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Komplikationen in der Dermatochirurgie

<p class="article-intro">In den letzten Jahrzehnten hat die Dermatochirurgie große Fortschritte gemacht und ein enormes Wachstum und eine bedeutende Evolution durchlaufen.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Dermatologen entfernen die meisten Hauttumoren, auch im Gesichtsbereich. Dies ist f&uuml;r die Patienten von Vorteil, da Dermatologen im Vergleich zu anderen Disziplinen signifikant h&auml;ufiger die korrekte Diagnose stellen und signifikant h&auml;ufiger angemessene Therapiema&szlig;nahmen einleiten. Zus&auml;tzlich werden durch die konsequente pr&auml;operative Verwendung des Dermatoskops Hauttumoren auch h&auml;ufiger komplett in sano (R0) reseziert.</p> <h2>Planung ist alles</h2> <p>Wo gearbeitet wird, k&ouml;nnen jedoch auch Fehler und Komplikationen auftreten, diese lassen sich nicht immer vermeiden, wohl aber durch konsequente Planung und eine gute Ausbildung minimieren. Von Vorteil ist es, wenn der Chirurg den Patienten selbst kennt und aufkl&auml;rt, falls dies nicht m&ouml;glich ist, sollten am besten am Vortag die geplanten Eingriffe, die m&ouml;glichen Verschlussoptionen und die zu erwartenden Komplikationen durchdacht werden. Pr&auml;operativ k&ouml;nnen Fehler auftreten, wie z.B. eine falsche Prozedur, falsche Lokalisation oder ein Eingriff am falschen Patienten &ndash; diese Fehlerquellen lassen sich durch Checklisten und pr&auml;operative Fotodokumentation minimieren und sind in der Dermatochirurgie, wo die L&auml;sionen sichtbar sind und die Patienten meist wach und ansprechbar, selten.<br /> Komplikationen sind unerw&uuml;nschte Ereignisse, die entweder f&uuml;r den Dermatochirurgen oder f&uuml;r den Patienten unerwartet auftreten. Komplikationen k&ouml;nnen pr&auml;operativ, w&auml;hrend der OP, kurz nach der OP oder sp&auml;ter in der Vernarbungsphase auftreten. Kurz vor der OP kann es zu allergischen oder vasovagalen Reaktionen auf die Lokalan&auml;sthesie kommen. Intraoperative Komplikationen sind die Wundkontamination, Blutung, Gewebs-, Gef&auml;&szlig;- oder Nervenverletzung, zu hohe Spannung der Wundr&auml;nder, Nekrosen und inad&auml;quat ausgef&uuml;hrte Lappenplastiken. Postoperative Komplikationen sind die aktive Blutung aus der Wunde oder die subkutane H&auml;matombildung, was wiederum leichter zu Folgekomplikationen wie Infektion, Nekrose, Wunddehiszenz und un&auml;sthetischer bis inakzeptabler Vernarbung f&uuml;hren kann. Auch allergische Reaktionen auf Verbandsmaterial, meist Kontaktekzeme, sind m&ouml;glich (Abb. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Derma_1702_Weblinks_s12_abb1.jpg" alt="" width="1417" height="1052" /></p> <h2>Anamnese und Patientenaufkl&auml;rung sind essenziell</h2> <p>Wie &uuml;berall ist die Pr&auml;vention besser als eine nachtr&auml;gliche Therapie, weshalb Komplikationen antizipiert und aktiv verhindert werden sollten. Hierzu geh&ouml;ren die genaue Medikamentenanamnese inklusive Allergien und die konsequente Aufkl&auml;rung des Patienten &uuml;ber m&ouml;gliche negative Folgen des Eingriffs, Handlungsanweisungen und Nachkontrollen. Unn&ouml;tige Antikoagulation sollte abgesetzt, notwendige aber belassen werden. Die negativen Folgen eines Schlaganfalls oder Herzinfarkts wiegen deutlich schwerer als eine meist leicht zu beherrschende Blutung aus einer Hautwunde.<br /> Eine Umstellung von Vitamin-K-Antagonisten auf niedermolekulare Heparine sollte unterlassen werden, da nach eigener Erfahrung darunter deutlich mehr und schlecht zu beherrschende Blutungskomplikationen auftreten. Falls eine orale Antikoagulation vorliegt, ist die Kontrolle der INR notwendig und eine INR von 2&ndash;2,5 w&uuml;nschenswert. Bis zu einer INR von 3,5 werden an unserer Abteilung aber dermatologische Eingriffe durchaus durchgef&uuml;hrt, dann ist aber auf eine noch sorgf&auml;ltigere Blutstillung und guten schichtweisen Wundverschluss zu achten. Rauchen sollte zwei Wochen vorher und bis zur Nahtentfernung vermieden werden; in Studien konnte gezeigt werden, dass sowohl die Wundinfektionsraten als auch die Nekroseraten bei Rauchern signifikant erh&ouml;ht sind. Ebenso ist es hilfreich, den Blutzucker bei Diabetikern einzustellen und falls notwendig eine antibiotische Prophylaxe zu verabreichen (Abb. 2).