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Tumore der Kopfhaut

Das Spektrum an Tumorentitäten an der Kopfhaut ist bemerkenswert breit und deren Inzidenz trotz des flächenmäßig beschränkten Areals im Verhältnis zur übrigen Haut erhöht, was zumindest teilweise einen Zusammenhang mit der lokalisationsbedingt erhöhten UV-Exposition nahelegt.


Eine hohe Konzentration von Adnexen und ein dichtes Netz aus Blut- und Lymphgefäßen formen den speziellen, permissiven anatomischen Aufbau der Kopfhaut. So treten über einhundert Neoplasien, Hamartome, Malformationen und Hyperplasien aller Entitäten und unterschiedlicher Dignität auf. Das primäre Management umfasst zumeist Exzision und/oder Observanz, wobei lokalisationsbedingte Eigenheiten zuweilen diagnostische und/oder therapeutische Zugänge verkomplizieren können.
Anhand der Morphologie können Tumore an der Kopfhaut grob in keratinozytäre und melanozytäre Tumore, Tumore der Hautanhangsgebilde, Neubildungen des hämatopoietischen und lymphatischen Gewebes, Weichgewebstumore und neurale Tumore kategorisiert werden.

Epidemiologie

Etwa 3 % aller kutanen Tumore treten an der Kopfhaut auf. Diese relativ hohe Inzidenz spiegelt vermutlich die eingangs skizzierten Prädispositionsfaktoren (UV-Exposition, Gefäßreichtum und erhöhte Dichte von Adnexen) wider. Auch wenn mehrheitlich Tumore benigner Natur auftreten, zeigen andererseits maligne Kopfhauttumore einen tendenziell aggressiveren Verlauf, was auch daran liegt, dass sie durch ihr Wachstum in durch Selbstinspektion nicht unmittelbar einsehbaren Bereichen oft erst verspätet diagnostiziert werden.
2007 analysierten Chiu et al in einer retrospektiven Studie 398 Taiwanesen mit malignen Kopfhauttumoren, wobei es sich am häufigsten um Basaliome (41,2 % ) und Plattenepithelkarzinome (16,6 % ) handelte. Nur in 2 % wurden in dieser Kohorte Melanome beobachtet, noch seltener Lymphome und Weichteiltumore (am Skalp insbesondere Angiosarkom, Dermatofibrosarcoma protuberans; enoral vor allem Leiomyosarkom; bei Kindern Rhabdomyosarkom). Diese Ergebnisse sind jedoch aufgrund des unterschiedlichen dominierenden Hauttyps nur mit Einschränkung auf die kaukasische Population übertragbar.
Metastasen an der Kopfhaut sind relativ häufig (12,8 % aller Kopfhauttumore, laut o.g. Studie). Sie kommen auch als initiale Erkrankungsmanifestation von viszeralen Malignomen vor, die insgesamt in etwa 3 % kutan metastasieren. Beispiele hierfür sind das Adenokarzinom der Lunge, Darmkarzinom, follikuläres Karzinom der Schilddrüsen, Nieren-, Pankreas-, Gallenblasenkarzinom sowie das Karzinoid des Larynx und das maligne fibröse Histiozytom des Retroperitoneums. Möglicherweise begünstigt wiederum der Gefäßreichtum der Kopfhaut das Capillitium als bevorzugte Körperstelle für das Auftreten von Metastasen. Klinisch präsentieren sich Metastasen typischerweise stark induriert und indolent. Potenzielle Fehldiagnosen inkludieren auch häufig epidermale Zysten. Für die histologische Beurteilung ist eine Korrelation mit dem Primärtumor wichtig, da verschiedene Tumorentitäten morphologische und immunhistochemische Überlappungen zeigen können.

Adnextumore zeigen eine deutliche Prädilektion (in ca. 65 % der Fälle) für die Kopf-Hals-Region. An der Kopfhaut sind sie trotz ihrer mannigfaltigen morphologischen Ausprägungen insgesamt sehr selten. Ihren Ursprung nehmen sie in Haarfollikeln, Talgdrüsen und apokrinen bzw. ekkrinen Schweißdrüsen und -ausführungsgängen. Mit Ausnahme der ekkrinen Drüsen gehen alle diese Strukturen aus einer gemeinsamen embryonalen Anlage hervor, was nicht selten zur Mischdifferenzierung aller Anlagen in einem Tumor führt. Die überwiegende Mehrzahl (>90 % ) dieser Tumore sind benigne und präsentieren sich klinisch häufig sehr unscheinbar als Papeln, Plaques oder Noduli. Maligne Tumore der Adnexe sind zwar äußerst rar, aber durchaus aggressiv und mit Potenzial zur (lokoregionalen) Lymphknoten- und Fernmetastasierung (12 % aller malignen Adnextumore, dann mit einer 5-Jahres-Gesamt- bzw. krankheitsspezifischen Überlebensrate von 73 % bzw. 98 % ). Die Histopathologie ist der diagnostische Goldstandard.

