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STI – was Sie schon immer darüber wissen wollten

<p class="article-intro">assische sexuell übertragbare Krankheiten sind seit den letzten Jahren im Zunehmen. Auch das Lymphogranuloma venereum, das lange Zeit aus dem klinischen Alltag verschwunden war, wird heute wieder deutlich häufiger diagnostiziert, insbesondere in der Gruppe der MSM („men who have sex with men“). Wir sprachen mit Dr. Claudia Heller-Vitouch über die Gründe. </p> <hr /> <p class="article-content"><p>&nbsp;<strong><em>Frau Dr. Heller-Vitouch, wo sind die meisten Patienten mit &bdquo;sexually transmitted infections&ldquo; (STI) in Behandlung &ndash; beim Gyn&auml;kologen, Urologen, Dermatologen oder beim Hausarzt? <br /><br /> C. Heller-Vitouch:</em></strong> Die Fach&auml;rzte f&uuml;r Dermatologie und Venerologie haben die Geschlechtskrankheiten im Fachnamen verankert und haben gem&auml;&szlig; ihrer Ausbildung gr&ouml;&szlig;te Expertise sowohl f&uuml;r die klassischen Geschlechtskrankheiten als auch f&uuml;r &bdquo;sexually transmitted infections&ldquo;. Dementsprechend suchen viele Patienten mit diesen Fragestellungen ihre Haut&auml;rztin oder ihren Hautarzt auf oder werden von Kollegen anderer F&auml;cher &uuml;berwiesen. Selbstverst&auml;ndlich muss man hier aber f&auml;cher&uuml;bergreifend denken. Bestimmte Fragen werden vielleicht lieber zuerst mit einer vertrauten Person wie dem Hausarzt besprochen, andere Probleme gleich bei der j&auml;hrlichen gyn&auml;kologischen oder urologischen Routinekontrolle vorgebracht.</p> <p><strong><em>Wie hoch ist die Dunkelziffer der Patienten, die aus Scham keinen Arzt konsultieren, sondern sich selbst behandeln? <br /><br /> C. Heller-Vitouch:</em></strong> Hier gibt es keine konkreten Daten. Im Zeitalter von Dr. Google darf man davon ausgehen, dass vor einem Arztbesuch h&auml;ufig versucht wird, selbst zu recherchieren. Mitunter entstehen dabei aber auch unn&ouml;tige &Auml;ngste und sogar regelrechte Phobien, die man nur mit M&uuml;he ausr&auml;umen kann.</p> <p><em><strong>Bei welchen klassischen STI sehen Sie eine Zunahme, wo eine Abnahme?<br /><br /> C. Heller-Vitouch:</strong></em> Weltweit haben in den letzten Jahren die klassischen Geschlechtskrankheiten wie Gonorrh&ouml; und Syphilis deutlich zugenommen. Auch das Lymphogranuloma venereum, das lange komplett aus dem klinischen Alltag verschwunden war, kann wieder deutlich h&auml;ufiger diagnostiziert werden, vor allem in der Gruppe der &bdquo;men who have sex with men&ldquo;. Das Ulcus molle stellt in unseren Breiten eine Seltenheit dar.</p> <p><strong><em>Durch SexarbeiterInnen aus dem Ausland wie ehemaligen Ostblockl&auml;ndern ist die Inzidenz von Gonorrh&ouml; und Syphilis wieder gestiegen. Gibt es konkrete Zahlen?<br /><br /> C. Heller-Vitouch:</em></strong> SexarbeiterInnen sind nicht der einzige Grund f&uuml;r eine Zunahme der Inzidenz der klassischen Geschlechtskrankheiten. Vor allem die nachlassende Sorge hinsichtlich einer Ansteckung mit HIV, das als nicht mehr t&ouml;dliche Infektion wahrgenommen wird, f&uuml;hrt leider dazu, dass auf &bdquo;safer sex&ldquo; verzichtet wird. <br />F&uuml;r &Ouml;sterreich besteht gem&auml;&szlig; Geschlechtskrankheitengesetz eine Meldeempfehlung f&uuml;r die klassischen Geschlechtskrankheiten. Leider ver&ouml;ffentlicht das Bundesministerium seit einigen Jahren keine konkreten Zahlen mehr, sodass wir auf Daten aus anderen L&auml;ndern angewiesen sind. Das Robert-Koch-Institut (RKI) konnte in Deutschland eine Zunahme der Syphilisf&auml;lle von 3172 (2008) auf 7178 F&auml;lle (2016) verzeichnen, also eine Steigerung von 126 % . Die CDC (Centers for Disease Control) erhoben eine Verdoppelung der Syphilisf&auml;lle im selben Zeitraum in den USA. Mit der Zunahme der Fallzahlen geht immer auch eine Zunahme der F&auml;lle von konnataler Syphilis einher. Eine Tatsache, der nur durch ein funktionierendes Schwangerschaftsvorsorgesystem mit einem Screening auf Syphilis begegnet werden kann.