
©
Getty Images/iStockphoto
Therapie häufiger Hautkrankheiten aus pädiatrischer Sicht
Leading Opinions
30
Min. Lesezeit
02.05.2019
Weiterempfehlen
<p class="article-intro">PD Dr. med. Lisa Weibel, Leitende Ärztin der Abteilung für Pädiatrische Dermatologie am Universitäts-Kinderspital Zürich, befasste sich in ihrem Vortrag mit Hautkrankheiten, mit denen Kinder häufig in der Klinik vorgestellt werden: Alopecia areata und Vitiligo. Die Therapie dieser Krankheiten ist herausfordernd, da oft keine vollständige Heilung erzielt werden kann.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Alopecia areata und Vitiligo sind häufige Hautkrankheiten bei Kindern, deren Therapie oftmals schwierig und wenig erfolgreich ist.</li> <li>Bei der Alopecia areata erzielen Immunsuppressiva und immunmodulierende Medikamente gute Erfolge, allerdings kommt es häufig zu Rezidiven.</li> <li>Die Vitiligo wird je nach Ausdehnung und Progression topisch oder mit Kombinationstherapien aus topischen und systemischen Verfahren behandelt.</li> </ul> </div> <h2>Alopecia areata</h2> <p>Die Inzidenz der Alopecia areata beträgt 1 bis 2 %.<sup>1</sup> Verursacht wird sie durch eine T-Zell-vermittelte Autoimmunreaktion, die die Haarfollikel zerstört.<sup>2</sup> Bei rund 60 % der Betroffenen beginnt sie vor dem 20. Lebensjahr, meist im Alter von sieben bis zwölf Jahren.<sup>1</sup> Die typische Manifestation ist der klar umschriebene runde Haarverlust bei normal erscheinender Haut – in der Regel auf dem Kopf. Eine extreme Form ist die Alopecia areata totalis, die zum kompletten Verlust der Kopfbehaarung führt.<sup>1</sup> Hier ist es wichtig abzugrenzen, ob es sich nicht um einen kongenitalen Haarverlust handelt. Weitere Differenzialdiagnosen sind in Tabelle 1 aufgeführt.<sup>3</sup> Bei Kindern kommt häufiger als beim Erwachsenen eine diffuse Alopecia areata vor, bei der sich der Haarverlust über eine grössere Fläche erstreckt und nicht klar umschrieben ist. Auch der ausschliessliche Verlust der Wimpern wird eher bei Kindern beobachtet. Bei der Diagnose ist die Dermatoskopie ein sinnvolles Hilfsmittel, um die Kopfhaut und die Haare zu beurteilen.</p> <p> </p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Derma_1901_Weblinks_jatros_kardio_1904_s20_tab1_weibel.jpg" alt="" width="1421" height="581" /></p> <p><strong>Therapieempfehlungen bei Alopecia areata</strong> <br />Bei der Therapie der Alopecia areata treffen die hohen Erwartungen der Patienten und ihrer Eltern auf begrenzte Therapieoptionen.<sup>1–3</sup> Es gibt nicht die eine Behandlung, denn der Verlauf der Krankheit ist sehr variabel und nicht vorhersehbar. So heilt die Alopecia areata multilocularis in bis zu 50 % der Fälle spontan ab. Innerhalb eines Jahres sind die Haare meist wieder vollständig nachgewachsen. Allerdings kommt es häufig zu Rezidiven.<sup>1, 3</sup> Beginnt die Krankheit schon in sehr jungem Alter, kann es selbst bei initial milder Symptomatik im weiteren Verlauf zu einer Verschlechterung kommen. Bei einer Alopecia areata totalis oder universalis (Verlust der gesamten Körperbehaarung) sind die Chancen auf eine spontane Heilung mit weniger als 10 % sehr gering.<sup>3</sup> <br />Da die Krankheit auf einer Immunreaktion beruht, kann entweder immunsupprimierend oder immunmodulierend eingegriffen werden.<sup>1</sup> Die Immunsuppression wird vor allem bei akuter und rasch fortschreitender Krankheit empfohlen. Geeignet sind zum Beispiel topische Kortikosteroide in Form von Cremes oder Lösungen, die an fünf Tagen pro Woche (dann zwei Tage Pause) über einen Zeitraum von maximal drei Monaten angewandt werden. Damit können bei kleinen Kindern und kleinen betroffenen Arealen gute Erfolge erzielt werden.