
Risiken von Infektionskrankheiten in der Schwangerschaft
Autor:
Prim. Univ.-Doz. Dr. Robert Müllegger
Abteilung für Dermatologie und Venerologie
Landesklinikum Wiener Neustadt
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Infektionskrankheiten und deren Behandlung haben unterschiedliche Auswirkungen auf die werdende Mutter wie auch das Kind. Eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung vor der Behandlung ist nicht zuletzt deshalb unumgänglich, da viele Medikamente „off-label“ angewendet werden müssen.
Schwangere Frauen können von einem großen Spektrum von Infektionserkrankungen betroffen sein, die mindestens ein Drittel aller Hautaffektionen in der Schwangerschaft ausmachen. Sie sind nicht durch die Schwangerschaft per se bedingt oder spezifisch für dieselbe, wie die sogenannten spezifischen Schwangerschaftsdermatosen (Pemphigoid gestationis, polymorphe Schwangerschaftsdermatose, intrahepatische Schwangerschaftscholestase, atopische Schwangerschaftsdermatose), jedoch können klinisches Erscheinungsbild und Verlauf durch die Schwangerschaft moduliert werden. Einige dieser Erkrankungen stellen potenziell ein Risiko für das Kind dar. Dieses kann im Falle einer hämatogenen Verbreitung des Krankheitserregers diaplazentar infiziert werden, aber auch durch eine aszendierende Infektion über den Geburtskanal, insbesondere während des Geburtsvorganges.
Vier potenzielle Risikokonstellationen bei Infektionskrankheiten in der Schwangerschaft sind zu berücksichtigen.
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Ein erhöhtes Risiko der Schwangeren im Vergleich zu nicht schwangeren Frauen, eine Infektionskrankheit zu akquirieren oder einen schwereren Krankheitsverlauf zu erleiden.
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Risiken für den Fetus durch die mütterliche Infektionskrankheit, inklusive Fehlgeburt, Frühgeburt, vermindertes Geburtsgewicht, fetaler Distress und kongenitale Malformationen durch eine diaplazentare Infektion.
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Ein Risiko für das Neugeborene durch eine Infektionskrankheit der Mutter in der unmittelbaren Perinatalperiode.
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Ein Risiko für das Ungeborene durch eine Therapie mit Antiinfektiva. Es ist bei jedem in der Schwangerschaft eingesetzten Medikament das Nutzen-Risiko- Verhältnis einzuschätzen, also die Gefahr der eventuellen Teratogenität eines Medikamentes gegenüber der durch Nichtbehandlung der Infektionskrankheit abzuwägen. Die Gefahr durch Nichtbehandlung einer Infektionskrankheit darf nicht unterschätzt werden.
1. Erhöhtes Risiko durch die Infektionskrankheit für die Schwangere
Die profunde Umstellung der hormonellen Konstellation in der Schwangerschaft, insbesondere die starke Erhöhung von Östrogen, führt zu einer Dysbalance zwischen Th1- und Th2-Immunantwort. Im Vergleich zur nicht schwangeren Frau kommt es zu einer Dominanz der Th2-Immunantwort und Herunterregulierung der Th1- und Th17-Antwort. Diese Beeinflussung des Immunsystems ist physiologisch wichtig, um eine Abstoßungsreaktion des Fetus zu verhindern, der einen Semi-Allograft darstellt. Die Umstellung bewirkt jedoch eine Einschränkung der mütterlichen zellulären Immunkompetenz, aus der eine verminderte Abwehrfähigkeit gegen Viren und Candida resultiert. Beispiele für schwerere Krankheitsverläufe umfassen Varizellen, Herpes genitalis, Condylomata acuminata, Erythema infectiosum, Masern, Enterovirus-Infektionen und auch die in jüngerer Zeit bedeutend gewordenen Infektionen mit SARS-CoV-2 sowie Affenpocken.
