© Getty Images

Spannende Mundschleimhauterkrankungen interdisziplinär

<p class="article-intro">Eine fachübergreifende, mit rund 150 Ärzten aus Dermatologie, Zahnheilkunde und HNO erstaunlich gut besuchte abendliche Fortbildungsveranstaltung zum Thema Erkrankungen der Mundschleimhaut am 18. Oktober 2017 bei den Elisabethinen in Linz gab interessante Einblicke in dieses spannende immunologische Organ.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Fortbildungen habe ich schon in Innsbruck gerne organisiert&ldquo;, erz&auml;hlte Univ.-Prof. Dr. Norbert Sepp. &bdquo;Ich widme mich dieser Vorliebe nun auch hier in Linz in dreimonatigen Abst&auml;nden, und die Besucherzahl best&auml;tigt uns.&ldquo; Mit &uuml;ber 300m<sup>2</sup> Gesamtoberfl&auml;che ist die Schleimhaut ein wichtiges Organ des Menschen, das permanent Umwelteinfl&uuml;ssen ausgesetzt ist. Vor allem die Mund- und Rachenschleimhaut ist pausenlos mit potenziell pathogenen Erregern und verschiedenen Noxen konfrontiert. Dementsprechend vielf&auml;ltig k&ouml;nnen sich die Krankheitsbilder im oberen Aerodigestivtrakt darstellen, erkl&auml;rte Prof. Dr. Martin Burian, Leiter des HNO-, Kopf- und Halszentrums am Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern, der mit Prof. Sepp zur gemeinsamen Fortbildung geladen hatte. Jeweils ein Mitarbeiter aus beiden Abteilungen, OA Dr. Michael Reisinger f&uuml;r die HNO-Abteilung und O&Auml; Dr. Barbara Ernst f&uuml;r die Dermatologie, beleuchtete gemeinsam mit den Vorst&auml;nden die Pathologien der Mundschleimhaut.</p> <h2>Epiglottitis kommt wieder</h2> <p>Reisinger machte darauf aufmerksam, dass Bienen- und Wespengiftallergiker f&uuml;r den Notfall geschult werden m&uuml;ssen und ihre Notfallmedikation (Notfallset) immer dabeihaben sollten. Eine gute Behandlungsoption bei Grad-2-Reaktionen stellt die spezifische Immuntherapie (SIT) dar. Die Epiglottitis, eine bis zur breitfl&auml;chigen Anwendung der Impfung gegen Haemophilus influenzae Typ B (HiB) hochakute lebensbedrohliche Erkrankung, ist leider wieder im Vormarsch. Bei Erwachsenen selten, tritt die Epiglottitis bei unzureichendem Impfstatus dennoch wieder h&auml;ufiger im Zusammenhang mit Infektionen mit HiB oder anderen Bakterien auf. Die Therapie besteht in station&auml;rer Gabe von Cephalosporinen der 3. und 4. Generation plus hoch dosierten Kortikosteroiden zur Abschwellung der Schleimhaut. Die Letalit&auml;t liegt bei 20 % .</p> <h2>Heredit&auml;res Angio&ouml;dem vor allem in der Steiermark</h2> <p>Das heredit&auml;re Angio&ouml;dem, ein autosomal vererbter Gendefekt, ist selten und betrifft in &Ouml;sterreich rund 180 Personen; es tritt meist in der 1. und 2. Lebensdekade auf. Besonders in der Steiermark ist eine hohe Pr&auml;valenz zu finden. Klinische Symptome sind Schwellungsattacken der Haut (Gesicht, Extremit&auml;ten und Genitalien) sowie Schleimhaut&ouml;deme. Die Therapie besteht in der Gabe von Buscopan bei leichten F&auml;llen und dem Plasmaderivat Berinert oder Firazyr-Injektionen. &Ouml;strogene, Sartane und ACE-Hemmer m&uuml;ssen sofort abgesetzt werden. Im Gegensatz zur landl&auml;ufigen Meinung sind Kortison, Antihistaminika und Adrenalin wirkungslos.</p> <h2>F&auml;lle von Tonsillenkarzinom im Steigen</h2> <p>Prof. Burian kl&auml;rte dar&uuml;ber auf, dass Schwellungen am Hals nach Anamnese, Erscheinungsbild, Lokalisation und Palpationsbefund zu unterscheiden sind. Der Hals wird in sechs Areale unterteilt, welche den Lymphabfluss verschiedener Schleimhautbezirke repr&auml;sentieren (Abb. 1) Essenziell sei es, simple mediale oder laterale Halszysten von Metastasen eines Prim&auml;rtumors zu unterscheiden. Vermehrt werden in letzter Zeit HPV+-Oropharynxkarzinome bei j&uuml;ngeren M&auml;nnern mit h&auml;ufig wechselnden Sexualpartnerinnen und h&auml;ufigem Oralsex diagnostiziert. Burian verwies darauf, dass das HPV+-Tonsillenkarzinom das bereits r&uuml;ckl&auml;ufige Zervixkarzinom &uuml;berholen wird. Die