingriffe erläutert werden. Nur wenn ich als Ärztin die Sinnhaftigkeit einer ästhetischen Behandlung und eine Möglichkeit der Verbesserung des ästhetischen Problems erkennen kann, bin ich auch zu einer Behandlung des Patienten bereit. Niemals sollte man sich vom Patienten zur Durchführung einer ästhetischen Operation drängen lassen. Als Arzt darf man ästhetische Operationen auch ablehnen. Bei psychischen Problemen sollte man den Patienten zuerst beim Psychiater abklären lassen. <br /> Nach operativen Behandlungen sollte man immer für den Patienten telefonisch erreichbar sein. Das beruhigt den Patienten, gibt ihm ein sicheres Gefühl und man vermeidet Komplikationen oder kann schneller auf Probleme reagieren.<br /> <br /><strong> Wie lange dauert bei Ihnen das Aufklärungsgespräch? Wie wichtig ist die Dokumentation?</strong><br /> <strong>S. Schuller-Petrovic:</strong> Das Gespräch muss individuell gestaltet werden und ist deswegen auch in der Länge variabel. Auf jeden Fall sollte der Patient ausreichend mündlich und schriftlich aufgeklärt werden. Die Fotodokumentation und auch die schriftliche Dokumentation der genauen Anamnese, des ästhetischen Befundes, der Aufklärung, spezieller Besonderheiten und der Medikationen sind nicht nur wichtig, sondern ausdrücklich per Gesetz vorgeschrieben.<br /> <br /><strong> Gibt es für Sie eine untere und obere Altersgrenze?</strong><br /> <strong>S. Schuller-Petrovic:</strong> Die untere Altersgrenze ist per Gesetz mit 16 Jahren limitiert. Die obere Altersgrenze hängt vom gesundheitlichen Zustand des Pa­tienten ab. <br /> <br /><strong> Wie schätzen Sie die Zukunft der Fäden in der ästhetischen Medizin ein?</strong><br /> <strong>S. Schuller-Petrovic:</strong> Vor 20 Jahren gab es schon die Goldfäden, vor 15 Jahren wurden die Aptos-Fäden zum minimal invasiven Lifting des Gesichtes angeboten. Trotz angeblich sensationeller Erfolge wurde es dann viele Jahre still um die Fäden. Nun kommen sie wieder. Wir werden sehen, wie zufrieden sowohl die Patienten als auch die Ärzte vor allem in Hinblick auf die Wirkungsdauer des Liftingeffekts diesmal sein werden. <br /> <br /><strong> Wie wichtig sind die MD Codes für den Anfänger, für den Experten?</strong><br /> <strong>S. Schuller-Petrovic:</strong> Die MD Codes nach Mauricio de Maio sind ein wertvoller Leitfaden für die Anfänger und ein sehr gut nachvollziehbares Behandlungskonzept für den Patienten. Die Experten haben oft ihre eigenen Techniken entwickelt, mit denen sie sehr gute Resultate erzielen.<br /> <br /><strong> Wie beurteilen Sie die Vycross-Technologie?</strong> <br /> <strong>S. Schuller-Petrovic:</strong> Die Vycross-Technologie (Allergan) hat vor allem mit Voluma (20mg HA/ml) einen ausgezeichneten Volumen-Filler entwickelt. Die Produkte Volift (17mg HA/ml) und Volbella (15mg HA/ml) eignen sich für Bereiche, wo weniger Wasserbindungskapazität gefragt ist.<br /> <br /><strong> Was versteht man unter NASHA-Technologie?</strong> <br /> <strong>S. Schuller-Petrovic:</strong> NASHA ist die Abkürzung für „non-animal stabilized hyaluronic acid“. Restylane (Galderma) war der erste Hyaluron-Filler nicht animalischen Ursprungs mit einer speziellen Vernetzungstechnologie und einem sehr guten Liftingeffekt. Es war auch die erste HA, die von der FDA für ästhetische Behandlungen zugelassen wurde.<br /> <br /><strong> Welche Zonen sind Tabuzonen für die Augmentation?</strong><br /> <strong>S. Schuller-Petrovic:</strong> Jene Zonen, die durch die Ptose schon zu viel Volumen an falscher Stelle aufweisen, würden bei einer Einspritzung mit dem Filler zu einer Verschlechterung des ästhetischen Zustandes beitragen (Abb. 1 und 2).