Varizellen werden durch die Primärinfektion eines Menschen mit dem Varicella-Zoster-Virus (VZV) ausgelöst, was in der Schwangerschaft erfreulicherweise selten vorkommt. Die Inzidenz für Varizellen in westlichen Industriestaaten liegt bei 1 bis 5 pro 10000 Schwangerschaften. Neutralisierende Antikörper gegenüber dem Virus entwickeln sich erst 3 bis 4 Tage nach Exanthembeginn. Die Schwangere kann einen schwereren Krankheitsverlauf erleiden, insbesondere während des dritten Trimenons, bei schweren Hautveränderungen (mehr als 100 Einzelläsionen) und bei Nikotinabusus. Dieser Verlauf umfasst ein bis zu 20% erhöhtes Risiko für eine (manchmal schwere) Pneumonie, die durch bakterielle Superinfektion kompliziert werden und in einem „Acute Respiratory Distress Syndrome“ (ARDS) münden kann. Die Pneumonie entwickelt sich meist 3 bis 5 Tage nach Exanthembeginn und ist potenziell lebensbedrohlich (Mortalität14% trotz adäquater Therapie). Weitere Komplikationen umfassen Enzephalitis, Hepatitis, Sepsis, disseminierte intravaskuläre Koagulation und metabolische Enzephalopathie.
Zu einer akuten Primärinfektion mit dem Herpes-simplex-Virus (häufiger mit Typ 2 als mit Typ 1) kommt es bei ca. 2% aller schwangeren Frauen. Der resultierende Herpes genitalis verläuft manchmal schwerer bis hin zu einer Virusdissemination mit Enzephalitis, Hepatitis und Koagulopathie, einem potenziell lebensbedrohlichen Zustandsbild.
Weiters sind die Aktivierung und die Infektiosität von humanen Papillomaviren (Typ 6 und 11) in der Schwangerschaft gesteigert, was zur Entwicklung neuer, leicht irritierbarer, brüchiger und blutender Genitalwarzen führen kann. Diese zeigen ein rascheres Wachstum zu großen Läsionen. Eine Obstruktion oder Dysfunktion des Geburtskanals resultiert daraus jedoch selten.
Schließlich ist die Vulvovaginitis candidomycetica in der Schwangerschaft häufiger als zu jedem anderen Zeitpunkt des Lebens einer Frau. Sie betrifft etwa ein Drittel aller Schwangeren. Das Risiko für eine Candida vulvovaginitis ist im 2. Trimenon am höchsten. Ursächlich sind die eingeschränkte Th17-Immunität sowie Veränderungen im vaginalen Milieu (erhöhte Glykogenkonzentration, erniedrigter pH-Wert). Hierdurch werden Wachstum, Germination und Adhärenz der Pilze gefördert. Die Symptome können aggraviert sein, insbesondere in der späten Schwangerschaft.
2. Kongenitale Infektionen
Virale Erkrankungen stellen das größte Risiko für eine kongenitale Infektion dar. Die Folgen hängen vom Infektionszeitpunkt in der Schwangerschaft ab. Das Risiko für eine diaplazentare Übertragung und konsekutive Missbildung ist während des ersten Trimenons am größten. Da das Risiko für eine Infektion der Mutter hingegen rund um den Geburtszeitpunkt am höchsten ist, resultiert in Summe ein geringes Risiko für kongenitale Infektionen für die meisten Viruserkrankungen (≤1%). Als Beispiel für die Zeitabhängigkeit soll die VZV-Infektion dienen: Findet diese in der ersten Schwangerschaftshälfte statt, kann es zu einer Totgeburt oder einem kongenitalen Varizellen-Syndrom kommen, in der Perinatalperiode können neonatale Varizellen resultieren. Bei einer Infektion im 2. bis 3. Trimenon ist die Wahrscheinlichkeit für einen infantilen Herpes Zoster erhöht. Aufgrund des hohen Gefahrenpotenzials sind kongenitales Varizellen-Syndrom und kongenitale Herpes-simplex-Infektion von besonderer Bedeutung und werden im Weiteren ausgeführt.