HPV-Impfung, die auch in &Ouml;sterreich f&uuml;r M&auml;dchen und Knaben zwischen dem 9. und 12. Lebensjahr kostenfrei ist, wird unbedingt empfohlen, um die Verbreitung von HPVViren und deren Folgen einzud&auml;mmen. In Australien, wo die HPV-Impfung seit 10 Jahren zum staatlichen Impfprogramm geh&ouml;rt, gibt es so gut wie keine Condylomata acuminata mehr, erg&auml;nzte Prof. Sepp. Die &bdquo;take home messages&ldquo; lauten: Bei fehlenden entz&uuml;ndlichen Schleimhautver&auml;nderungen im Rachenraum und Bestehen einer Schwellung des Halses &uuml;ber 3 Wochen ist eine genaue Abkl&auml;rung durch Sonografie, ein CT und eine Feinnadelbiopsie ratsam. Vor einer Biopsie oder Exstirpation einer Raumforderung am Hals ist ein HNO-Status bzw. eine HNO-&auml;rztliche Abkl&auml;rung sinnvoll.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Derma_1704_Weblinks_s32_abb1.jpg" alt="" width="684" height="798" /></p> <h2>Neue Guidelines zur CSU</h2> <p>&Uuml;ber die akuten und chronischen spontanen Urtikariaformen, die hohen Leidensdruck sowie eine Beeintr&auml;chtigung der Lebensqualit&auml;t mit sich bringen, referierte OA Dr. Barbara Ernst. 40 % der Patienten leiden unter Angio&ouml;demen und Quaddeln. Zur prim&auml;ren Routinediagnostik z&auml;hlen ein Blutbild mit Differenzialblutbild, CRP/BSG, aber auch die Erhebung von Komorbidit&auml;ten wie Depression, somatoformen Erkrankungen etc. NSAR und ACE-Hemmer sind abzusetzen. In der t&auml;glichen Praxis ist unter den Dermatologen der Einsatz eines Patientenfragebogens (Urticaria Activity Score) beliebt, in dem u.a. nach Zeitpunkt, Dauer, zeitlichem Bezug, Verteilungsmuster der Quaddeln, psychosomatischen oder psychiatrischen Erkrankungen gefragt wird. Interessant ist auch, dass sogar positiver Stress wie Vorfreude Urtikaria ausl&ouml;sen kann. Wichtig sei es, an seltene Formen wie die aquagene oder anstrengungsinduzierte Urtikaria oder an eine autoinflammatorische Erkrankung zu denken. Zur Behandlung der Urtikaria sind 2017 neue Leitlinien herausgekommen, in denen Omalizumab eine bedeutende Rolle nach Versagen der modernen, nicht sedierenden (ns) H1-Blocker wie beispielsweise Levocetirizin trotz Steigerung bis zur 4-fachen Dosis spielt. Denn nur 55 % der Patienten sprechen auf die nsH1-Blocker an.</p> <h2>Potpourri</h2> <p>Gastgeber Prof. Sepp f&uuml;hrte abschlie&szlig;end durch ein Potpourri der Mundschleimhauterkrankungen von A bis Z. Von der Gingivostomatitis herpetica &uuml;ber Morbus Reiter, Lupus erythematodes und Lues bis zu h&auml;matologischen Erkrankungen, Riesenzellarteriitis, schlichten infekti&ouml;sen Enanthemen oder dem oralen Erythema exsudativum multiforme zeigte der immunologisch interessierte Dermatologe dem Auditorium einen kleinen Ausschnitt seiner beruflichen Welt. Warum die Veranstaltung interdisziplin&auml;r angelegt war? Weil der Zahnarzt wahrscheinlich derjenige ist, der etwa die typischen Ver&auml;nderungen, hervorgerufen durch Pemphigus vulgaris, eine schwere blasenbildende Autoimmunerkrankung, als Erster sieht. &bdquo;Der Pemphigus vulgaris f&auml;ngt mit Erosionen in der Mundschleimhaut an&ldquo;, sagte Sepp und rief zur Kooperation mit der Fachgruppe der Zahnheilkunde auf. Cave Differenzialdiagnose Lichen ruber und Leukoplakie. Dunkle Flecken an der Mundschleimhaut k&ouml;nnen sich als Melanom herausstellen, bei Aphten an der Zunge ist an Herpes simplex zu denken. Jedenfalls sollte bei unklaren L&auml;sionen an der Mundschleimhaut eine Biopsie, im optimalen Fall durch den Zahnarzt oder Kieferchirurgen, durchgef&uuml;hrt werden, der Dermatologe gibt exakt die Lokalisation an.<br /> Diese Fortbildung zeigte in vorbildlicher Weise die in Linz gut gelebte Interdisziplinarit&auml;t.</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: Fortbildungsveranstaltung „Mundschleimhauterkrankungen aus Sicht des Dermatologen, Allergologen und HNO-Arztes“, 18. Oktober 2017, Ordensklinikum Linz Elisabethinen </p>
Back to top