<br />F&uuml;r Gonorrh&ouml; verzeichnen die CDC 2016 einen Anstieg der F&auml;lle um 18,5 % verglichen mit dem Vorjahr. Hier ist es vor allem die zunehmende Resistenzproblematik, die international Sorge bereitet.</p> <p><strong><em>Raten Sie einem jungen Patienten, der sich mit dem Herpes-simplex-Virus (HSV) frisch infiziert hat, dazu, seine Sexualpartner dar&uuml;ber zu informieren? <br /><br /> C. Heller-Vitouch:</em></strong> Das ist eine schwierige und auf STI-Kongressen h&auml;ufig diskutierte Frage, die man nicht eindeutig mit Ja oder Nein beantworten kann. Einerseits geht von einer mit dem Herpes-simplex-Virus infizierten Person auch dann Ansteckungsgefahr aus, wenn sie gerade keine akuten Symptome hat. Dieses sogenannte asymptomatische &bdquo;viral shedding&ldquo; tritt im Durchschnitt an etwa 20 % der Tage auf, in den ersten drei Monaten nach der ersten Episode eines Herpes genitalis sogar &ouml;fter. Ein potenzieller Sexualpartner w&uuml;rde wahrscheinlich &uuml;ber diese Tatsache informiert werden wollen.<br /> Andererseits sollten der insgesamt relativ geringe Krankheitswert und die hohe Pr&auml;valenz (10&ndash;30 % ) in der Bev&ouml;lkerung nicht unerw&auml;hnt bleiben. Die Ansteckung kann auch in einer jahrelangen monogamen Partnerschaft durch einen asymptomatischen Partner erfolgen. Die Verwendung von Kondomen sollte jedenfalls zum eigenen Schutz und zum Schutz des Partners selbstverst&auml;ndlich sein.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Derma_1802_Weblinks_s14.jpg" alt="" width="250" /></p> <p><em><strong>Empfehlen Sie einen &bdquo;Eradizierungsversuch&ldquo; mit Valaciclovir, beispielsweise &uuml;ber sechs Monate?<br /><br /> C. Heller-Vitouch:</strong></em> HSV kann nicht eradiziert werden. Nach einmal erfolgter Infektion verbleibt das Virus latent im lokalen sensorischen Ganglion. Reaktivierung f&uuml;hrt zu symptomatischen Rezidiven oder zu asymptomatischer Virusausscheidung. Eine Langzeittherapie mit einem oralen Virustatikum erfolgt zur Suppression der Rezidive. Inzwischen liegen Sicherheits- und Resistenzdaten f&uuml;r einen Beobachtungszeitraum von etwa 18 Jahren vor. Dabei konnten keine Organsch&auml;den durch Langzeitbehandlung beobachtet werden. Die Entscheidung f&uuml;r eine Suppressionstherapie muss unter Abw&auml;gung der H&auml;ufigkeit der Rezidive, des individuellen Leidensdrucks, des &Uuml;bertragungsrisikos und der Therapiekosten getroffen werden. Die asymptomatische Virusausscheidung wird unter einer Suppressionstherapie reduziert, die Gefahr der Ansteckung eines serodiskordanten Partners um etwa 50 % gesenkt.</p> <p><strong><em>Was halten Sie davon, dass sich junge sexuell aktive Frauen gegen HPV impfen lassen?