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Spezifische Juckreizhemmung – Mikrobiomverschiebung – Hemmung der Typ-2-Zytokine
Jatros
30
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23.11.2017
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<p class="article-intro">Im Rahmen des EADV wurden zahlreiche Studien zu Arzneimittelinnovationen vorgestellt: Besonders die Behandlung der atopischen Dermatitis, aber auch anderer juckender Dermatosen dürfte sich in Zukunft deutlich verbessern.</p>
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<p class="article-content"><p>Für diverse dermatologische Indikationen besteht der Bedarf an einer wirkungsvollen Therapie gegen Juckreiz. Chronischer Juckreiz ist das Symptom, das Patienten mit atopischer Dermatitis (AD) am meisten belastet. „Menschen würden 13 % ihrer Lebensspanne dafür hergeben, wenn sie ohne Pruritus leben könnten“, erklärte Dr. Paul Kwon, Menlo Therapeutics Inc., Menlo Park, Kalifornien (CA/USA), bei der Vorstellung von Phase-II-Daten Serlopitant, einem zentral ansetzenden Wirkstoff zur Juckreizbekämpfung (Kwon P: Late Breaking Abstract 4195). Die Stimulation des Tachykinin-Neurokinin-1-Rezeptors (NK1-R) ist ein wesentlicher Signalweg bei der Wahrnehmung von Juckreiz. Dieser Rezeptor wird auf zahlreichen Zelltypen im ganzen Körper exprimiert. Serlopitant ist ein „small molecule“, das hochpotent und selektiv NK1-R antagonisiert. Es kann problemlos die Blut-Hirn-Schranke passieren und bindet mehr als 90 % der NK1-Rezeptoren. Dieser Signalweg ist ein wesentlicher Bestandteil beim Zustandekommen von Pruritus. „Sie fühlen keinen Juckreiz, bevor er nicht an das Neuron weitergegeben wird“, erklärte Dr. Kwon.<br /> In der Dosisfindungsstudie TCP-101 wurde Serlopitant in drei Dosen im Placebovergleich mit 257 Patienten untersucht, die seit mindestens sechs Wochen unter chronischem Juckreiz litten, der nicht oder nur unzureichend auf topische Steroide oder Antihistaminika ansprach. Die Patienten wurden sechs Wochen lang behandelt. Serlopitant führte zu einem statistisch signifikanten Rückgang des Juckreizes. Eine Verbesserung im Vergleich zu Placebo zeigte sich bei der Dosis von 1mg bereits an Tag 2, bei der 5mg-Dosis an Tag 3. In beiden Dosisgruppen blieb die Verbesserung über die ganze Studiendauer bestehen. Mit der 1mg-Dosis wurde der Juckreiz auf einer visuellen Analogskala um 41,2 % reduziert, mit der 5mg-Dosis um 42,5 % . Nebenwirkungen kamen zwar häufiger vor als bei der Behandlung mit Placebo, waren jedoch leicht ausgeprägt.</p> <h2>IL-31-Blockade kontra Pruritus</h2> <p>Eine weitere interessante Neuentwicklung, die effektiv gegen Juckreiz ist, besteht in einem Rezeptorblocker von Interleukin 31. Dieses Zytokin kommt vermehrt in Läsionen von Patienten mit AD vor und korreliert auch eng mit der Krankheitsaktivität.<sup>1</sup> Indem der Teufelskreis aus Juckreiz, Kratzen und verstärktem Juckreiz unterbrochen wird, könnten sich auch die Ekzeme bessern, so die Theorie. In der Tat wurde kürzlich eine Phase-II-Studie mit Nemolizumab publiziert, die zeigte, dass die Therapie mit diesem Antikörper nicht nur zu einer Senkung des Juckreizes um bis zu 63 % auf einer visuellen Analogskala für Pruritus, sondern auch zu einer Verbesserung der Ekzeme von Patienten mit AD führt (Abb. 1). So verbesserte sich ein standardisierter Ekzemscore (Eczema Area and Severity Index) bei Patienten mit mittelschwerer bis schwerer AD um 42 % .<sup>2</sup> Nach Ansicht von Prof. Tilo Biedermann, Abteilung für Dermatologie und Allergologie, Technische Universität München, Deutschland, ist eine alleinige Juckreizhemmung bei AD zwar kein kausaler Therapieansatz, doch Nemolizumab könnte beispielsweise mit einer antiinflammatorischen Therapie wie topischen Steroiden kombiniert werden (Biedermann T: Präsentation D2T10.2C).<br /> Ein weiterer Erfolg versprechender Kandidat zur Behandlung von Juckreiz, speziell im Rahmen einer Psoriasis, ist das „small molecule“ Apremilast, ein Hemmer der Phosphodiesterase 4 (PDE4), der zur Behandlung der mittelschweren bis schweren Psoriasis und Psoriasisarthritis zugelassen ist. Diverse kleinere Untersuchungen zeigten, dass die Substanz einen ausgeprägten Einfluss auf Juckreiz, sowohl im Rahmen der Psoriasis als auch bei diversen Ekzemen, ausübt. Eine Studie aus Graz analysierte retrospektiv den Einfluss einer Behandlung mit Apremilast auf den Juckreiz bei Psoriasispatienten (Sadoghi B et al.: Poster P3070): Dieser wurde anhand einer numerischen Skala von 0 (kein Juckreiz) bis 10 (schlimmster vorstellbarer Juckreiz) untersucht. Über einen Behandlungszeitraum von drei Monaten führte Apremilast zu einem signifikanten Rückgang des Juckreizes von 5,6±0,6 zur Baseline auf 2,4±0,8 nach drei Monaten. Die Hälfte der Patienten hatte nach der Studie gar keinen Juckreiz mehr. Durch die Beseitigung des Juckreizes verbesserte sich auch die Lebensqualität der Patienten signifikant.