
©
Getty Images/iStockphoto
ÖGDV und BVÖD – mehr Trennendes oder mehr Gemeinsames?
Jatros
30
Min. Lesezeit
24.05.2017
Weiterempfehlen
<p class="article-intro">Gesellschaft und Berufsverband – ziehen beide am selben Strang? Brücken zu bauen ist gerade in Zeiten schwieriger gesundheitspolitischer Zeiten ein Muss, und das versuchen o. Univ.-Prof. Dr. Matthias Schmuth, Ordinarius für Dermatologie an der Universitätsklinik Innsbruck und amtierender Präsident der ÖGDV, wie auch sein Kollege MR Dr. Johannes Neuhofer, Bundesfachgruppenobmann und Leiter des jüngst gegründeten Berufsver- bandes, BVDÖ, auf vorbildliche Weise. Wir konnten beide zum Interview gewinnen.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p><strong>Einigkeit und Stärke innerhalb der Dermatologie zu demonstrieren ist ein von Ihnen beiden deklariertes Ziel. Wie wollen Sie diese Herausforderung bewältigen? Welche Geisteshaltung ist dafür erforderlich? Welche konkreten Aktionen sind in nächster Zukunft geplant? Welche Aktivitäten werden Sie mittelfristig setzen?<br /> M. Schmuth:</strong> Die Aufgabe ist es, komplementär zu arbeiten und sich nicht durch Duplikationen von Zielen und Aktivitäten zu verausgaben oder auseinanderdividieren zu lassen – nur gemeinsam können wir stark sein. Die Statuten der ÖGDV und des BVÖD und ihre Interaktionsstrukturen sollten in nächster Zukunft so bearbeitet werden, dass sie diese Komplementarität widerspiegeln. Mittelfristig können wir gemeinsam die Außenwirkung und Fremdwahrnehmung verbessern. Dazu gehören gezielte Medienarbeit und Lobbying in der Gesundheitspolitik.<br /> <strong>J. Neuhofer:</strong> Der neu gegründete BVÖD fokussiert die niedergelassenen Dermatologen, die er hinsichtlich qualitativ hochwertiger Fortbildung und Tarifverhandlungen mit der ÄK bestmöglich vertreten möchte. Das Ziel des Berufsverbandes ist aber darüber hinausgehend die praxisbezogene Fortbildung in Kooperation mit der ÖGDV. Aber auch Stellungnahmen zu aktuell diskutierten Themen wie zum Beispiel Biologika oder neuer Lasertechnologie in der Dermatologie sind notwendig, um die Bevölkerung ungefärbt zu informieren. Wir sind offen für die Kooperation mit allen Playern aus dem Gesundheitsbereich. Die breite Präsentation unseres Faches in derzeit turbulenten gesundheitspolitischen Zeiten ist uns beiden, sowohl als Vertreter von ÖGDV als auch BVÖD, ein wichtiges Anliegen.<br /><br /> <strong>Wie wollen Sie in Ihrer Funktion als Präsident der ÖGDV, und Frau Prof. Ratzinger in ihrer Funktion als Generalsekretärin, die Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Kollegen fördern?<br /> M. Schmuth:</strong> Durch das direkte Gespräch, den Austausch über Probleme und Sorgen, gemeinsame Informationsund Medienarbeit zu den Leistungen der Dermatovenerologen, gezieltes Lobbying und durch die Veranstaltung gemeinsamer, praxisrelevanter und topaktueller Fortbildungsveranstaltungen. Neu ist die Rubrik auf der ÖGDV-Homepage, die von niedergelassenen Kollegen befüllt werden kann. Besonders wichtig ist die Nachwuchsarbeit. Das von Prof. Norbert Sepp etablierte und von Prof. Michael Binder weiterentwickelte Residents- Forum ist auf die praktischen Bedürfnisse der auszubildenden Assistenzärzte zugeschnitten.<br /><br /> <strong>Gibt es Beispiele aus dem Ausland, wo die Koexistenz zwischen Gesellschaft und Berufsverband reibungslos funktioniert?