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SDD 2019

Therapie häufiger Hautkrankheiten aus pädiatrischer Sicht

<p class="article-intro">PD Dr. med. Lisa Weibel, Leitende Ärztin der Abteilung für Pädiatrische Dermatologie am Universitäts-Kinderspital Zürich, befasste sich in ihrem Vortrag mit Hautkrankheiten, mit denen Kinder häufig in der Klinik vorgestellt werden: Alopecia areata und Vitiligo. Die Therapie dieser Krankheiten ist herausfordernd, da oft keine vollständige Heilung erzielt werden kann.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Alopecia areata und Vitiligo sind h&auml;ufige Hautkrankheiten bei Kindern, deren Therapie oftmals schwierig und wenig erfolgreich ist.</li> <li>Bei der Alopecia areata erzielen Immunsuppressiva und immunmodulierende Medikamente gute Erfolge, allerdings kommt es h&auml;ufig zu Rezidiven.</li> <li>Die Vitiligo wird je nach Ausdehnung und Progression topisch oder mit Kombinationstherapien aus topischen und systemischen Verfahren behandelt.</li> </ul> </div> <h2>Alopecia areata</h2> <p>Die Inzidenz der Alopecia areata betr&auml;gt 1 bis 2 %.<sup>1</sup> Verursacht wird sie durch eine T-Zell-vermittelte Autoimmunreaktion, die die Haarfollikel zerst&ouml;rt.<sup>2</sup> Bei rund 60 % der Betroffenen beginnt sie vor dem 20. Lebensjahr, meist im Alter von sieben bis zw&ouml;lf Jahren.<sup>1</sup> Die typische Manifestation ist der klar umschriebene runde Haarverlust bei normal erscheinender Haut &ndash; in der Regel auf dem Kopf. Eine extreme Form ist die Alopecia areata totalis, die zum kompletten Verlust der Kopfbehaarung f&uuml;hrt.<sup>1</sup> Hier ist es wichtig abzugrenzen, ob es sich nicht um einen kongenitalen Haarverlust handelt. Weitere Differenzialdiagnosen sind in Tabelle 1 aufgef&uuml;hrt.<sup>3</sup> Bei Kindern kommt h&auml;ufiger als beim Erwachsenen eine diffuse Alopecia areata vor, bei der sich der Haarverlust &uuml;ber eine gr&ouml;ssere Fl&auml;che erstreckt und nicht klar umschrieben ist. Auch der ausschliessliche Verlust der Wimpern wird eher bei Kindern beobachtet. Bei der Diagnose ist die Dermatoskopie ein sinnvolles Hilfsmittel, um die Kopfhaut und die Haare zu beurteilen.</p> <p>&nbsp;</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Derma_1901_Weblinks_jatros_kardio_1904_s20_tab1_weibel.jpg" alt="" width="1421" height="581" /></p> <p><strong>Therapieempfehlungen bei Alopecia areata</strong> <br />Bei der Therapie der Alopecia areata treffen die hohen Erwartungen der Patienten und ihrer Eltern auf begrenzte Therapieoptionen.<sup>1&ndash;3</sup> Es gibt nicht die eine Behandlung, denn der Verlauf der Krankheit ist sehr variabel und nicht vorhersehbar. So heilt die Alopecia areata multilocularis in bis zu 50 % der F&auml;lle spontan ab. Innerhalb eines Jahres sind die Haare meist wieder vollst&auml;ndig nachgewachsen. Allerdings kommt es h&auml;ufig zu Rezidiven.<sup>1, 3</sup> Beginnt die Krankheit schon in sehr jungem Alter, kann es selbst bei initial milder Symptomatik im weiteren Verlauf zu einer Verschlechterung kommen. Bei einer Alopecia areata totalis oder universalis (Verlust der gesamten K&ouml;rperbehaarung) sind die Chancen auf eine spontane Heilung mit weniger als 10 % sehr gering.<sup>3</sup> <br />Da die Krankheit auf einer Immunreaktion beruht, kann entweder immunsupprimierend oder immunmodulierend eingegriffen werden.<sup>1</sup> Die Immunsuppression wird vor allem bei akuter und rasch fortschreitender Krankheit empfohlen. Geeignet sind zum Beispiel topische Kortikosteroide in Form von Cremes oder L&ouml;sungen, die an f&uuml;nf Tagen pro Woche (dann zwei Tage Pause) &uuml;ber einen Zeitraum von maximal drei Monaten angewandt werden. Damit k&ouml;nnen bei kleinen Kindern und kleinen betroffenen Arealen gute Erfolge erzielt werden.