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Komplikationen in der Dermatochirurgie
Jatros
Autor:
Priv.-Doz. Mag. DDr. Klaus Eisendle, MBA
Direktor Lehrabteilung für Dermatologie, Venerologie und Allergologie<br>Präsident Fachhochschule für Gesundheitsberufe<br>Claudiana, Bozen<br>E-Mail: Klauseisendle@hotmail.com
30
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24.05.2017
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<p class="article-intro">In den letzten Jahrzehnten hat die Dermatochirurgie große Fortschritte gemacht und ein enormes Wachstum und eine bedeutende Evolution durchlaufen.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Dermatologen entfernen die meisten Hauttumoren, auch im Gesichtsbereich. Dies ist für die Patienten von Vorteil, da Dermatologen im Vergleich zu anderen Disziplinen signifikant häufiger die korrekte Diagnose stellen und signifikant häufiger angemessene Therapiemaßnahmen einleiten. Zusätzlich werden durch die konsequente präoperative Verwendung des Dermatoskops Hauttumoren auch häufiger komplett in sano (R0) reseziert.</p> <h2>Planung ist alles</h2> <p>Wo gearbeitet wird, können jedoch auch Fehler und Komplikationen auftreten, diese lassen sich nicht immer vermeiden, wohl aber durch konsequente Planung und eine gute Ausbildung minimieren. Von Vorteil ist es, wenn der Chirurg den Patienten selbst kennt und aufklärt, falls dies nicht möglich ist, sollten am besten am Vortag die geplanten Eingriffe, die möglichen Verschlussoptionen und die zu erwartenden Komplikationen durchdacht werden. Präoperativ können Fehler auftreten, wie z.B. eine falsche Prozedur, falsche Lokalisation oder ein Eingriff am falschen Patienten – diese Fehlerquellen lassen sich durch Checklisten und präoperative Fotodokumentation minimieren und sind in der Dermatochirurgie, wo die Läsionen sichtbar sind und die Patienten meist wach und ansprechbar, selten.<br /> Komplikationen sind unerwünschte Ereignisse, die entweder für den Dermatochirurgen oder für den Patienten unerwartet auftreten. Komplikationen können präoperativ, während der OP, kurz nach der OP oder später in der Vernarbungsphase auftreten. Kurz vor der OP kann es zu allergischen oder vasovagalen Reaktionen auf die Lokalanästhesie kommen. Intraoperative Komplikationen sind die Wundkontamination, Blutung, Gewebs-, Gefäß- oder Nervenverletzung, zu hohe Spannung der Wundränder, Nekrosen und inadäquat ausgeführte Lappenplastiken. Postoperative Komplikationen sind die aktive Blutung aus der Wunde oder die subkutane Hämatombildung, was wiederum leichter zu Folgekomplikationen wie Infektion, Nekrose, Wunddehiszenz und unästhetischer bis inakzeptabler Vernarbung führen kann. Auch allergische Reaktionen auf Verbandsmaterial, meist Kontaktekzeme, sind möglich (Abb. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Derma_1702_Weblinks_s12_abb1.jpg" alt="" width="1417" height="1052" /></p> <h2>Anamnese und Patientenaufklärung sind essenziell</h2> <p>Wie überall ist die Prävention besser als eine nachträgliche Therapie, weshalb Komplikationen antizipiert und aktiv verhindert werden sollten. Hierzu gehören die genaue Medikamentenanamnese inklusive Allergien und die konsequente Aufklärung des Patienten über mögliche negative Folgen des Eingriffs, Handlungsanweisungen und Nachkontrollen. Unnötige Antikoagulation sollte abgesetzt, notwendige aber belassen werden. Die negativen Folgen eines Schlaganfalls oder Herzinfarkts wiegen deutlich schwerer als eine meist leicht zu beherrschende Blutung aus einer Hautwunde.