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Management von entzündlichen Dermatosen im Kindesalter
Leading Opinions
Autor:
Dr. med. Valérie Hauser
FMH für Dermatologie und Venerologie<br> Hautarztpraxis Hauser AG, Rorschach<br> Konsiliarärztin für pädiatrische Dermatologie<br> Kantonsspital St. Gallen<br> E-Mail: info@hautarztpraxis-hauser.ch
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29.08.2019
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<p class="article-intro">Täglich werden wir pädiatrisch, dermatologisch tätigen Ärztinnen und Ärzte mit entzündlichen Dermatosen im Kindesalter konfrontiert. Unter den Top-Ten-Diagnosen ist natürlich die atopische Dermatitis der Spitzenreiter. Dieser Artikel widmet sich der Behandlung häufig gesehener Dermatosen im Kindesalter, der atopischen Dermatitis sowie der Psoriasis und deren möglichen Differenzialdiagnosen.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die Behandlung des atopischen Ekzems im Kindesalter ist eine zeitintensive Herausforderung für Eltern und betreuende Ärzte</li> <li>Biologika haben auch in der Behandlung der atopischen Dermatitis Einzug gehalten</li> <li>Die Psoriasis im Kindesalter ist analog zum Erwachsenenalter gut therapierbar</li> </ul> </div> <h2>Spitzenreiter atopisches Ekzem und dessen Behandlung</h2> <p>Das atopische Ekzem (auch atopische Dermatitis genannt) (Abb. 1) ist die häufigste chronisch-entzündliche Hauterkrankung des Kindesalters. Sie manifestiert sich in 60–80 % der Fälle bereits im 1. Lebensjahr. Die ersten Hauterscheinungen treten in der Regel ab dem 3. Lebensmonat auf.<br /> Der Schweregrad der atopischen Dermatitis variiert in der Praxis von mild ausgeprägten Befunden bis zur Erythrodermie. Die Hautbarrierestörung kann primär genetisch determiniert sein oder sekundär, z. B. aufgrund der dermalen Entzündung. Barrieredefekt, Immunstörungen und Mikrobiomalteration sind pathogenetisch relevant, sie können sich gegenseitig beeinflussen und verstärken. Diese Barrierestörung lässt sich mittels Wasserverlustmessungen quantifizieren: Je höher der transepidermale Wasserverlust, desto schwerer verläuft die atopische Dermatitis. Der transepidermale Wasserverlust ist zudem ein früher Risikomarker für die Entstehung einer atopischen Dermatitis und von Nahrungsmittelallergien.<sup>1</sup><br /> Bis zur dermatologischen Erstvorstellung haben die meisten (Klein-)Kinder schon Therapieversuche hinter sich. Wir planen in der Regel bei schweren Verläufen eine Konsultationszeit von bis zu 45 Minuten ein, um die Eltern ausführlich über die Pathogenese und Therapie zu informieren.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Derma_1902_Weblinks_lo_derma_1902_s18_abb1_hauser.jpg" alt="" width="350" height="378" /></p> <p><strong><strong>Therapieempfehlungen bei atopischer Dermatitis<br /> </strong></strong>Säuglinge können gut mit der Basistherapie und topischen Kortikosteroiden der Klasse II–III oder ab 2 Jahren mit Pimecrolimus (Calcineurininhibitor) therapiert werden. Die Basistherapie unterstützt die Wiederherstellung der Barrierefunktion. Rückfettende Externa sind nicht nur Dichtemittel, sondern greifen auch tief in die Barrierefunktion ein. Nebst den altbewährten topischen Kortikosteroiden und Calcineurininhibitoren sind neue Topika, z. B. Crisaborol, ein erster Vertreter der topischen PDE-4-Inhibitoren (Phosphodiesterasehemmer), in Amerika zugelassen. Im Moment ist Crisaborol noch nicht auf dem europäischen Markt verfügbar, in den USA ist der Behandlungspreis jedoch um ein Vielfaches höher als bei topischen Steroiden (bei vergleichbarer Wirksamkeit).