
Plättchenreiches Plasma zur Behandlung der androgenetischen Alopezie
Klinische Abteilung für Angiologie<br>Medizinische Universität Graz<br>E-Mail: paul.gressenberger@medunigraz.at
Kaum etwas beeinflusst unser Aussehen mehr als eine Veränderung oder der Verlust der Kopfhaare. Die häufigste Form des Haarausfalls, die androgenetische Alopezie (AGA), ist eine genetisch bedingte individuelle Empfindlichkeit der Haarfollikel gegenüber Androgenen, die sowohl Männer als auch Frauen betreffen kann und mit dem Alter fortschreitet.1 Das Interesse an gut wirksamen Behandlungsmöglichkeiten ist groß.
Keypoints
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Aktuell mangelt es an zufriedenstellenden Möglichkeiten zur Behandlung der androgenetischen Alopezie (AGA).
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Plättchenreiches Plasma (PRP) wird als effektive und nebenwirkungsarme Methode dargestellt, die Studienlage ist jedoch widersprüchlich.
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Unsere placebokontrollierte klinische Pilotstudie konnte keine haarwuchsfördernde Wirkung von PRP nachweisen. Dennoch waren die Probanden mit dem Ergebnis zufrieden.
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Angesichts des derzeit geringen Evidenzniveaus ist die Behandlung der AGA mit PRP in einer großen, randomisierten, placebokontrollierten Studie weiter zu untersuchen.
Volles Haar gilt als Zeichen von Jugendlichkeit und Schönheit, und der Wunsch von Männern, jung und attraktiv auszusehen, hat in den letzten Jahren sicherlich zugenommen, weshalb Haarverlust oft negative Auswirkungen auf das Selbstwertgefühl und die Eigenwahrnehmung haben kann.2,3 Leider mangelt es an zufriedenstellenden effektiven Behandlungsmöglichkeiten der AGA.4 Minoxidil und Finasterid sind zwar klinisch validiert, die Behandlung damit ist jedoch langwierig und bringt potenzielle Nebenwirkungen wie Störungen der Sexualfunktion mit sich, die teilweise auch noch nach Absetzen des Medikaments anhalten können.4,5 Haartransplantationen liefern prinzipiell gute Ergebnisse und können zu einer dauerhaften Verbesserung des Haarausfalls führen, aufgrund der hohen Kosten und der Scheu vor einem chirurgischen Eingriff, sind sie für viele Patienten jedoch keine Option.
Widersprüchliche Studienlage
Im Bereich der ästhetischen Medizin werden seit einigen Jahren Behandlungen mit plättchenreichem Plasma (PRP) für immer mehr Indikationen angeboten, besonders zur Behandlung der AGA wird die Therapie mit PRP als effektive und nebenwirkungsarme Methode dargestellt.6 In den letzten Jahren wurden einige klinische Studien publiziert, die unterschiedliche, wenngleich eher positive Ergebnisse geliefert haben, was Betroffenen und auch Ärzten Hoffnung macht.7 Die Ergebnisse wurden jedoch in methodisch schwachen Studien beobachtet, weshalb Schlussfolgerungen daraus eher kritisch betrachtet werden sollten.7 Insbesondere mangelt es an Daten aus randomisierten kontrollierten Studien.

Abb. 1: 3 ml PRP bereit zur Injektion
Pilotstudie aus Graz liefert wenig überzeugende Ergebnisse
Aus diesem Grund haben wir an der Universitätsklinik für Dermatologie in Graz eine placebokontrollierte klinische Pilotstudie ausgearbeitet, die eher ernüchternde Ergebnisse lieferte.8 Unsere Studie umfasste 30 männliche Probanden mit unbehandelter AGA, wovon 20 mit PRP und 10 mit physiologischer Kochsalzlösung behandelt wurden. Fünf PRP-Behandlungen wurden in Intervallen von 4 bis 6 Wochen durchgeführt und es erfolgten zwei Nachuntersuchungen, 4 Wochen und 6 Monate nach der letzten Behandlung. Änderungen der Haarzahl und des Haardurchmessers wurden mit dem TrichoScan-System gemessen. Die Bewertung der klinischen Verbesserung erfolgte durch eine unabhängige Person anhand von Vorher- und Nachherbildern mittels einer Likert-Skala. Zusätzlich wurde die Zufriedenheit der Probanden mit einem Fragebogen erhoben.
Wir konnten keine haarwuchsfördernde Wirkung beobachten, doch der Großteil der Probanden in beiden Gruppen erklärte sich mit dem Ergebnis zufrieden, hätte die Behandlungen anderen Betroffenen weiterempfohlen und wäre bereit gewesen, für die Behandlungen zu bezahlen. Interessanterweise stellten ähnlich wie in unserer Studie immerhin zwei weitere randomisierte kontrollierte PRP-Studien, in denen nach PRP-Injektionen keine Verbesserung des Haarausfalls festgestellt wurde, trotz negativer Ergebnisse eine Zufriedenheit der Patienten fest.9,10 Diese positive Bewertung, trotz fehlender messbarer Verbesserung, ist möglicherweise auf einen gewissen Placeboeffekt zurückzuführen.