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Derma_1603_Weblinks_Seite62.jpg" alt="" width="383" height="451" /></p> <p><strong>Verwenden Sie nicht resorbierbare Filler?</strong><br /> <strong>S. Schuller-Petrovic:</strong> Nach langjähriger Erfahrung auch mit nicht resorbierbaren Fillern weiß ich, dass es auch nach vielen Jahren zu granulomatösen Reaktionen kommen kann. Diese waren bei guten permanenten Fillern zwar selten, aber umso mühsamer waren dann das Management des Patienten und die manchmal nur durch chirurgische Entfernung des Fillers lösbare Situation. Mit den HA-Fillern haben wir kaum solche Nebenwirkungen, und falls es zu Problemen kommt, kann der HA-Filler mit Hylase-Injektionen problemlos aufgelöst werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Derma_1603_Weblinks_Seite63.jpg" alt="" width="379" height="537" /></p> <p><strong>Welcher Filler kommt für die Augmentation der Hände infrage?</strong><br /> <strong>S. Schuller-Petrovic:</strong> Da Macrolane leider in Zukunft nicht mehr zur Verfügung stehen wird, kann man für die Hände alle gängigen Volumenfiller verwenden. Zusätzlich eignen sich auch Radiesse (Hydroxylapatit) von Merz und auch Sculptra (Polymilchsäure) dafür. Sehr gute Resultate können mit einer Eigenfetttransplantation erzielt werden. Diese Methode verwende ich seit fast 30 Jahren zur sehr großen Zufriedenheit der Patienten sowohl zum Volumenaufbau im Gesicht als auch zur Körperformung. Voraussetzung ist, dass der Patient genügend Fettgewebe zur Entnahme mittels Liposuktion aufweist.<br /> <br /><strong> Nach welchen Kriterien sollte sich der Anwender für eine bestimmte Marke von Fillern entscheiden?</strong><br /> <strong>S. Schuller-Petrovic:</strong> Persönlich verwende ich verschiedene Filler für spezielle Indikationen. Mit der Zeit findet man heraus, mit welchem Filler man persönlich am besten arbeiten kann. Natürlich spielt der Preis auch eine Rolle. Man sollte aber bedenken, dass Billigprodukte manchmal in der Qualität Mängel aufweisen (z.B. geringer oder schnell nachlassender Effekt). Vorsicht ist bei sehr billigen Internet­angeboten geboten! Man weiß nicht immer, was wirklich drinnen ist.<br /> <br /><strong> Welche Komplikationen haben Sie persönlich am meisten aus dem Konzept gebracht?</strong><br /> <strong>S. Schuller-Petrovic:</strong> Vor einigen Jahren gab es einen sehr vielversprechenden, von einer seriösen Firma auf den Markt gebrachten Filler, der nicht HA enthielt. Die klinischen Studien waren in einigen deutschen Kliniken mit besten Ergebnissen punkto Wirkung und Nebenwirkung durchgeführt worden. Es hat sich schon 1–2 Monate nach Beginn der Anwendungen gezeigt, dass das Präparat unangenehme granulomatöse Reaktionen hervorruft. Das hat mich einerseits sehr an der Güte und Glaubwürdigkeit der durchgeführten Studien zweifeln lassen und andererseits an dem Vorgang, wie die Filler von unseren Behörden geprüft und zugelassen werden. Meine Meldung der NW an die zuständige Behörde wurde wortlos hingenommen und es gab keine Warnung für die Patienten. Das Präparat wurde von der Firma aufgrund von international sich häufenden NW dann vom Markt genommen und ist nie wieder aufgetaucht.<br /> <br /><strong> Welches sind die wichtigsten drei Tipps für Beginner?</strong><br /> <strong>S. Schuller-Petrovic:</strong> 1) Ein gutes Lehrbuch über Filler besorgen (z.B. von Mauricio de Maio), 2) einen Zertifizierungskurs mit Erwerb eines Zertifikats (z.B. bei der ÖGDC) absolvieren, vielleicht noch kleinere Kurse zur Erweiterung des Wissens besuchen (z.B. bei den AFIAS-Jahrestagungen) und 3) vorsichtig mit nicht so heiklen Regionen und nicht heiklen Patienten (Oma, Mama, Schwester, Freundin) beginnen, am Anfang nicht zu viel Volumen auf einmal verwenden.<br /> <br /><strong> Danke für das Interview!</strong></p></p>