2.1. Kongenitales Varizellen-Syndrom
Die niedrige Inzidenz von Varizellen in der Schwangerschaft und die diaplazentare Infektionsrate von nur 25% begründen, dass es nur in 2% der Fälle mütterlicher Varizellen zu klinisch apparenten Malformationen kommt bzw. die Inzidenz des kongenitalen Varizellen-Syndroms bei unter 1 pro 100000 Lebendgeburten und Jahr liegt. Für die USA ist jährlich mit über 40 Fällen und für Großbritannien mit jährlich ca. 7 Fällen zu rechnen. Das größte Risiko für die Entwicklung besteht bei Infektion zwischen der 13. und 20. Schwangerschaftswoche. Das kongenitale Varizellen-Syndrom ist meist eine multisystemische Malformation. Die Haut ist in 100% der Fälle mit dermatomal angeordneten Ulzerationen und tiefen Zoster-artigen Vernarbungen sowie Kontrakturen betroffen. Begleitend kommt es in über 80% der Fälle zu Hypoplasie und Deformität der betroffenen Extremität. Erniedrigtes Geburtsgewicht besteht bei 80% der Kinder, Augenfehlbildungen, wie Mikrophthalmus, Katarakt und Chorioretinitis, in 60% und neuropsychiatrische Manifestationen in 30% der Fälle (Mikrozephalie, kortikale Atrophie, Enzephalitis, Hydrozephalus, Kalzifikationen). Es resultieren u.a. psychomotorische Retardierung und Krampfanfälle. Bei Affektion des autonomen Nervensystems können eine neurogene Blase und Hydronephrose sowie eine Ösophagusdilatation mit ausgeprägtem Reflux auftreten, was über schwere rezidivierende Aspirationspneumonien und Ateminsuffizienz zum Tod führen kann. Die Mortalitätsrate beträgt 30%. Eine postpartale intravenöse Aciclovir-Therapie ist nur im Falle klinischer Zeichen einer Aktivität oder positiver VZV-PCR angezeigt. Engmaschige Ultraschalluntersuchungen bei Varizellen in der Schwangerschaft sind dringend indiziert. Ein Schwangerschaftsabbruch ist nur für den Fall empfohlen, dass bei seriellen Untersuchungen signifikante Abnormitäten (wie oben beschrieben) festgestellt werden.
2.2. Kongenitale Herpes-simplex-Infektion
Sie ist die Folge einer diaplazentaren Virusübertragung im Rahmen einer hämatogenen Dissemination der Infektion der Mutter (in der Regel Primärinfektion), meist vor der 20. Schwangerschaftswoche. Das Risiko für eine Übertragung liegt bei maximal 5%. In einem Viertel der Fälle kommt es zum Abortus, andernfalls zur kongenitalen Malformation, die vordergründig das Auge (Chorioretinitis, Mikrophthalmus) und das Gehirn (Mikroenzephalie, Hydranenzephalie) betrifft. An der Haut sind Narben und Ulzerationen zu erkennen, manchmal mit randständigen Bläschen. Die Mortalität ist hoch, Überlebende leiden häufig unter Zerebralparese bzw. einer ausgeprägten neurologischen Entwicklungsstörung.
3. Risiko des Neugeborenen durch eine perinatale Infektion der Mutter
Das Risiko für eine (ernste) Infektion des Neugeborenen ist bei einer Primärinfektion der Mutter in der Perinatalperiode am größten. Dies erklärt sich durch das Zusammentreffen einer hohen Virusdosis und eines unreifen infantilen Immunsystems mit einem inadäquaten Spiegel protektiver maternaler Antikörper, zu deren stärkerer Produktion und Übertragung auf den Feten bis zur Geburt keine ausreichende Zeit bestand. Es ergeben sich eine unlimitierte Replikation und Ausbreitung des Virus mit einem schwereren Krankheitsverlauf beim Neugeborenen. Bedeutende Beispiele sind die neonatalen Varizellen und der neonatale Herpes.
3.1. Neonatale Varizellen
Diese können bei Varizellenerkrankung der Mutter 5 Tage vor bis 2 Tage nach der Geburt entstehen. Das Risiko hierfür liegt bei 20–50%, was sich in eine Inzidenz von 6 Fällen pro 100000 Lebendgeburten und Jahr übersetzt. Die Infektion erfolgt in der Regel diaplazentar während der Virämie, seltener aszendierend über den Geburtskanal oder aerogen nach der Geburt. Der Erkrankungsbeginn liegt zwischen 0 und 12 Tagen nach der Geburt. Es besteht ein massives, oft hämorrhagisches und/oder nekrotisierendes vesikulöses Exanthem. Die Infektion kann sich zu einer schwerwiegenden Multisystemerkrankung entwickeln, in deren Vordergrund Pneumonie und Hepatitis stehen, jedoch können faktisch alle Organe betroffen sein (Glomerulonephritis, Meningoenzephalitis, Myokarditis, Vaskulitis, Koagulopathie etc.). Die Todesrate liegt unbehandelt bei bis zu 30%, mit Therapie bei 10%. Das Risiko für Herpes Zoster bis zum 10.Lebensjahr nach neonatalen Varizellen ist verzehnfacht.