<br /> Eine Umstellung von Vitamin-K-Antagonisten auf niedermolekulare Heparine sollte unterlassen werden, da nach eigener Erfahrung darunter deutlich mehr und schlecht zu beherrschende Blutungskomplikationen auftreten. Falls eine orale Antikoagulation vorliegt, ist die Kontrolle der INR notwendig und eine INR von 2–2,5 wünschenswert. Bis zu einer INR von 3,5 werden an unserer Abteilung aber dermatologische Eingriffe durchaus durchgeführt, dann ist aber auf eine noch sorgfältigere Blutstillung und guten schichtweisen Wundverschluss zu achten. Rauchen sollte zwei Wochen vorher und bis zur Nahtentfernung vermieden werden; in Studien konnte gezeigt werden, dass sowohl die Wundinfektionsraten als auch die Nekroseraten bei Rauchern signifikant erhöht sind. Ebenso ist es hilfreich, den Blutzucker bei Diabetikern einzustellen und falls notwendig eine antibiotische Prophylaxe zu verabreichen (Abb. 2).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Derma_1702_Weblinks_s12_abb2.jpg" alt="" width="2150" height="1805" /><br /><br /> Bei komplexen Eingriffen sollte man den Patienten auch seine Privatnummer geben und anschließend erreichbar sein. Die Früherkennung einer Komplikation mit korrektem sofortigem Management kann sowohl für den Patienten als auch für den Chirurgen desaströse Verläufe verhindern.</p> <h2>Gebote der dermatologischen Tumorchirurgie</h2> <p>Ebenso ist es hilfreich, folgende Gebote der dermatologischen Tumorchirurgie zu befolgen:</p> <ol> <li>1. Wichtigstes Gebot: Der Tumor muss falls möglich vollständig entfernt werden. Die schönste Lappenplastik und unauffälligste Narbe ist nutzlos, wenn noch Resttumor im Gewebe bleibt.</li> <li>2. Zweimal nachdenken, einmal schneiden. Was für ein Defekt liegt vor? Es gibt oft mehrere verschiedene Verschlussmöglichkeiten. Jeder Defekt ist anders und jeder Patient hat seine Eigenheiten, dies muss bei der Planung des Eingriffes berücksichtigt werden.</li> <li>3. KISS – „Keep it simple surgeon“. Die einfachste Prozedur ist meist die beste und hilft die Komplikationsrate zu senken.</li> <li>4. Verschiebungen der Körperöffnungen im Gesicht („free margins“: Mund, Augen, Nasenflügel) wie Ektropium, Elabium oder Nasenflügeldeformierungen sollen nach Möglichkeit vermieden werden, da diese meist kosmetisch inakzeptabel sind und auch zu funktionellen Einschränkungen führen können.</li> <li>5. Die Kontur sollte erhalten oder wiederhergestellt werden. Deshalb sollte genau überlegt werden, wo die ideale Spenderstelle der Haut für den Defektverschluss liegt. Die Frage lautet: Woher kann Haut geholt werden und wo werden die Ausgleichsdreiecke versteckt?</li> <li>6. Schlussendlich sollen Schnitte so geplant werden, dass Narben wenn möglich zwischen kosmetischen Einheiten oder in Falten verborgen werden.</li> </ol> <h2>Häufige Komplikationen und deren Vermeidung</h2> <p><strong>Blutungen</strong><br /> Die Beherrschung der Anatomie ist Voraussetzung für eine operative Tätigkeit. Eine Medikamentenanamnese mit Absetzen unnötiger Antikoagulation ist notwendig und ein zu hoher Blutdruck sollte eingestellt werden. Ein Druckverband ist hilfreich, die Wunde soll vor dem Verschluss sorgfältig koaguliert werden (Diathermie) und größere Gefäße ligiert. Auch intraoperativ muss auf eine konsequente Blutstillung geachtet werden, postoperativ ist die Einlage eines Drains bei größeren Wunden oder Lappenplastiken hilfreich, ebenso die Verwendung von blutstillenden Wundauflagen oder Gelen. Serome können durch schichtweisen Wundverschluss verhindert werden. Große Hämatome sollten ausgeräumt werden, um Wundinfektionen, Nekrosen oder Wunddehiszenzen zu verhindern.