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Neue Möglichkeiten der computergestützten Diagnose in der Dermatologie

<p class="article-intro">Die computergestützte Diagnostik hat auch in der Dermatologie bereits Einzug gehalten. Derzeit sind die Einsatzmöglichkeiten noch begrenzt, doch die Entwicklung schreitet rasch voran. In Zukunft sollen computergestützte Verfahren den Dermatologen vermehrt unterstützen und ihm die Arbeit erleichtern. Einen Einblick in die derzeitige Forschung gibt Prof. Harald Kittler von der Universitätsklinik für Dermatologie, Wien.</p> <hr /> <p class="article-content"><p><strong>In welchen Bereichen der Dermatologie wird eine computergest&uuml;tzte Diagnostik sinnvollerweise eingesetzt?</strong></p> <p><strong>H. Kittler:</strong> Die computergest&uuml;tzte Diagnostik kann prinzipiell in allen Bereichen eingesetzt werden, in denen Bildmaterial zur Verf&uuml;gung steht. Da die Dermatologie ein visuelles Fach ist, arbeiten wir mit unterschiedlichen bildgebenden Verfahren. Das einfachste ist die Auflichtmikroskopie. Moderne biophysikalische Methoden sind unter anderem die konfokale Lasermikroskopie, die eine hochaufl&ouml;sende Darstellung der Epidermis erm&ouml;glicht, und die optische Koh&auml;renztomografie, die prim&auml;r zur Diagnostik epithelialer Tumoren eingesetzt wird.</p> <p><strong>K&ouml;nnten Sie die konfokale Lasermikroskopie und die optische Koh&auml;renztomografie etwas n&auml;her erl&auml;utern?</strong></p> <p><strong>H. Kittler:</strong> Die konfokale Lasermikroskopie oder KLM ist bereits seit den 1990er-Jahren etabliert. Sie liefert eine hochaufl&ouml;sende, nicht invasive Darstellung der Epidermis und oberen Dermis mit einer Aufl&ouml;sung auf Zellebene. Sie wird vor allem dann eingesetzt, wenn die Auflichtmikroskopie keine sichere Diagnose liefern kann. Bei der KLM wird ein Laserstrahl auf eine Ebene der Zielstruktur fokussiert und Schritt f&uuml;r Schritt das ganze Untersuchungsgebiet abgetastet. Dadurch, dass die verschiedenen Gewebebestandteile das Laserlicht unterschiedlich stark reflektieren, entsteht der Kontrast in den Bildern. Keratin und Melanin erscheinen dabei besonders hell.<br /> Bei der optischen Koh&auml;renztomografie, kurz OCT, handelt es sich ebenfalls um ein Konfokalverfahren, bei dem Licht mit geringer Koh&auml;renzl&auml;nge und ein Interferometer zur Entfernungsmessung in streuenden Materialien eingesetzt werden. Die OCT hat eine Eindringtiefe von etwa einem Millimeter, eine Aufl&ouml;sung nahezu im zellul&auml;ren Bereich und kann sowohl horizontale wie auch vertikale Schnitte liefern. Die Methode eignet sich besonders f&uuml;r die Diagnose von epithelialen Proliferationen wie Basaliomen und aktinischen Keratosen. Die OCT zeigt sehr gut die Grenzen zwischen diesen pathologischen Ver&auml;nderungen und normaler Haut und erleichtert daher die Randkontrolle.</p> <p><strong>Und solche Aufnahmen k&ouml;nnen computergest&uuml;tzt ausgewertet werden?</strong></p> <p><strong>H. Kittler:</strong> In der Praxis beschr&auml;nkt sich der Einsatz computergest&uuml;tzter Verfahren derzeit auf die Diagnose pigmentierter Hautver&auml;nderungen anhand von klinischen Fotos oder auflichtmikroskopischen Bildern, beispielsweise die Unterscheidung eines Melanoms von einem N&auml;vus. Ein anderer Bereich, in dem die Methoden in naher Zukunft angewandt werden k&ouml;nnen, ist die Dermatopathologie.