<br /> Bei Überforderung oder Dekompensation der Familie wird eine stationäre Behandlung am Kinderspital angeboten. Der Einbezug der Kinderspitex hat sich schon in manchen Fällen als hilfreich erwiesen, u. a. wenn die Eltern aufgrund der Sprachbarriere die Behandlung nicht korrekt verstehen und umsetzen können.<br /> Im Adoleszentenalter kann nebst der Basistherapie und der topischen antientzündlichen Behandlung eine Lichttherapie mit UVBnb in Erwägung gezogen werden.<br /> Ältere Kinder werden zunehmend therapiemüde und mögen sich nicht mehr täglich eincremen. Dies ist sicherlich der Zeitpunkt, um bei mittelschwerer bis schwerer atopischer Dermatitis eine Systemtherapie zu evaluieren. Bis vor kurzer Zeit waren die einzigen therapeutischen Optionen in label Ciclosporin oder off label Methotrexat und Azathioprin. Seit Kurzem ist der Interleukin(IL)-4-Antikörper Dupilumab für die Therapie der atopischen Dermatitis bei Erwachsenen zugelassen. Dupilumab blockiert den IL-4-Rezeptor und verhindert dadurch die Weitergabe der Entzündungssignale von IL-4 und IL-13. Entscheidend ist, dass die Epithelien IL-4-Rezeptoren tragen, weshalb die Blockierung sehr zielgerichtet ist. Diese Hemmung der überschiessenden IL-4-Aktivität bei der atopischen Dermatitis führt zu einer Normalisierung der hauteigenen «Antibiotika», der Cathelicidine. Diese wiederum schützen vermehrt gegen Staphylokokkus aureus, das wichtigste Bakterium beim atopischen Ekzem. Es ist bestens bekannt, dass auf der Haut von Patienten mit atopischer Dermatitis eine Überbesiedelung mit Staphylokokkus aureus besteht, welche wiederum eine Verstärkung der Ekzeme hervorrufen.<br /> In der Schweiz wurden bisher ca. 200 Patienten mit Dupilumab behandelt. Die Therapie wird gut vertragen. Viel wichtiger als die Ekzemreduktion ist den Patienten aber die Linderung des Juckreizes, die häufig sehr rasch unter Dupilumab eintreten kann.<br /> Die häufigste Nebenwirkung von Dupilumab ist eine sterile Konjunktivitis, welche mit befeuchtenden Augentropfen behandelt werden kann. Der Einsatz von topischen Kortikosteroid-Augentropfen sollte mit dem Ophthalmologen abgesprochen werden. Weitere therapeutische Optionen sind der Einsatz von Cyclosporin- haltigen Augentropfen.<br /> Zahlreiche weitere Biologika, u. a. zum Beispiel sogenannte JAK-Inhibitoren, sind aktuell zur Therapie der schweren atopischen Dermatitis in der Entwicklungspipeline verschiedener Pharmaunternehmen.</p> <h2>Psoriasis vulgaris, guttata et pustulosa im Kindesalter</h2> <p>Eine weitere in der Kindersprechstunde vielfach gesehene Dermatose ist analog zum Erwachsenalter die Psoriasis vulgaris und Psoriasis guttata.<br /> Die Psoriasis guttata ist durch erythematöse, tropfenförmige, teilweise schuppende Plaques gekennzeichnet.<br /> Als Auslöser wird häufig ein Infekt der oberen Luftwege oder ein (perianaler) Infekt durch β-hämolysierende Streptokokken postuliert.<br /> In der Regel kann die Psoriasis guttata erfahrungsgemäss gut mit topischen Kortikosteroiden und ab 6 Jahren in Kombination mit einer Lichttherapie mit UVBnb behandelt werden. Treten gehäuft streptokokkenassoziierte Tonsillitiden in Kombination mit Psoriasis-guttata- Schüben auf, wurde früher sehr rasch eine Tonsillektomie empfohlen. Heute wird die Tonsillektomie diesbezüglich kontrovers diskutiert, es existieren heterogene Studienergebnisse bezüglich des Nutzens einer Tonsillektomie bei Psoriasis guttata.<br /> Die Psoriasis vulgaris (Abb. 2) im Kindesalter macht 4 % aller kindlichen Dermatosen aus.<br /> Die klinische Präsentation der Psoriasis ist sehr heterogen, die kindlichen Formen gleichen im Allgemeinen denjenigen im Erwachsenalter.<br /> Die Pathogenese der Psoriasis vulgaris ist multifaktoriell, es gibt aber eine klare familiäre Vererbungskomponente, ein Schlüsselgen ist vermutlich CARD14.