3.2. Neonataler Herpes
Die meisten Fälle entstehen durch Exposition gegenüber dem Herpes-simplex-Virus im Geburtskanal. Das Risiko für eine Transmission ist bei Primärinfektion im 3. Trimenon 25 bis 50%, bei einem Rezidiv nur 1 bis 3%. Der Unterschied erklärt sich aus der Differenz des zervikalen Sheddings zum Zeitpunkt der Geburt zwischen primärer Infektion und Rezidiv von 80 zu 13%. Die Inzidenz liegt bei ca. 10 Fällen pro 100000 Geburten. Eintrittspforten sind Haut, Oropharynx und/oder Konjunktiven. Es wird zwischen 3 Formen des neonatalen Herpes unterschieden, die alle zwischen 1 bis 2 Wochen nach der Geburt, selten bis zu 6 Wochen danach (Enzephalitis) auftreten. Neben der mukokutanen Form (Haut-, Auge-, Mundtyp) gibt es den Enzephalitis-Typ mit oder ohne Haut- und Augenbeteiligung und die disseminierte Form. Der Schweregrad wird von Typ zu Typ größer, was sich in der zunehmenden Todesfallrate von 20% über 50% bis zu 90% sowie in der Entwicklung neurologischer und/oder ophthalmologischer Spätfolgen ausdrückt. Die Enzephalitis ist nekrotisierend-hämorrhagisch lymphohistiozytär und involviert insbesondere Temporallappen und Insel. Die disseminierte Form betrifft zahlreiche Organe, an erster Stelle die Leber mit fulminanter Hepatitis und das Gehirn. An der Haut können disseminierte und/oder gruppierte Vesikel, manchmal auch nur erythematöse oder purpurische Maculae erkannt werden. Hautveränderungen sind bei einem Drittel der Kinder initial vorhanden, bei einem weiteren Drittel entwickeln sie sich über die Zeit, während sie bei einem Drittel der Kinder fehlen. Eine Beschränkung auf das Hautorgan gibt es jedoch nur bei 10% der Fälle. Jede Körperregion kann betroffen sein, dem Geburtsvorgang entsprechend jedoch in erster Linie Skalp/Vertex und Gesicht, bei Beckenendlage auch das Gesäß und die Perianalregion.
3.3. Condylomata acuminata
Eine vertikale Transmission des humanen Papillomvirus auf das Neugeborene während der Geburt ist selten. Das Risiko ist bei floriden Kondylomen der Mutter erhöht, insbesondere bei einer neu akquirierten Infektion. Ein Geburtsvorgang über 10 Stunden oder frühzeitiger Blasensprung steigern die Wahrscheinlichkeit der Übertragung. Diese kann zu neonatalen anogenitalen, oralen und konjunktivalen Läsionen führen, was speziell bei Frühgeborenen oder Traumata (z.B. bei Intubation) geschieht. Eine laryngeale Papillomatose ist gefürchtet, aber selten. Lediglich ca. 7 von 1000 Neugeborenen von Müttern mit genitalen Kondylomen erkranken an der juvenilen Form der respiratorischen Papillomatose. Ein weiteres Risiko besteht in einer Bakterienvermehrung im Bereich großer Warzen mit sekundärem Aszendieren im Geburtskanal, Chorioamnionitis, fetaler Infektion in utero und vorzeitigem Blasensprung.
4. Therapiebedingtes Risiko für das Kind
Aus ethischen Überlegungen sind schwangere Frauen von den allermeisten klinischen Studien ausgenommen, inklusive Studien mit Antiinfektiva. Daher liegen keine direkt etablierten Sicherheitsdaten vor und Medikamente werden in aller Regel „off-label“ eingesetzt. Wenige Medikamente sind signifikant teratogen. Geringe Teratogenitätsrisiken oder Beeinflussungen der fetalen Entwicklung sind jedoch für zahlreiche Medikamente unbekannt.