Abb. 2: Patient nach der Applikation des Blutplasmas
Kritische Aspekte der PRP-Behandlung
Es gibt viele Faktoren, die die Ergebnisse der unterschiedlichen Studien beeinflusst haben könnten. Tatsächlich besteht auf dem Gebiet kein allgemeiner Konsens über mehrere potenziell kritische Aspekte der PRP-Haarbehandlung. Diese Aspekte umfassen Eigenschaften des PRP wie z.B. die Thrombozytenkonzentration, die Häufigkeit und Intervalle der verabreichten Behandlungen, die Applikationsweise sowie das PRP-Volumen, das pro Flächeneinheit injiziert wird. Andere Unklarheiten beinhalten die Wirkung von Begleitbehandlungen mit Minoxidil und Finasterid sowie den parallelen Einsatz von mechanischen Stimulationsmethoden wie z.B. Micro-Needling in Verbindung mit der PRP-Verabreichung. Es gibt auch Hinweise darauf, dass bestimmte Patienten, bei denen der Haarausfall noch nicht so weit fortgeschritten ist, bessere Kandidaten für eine PRP-Behandlung sein könnten, bzw. gibt es Untersuchungen, die darauf hinweisen, dass einige Patienten PRP-Nonresponder sein könnten.11 Andere Ursachen für die unterschiedlichen Ergebnisse von Studien könnten die Auswertungsmethoden der Haarwachstumsparameter und der Zeitpunkt der Nachuntersuchungen sein. Die Auswertung erfolgt oft subjektiv anhand von Vorher-/Nachherbildern oder mit dem Haarzupftest und es fehlt beispielsweise eine systematische Bewertung der Haarwachstumsparameter (z.B. TrichoScan-Messungen). Mit Ausnahme einer Studie wurden keine Langzeit-Nachuntersuchungen durchgeführt. In dieser Studie von Gentile et al.12 wurde 12 Monate nach den PRP-Injektionen bei 20% der Probanden ein fortschreitender Haarausfall beobachtet. Dies scheint eine logische Konsequenz zu sein, da AGA mit dem Alter fortschreitet und daher wahrscheinlich Behandlungen in regelmäßigen Abständen erforderlich sind, um die Wirkung aufrechtzuerhalten. Diese Beobachtung ist von besonderer klinischer Bedeutung, da die hohen Kosten der PRP-Behandlung für viele Patienten die Anwendung über einen längeren Zeitraum ausschließen.
Zusammenfassung
Die Ergebnisse unserer wie auch anderer Studien legen nahe, dass die Behandlung mit PRP als Monotherapie das Haarwachstum bei Männern mit AGA nicht verbessert. Obwohl einige Studien darauf hingewiesen haben, dass PRP zumindest bei gewissen Patienten das Haarwachstum positiv beeinflussen könnte, machen wesentliche Unterschiede im Studiendesign es schwierig, konkrete Schlussfolgerungen über die klinische Wirksamkeit zu ziehen. Daher müssen angesichts des derzeit geringen Evidenzniveaus PRP und ein standardisiertes Behandlungsprotokoll in einer großen, randomisierten, placebokontrollierten Studie weiter untersucht werden.
Literatur:
1 Miranda BH et al.: Androgens trigger different growth responses in genetically identical human hair follicles in organ culture that reflect their epigenetic diversity in life. FASEB J 2018; 32: 795–8062 Han SH et al.: Quality of life assessment in male patients with androgenetic alopecia: result of a prospective, multicenter study. Ann Dermatol 2012; 24: 311-8 3 Montes JR et al.: Evaluation of men‘s trends and experiences in aesthetic treatment. J Drugs Dermatol 2018; 17: 941-946 4 Blumeyer A et al.: Evidence-based (S3) guideline for the treatment of androgenetic alopecia in women and in men. J Dtsch Dermatol Ges 2011; 9: 1-575 Traish, AM. Post-finasteride syndrome: a surmountable challenge for clinicians. Fertil Steril 2020; 113: 21-50 6 Emer, J. Platelet-Rich Plasma (PRP): Current Applications in Dermatology. Skin Therapy Lett 2019; 24: 1-6 7 Mao G et al.: Platelet-rich plasma for treating androgenic alopecia: a systematic review. Aesthetic Plast Surg 2019; 43: 1326-1336 8 Gressenberger P et al.: Platelet-rich plasma for androgenetic alopecia treatment: a randomized placebo-controlled pilot study. Acta Derm Venereol 2020; 100: adv00247 9 Ayatollahi A et al.: Platelet-rich plasma by single spin process in male pattern androgenetic alopecia: is it an effective treatment? Indian Dermatol Online J 2017; 8: 460-464 10 Puig CJ et al.: double-blind, placebo-controlled pilot study on the use of platelet-rich plasma in women with female androgenetic alopecia. Dermatol Surg 2016; 42: 1243-1247 11 Juhasz MLW et al.: Stratifying clinical response to adjuvant platelet-rich plasma in patients with androgenetic alopecia. Br J Dermatol 2020 Apr 5. [Epub ahead of print] 12 Gentile P et al.: The effect of platelet-rich plasma in hair regrowth: a randomized placebo-controlled trial. Stem Cells Transl Med 2015; 4: 1317-1323
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