<sup>1, 3</sup> Eine andere Möglichkeit sind Kortikosteroidinjektionen in die Läsionen, wenn maximal 30 % der Kopfhaut betroffen sind. Der Nachteil: Trotz gleichzeitiger Gabe von Lidocain sind die Injektionen schmerzhaft und daher frühestens bei Kindern ab neun Jahren einsetzbar. Die Injektionen werden vier- bis sechsmal im Abstand von vier bis sechs Wochen gegeben.<sup>1, 3</sup> Oft werden die Steroide auch mit Methotrexat (MTX) kombiniert. Eine weitere Option ist eine Steroid-Pulstherapie (intravenös oder oral). Im Rahmen einer Studie mit 18 Kindern am Universitäts-Kinderspital Zürich wurde das Verfahren näher untersucht. Die Kinder waren zwischen zwei und 16 Jahren alt und litten erst seit weniger als einem Jahr an der Alopezie. Betroffen waren 30 bis 100 % der Kopfhaut. Die Kinder wurden mit zwei bis drei Methylprednisolon- Pulsen (à 3 Tage à 30 mg/kg/d) im Abstand von jeweils einem Monat behandelt. Bei elf Kindern wuchs die Kopfbehaarung innerhalb von einem bis fünf Monaten zu etwa 75 % nach, bei drei Kindern zu weniger als 50 %. Vier Kinder sprachen nicht auf die Therapie an; sie litten alle an einer totalen oder universalen Alopezie. Die Verträglichkeit der Behandlung war sehr gut, jedoch kam es in 80 % der Fälle nach ein bis zwei Jahren zu einem Rezidiv. Dies zeigt, dass es derzeit keine Behandlung gibt, die den Langzeitverlauf der Alopecia areata beeinflussen kann.<sup>4</sup> Dennoch wird diese Steroid-Pulstherapie nach wie vor in der Zürcher Kinderklinik angeboten, beispielsweise wenn ein Kind innerhalb kurzer Zeit alle Haare verliert. <br />Bei chronischen Verläufen und Rezidiven werden dagegen eher immunmodulierende Therapien wie Diphencypron (DCP), JAK-Inhibitoren oder ebenfalls MTX (plus Steroide) eingesetzt. JAK-Inhibitoren sind seit 2017 für die Behandlung der schweren rheumatoiden Arthritis bei Erwachsenen zugelassen und werden auch in Studien zur Rheumatherapie bei Kindern ab zwei Jahren getestet. Allerdings gehen sie mit teils schweren Nebenwirkungen einher. Die häufigste Nebenwirkung ist eine Akne, es werden jedoch in 6 % der Fälle schwere Nebenwirkungen beschrieben, unter anderem Infektionen, Blutbildveränderungen und Obstruktionen des Darms. Ausserdem ist nicht geklärt, ob sie das Entstehen von Tumoren begünstigen. Fasst man die Ergebnisse der bislang zum Einsatz von JAK-Inhibitoren bei Alopecia areata erschienenen Veröffentlichungen zusammen, führen sie bei etwa 60 % der Patienten zu einem 60 %igen Nachwachsen der Haare. Wird die Therapie gestoppt, kommt es auch zu Rezidiven.<sup>5</sup> Abbildung 1 fasst das therapeutische Vorgehen des Zürcher Kinderspitals bei Alopecia areata zusammen.</p> <p> </p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Derma_1901_Weblinks_jatros_kardio_1904_s22_abb1_weibel.jpg" alt="" width="1419" height="1097" /></p> <h2>Vitiligo</h2> <p>Bei der Vitiligo kommt es durch die autoimmune Zerstörung der Melanozyten in der Haut zu typischen unpigmentierten Arealen. Die Inzidenz liegt bei etwa 1 % und, wie bei der Alopecia areata, beginnt sie bei rund 60 % der Betroffenen bis zu einem Alter von 20 Jahren. Liegt das Erkrankungsalter unter drei Jahren, ist die Prognose schlecht, denn dann dehnt sich die Depigmentierung grossflächiger aus.<sup>6</sup> Die Diagnose wird anhand des klinischen Bildes gestellt. Ein wichtiges Hilfsmittel ist die Wood-Lampe, mit der auch kleine Herde und Veränderungen bei sehr hellhäutigen Menschen entdeckt werden können. Unter dem UV-Licht leuchtet Vitiligo weisslich- gelb.