</em></strong></p> <p><em><strong>C. Heller-Vitouch:</strong></em> Der beste Zeitpunkt f&uuml;r eine HPV-Impfung ist vor dem sexuellen Deb&uuml;t. Studien zeigen, dass sehr rasch nach Sexualkontakt mit dem ersten Partner eine HPV-Infektion erfolgen kann. Das Risiko ist dabei abh&auml;ngig vom Alter des Partners sowie von der Anzahl seiner vorherigen Sexualpartnerinnen. <br /> Auch bereits sexuell aktive Frauen k&ouml;nnen von der HPV-Impfung profitieren. Es ist besonders wichtig, auf die Notwendigkeit hinzuweisen, auch nach einer HPV-Impfung das regelm&auml;&szlig;ige Screening bez&uuml;glich Zervixkarzinom beizubehalten.</p> <p><strong><em>Bei Kindern wird ja nun in &Ouml;sterreich als einem der Schlusslichter die HPV-Impfung erstattet. Worin sehen Sie das Pro und das Contra bei dieser Impfung? <br /><br /> C. Heller-Vitouch:</em></strong> &Ouml;sterreich war tats&auml;chlich eines der letzten L&auml;nder, die die HPV-Impfung gratis zur Verf&uuml;gung stellten. Jedoch haben wir uns seit 2014 diesbez&uuml;glich vom Schlusslicht zum international viel beachteten Klassenbesten entwickelt, denn in &Ouml;sterreich wird nunmehr der nonavalente HPV-Impfstoff M&auml;dchen und Buben gratis angeboten.<br />Die Wirksamkeit und Sicherheit des Impfstoffes wurden in zahlreichen Studien nachgewiesen. Nach Millionen weltweit verimpfter Dosen konnten keine schwerwiegenden Nebenwirkungen registriert werden. <br /> Bezieht man in die Kosten-Nutzen-Rechnung neben den verhinderten Zervixkarzinom-Todesf&auml;llen auch die vermeidbaren Konisationen mit allen Komplikationen und Sp&auml;tfolgen wie etwa der Fr&uuml;hgeburtlichkeit in folgenden Schwangerschaften ein, ergibt sich ein klarer Vorteil zugunsten der Impfung.</p> <p><strong><em>Gibt es f&uuml;r Patienten mit rezidivierenden genitalen Mykosen einen besonderen Tipp? Existiert so etwas wie eine Pilzpers&ouml;nlichkeit?<br /><br /> C. Heller-Vitouch:</em></strong> Leider gibt es kein Allheilmittel gegen rezidivierende Mykosen. Die Ursache f&uuml;r die immer wiederkehrende Pilzinfektion ist nicht genau bekannt. Verschiedene Virulenzfaktoren der Erreger, jedoch auch Hostfaktoren wie pr&auml;disponierende Erkrankungen, hormonelle Faktoren, eine genetische Pr&auml;disposition mit Reduktion des Mannose-bindenden Lektins und auch psychische Einfl&uuml;sse werden in Betracht gezogen. Ein erh&ouml;hter Stresslevel konnte bei Personen mit rezidivierender genitaler Candidose objektiviert werden. Ob dieser jedoch urs&auml;chlich beteiligt oder doch eher Folge der sehr belastenden Erkrankung ist, konnte bisher nicht restlos gekl&auml;rt werden.</p> <p><em><strong>Was gibt es Neues auf dem Sektor der STI?<br /><br /> C. Heller-Vitouch:</strong></em> Mycoplasma genitalium wurde erstmals 1980 in Urethralabstrichen von zwei Patienten mit &bdquo;non-gonococcal urethritis&ldquo; (NGU) mittels Elektronenmikroskopie nachgewiesen. Gr&ouml;&szlig;ere Pr&auml;valenzstudien sind erst seit Entwicklung eines PCR-Nachweises m&ouml;glich. Bei Frauen kann Mycoplasma genitalium eine Zervizitis und PID (&bdquo;pelvic inflammatory disease&ldquo;) verursachen, ein Zusammenhang mit Infertilit&auml;t erscheint wahrscheinlich.<br /> Die Therapie gestaltet sich teilweise schwierig. Azithromycin gilt als Mittel der ersten Wahl, Resistenzen sind jedoch h&auml;ufig.</p> <p><strong><em>Und wie lautet Ihre pers&ouml;nliche Botschaft?<br /><br /> C. Heller-Vitouch:</em></strong> Bedenken Sie immer, Sie teilen das Bett nicht nur mit Ihrem Partner, sondern mit allen dessen fr&uuml;heren Sexualpartnern. Kondome sch&uuml;tzen. Jedoch alles hat ein Ende, auch ein Kondom.</p> <p><br />Danke f&uuml;r das Gespr&auml;ch!</p> <p><br />Das Interview f&uuml;hrte Dr. Christine Dominkus</p></p>
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