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Derma_1702_Weblinks_s12_abb2.jpg" alt="" width="2150" height="1805" /><br /><br /> Bei komplexen Eingriffen sollte man den Patienten auch seine Privatnummer geben und anschlie&szlig;end erreichbar sein. Die Fr&uuml;herkennung einer Komplikation mit korrektem sofortigem Management kann sowohl f&uuml;r den Patienten als auch f&uuml;r den Chirurgen desastr&ouml;se Verl&auml;ufe verhindern.</p> <h2>Gebote der dermatologischen Tumorchirurgie</h2> <p>Ebenso ist es hilfreich, folgende Gebote der dermatologischen Tumorchirurgie zu befolgen:</p> <ol> <li>1. Wichtigstes Gebot: Der Tumor muss falls m&ouml;glich vollst&auml;ndig entfernt werden. Die sch&ouml;nste Lappenplastik und unauff&auml;lligste Narbe ist nutzlos, wenn noch Resttumor im Gewebe bleibt.</li> <li>2. Zweimal nachdenken, einmal schneiden. Was f&uuml;r ein Defekt liegt vor? Es gibt oft mehrere verschiedene Verschlussm&ouml;glichkeiten. Jeder Defekt ist anders und jeder Patient hat seine Eigenheiten, dies muss bei der Planung des Eingriffes ber&uuml;cksichtigt werden.</li> <li>3. KISS &ndash; &bdquo;Keep it simple surgeon&ldquo;. Die einfachste Prozedur ist meist die beste und hilft die Komplikationsrate zu senken.</li> <li>4. Verschiebungen der K&ouml;rper&ouml;ffnungen im Gesicht (&bdquo;free margins&ldquo;: Mund, Augen, Nasenfl&uuml;gel) wie Ektropium, Elabium oder Nasenfl&uuml;geldeformierungen sollen nach M&ouml;glichkeit vermieden werden, da diese meist kosmetisch inakzeptabel sind und auch zu funktionellen Einschr&auml;nkungen f&uuml;hren k&ouml;nnen.</li> <li>5. Die Kontur sollte erhalten oder wiederhergestellt werden. Deshalb sollte genau &uuml;berlegt werden, wo die ideale Spenderstelle der Haut f&uuml;r den Defektverschluss liegt. Die Frage lautet: Woher kann Haut geholt werden und wo werden die Ausgleichsdreiecke versteckt?</li> <li>6. Schlussendlich sollen Schnitte so geplant werden, dass Narben wenn m&ouml;glich zwischen kosmetischen Einheiten oder in Falten verborgen werden.</li> </ol> <h2>H&auml;ufige Komplikationen und deren Vermeidung</h2> <p><strong>Blutungen</strong><br /> Die Beherrschung der Anatomie ist Voraussetzung f&uuml;r eine operative T&auml;tigkeit. Eine Medikamentenanamnese mit Absetzen unn&ouml;tiger Antikoagulation ist notwendig und ein zu hoher Blutdruck sollte eingestellt werden. Ein Druckverband ist hilfreich, die Wunde soll vor dem Verschluss sorgf&auml;ltig koaguliert werden (Diathermie) und gr&ouml;&szlig;ere Gef&auml;&szlig;e ligiert. Auch intraoperativ muss auf eine konsequente Blutstillung geachtet werden, postoperativ ist die Einlage eines Drains bei gr&ouml;&szlig;eren Wunden oder Lappenplastiken hilfreich, ebenso die Verwendung von blutstillenden Wundauflagen oder Gelen. Serome k&ouml;nnen durch schichtweisen Wundverschluss verhindert werden. Gro&szlig;e H&auml;matome sollten ausger&auml;umt werden, um Wundinfektionen, Nekrosen oder Wunddehiszenzen zu verhindern.<br /> <strong>Wunddehiszenz und Nekrose (Abb. 3)</strong><br /> Diese treten oft als Folge einer H&auml;matombildung oder Wundinfektion auf und k&ouml;nnen durch gute Lappenplanung, ausreichende Unterminierung der Wundr&auml;nder und angemessene Gewebeverschiebung minimiert werden. Zus&auml;tzlich sollte die k&ouml;rperliche Aktivit&auml;t durch den Patienten eingeschr&auml;nkt werden, ebenso das Rauchen. Steristrips k&ouml;nnen empfohlen werden. Falls eine Dehiszenz auftritt, kann sie innerhalb von 24 Stunden wieder zugen&auml;ht werden, ansonsten sollte die Wunde von selbst zugranulieren. Nekrosen ohne Hinweis auf Infektion sollten nicht aggressiv entfernt werden, da v.a. bei Vollhauttransplantaten tiefere Anteile der Haut noch vital sein k&ouml;nnen und auch avitale Haut als Wundauflage funktioniert (z.B. Xenografts).