<br /> J. Neuhofer:</strong> Ja, in Deutschland funktioniert die Zusammenarbeit zwischen den 3500 niedergelassenen Dermatologen, vertreten durch den Berufsverband Deutscher Dermatologen (BVDD), mit der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) seit 60 Jahren sehr gut. Ich bin in regem Kontakt und Austausch mit den deutschen Kollegen, insbesondere mit Dr. Klaus Strömer, dem eben wiedergewählten Präsidenten des BVDD. Mein Ziel war es von Anfang an, bei uns etwaige Startschwierigkeiten zu vermeiden, indem wir uns andere Konzepte anschauen, Gutes annehmen und Pitfalls vermeiden. Durch veränderte gesundheitspolitische Rahmenbedingungen müssen alle Hautärzte, unabhängig davon ob sie im Krankenhaus oder im niedergelassenen Bereich arbeiten, ihr Profil schärfen und eine gemeinsame Standortbestimmung erarbeiten. In Deutschland haben der Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BVDD) und die Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG) gemeinsam aktuelle Leitgedanken erarbeitet, die eine klare Position des Faches und all seiner Facetten darstellen. Ein gestärktes Selbstbewusstsein aller Dermatologen in Zeiten wie diesen ist sicher von Vorteil.<br /><br /> <strong>Sind gemeinsame Tagungen oder Fortbildungen geplant oder sind diese in weiter Ferne?<br /> M. Schmuth:</strong> Die OEADF-Tagung im Sommer und die ÖGDV-Jahrestagung im Winter sind Beispiele für gemeinsame Tagungen. Der Bundesfachgruppenobmann (derzeit in Personalunion mit dem Leiter des Berufsverbandes) sitzt in den verantwortlichen Gremien für die Gestaltung beider Tagungen und natürlich sind die niedergelassenen Dermatologen aktiv in der Gestaltung von Fortbildungen seitens der Arbeitsgemeinschaften und Arbeitsgruppen der ÖGDV.<br /> <strong>J. Neuhofer:</strong> Aktuell ist gerade in Deutschland die DDG an den BVDD herangetreten (und nicht umgekehrt), um einen gemeinsamen Kongress zu erarbeiten, den sie „Dermatologie kompakt“ betiteln. Das ist schon ein starkes Signal der gegenseitigen wertschätzenden Verbundenheit. Für mich ist der BVÖD nur ein zweites Standbein eines gemeinsamen Körpers unseres breiten Fachgebietes und ich wünsche und erhoffe mir in Österreich Vergleichbares.<br /><br /> <strong>Öffentlichkeitsarbeit ist wichtig. Andere Fachgruppen wie z.B. Neurologen und Unfallchirurgen haben schon vor Jahren verstärkt an der Außenwirkung und Fremdwahrnehmung des Faches gearbeitet, um sich besser zu positionieren. Welche Pläne haben Sie?<br /> M. Schmuth:</strong> Dr. Neuhofer und ich sind dabei, eine Broschüre zu entwickeln, in der die Dermatologie sich mit ihren Leistungen und Angeboten darstellt, um die Fremdwahrnehmung der Dermatologie und Venerologie in anderen Fachgebieten der Medizin zu verbessern. Außerdem arbeiten wir an verschiedenen Medienkonzepten, durch die das Bild unseres Faches in der Bevölkerung verbessert werden soll.<br /> <strong>J. Neuhofer:</strong> Auch hier können wir von anderen Fachgruppen lernen. Die Orthopäden veranstalten regelmäßig Qualitätszirkel unter den Niedergelassenen; Rundbriefe zu aktuellen Themen, eine Servicestelle oder eine aktuell gehaltene Homepage sind nur einige Dinge, die wir andenken. Natürlich brauchen wir auch die Unterstützung vonseiten der Medien, durch Kolumnen oder die Veröffentlichung von Artikeln zu bestimmten standespolitischen Themen oder auch durch Pressekonferenzen, um die Außenwahrnehmung zu stärken.<br /><br /> <strong>Warum gab es kritische Stimmen bei der Gründung eines Berufsverbandes der Dermatologen? Hat sich die Situation beruhigt?<br /> M. Schmuth:</strong> Zunächst einmal war die Idee der Gründung eines Berufsverbandes nicht neu. Vor dem Hintergrund, dass es einen solchen in Deutschland schon seit vielen Jahren gibt, wurde immer wieder darüber diskutiert, ob die österreichische Dermatologie ebenfalls davon profitieren würde. Hierzu waren die Meinungen geteilt und bislang hat sich immer das Argument durchgesetzt, dass der zusätzliche Nutzen angesichts der Gefahr einer Fragmentierung begrenzt ist. Nun haben sich aber die Zeiten geändert und aus meiner Sicht ist ein Berufsverband angebracht, wenn er inhaltlich greift und strukturell gut geplant ist.