<sup>1, 3</sup> Eine andere M&ouml;glichkeit sind Kortikosteroidinjektionen in die L&auml;sionen, wenn maximal 30 % der Kopfhaut betroffen sind. Der Nachteil: Trotz gleichzeitiger Gabe von Lidocain sind die Injektionen schmerzhaft und daher fr&uuml;hestens bei Kindern ab neun Jahren einsetzbar. Die Injektionen werden vier- bis sechsmal im Abstand von vier bis sechs Wochen gegeben.<sup>1, 3</sup> Oft werden die Steroide auch mit Methotrexat (MTX) kombiniert. Eine weitere Option ist eine Steroid-Pulstherapie (intraven&ouml;s oder oral). Im Rahmen einer Studie mit 18 Kindern am Universit&auml;ts-Kinderspital Z&uuml;rich wurde das Verfahren n&auml;her untersucht. Die Kinder waren zwischen zwei und 16 Jahren alt und litten erst seit weniger als einem Jahr an der Alopezie. Betroffen waren 30 bis 100 % der Kopfhaut. Die Kinder wurden mit zwei bis drei Methylprednisolon- Pulsen (&agrave; 3 Tage &agrave; 30 mg/kg/d) im Abstand von jeweils einem Monat behandelt. Bei elf Kindern wuchs die Kopfbehaarung innerhalb von einem bis f&uuml;nf Monaten zu etwa 75 % nach, bei drei Kindern zu weniger als 50 %. Vier Kinder sprachen nicht auf die Therapie an; sie litten alle an einer totalen oder universalen Alopezie. Die Vertr&auml;glichkeit der Behandlung war sehr gut, jedoch kam es in 80 % der F&auml;lle nach ein bis zwei Jahren zu einem Rezidiv. Dies zeigt, dass es derzeit keine Behandlung gibt, die den Langzeitverlauf der Alopecia areata beeinflussen kann.<sup>4</sup> Dennoch wird diese Steroid-Pulstherapie nach wie vor in der Z&uuml;rcher Kinderklinik angeboten, beispielsweise wenn ein Kind innerhalb kurzer Zeit alle Haare verliert. <br />Bei chronischen Verl&auml;ufen und Rezidiven werden dagegen eher immunmodulierende Therapien wie Diphencypron (DCP), JAK-Inhibitoren oder ebenfalls MTX (plus Steroide) eingesetzt. JAK-Inhibitoren sind seit 2017 f&uuml;r die Behandlung der schweren rheumatoiden Arthritis bei Erwachsenen zugelassen und werden auch in Studien zur Rheumatherapie bei Kindern ab zwei Jahren getestet. Allerdings gehen sie mit teils schweren Nebenwirkungen einher. Die h&auml;ufigste Nebenwirkung ist eine Akne, es werden jedoch in 6 % der F&auml;lle schwere Nebenwirkungen beschrieben, unter anderem Infektionen, Blutbildver&auml;nderungen und Obstruktionen des Darms. Ausserdem ist nicht gekl&auml;rt, ob sie das Entstehen von Tumoren beg&uuml;nstigen. Fasst man die Ergebnisse der bislang zum Einsatz von JAK-Inhibitoren bei Alopecia areata erschienenen Ver&ouml;ffentlichungen zusammen, f&uuml;hren sie bei etwa 60 % der Patienten zu einem 60 %igen Nachwachsen der Haare. Wird die Therapie gestoppt, kommt es auch zu Rezidiven.<sup>5</sup> Abbildung 1 fasst das therapeutische Vorgehen des Z&uuml;rcher Kinderspitals bei Alopecia areata zusammen.</p> <p>&nbsp;</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Derma_1901_Weblinks_jatros_kardio_1904_s22_abb1_weibel.jpg" alt="" width="1419" height="1097" /></p> <h2>Vitiligo</h2> <p>Bei der Vitiligo kommt es durch die autoimmune Zerst&ouml;rung der Melanozyten in der Haut zu typischen unpigmentierten Arealen. Die Inzidenz liegt bei etwa 1 % und, wie bei der Alopecia areata, beginnt sie bei rund 60 % der Betroffenen bis zu einem Alter von 20 Jahren. Liegt das Erkrankungsalter unter drei Jahren, ist die Prognose schlecht, denn dann dehnt sich die Depigmentierung grossfl&auml;chiger aus.