Inspektion/Diagnostik

Die Diagnosestellung von Kopfhauttumoren erfolgt häufig verzögert, da (dichte) Behaarung und schwer einsehbare Areale an der Kopfhaut (z.B. Hinterkopf) eine Früherkennung erschweren. Dadurch sind auch anamnestische Angaben zu Bestandsdauer, Farb- und Formveränderungen unzuverlässiger, insbesondere weil Kopfhauttumore sich vor allem im Frühstadium oft auch asymptomatisch präsentieren. Fortgeschrittene Befunde mit sichtbaren/palpablen Tumoren sind so bei der Erstvorstellung durchaus üblich. Die Durchführung eines kompletten Hautstatus, der eine möglichst detaillierte Untersuchung der Kopfhaut inkludiert, ist daher von essenzieller Bedeutung. Unterstützend sollten hier auch Friseure verstärkt involviert werden, die durch spezielle Schulungen einen wesentlichen Beitrag zur Früherkennung leisten könnten.
Prädilektionsstellen sind geschlechterspezifisch unterschiedlich zu finden. So waren in der Studie von Chiu et al bei Frauen die Frontalregion und der Vertex besonders betroffen, während bei Männern Tumore häufig an der Schläfe, postaurikulär und okzipital entstanden. Schwellungen/Tumore an der Kopfhaut können sowohl primär in der Haut ihren Ausgang haben als auch (insbesondere bei Kindern) Hinweis auf einen zugrunde liegenden Prozess des knöchernen Schädels bzw. auf kraniozephalische Malformationen sein. Nicht neoplastische Läsionen müssen daher differenzialdiagnostisch auch immer abgegrenzt werden. Demnach ist Bildgebung mit Ultraschall/CT/MRT ein wesentlicher Bestandteil in der Beurteilung von Erhabenheiten am Kopf. Zudem ist eine Untersuchung bzgl. intrakranieller Ausdehnung von Schwellungen vor allem bei fehlender Verschieblichkeit und Auftreten in der Mittellinie (z.B. subdurales Empyem, Dermoidzyste) indiziert.
Die verschiedenen Methoden liefern mit unterschiedlicher Sensitivität und Spezifität Hilfen zur Unterscheidung von angeborenen, entzündlichen, vaskulären und neoplastischen Läsionen. In einigen Fällen können so charakteristische Bilder diagnostisch hilfreich sein, in anderen Fällen kann eine Eingrenzung der Differenzialdiagnose, die Erhebung der Läsionsausdehnung oder eine Beurteilung für metastasierte Erkrankung bzw. Infiltration tiefer liegender Strukturen erfolgen. Des Weiteren ermöglicht Bildgebung auch eine Follow-up-Bewertung und ein Monitoring bezüglich des Ansprechens auf eine Behandlung.
Auch histologische Besonderheiten charakterisieren Kopfhauttumore. So zeigen auch nicht mesenchymale Läsionen in dieser Region (und artifiziell verstärkt in kleinen, gequetschten Biopsien) oft eine Spindelzellmorphologie (z.B. Plattenepithelkarzinom; [desmoplastisches] Melanom) oder pseudomaligne Veränderungen (z.B. reaktive endotheliale Atypie in angiomatösen enoralen Läsionen). Aufgrund dieser mikromorphologischen Besonderheiten sollte Shaving vermieden werden, um eine möglichst repräsentative Befundung zu gewährleisten.

Ätiologische Faktoren

Ultraviolette (UV) Strahlung (vor allem kanzerogene UVB-Strahlen, 290–320nm) gilt als signifikanter Risikofaktor in der Genese zahlreicher Kopfhauttumore. Schütterer Haarwuchs (Kleinkinder; Alopezie) verstärkt die Risikoexposition. Neben der aktinischen Belastung zählen zu weiteren potenziell ätiologischen Faktoren heller Hauttyp, karzinogene Substanzen (insbesondere Arsen), längerfristige immunsuppressive Therapien, chronische Hautschädigung (z.B. durch Infektionen, physikalische Reize), Viren (z.B. Merkelzell-Polyomavirus bei Merkelzell-Karzinom) und genetische Faktoren.
Kopfhauttumore können sowohl sporadisch als auch im Rahmen seltener genetischer Erkrankungen auftreten (Tab. 1).