<br /> Natürlich muss man darauf achten, was kritische Stimmen sagen. Darauf zielt ja Ihre Frage ab. Eine Abwägung kritischer Argumente hilft, die Schlagkraft eines Vorhabens zu fokussieren und zu stärken. Zu den Kritikpunkten gehörte, dass der Vergleich mit Deutschland hinkt, weil wir in Österreich einfach weniger Akteure haben und die Energien für solche Vorhaben enden wollend sind. Zu den Vorschlägen gehörte, dass der Berufsverband nicht nur die Interessen der niedergelassenen Kassenärzte, sondern auch jene der Wahlärzte und angestellten Dermatologen vertritt.<br /> <strong>J. Neuhofer:</strong> Veränderung ist zwar das einzig Beständige im Leben, aber sie sorgt immer für Unruhe, auch wenn dies nicht begründet ist. Es liegt in unserer Natur, dass wir primär mit Unsicherheit und Angst vor dem unbekannten Neuen reagieren. Ich bin davon überzeugt, dass die wenigen kritischen bzw. ablehnenden Stimmen bald verhallen werden, denn das, was wir vorhaben, ist sinnvoll. 80 % der Dermatologen sind niedergelassene mit oder ohne Kassenvertrag, viele davon fühlen sich vernachlässigt. Vor 25 Jahren meinte noch ein großer, inzwischen emeritierter österreichischer Dermatologe, dass niedergelassene Dermatologen Ärzte zweiter Klasse wären. Kränkungen wie diese haben immer schon Trennendes bewirkt, nämlich in unserem Fall die Trennung der wissenschaftlich orientierten von den praktizierenden Dermatologen. Mir ist es ein großes Anliegen, eine breite Brücke zu bauen als Basis für eine beständige dermatologische Familie.<br /><br /> <strong>Wie wollen Sie die Awareness für das „kleine“ Fach Dermatologie bei den gesundheitspolitischen Entscheidungsträgern stärken?<br /> M. Schmuth:</strong> Es geht einerseits um den direkten Kontakt und das Gespräch mit den Entscheidungsträgern und natürlich um öffentlichkeitswirksame Aktionen: Als Beispiele möchte ich „Sonne ohne Reue“ oder den „Tag der seltenen Erkrankungen“ nennen. Für 2018 wird ein „Tag der Haut“ angedacht. Andererseits müssen wir valide Daten vorlegen können. Wir befinden uns in der Planung eines Projektes, in dem Outcome-Daten für dermatologische Krankheitsbilder systematisch gesammelt werden.<br /> Hierdurch bekommen wir Argumente in die Hand, mit denen wir fundiert und für die Gesundheitspolitik nachvollziehbar aufzeigen, wie gesundheitsökonomisch relevant die kompetente Behandlung von Dermatosen ist.<br /> <strong>J. Neuhofer:</strong> Bei der breiten fachlichen Kompetenz und dem enormen Aufschwung, den unser Fach in den letzten Jahren genommen hat, halte ich die Bezeichnung „klein“ für ein Relikt aus vergangenen Tage und halte die Bezeichnung „breites Fach“ für treffender. Neben weiten Kreisen der Bevölkerung haben uns auch die politischen Entscheidungsträger längst registriert. Aber ständiger Kontakt mit den Gesundheitslandesräten, den Landeshauptleuten und den Vertretern der Kassen ist unbedingt erforderlich. Dafür ist großes Engagement unserer Kollegenschaft, insbesondere der federführenden Professoren und der LFGO, notwendig.<br /><br /> <strong>Danke für das Interview!</strong></p></p>
Das könnte Sie auch interessieren:
Narbenbehandlung ohne Devices
Für die Behandlung von Narben hat sich der Einsatz moderner Lasertechnologien als effektiv erwiesen. Doch wie kann man den Betroffenen helfen, wenn kein ablativer fraktionierter CO2- ...
Update atopisches Ekzem
In den vergangenen Jahren haben sich das Verständnis des atopischen Ekzems (AE) sowie die therapeutischen Möglichkeiten deutlich weiterentwickelt. Und der Weg ist noch nicht zu Ende ...
Coaching für Ärzt:innen: Klarheit finden, an Stärke gewinnenEinblicke in den Coachingprozess
Die Anforderungen an Ärztinnen und Ärzte in Kliniken und Praxen sind enorm. Neben fachlichem Können werden täglich auch persönliche Ressourcen wie Resilienz und Entscheidungsstärke ...