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Raffael
Jatros
30
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23.11.2017
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<p class="article-intro">Eine herrliche Ausstellung in der Wiener Albertina von 29. September 2017 bis 7. Jänner 2018 eröffnet dem Kulturliebhaber neben dem Erleben seiner Kunstwerke interessante Einblicke in das Leben des berühmten Renaissancemalers Raffael.</p>
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<p class="article-content"><p>Raffaello Sanzio da Urbino, genannt Raffael, bildet mit Leonardo da Vinci und Michelangelo das große Dreigestirn der italienischen Renaissance. Der jung verstorbene Meister (1483–1520) gilt darüber hinaus zu Recht als einer der größten Zeichner der Kunstgeschichte. Die Albertina widmet Raffael mit rund 150 Exponaten eine groß angelegte Ausstellung. Ausgehend von den bedeutenden Beständen der Albertina und ergänzt um die schönsten und wichtigsten Zeichnungen bedeutender Museen wie der Uffizien, der britischen Royal Collection, des British Museum, des Louvre, der Vatikanischen Museen und des Ashmolean Museum in Oxford, stellt die monografische Schau die künstlerische Konzeption Raffaels ins Zentrum: Sie reicht von den ersten spontanen Ideenskizzen, virtuosen Detailstudien über Kompositionsstudien bis zu den ausgeführten Gemälden.</p> <h2>Harmonie und ideale Schönheit</h2> <p>Ob als Maler in Umbrien, Florenz und Rom oder im Auftrag von Päpsten und weltlichen Fürsten – Raffael war ein wahres Universalgenie der Hochrenaissance, stets auf der Suche nach vollendeter Schönheit, die er durch ein Äquilibrium zwischen Naturnachahmung und Idealität zu erreichen trachtete. Die Ausstellung dokumentiert mit rund 130 Zeichnungen und 18 Gemälden sämtliche bedeutende Projekte des Künstlers: Von der frühen umbrischen Periode (bis 1504) über die Jahre des Florenz-Aufenthaltes (1504– 1508) bis hin zur römischen Zeit (1508/1509–1520), als er sich stark mit der Antike auseinandersetzte, sind beeindruckende Werke aus allen Schaffensphasen zu sehen.<br /><br /> Auf universelle Weise bringt Raffael allgemeine menschliche Aspekte seiner Geschöpfe, ihren Charakter, ihr Wesen, ihre Gefühle und die Motivation ihres Tuns zum Ausdruck. Obwohl er den Menschen genau beobachtet, idealisiert er ihn und gibt ihm dadurch transzendente Bedeutung. Interessant ist gerade bei den Madonnenbildern, dass Raffael die anatomisch korrekte Wiedergabe mitunter zugunsten einer eleganten Pose vernachlässigt. Überlange Beine und überdrehte Gelenke treten in den Dienst von Grazie und einer geometrisch perfekt ausgewogenen Komposition (so etwa wenn Madonna und Kind zu einer Dreiecksform zusammengefasst sind). Seine Figuren treten durch ihre Handlungen in Beziehungen zueinander, Gegensätze und Spannungen werden jedoch vermieden zugunsten überirdischer Harmonie und kompositioneller Einheit. Raffaels Werke sind erfüllt von einer verheißungsvollen Botschaft, die heute noch verzaubert. Seine Madonnenbilder drücken die innige Beziehung zwischen Mutter und Kind auf intensiv spürbare Art und Weise aus. Hier geht es nicht um die Darstellung einer entrückten Himmelskönigin, sondern um nachvollziehbare Gefühle: Devotion durch Mitgefühl. Die dahinter verborgene tiefe Emotionalität mag mit dem frühen Verlust der eigenen Mutter im Alter von acht Jahren zusammenhängen.<br /> Stärker als Leonardo da Vinci oder Michelangelo setzt sich Raffael mit der Kunst seiner Zeitgenossen und Vorgänger auseinander, nimmt sie auf, verarbeitet sie und kommt schließlich zu gänzlich eigenständigen Lösungen. Durch die Beschäftigung mit dem Ideal der Antike erhalten seine Geschöpfe Monumentalität, Würde und Erhabenheit, und so wird Raffael zu einem der bedeutendsten Historienmaler im klassischen Stil. Seine ab 1508 für Papst Julius II. ausgeführten, großformatigen Wandbilder in den päpstlichen Privatgemächern stellen alles bisher Dagewesene in den Schatten. Neben seiner Tätigkeit als Maler in Florenz und am päpstlichen Hof in Rom war Raffael auch Bauleiter von Sankt Peter und Aufseher bei den römischen Antiken. Als Vorstand einer großen und effizienten Werkstatt bildete er auch viele Schüler aus und prägte eine ganze Generation von Künstlern.<br /> Raffael wurde auf eigenen Wunsch im Pantheon in Rom, heute Santa Maria ad Martyres, in einem antiken Sarkophag bestattet, mit der Inschrift „Ille hic est Raphael, timuit quo sospite vinci rerum magna parens et moriente mori“. „Dieser hier ist Raffael, von dem die große Mutter der Dinge [= die Natur] fürchtete übertroffen zu werden, solange er lebte, und mit ihm zu sterben, als er starb.“ Eine Visite der prachtvollen Ausstellung hinterlässt beim Besucher ein überraschend positives Gefühl, man verlässt voller Glücksgefühle die Albertina. Ein guter Tipp, um der Raserei der Adventzeit zu entkommen.</p></p>