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Derma_1902_Weblinks_lo_derma_1902_s18_abb2_hauser.jpg" alt="" width="650" height="340" /></p> <p><strong>Therapiemöglichkeiten bei Psoriasis im Kindesalter</strong><br /> Die Psoriasis vulgaris ist im Kindesalter häufig gut mit topischen Steroiden und Phototherapie kontrollierbar. Salicylhaltige Externa sollten im Kindesalter sparsam eingesetzt werden, da diese vor allem im Säuglings-/Kleinkindesalter bei einer grossflächigen Anwendung systemische Intoxikationen hervorrufen können.<br /> Bei ungenügender Kontrolle der Plaquepsoriasis können bei moderater und schwerer Psoriasis Niedrigdosis-Methotrexat subkutan oder per os Ciclosporin oder Acitretin eingesetzt werden. Wir bevorzugen in der Regel Methotrexat. Neuere Erkenntnisse zeigen, dass die Gabe von 1 mg Folsäure an 6 Tagen pro Woche, ausser am Injektionstag, zu weniger gastrointestinalen Nebenwirkungen führt als die wöchentlich einmalige Einnahme von 5 mg- Folattabletten. Auch die Einnahme von 40 g schwarzer Schokolade 1 Stunde vor Methotrexatgabe führt in 68 % zu einem Rückgang der gastrointestinalen Beschwerden.<br /> Bei fehlendem Ansprechen der Methotrexattherapie kann bei mittelschwerer bis schwerer Psoriasis im Kindesalter auf ein Biologikum zurückgegriffen werden. Im Kindesalter ist Adalimumab und Etanercept ab 6 Jahren und Ustekinumab ab 12 Jahren in der Schweiz zugelassen. Im Rahmen der Behandlung mit Ustekinumab kommt es nach Woche 12 in 80,6 % der Fälle zu einem PASI 75. Das Nebenwirkungsprofil ist analog zum Erwachsenenalter. Die häufigste Nebenwirkung ist eine Lokalreaktion an der Injektionsstelle. Leider liegen zur Behandlung von Kindern mit Biologicals nur wenig klinische Studien vor, weshalb standardisierte Guidelines noch erarbeitet werden müssen.<br /> Die Therapie der seltenen pustulösen Psoriasis erfolgt analog zur Psoriasis vulgaris mit topischen Kortikosteroiden. Eine Systemtherapie kann bei therapieresistenter Psoriasis pustulosa, häufigen Rezidiven oder systemischer Entzündung erwogen werden. Die Systemtherapie ist häufig weniger effektiv als bei der Behandlung der Psoriasis vulgaris. 50 % der Patienten benötigen mehr als eine Therapie. Als First- Line-Therapie können Retinoide oder Methotrexat eingesetzt werden, als Second Line kann auf einen TNF-α-Blocker zurückgegriffen werden. Für eine schnelle Intervention ist Infliximab die bevorzugte Wahl. Bei Kindern kommt es häufiger zu einer spontanen Abheilung und Remission im Gegensatz zum Erwachsenenalter.<sup>2</sup></p> <p><strong>Differenzialdiagnose Pityriasis rubra pilaris</strong><br /> Eine wichtige, aber seltene Differenzialdiagnose zur Plaquepsoriasis stellt die Pityriasis rubra pilaris vom lokalisierten juvenilen Typ IV dar (Abb. 3). Die Pityriasis rubra pilaris (PRP) ist eine idiopathische, papulo-squamöse entzündliche Dermatose, gekennzeichnet durch hyperkeratotische, follikuläre Papeln, die sich zu orange- roten schuppigen Plaques formieren.<br /> Analog zur Psoriasis findet sich eine aktivierende CARD14-Mutation, vor allem beim Typ V der PRP.<br /> Bei der juvenilen lokalisierten Form tritt in 30 % der Fälle eine Spontanremission auf. Die Behandlung der PRP ist frustran und basiert hauptsächlich auf «case-reports ». Bisher wurden vor allem orale Retinoide und Methotrexat eingesetzt. Zunehmend werden auch Biologika wie z. B. Adalimumab, Ustekinumab und Anti-IL-17-Antikörper angewendet.</p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Maeve Kelleher et al.: J Allergy Clin Immunol 2015; 135 (4), 930-5 <strong>2</strong> Skrabi-Baumgarnter et al.: Pedi Derm 2015; 32: e13 <strong>3</strong> Saikaly SK, Mattes M: Cureus 2016; 8(6): e652</p>
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