<br /> Wir befinden uns in einer Zeit des Umbruchs, wo zunehmend computergest&uuml;tzte Analysen angeboten werden. Man kann sogar schon eine App aus dem Internet herunterladen, die automatisch die Muttermale analysiert. Wie aussagekr&auml;ftig dies ist, sei dahingestellt. Wichtig ist, dass die Verfahren bisher noch nicht so ausgereift sind, dass sie ohne Einschr&auml;nkungen in der Routinediagnostik eingesetzt werden k&ouml;nnen.</p> <p><strong>Es ist also nach wie vor die Expertise des Dermatologen gefragt.</strong></p> <p><strong>H. Kittler:</strong> Ja, das wird auch noch sehr lange so bleiben. Wir m&uuml;ssen uns davon freimachen, die technische Entwicklung als Rivalit&auml;t zwischen Mensch und Maschine anzusehen. Der Alltag ist doch, dass Maschinen uns unterst&uuml;tzen &ndash; und so wird es bei der computergest&uuml;tzten Diagnostik ebenfalls sein. Das gilt &uuml;brigens nicht nur in der Dermatologie, sondern auch in anderen medizinischen Disziplinen. Es gibt T&auml;tigkeiten, die f&uuml;r den Menschen eint&ouml;nig und langweilig sind, zum Beispiel das Vergleichen von Bildern, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten aufgenommen wurden. Oft kommt es dabei nach einiger Zeit zu Fehlern. Maschinen k&ouml;nnen diese Aufgabe viel effizienter ausf&uuml;hren, und vor allem mit konstanten Ergebnissen.</p> <p><strong>Welche Verfahren werden dazu angewandt? K&ouml;nnen Sie diese kurz beschreiben?</strong></p> <p><strong>H. Kittler:</strong> Fr&uuml;her musste man mittels aufwendiger Bildanalysen den erkrankten Teil vom gesunden Hintergrund trennen. Heutzutage nutzen wir Verfahren des &bdquo;deep learning&ldquo; und &bdquo;transfer learning&ldquo;, die diesen Schritt der Analyse entbehrlich machen. Die Grundlage, die dies erst m&ouml;glich macht, ist &bdquo;big data&ldquo;, also das Sammeln Tausender Daten und Bilder mitunter aus nicht medizinischen Bereichen. Diese Bilder nutzen die Netzwerke, um zu lernen, wie man einfache geometrische Strukturen erkennt und unterscheidet. Diese allgemein trainierten Netzwerke werden dann f&uuml;r spezifische Fragen wie die Melanomdiagnose umtrainiert &ndash; daher &bdquo;transfer learning&ldquo;. Was diese Algorithmen dann genau &bdquo;sehen&ldquo;, ist f&uuml;r Menschen nicht vollst&auml;ndig nachvollziehbar.</p> <p><strong>Wie korrekt sind die Diagnosen des Computers und wie korrelieren sie mit dem, was der Arzt sieht?</strong></p> <p><strong>H. Kittler:</strong> Die computergest&uuml;tzten Diagnosen sind schon auf Expertenniveau, allerdings nur unter Laborbedingungen, wo alles optimal eingestellt ist. Zur praktischen Nutzung in der Klinik gibt es noch keine guten Studien. Derzeit sind die Ergebnisse in der Praxis noch etwas schlechter als im Labor. Man darf allerdings auch nicht davon ausgehen, dass die in der Medizin eingesetzten Systeme eine &bdquo;superhumane Intelligenz&ldquo; haben, also besser sind als der Mensch. Das ist nicht vergleichbar mit Computern, die etwa die besten Schachspieler schlagen. In der Medizin wird es f&uuml;r komplexe Entscheidungen in naher Zukunft keine Computer geben, die besser sind als der Arzt. F&uuml;r einfache visuelle Aufgaben jedoch, die f&uuml;r Menschen erm&uuml;dend sind, wird es sicher bald in vielen Bereichen eine Computerunterst&uuml;tzung geben.</p> <p><strong>Was sind zusammengefasst die besonderen Vorteile einer computergest&uuml;tzten Diagnostik?