</p> <h2>Therapeutischer Angriff im Mikrobiom</h2> <p>Omiganan ist ein antimikrobielles Peptid für die lokale Behandlung der AD, das antientzündliche und immunmodulatorische Eigenschaften aufweist. Zudem zeigt es bei grampositiven Pathogenen wie Staphylokokken Aktivität, die vermehrt auf der Haut von Patienten mit AD vorkommen.<br /> In einer Phase-2-Studie mit Patienten mit milder bis mittelstarker AD wurde eine Zielläsion entweder mit einer wirkstofffreien Zubereitung oder mit Omiganan in zwei Dosen (2,5 % und 1 % ) behandelt (Rissmann R: Late Breaking Abstract Nr. 4336). Die Patienten sollten den Juckreiz mithilfe einer App beurteilen und das Ergebnis übermitteln. So erhielten sie auch Erinnerungen, die Mittel aufzutragen.<br /> Die Wirksamkeit von Omiganan wurde anhand des Einflusses auf den Score Atopic Dermatitis (SCORAD) ermittelt, ein standardisiertes Verfahren zur Beurteilung von AD-Symptomen. Bezüglich dieses Endpunkts war die 2,5 % ige Omiganan- Zubereitung signifikant wirksamer als Placebo. Zudem wurde das Mikrobiom bzw. dessen Veränderung in der Zielläsion untersucht. Hier zeigte sich, dass die Zielläsion der Gruppe, die Omiganan 2,5 % aufgetragen hatte, am Studienende deutlich weniger Staphylococcus-Spezies enthielt als zu Studienbeginn. „Wir konnten also tatsächlich beweisen, dass der Wirkmechanismus von Omiganan darin besteht, das Mikrobiom von demjenigen, das für AD-Läsionen typisch ist, zu dem von gesunder Haut zu verschieben“, erklärte Prof. Robert Rissmann, Centre for Human Drug Research, Leiden, Holland.</p> <h2>Dupilumab wirkt auch bei Cyclosporin-Versagen</h2> <p>Der IL-4/IL-13-Blocker Dupilumab hilft auch Patienten mit atopischer Dermatitis (AD), die nur unzureichend auf das Immunsuppressivum Ciclosporin (CsA) ansprechen: Dies war das wichtigste Ergebnis der CAFE-Studie (De Bruin-Weller et al.: Late Breaking Abstract Nr. 4310). In diese Studie wurden Erwachsene mit mittelschwerer bis schwerer AD eingeschlossen, die mit topischen Kortikosteroiden (TCS) unzureichend kontrolliert waren. Zwei Drittel hatten bereits CsA eingenommen, darauf nicht reagiert, diese nicht vertragen bzw. Kontraindikationen aufgewiesen. „Unsere Studienteilnehmer waren wirklich schwer erkrankt“, sagte Dr. Marjolein De Bruin-Weller, Dermatologin, Nationales Expertisezentrum für atopische Dermatitis, Utrecht, Holland, bei der Studienpräsentation.<br /> Der primäre Endpunkt der Studie war der Anteil der Patienten, die nach 16 Wochen im Vergleich zur Baseline eine mindestens 75-prozentige Reduktion ihres „Eczema Area and Severity Index“-Scores (EASI-75) erzielten, eines standardisierten Instruments zur Beurteilung der Schwere einer AD: Rund 59 % der Patienten, die Dupilumab wöchentlich plus TCS erhielten, und 63 % der Patienten, die Dupilumab alle zwei Wochen plus TCS erhielten, erreichten die EASI-75-Verbesserung, dagegen gelang dies nur 30 % der Patienten, die Placebo plus TCS erhielten (p<0,0001).<br /> Die mittlere prozentuale Verbesserung des EASI 16 Wochen nach Baseline (ein sekundärer Endpunkt) betrug 78 % bzw. 80 % bei Patienten, die Dupilumab wöchentlich bzw. alle zwei Wochen mit TCS erhielten, im Vergleich zu 47 % bei Patienten, die Placebo plus TCS erhielten (p<0,0001). „Nicht nur den CsA-naiven, sondern auch den Patienten, die bereits CsA eingenommen hatten, ging es mit Dupilumab besser, und dies bereits nach einer Behandlungszeit von zwei Wochen“, sagte Dr. De Bruin-Weller. Die Behandlung mit Dupilumab war auch verträglich, lediglich eine Konjunktivitis kam häufiger bei den Dupilumab-Patienten vor.</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: 26<sup>th</sup> European Academy of Dermatology and Venereology
(EADV), 13.–17. September 2017, Genf
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Nemoto O et al.: Br J Dermatol 2016; 174: 296-304 <strong>2</strong> Ruzicka T et al.: N Engl J Med 2017; 376: 826-35</p>
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