Risikofaktoren/Malignitätszeichen

Plattenepithelkarzinome treten zu 50 bis 75 % am Kopf auf und sind an dieser Lokalisation mit einer deutlich schlechteren Prognose assoziiert. Auch Melanome an der Kopfhaut (4 % aller Melanome) zeigen ein höheres Risiko für Hirnmetastasen, die Inzidenz dafür liegt bei 12,7 % nach 5 Jahren. Melanome an der Kopfhaut sind meist dicker, häufiger ulzeriert und zeigen erhöhte Mitoseraten im Vergleich zu Melanomen anderer Lokalisation. Die Gründe für dieses aggressivere Verhalten an der Kopfhaut sind unklar, eine verzögerte Wahrnehmung/Diagnosestellung, aber auch der Gefäßreichtum und die gute Lymphdrainage könnten wie erwähnt Ursachen sein.
Besonderes Augenmerk ist auf Tumore mit aggressivem und (lokal) destruktivem Verhalten (Infiltration der Knochenhaut, Schädelknochen, Dura, bis ins Gehirn) zu legen. Dieses mit deutlich erhöhter Morbidität und Mortalität einhergehende Potenzial haben Plattenepithelkarzinome, Basaliome, maligne Adnextumore und Weichteiltumore wie das Dermatofibrosarcoma protuberans und das Angiosarkom sowie bei Kindern das Rhabdomyosarkom.
Allgemein inkludieren Malignitätskriterien bzw. Zeichen maligner Progression schnelles Wachstum, Ulzeration, rasche Farb-/Texturveränderung, Fixierung an subkutanes Gewebe, Lokalisation unterhalb der Faszie oder vergrößerte lokoregionäre Lymphknoten und B-Symptomatik. Bei Auftreten einer dieser Eigenschaften sollte rasch eine weitere Abklärung der Läsion erfolgen. Insbesondere bei größeren Tumoren mit mehr als 2cm Durchmesser ist zusätzlich zum kompletten Hautstatus die Palpation der Lymphknoten sowie ggf. eine weiterführende radiografische (Ausbreitungs-)Diagnostik zweckmäßig.

Therapie

Rasche (Total-)Exzision maligner Tumore an der Kopfhaut (mit/ohne mikrografische Schnittrandkontrolle) ist aufgrund des meist aggressiveren Verhaltens und Größenwachstums essenziell. Aber auch die Exzision benigner Tumore erfordert aufgrund von Stigmatisierung bzw. zur diagnostischen Abklärung nicht selten eine chirurgische Intervention.
Erhebliches Größenwachstum von (auch benignen) Tumoren führt in dieser Region ob ihrer begrenzten Platzverhältnisse durch Kompressionsphänomene und Erosion benachbarter Strukturen oder auch aufgrund einer ausgeprägten Begleitsymptomatik (wie Gesichtsschwellung, Proptosis) zu klinischen und diagnostischen Herausforderungen. Weiters ergibt sich das lokalisationsspezifische Problem einer eingeschränkten (chirurgischen, radiotherapeutischen) Zugänglichkeit, mit folglich limitierten therapeutischen Möglichkeiten und dadurch womöglich schlechterer Prognose. Oft ist daher im Kopfhautbereich der Grad der lokalen Tumorkontrolle prognostisch entscheidender als das Metastasierungspotenzial des Indextumors.
Ein interdisziplinärer therapeutischer Zugang (Tumorboard) ist hierbei unabdingbar. Das muss umso mehr betont werden, als eine (bisher nicht unübliche) nicht interdisziplinäre Betreuung der Patienten durch diverse medizinische Fachdisziplinen wie Pädiatrie, Dermatologie, plastische Chirurgie und Neurochirurgie, Hals-, Nasen- Ohren- oder Augenheilkunde insbesondere bei seltenen Kopfhauttumoren die Generierung individueller Expertise beschränkt und eine umfassende epidemiologische Erfassung dieser Tumore in Registern für valide Rückschlüsse auf Häufigkeiten und mögliche pathogenetische Faktoren behindert.
Bei Inoperabilität des Tumors wird vorrangig Radiotherapie eingesetzt. Die Relevanz der Schildwächter-Lymphknoten-Biopsie bleibt nach wie vor unklar, sollte aber ggf. bei Satelliten-/Intransit-Metastasen erwogen werden. Weitere Behandlungsoptionen umfassen zumeist palliative Chemotherapieregime, zuletzt aber auch Strategien der zielgerichtet-molekularen therapeutischen Interferenz. Letztere ist ansatzweise auch im klinischen Alltag für gewisse Tumore (wie Melanom und Basaliom) verfügbar geworden. Unabhängig davon ist die konsequente Nachsorge zur Früherkennung von Rezidiven besonders wichtig.
Essenziell sind die Vorsorge sowie die Betonung der Bedeutung eines konsequenten UV-Schutzes, der insbesondere auch in dieser Hinsicht schon in frühester Kindheit erfolgen sollte.

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