</strong></p> <p><strong>H. Kittler:</strong> Computersysteme k&ouml;nnen gro&szlig;e Datenmengen in kurzer Zeit analysieren, ohne m&uuml;de zu werden. Ihre Leistung l&auml;sst nicht nach, sie haben keine Vorurteile und sind niemals abgelenkt oder schlecht gelaunt. In dieser Hinsicht sind sie effizienter als Menschen. Sie sind aber nicht empathisch und k&ouml;nnen menschliche Sorgen, Hoffnungen und &Auml;ngste nicht verstehen, aber genau das spielt bei medizinischen Entscheidungen oft eine gro&szlig;e Rolle. Empathie kann vielleicht eines Tages von Computern simuliert werden, wird aber niemals authentisch sein.</p> <p><strong>Wo sto&szlig;en die Verfahren an ihre Grenzen und sind nicht mehr sinnvoll?</strong></p> <p><strong>H. Kittler:</strong> Die endg&uuml;ltige Diagnose muss immer der Arzt stellen. Dazu sind die Computersysteme nicht in der Lage. Au&szlig;erdem k&ouml;nnen sie sehr kleine L&auml;sionen, beispielsweise sehr fr&uuml;he Ver&auml;nderungen beim Melanom, nicht erkennen. Das kann allerdings auch kein Arzt. Diese Grenze wird es immer geben, die kann auch der ausgefeilteste Algorithmus nicht &uuml;berwinden.</p> <p><strong>Wie sehen Sie die weitere Entwicklung der Verfahren und ihrer Einsatzm&ouml;glichkeiten?</strong></p> <p><strong>H. Kittler:</strong> Durch die Verarbeitung immer gr&ouml;&szlig;erer Datenmengen (&bdquo;big data&ldquo;) werden nat&uuml;rlich auch die Algorithmen immer besser. Daraus werden sich in Zukunft neue Einsatzm&ouml;glichkeiten der Systeme in der Klinik ergeben, an die wir jetzt noch gar nicht denken. Derzeit haben wir computergest&uuml;tzte Verfahren zur Verf&uuml;gung, wissen aber noch nicht, in welcher Form sie am sinnvollsten angewandt werden k&ouml;nnen. Zuvor m&uuml;ssen wir noch zahlreiche Fragen beantworten, zum Beispiel, was der Output der Systeme sein soll oder wer die Daten interpretiert, die sie liefern. Die Algorithmen sind schon einsatzbereit, aber der Kontext, in dem sie eingesetzt werden sollen, fehlt noch.</p> <p><strong>Sie haben zur nicht invasiven multimodalen optischen Koh&auml;renz und fotoakustischen Tomografie geforscht. K&ouml;nnen Sie erkl&auml;ren, wie dieses Verfahren eingesetzt wird?</strong></p> <p><strong>H. Kittler:</strong> Das ist eines der vielen bildgebenden Verfahren, die wir in der Dermatologie anwenden. Es ist multimodal, weil es zwei Methoden kombiniert: Die schon beschriebene OCT ist der eine Teil. Diese kann man auch wie einen Doppler-Ultraschall, der sich bewegende Korpuskeln nachweist, anwenden, um Blutgef&auml;&szlig;e in der Haut zu untersuchen. Das Problem ist, dass der vaskul&auml;re Plexus der Haut tiefer reicht als einen Millimeter. Hier kommt die fotoakustische Tomografie, kurz PAT, ins Spiel. Bei der PAT werden durch sehr schnelle Laserpulse Schallwellen im Gewebe erzeugt, die wie beim Ultraschall die Darstellung verschiedener Strukturen erm&ouml;glichen. Die PAT hat zwar eine schlechtere Aufl&ouml;sung als die OCT, daf&uuml;r aber eine gr&ouml;&szlig;ere Eindringtiefe. Deshalb k&ouml;nnen auch die Gef&auml;&szlig;e in den tieferen Hautschichten untersucht werden. Der Vorteil des multimodalen Verfahrens ist, dass man den gesamten Gef&auml;&szlig;plexus von den Kapillaren in den dermalen Papillen bis zu den Gef&auml;&szlig;en in der tiefen retikul&auml;ren Dermis und im Fettgewebe darstellen kann. Derzeit erforschen wir noch in Zusammenarbeit mit dem Zentrum f&uuml;r Medizinische Physik und Biomedizinische Technik an der MUW, was die beste Einsatzm&ouml;glichkeit f&uuml;r diese Methode ist. Die Forschung l&auml;uft, aber bis es zu einem Einsatz in der Klinik kommt, wird es &ndash; wie bei allen Innovationen &ndash; sicher noch einige Jahre dauern.</p> <p><strong>Herr Professor Kittler, vielen Dank f&uuml;r das Gespr&auml;ch!</strong></p></p>
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