4.1. Aciclovir und Valaciclovir
Es handelt sich um Nukleosidanaloga, die im besprochenen Setting bei Varizellen, kompliziertem Herpes Zoster und Herpes genitalis der Mutter sowie neonatalen Varizellen und Herpes neonatorum indiziert sind. Über eine orale oder intravenöse Applikation entscheiden der Zeitpunkt der Infektion, das Infektionssetting (primäre Infektion versus Rezidiv) und der Schweregrad der Erkrankung. Varizellen der Mutter müssen zwingend und prompt (binnen 24 bis 72 Stunden nach Exanthembeginn) mit Aciclovir behandelt werden. Im unkomplizierten Falle (Exanthemdauer unter 24 Stunden und Schwangerschaftszeitpunkt >20. Woche) wird peroral mit 5 x 800mg pro Tag therapiert, bei jeglicher Komplikation (z.B. hämorrhagisches Exanthem, Pneumonie, Enzephalitis) wird intravenös mit 3 x 10 bis 15mg/kg KG pro Tag für 5–10 Tage behandelt. Aciclovir senkt signifikant die fetomaternale Morbidität und Mortalität. Aciclovir passiert passiv und aktiv transportiert die Plazenta. In Tierexperimenten hat es sich jedoch als nicht teratogen erwiesen. In der Humanmedizin sind in verschiedenen Registern, die mehrere tausend Schwangerschaften, inklusive solche im 1. Trimenon, umfassen, keine Medikamenten-bedingten fetalen Schädigungen aufgezeichnet. Es überwiegt somit der Nutzen eindeutig das Risiko. Zumal jedoch keine Studien hierzu vorliegen und keine Zulassung in der Schwangerschaft besteht, ist bei „Off-label“-Anwendung dringend geraten, eine Einverständniserklärung einzuholen. Valaciclovir ist in der Schwangerschaft ebenfalls einsetzbar, auch wenn weniger Registerdaten dazu vorhanden sind. Die Dosis beträgt bei Varizellen 3 x 1g pro Tag.
4.2. Behandlung der Vulvovaginitis candidomycetica
Die topische Therapie mit Cremen und Vaginalsuppositorien ist der oralen Therapie vorzuziehen und üblicherweise ausreichend. Allerdings ist das klinische Ansprechen eventuell langsamer und Rezidive in der Schwangerschaft sind häufiger. Externa erzielen eine klinische und mykologische Abheilungsrate in 80 bis 90% der Fälle. Alle topischen Azol-Antimykotika sind gleichermaßen geeignet (Clotrimazol, Econazol, Fenticonazol, Isoconazol, Miconazol), jedoch ist Clotrimazol das Mittel der ersten Wahl. Dieses wird als 1%ige Creme 7 bis 14 Tage verwendet, die Vaginalsuppositorien werden in der 100-mg-Dosierung 6 Tage, in der 200-mg-Dosierung 3 Tage oder als 500-mg-Einmalgabe angewendet. Für Clotrimazol besteht die größte Erfahrung und es gibt auch einige Studien zum Einsatz in der Schwangerschaft. Die Absorption ist minimal, embryo- oder fetotoxische Effekte wurden bislang nicht beobachtet. Allerdings besteht die Möglichkeit der Induktion eines Spontanabortus bei Anwendung im ersten Trimenon. Wenn zu diesem Zeitpunkt unbedingt notwendig, soll die Applikation auf kleine Areale beschränkt bleiben. Nystatin wird ebenfalls nur minimal absorbiert und führt nicht zu kongenitalen Defekten, jedoch sind die Erfahrungen geringer und es ist weniger effektiv als Clotrimazol.
Eine systemische Therapie soll nur bei massiver Erstinfektion mit ausgeprägter Inflammation mit Azolen erfolgen. Für Fluconazol besteht die größte Erfahrung und es stellt daher die erste Wahl dar. Es besteht kein erhöhtes Risiko für Totgeburt, Frühgeburt oder erniedrigtes Geburtsgewicht, inklusive im ersten Trimenon bei Einsatz niedriger Dosen, allerdings wurden Spontanaborte bei Dosen über 150mg pro Tag im 1. Trimenon beobachtet. Teratogene Effekte treten im Tierexperiment nur nach sehr hohen Dosen auf. In der Humanmedizin wurden ebenfalls bei Dosen über 150mg während des 1. Trimenons kardiale Septumdefekte, Lippen-GaumenSpalte, Transposition großer Gefäße und muskuloskelettale Malformationen beobachtet. Es liegt der Schluss nahe, dass orales Fluconazol nur in Standarddosen bis 150mg pro Tag für die kürzestmögliche Periode eingesetzt werden soll, mit besonderer Berücksichtigung des 1. Trimenons. Alternativ kann Itraconazol (200–400mg 1x oder 200mg pro Tag für 2–7 Tage) gegeben werden. Es besteht ein erhöhtes Risiko für Augendefekte. Ketoconazol ist zwar nicht teratogen, aber wegen gastrointestinaler Nebenwirkungen, Pruritus und Hepatotoxizität in der Schwangerschaft nicht empfohlen.
Literatur:
beim Verfasser
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