<br /><br /> <strong>Nervenverletzung</strong><br /> Wieder ist es zentral, die Anatomie zu kennen und bei Risikolokalisationen und Risikotumoren den Patienten vor dem Eingriff genau &uuml;ber das Risiko oder die Notwendigkeit (bei Tumorinfiltration) einer Nervenverletzung aufzukl&auml;ren. Wei&szlig; der Patient vorher Bescheid, wird es als erwartete Komplikation wahrgenommen, kommt es unerwartet, kann dies leicht als Fehler interpretiert werden.<br /> Im Gesichtsbereich gibt es drei Gefahrenzonen, die zu beachten sind: jene des Nervus mandibularis im lateralen Kinnbereich, jene des N. temporalis im Schl&auml;fenbereich und jene des N. accessorius (N. XI) im seitlichen Halsbereich. Gl&uuml;cklicherweise kann die h&auml;ufigste Nervenverletzung, jene der Pars temporalis des N. facialis, chirurgisch oder durch Botulinumtoxin korrigiert werden. Es ist immer von Vorteil, wenn der Operateur selbst die Komplikation managen kann.<br /><br /> <strong>Wundinfektion</strong><br /> Die sorgf&auml;ltige perioperative Desinfektion, eine gute Operationstechnik ohne Wundkontamination, sorgf&auml;ltige Wundversorgung, antibiotische Prophylaxe falls indiziert und Vorsicht bei Kontakt mit nasaler Mukosa (Staphylokokkenreservoir) vermindern die Inzidenz von Infektionen.<br /><br /> <strong>Un&auml;sthetische Narben</strong><br /> Die Vermeidung von Komplikationen und ein fr&uuml;hzeitiges Management derselben kann die un&auml;sthetische Narbenbildung verhindern. Die meisten Narben verbessern sich mit der Zeit, die Gewebsmodellierung kann bis zu einem Jahr dauern. Korrektes Fadenmaterial und eine gute Nahttechnik vermindern das Risiko f&uuml;r un&auml;sthetische Narben. Eine Dermabrasion wird am besten 4&ndash;8 Wochen nach dem Eingriff durchgef&uuml;hrt, Korrektureingriffe fr&uuml;hestens 6 Monate nach dem Ersteingriff, besser erst nach einem Jahr. Durch die Vernarbung kann es zu Hyperpigmentierungen kommen. Ausreichende Unterminierung kann Polsterbildungen (Abb. 4) verhindern, eine Verpflanzung von haartragenden Arealen auf haarlose Stellen kann kosmetisch desastr&ouml;s sein. Unvorhergesehene Komplikationen wie das postoperative Auftreten eines Pyoderma gangraenosum lassen sich nicht verhindern und sind v.a. im Brustbereich kosmetisch schwer zu korrigieren.<br /><br /> Schwere Komplikationen sind in der Dermatochirurgie gl&uuml;cklicherweise selten. Viele Probleme k&ouml;nnen durch konsequente pr&auml;operative Evaluation, gutes operatives Handwerk und sorgf&auml;ltige Nachkontrollen vermieden werden. Gute Kommunikation mit dem Patienten ist unbezahlbar: Die Patienten m&uuml;ssen &uuml;ber die zu erwartenden Risiken aufgekl&auml;rt werden, m&uuml;ssen wissen, was sie nach der Operation erwartet, wie sich Komplikationen manifestieren und wohin sie sich bei Zweifel oder bei Auftreten von Komplikationen wenden k&ouml;nnen. Eine ehrliche Kommunikation &uuml;ber Wiederherstellungsm&ouml;glichkeiten ist essenziell und die zu erwartende Narbenbildung soll den Patienten vorher bekannt sein, um Streitverfahren zu vermeiden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Derma_1702_Weblinks_s12_abb3_4.jpg" alt="" width="685" height="1436" /></p> <h2>Conclusio</h2> <p>Zuletzt sollte nach erfolgreicher Tumorentfernung unser Ziel nicht einfach darin bestehen, ein Loch zu f&uuml;llen, sondern in der Wiederherstellung von Anatomie, Funktion und m&ouml;glichst unauff&auml;lligen Narben.</p></p>
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