<sup>7</sup> <br />Die häufigste Form ist die nicht segmentale Vitiligo (85–90 %), bei der die Körperpartien symmetrisch betroffen sind. Darüber hinaus verlieren in späteren Stadien oft auch die Haare ihr Pigment. In vielen Fällen sind weitere Autoimmunkrankheiten des Patienten selbst oder innerhalb seiner Familie vorhanden. Die segmentale Vitiligo tritt dagegen jeweils nur an einer Körperseite auf – oft im Gesicht. Hier sind die Haare bereits recht bald nach dem Krankheitsbeginn betroffen. Üblicherweise leidet der Patient nicht an weiteren Autoimmunkrankheiten.<sup>7, 8</sup></p> <h2>Therapie der Vitiligo</h2> <p>Studien bringen zunehmende Evidenz für das Konzept einer entzündlichen Krankheit, wobei ein früher Therapiebeginn in besserem Ansprechen resultiert. Die Erkrankungsdauer sollte dafür nicht über fünf Jahre liegen. Die derzeit beste Standardtherapie ist die UVBnb-Lichttherapie in Kombination mit einem Topikum wie einem Steroid oder einem Calcineurininhibitor. Rund 60 % der Patienten sprechen darauf an und erreichen eine 75 %ige Repigmentierung, solange die Behandlung fortgeführt wird.<sup>7</sup> Ob die Wirkung nach Absetzen der Behandlung andauert, ist offen. <br />Je nach Dauer, Ausdehnung und Aktivität der Vitiligo wird eine Stufentherapie empfohlen (Tab. 2).<sup>9</sup> In der ersten Stufe werden topische Steroide oder Calcineurininhibitoren empfohlen. Letztere sind bei einer langfristigen Therapie zu bevorzugen, besonders im Gesicht. Dabei ist Tacrolimus bei Kindern effektiver als bei Erwachsenen. Es ist an Kopf und Hals gleich wirksam wie ein Klasse-3- oder -4-Steroid. Pimecrolimus ist im Vergleich zu Tacrolimus weniger wirksam, aber am Körper angenehmer in der Anwendung. Die Wirksamkeit der Calcineurininhibitoren steigt bei Kombination mit UV-Licht.<sup>9</sup> <br />In der zweiten Stufe werden Kombinationen aus Topika und UV-Bestrahlung angewandt.<sup>9</sup> Diskutiert wird auch die Anwendung von topischen JAK-Inhibitoren, die jedoch in Studien bislang nicht überzeugen konnten.<sup>10</sup> In der dritten Stufe mit Befall grosser Hautareale kommt neben der Kombinationstherapie eine systemische Behandlung infrage, allen voran Steroidpulse, eventuell kombiniert mit MTX und UV-Lichttherapie.<sup>9</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Derma_1901_Weblinks_jatros_kardio_1904_s22_tab2_weibel.jpg" alt="" width="1452" height="749" /></p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Swiss Derma Day 2019, 16.–17. Januar 2019, Luzern
</p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Gilhar A: N Engl J Med 2012; 366: 1515-25 <strong>2</strong> Xing L et al.: Nat Med 2014; 20: 1043-9 <strong>3</strong> Harries MJ et al.: BMJ 2010; 341: c3671 <strong>4</strong> Smith A et al.: Pediatr Dermatol 2015; 32: 481-7 <strong>5</strong> Trüeb RM et al.: Int J Trichology 2018; 10: 193-7 <strong>6</strong> Mu EW et al.: J Am Acad Dermatol 2015; 73: 467-70 <strong>7</strong> Ezzedine K, Silverberg N: Pediatrics 2016; 138. pii: e20154126 <strong>8</strong> Ezzedine K et al.: Pigment Cell Melanoma Res 2012; 25: E1-13 <strong>9</strong> Meurer M, Ceric-Dehdari P: Hautarzt 2017; 68(11): 876-84 <strong>10</strong> Rothstein B et al.: J Am Acad Dermatol 2017; 76: 1054-60</p>
</div>
</p>
Das könnte Sie auch interessieren:
Mycoplasma genitalium, Chlamydien, Syphilis
Sexuell übertragbare Infektionen sind weltweit im Ansteigen begriffen, was die Resistenzproblematik verschärft. Dass ein Screening asymptomatischer Personen nicht unbedingt die optimale ...
The use of ultrasonography to guide aesthetic filler injections
The use of aesthetic filler injections has been steadily increasing in recent years. Correspondingly, there has also been an increase in reported complications. Among these, vascular ...
Systemtherapie des HER2-low fortgeschrittenen Mammakarzinoms
HER2-low- und HER2-ultralow-Mammakarzinome stellen besondere Herausforderungen dar, da sie sich sowohl in ihrer Prognose als auch im Therapieansprechen von HER2-positiven und HER2-zero- ...