<br /> <strong>Wunddehiszenz und Nekrose (Abb. 3)</strong><br /> Diese treten oft als Folge einer Hämatombildung oder Wundinfektion auf und können durch gute Lappenplanung, ausreichende Unterminierung der Wundränder und angemessene Gewebeverschiebung minimiert werden. Zusätzlich sollte die körperliche Aktivität durch den Patienten eingeschränkt werden, ebenso das Rauchen. Steristrips können empfohlen werden. Falls eine Dehiszenz auftritt, kann sie innerhalb von 24 Stunden wieder zugenäht werden, ansonsten sollte die Wunde von selbst zugranulieren. Nekrosen ohne Hinweis auf Infektion sollten nicht aggressiv entfernt werden, da v.a. bei Vollhauttransplantaten tiefere Anteile der Haut noch vital sein können und auch avitale Haut als Wundauflage funktioniert (z.B. Xenografts).<br /><br /> <strong>Nervenverletzung</strong><br /> Wieder ist es zentral, die Anatomie zu kennen und bei Risikolokalisationen und Risikotumoren den Patienten vor dem Eingriff genau über das Risiko oder die Notwendigkeit (bei Tumorinfiltration) einer Nervenverletzung aufzuklären. Weiß der Patient vorher Bescheid, wird es als erwartete Komplikation wahrgenommen, kommt es unerwartet, kann dies leicht als Fehler interpretiert werden.<br /> Im Gesichtsbereich gibt es drei Gefahrenzonen, die zu beachten sind: jene des Nervus mandibularis im lateralen Kinnbereich, jene des N. temporalis im Schläfenbereich und jene des N. accessorius (N. XI) im seitlichen Halsbereich. Glücklicherweise kann die häufigste Nervenverletzung, jene der Pars temporalis des N. facialis, chirurgisch oder durch Botulinumtoxin korrigiert werden. Es ist immer von Vorteil, wenn der Operateur selbst die Komplikation managen kann.<br /><br /> <strong>Wundinfektion</strong><br /> Die sorgfältige perioperative Desinfektion, eine gute Operationstechnik ohne Wundkontamination, sorgfältige Wundversorgung, antibiotische Prophylaxe falls indiziert und Vorsicht bei Kontakt mit nasaler Mukosa (Staphylokokkenreservoir) vermindern die Inzidenz von Infektionen.<br /><br /> <strong>Unästhetische Narben</strong><br /> Die Vermeidung von Komplikationen und ein frühzeitiges Management derselben kann die unästhetische Narbenbildung verhindern. Die meisten Narben verbessern sich mit der Zeit, die Gewebsmodellierung kann bis zu einem Jahr dauern. Korrektes Fadenmaterial und eine gute Nahttechnik vermindern das Risiko für unästhetische Narben. Eine Dermabrasion wird am besten 4–8 Wochen nach dem Eingriff durchgeführt, Korrektureingriffe frühestens 6 Monate nach dem Ersteingriff, besser erst nach einem Jahr. Durch die Vernarbung kann es zu Hyperpigmentierungen kommen. Ausreichende Unterminierung kann Polsterbildungen (Abb. 4) verhindern, eine Verpflanzung von haartragenden Arealen auf haarlose Stellen kann kosmetisch desaströs sein. Unvorhergesehene Komplikationen wie das postoperative Auftreten eines Pyoderma gangraenosum lassen sich nicht verhindern und sind v.a. im Brustbereich kosmetisch schwer zu korrigieren.<br /><br /> Schwere Komplikationen sind in der Dermatochirurgie glücklicherweise selten. Viele Probleme können durch konsequente präoperative Evaluation, gutes operatives Handwerk und sorgfältige Nachkontrollen vermieden werden. Gute Kommunikation mit dem Patienten ist unbezahlbar: Die Patienten müssen über die zu erwartenden Risiken aufgeklärt werden, müssen wissen, was sie nach der Operation erwartet, wie sich Komplikationen manifestieren und wohin sie sich bei Zweifel oder bei Auftreten von Komplikationen wenden können. Eine ehrliche Kommunikation über Wiederherstellungsmöglichkeiten ist essenziell und die zu erwartende Narbenbildung soll den Patienten vorher bekannt sein, um Streitverfahren zu vermeiden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Derma_1702_Weblinks_s12_abb3_4.jpg" alt="" width="685" height="1436" /></p> <h2>Conclusio</h2> <p>Zuletzt sollte nach erfolgreicher Tumorentfernung unser Ziel nicht einfach darin bestehen, ein Loch zu füllen, sondern in der Wiederherstellung von Anatomie, Funktion und möglichst unauffälligen Narben.</p></p>