<sup>6</sup> Die Diagnose wird anhand des klinischen Bildes gestellt. Ein wichtiges Hilfsmittel ist die Wood-Lampe, mit der auch kleine Herde und Ver&auml;nderungen bei sehr hellh&auml;utigen Menschen entdeckt werden k&ouml;nnen. Unter dem UV-Licht leuchtet Vitiligo weisslich- gelb.<sup>7</sup> <br />Die h&auml;ufigste Form ist die nicht segmentale Vitiligo (85&ndash;90 %), bei der die K&ouml;rperpartien symmetrisch betroffen sind. Dar&uuml;ber hinaus verlieren in sp&auml;teren Stadien oft auch die Haare ihr Pigment. In vielen F&auml;llen sind weitere Autoimmunkrankheiten des Patienten selbst oder innerhalb seiner Familie vorhanden. Die segmentale Vitiligo tritt dagegen jeweils nur an einer K&ouml;rperseite auf &ndash; oft im Gesicht. Hier sind die Haare bereits recht bald nach dem Krankheitsbeginn betroffen. &Uuml;blicherweise leidet der Patient nicht an weiteren Autoimmunkrankheiten.<sup>7, 8</sup></p> <h2>Therapie der Vitiligo</h2> <p>Studien bringen zunehmende Evidenz f&uuml;r das Konzept einer entz&uuml;ndlichen Krankheit, wobei ein fr&uuml;her Therapiebeginn in besserem Ansprechen resultiert. Die Erkrankungsdauer sollte daf&uuml;r nicht &uuml;ber f&uuml;nf Jahre liegen. Die derzeit beste Standardtherapie ist die UVBnb-Lichttherapie in Kombination mit einem Topikum wie einem Steroid oder einem Calcineurininhibitor. Rund 60 % der Patienten sprechen darauf an und erreichen eine 75 %ige Repigmentierung, solange die Behandlung fortgef&uuml;hrt wird.<sup>7</sup> Ob die Wirkung nach Absetzen der Behandlung andauert, ist offen. <br />Je nach Dauer, Ausdehnung und Aktivit&auml;t der Vitiligo wird eine Stufentherapie empfohlen (Tab. 2).<sup>9</sup> In der ersten Stufe werden topische Steroide oder Calcineurininhibitoren empfohlen. Letztere sind bei einer langfristigen Therapie zu bevorzugen, besonders im Gesicht. Dabei ist Tacrolimus bei Kindern effektiver als bei Erwachsenen. Es ist an Kopf und Hals gleich wirksam wie ein Klasse-3- oder -4-Steroid. Pimecrolimus ist im Vergleich zu Tacrolimus weniger wirksam, aber am K&ouml;rper angenehmer in der Anwendung. Die Wirksamkeit der Calcineurininhibitoren steigt bei Kombination mit UV-Licht.<sup>9</sup> <br />In der zweiten Stufe werden Kombinationen aus Topika und UV-Bestrahlung angewandt.<sup>9</sup> Diskutiert wird auch die Anwendung von topischen JAK-Inhibitoren, die jedoch in Studien bislang nicht &uuml;berzeugen konnten.<sup>10</sup> In der dritten Stufe mit Befall grosser Hautareale kommt neben der Kombinationstherapie eine systemische Behandlung infrage, allen voran Steroidpulse, eventuell kombiniert mit MTX und UV-Lichttherapie.<sup>9</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Derma_1901_Weblinks_jatros_kardio_1904_s22_tab2_weibel.jpg" alt="" width="1452" height="749" /></p></p> <p class="article-quelle">Quelle: Swiss Derma Day 2019, 16.–17. Januar 2019, Luzern </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Gilhar A: N Engl J Med 2012; 366: 1515-25 <strong>2</strong> Xing L et al.: Nat Med 2014; 20: 1043-9 <strong>3</strong> Harries MJ et al.: BMJ 2010; 341: c3671 <strong>4</strong> Smith A et al.: Pediatr Dermatol 2015; 32: 481-7 <strong>5</strong> Tr&uuml;eb RM et al.: Int J Trichology 2018; 10: 193-7 <strong>6</strong> Mu EW et al.: J Am Acad Dermatol 2015; 73: 467-70 <strong>7</strong> Ezzedine K, Silverberg N: Pediatrics 2016; 138. pii: e20154126 <strong>8</strong> Ezzedine K et al.: Pigment Cell Melanoma Res 2012; 25: E1-13 <strong>9</strong> Meurer M, Ceric-Dehdari P: Hautarzt 2017; 68(11): 876-84 <strong>10</strong> Rothstein B et al.: J Am Acad Dermatol 2017; 76: 1054-60</p> </div> </p>
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