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Immundermatosen – können wir uns ihre Behandlung noch leisten?
Jatros
30
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24.05.2018
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<p class="article-intro">Patienten mit autoinflammatorischen und klassischen autoimmunologischen Hautkrankheiten sind ein wesentlicher Bestandteil der Patientenklientel des Dermatologen. Wir fragten Univ.-Prof. Dr. Klemens Rappersberger, President elect der ÖGDV, nach seiner Meinung zu blasenbildenden und nicht blasenbildenden Autoimmunerkrankungen.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p> </p> <p><em><strong>Wie gut ist den Dermatologen der Unterschied zwischen blasigen und nicht blasigen Dermatosen bekannt?<br /><br /> K. Rappersberger:</strong></em> Sehr gut, ich glaube, dass nur in ganz besonderen Einzelfällen, z.B. wenn eine blasenbildende Autoimmunerkrankung noch nicht zur Blasenbildung geführt hat, Schwierigkeiten in der Diagnostik bestehen könnten.</p> <p><em><strong>Alle Dermatologen haben die Diagnose und Differenzialdiagnose der blasenbildenden und nicht blasenbildenden Dermatosen gelernt. Wie relevant sind diese Erkrankungen in der Praxis?<br /><br /> K. Rappersberger:</strong></em> Blasenbildende Immundermatosen sind nicht so selten, wir betreuen über 120 Patienten mit bullösem Pemphigoid. Diese Erkrankungen sind daher für die Praxis sehr relevant, und wenn es nur darum gehen sollte, die Patienten zur genauen Diagnose und Einleitung einer Therapie an eine entsprechende Abteilung zuzu­weisen.</p> <p><strong><em>Wie lange dauert es im Schnitt, bis diese Erkrankungen diagnostiziert werden?<br /><br /> K. Rappersberger:</em></strong> Das kann Jahre dauern, wie dies für die Hidradenitis suppurativa beschrieben ist, und kann innerhalb weniger Tage, z.B. beim Pemphigus vulgaris, erfolgen. Es kommt immer darauf an, wie kompetent die behandelnden Dermatologen sind.</p> <p><strong><em>Sind Risikofaktoren bekannt, welche die Ausbildung von Immundermatosen begünstigen?<br /><br /> K. Rappersberger:</em></strong> Da muss der Begriff „Immundermatosen“ zunächst einmal klar definiert werden: Was sind Immundermatosen? Die atopische Dermatitis, die Psoriasis, der Lichen planus, die Pityriasis lichenoides oder die Pityriasis rubra pilaris? Oder schränkt man den Begriff auf „neutrophile Dermatosen“, klassische autoinflammatorische Krankheiten oder überhaupt auf die bullösen Autoimmunerkrankungen oder Erkrankungen aus dem Formenkreis der „Kollagenosen“ ein? Wie man es dreht und wendet: Das sind jene Krankheiten, deren Diagnose und Behandlung unser Fach klinisch so stark machen. Und natürlich bestehen für diese Krankheiten viele verschiedene Risikofaktoren, deren Kenntnis Voraussetzung für eine rasche Diagnose und Therapie ist. Es war und ist mein dermatologisches „Credo“, dass es diese Krankheiten sind, die uns als Kliniker im Spektrum der Humanmedizin auszeichnen, und nicht die Diagnose von Interdigitalmykosen, Analekzem, der Gürtelrose, der Impetigo oder eines Erysipels – das sollte doch der praktische Arzt können.</p> <p><strong><em>Sind das bullöse Pemphigoid, der Pemphigus vulgaris, der subakute Lupus oder die Dermatomyositis in der niedergelassenen Praxis überhaupt behandelbar oder sollte man nicht lieber sofort an ein Zentrum überweisen?<br /><br /> K. Rappersberger:</em></strong> Prinzipiell ja; sinnvoll scheint es mir aber, wenn die exakte, oft schwierige Diagnose über eine entsprechende Abteilung erfolgt, der Niedergelassene mit einem genauen Therapieplan in die Weiterversorgung eingebunden wird und im Behandlungsverlauf eine gute Zusammenarbeit zwischen Niedergelassenen und Spezialabteilung besteht. Ein Miteinander, das die beste Betreuung der Kranken ermöglicht.</p> <p><em><strong>Manche Erkrankungen entwickeln sich langsam über Jahre. Wann ist der richtige Zeitpunkt, um eine Immunfluoreszenz (IF) zu machen? Welches sind alarmierende Warnsymptome, die die Diagnostik weiter vorantreiben?<br /><br /> K. Rappersberger:</strong></em> Wenn der Verdacht auf eine blasenbildende Autoimmunkrankheit, eine leukozytoklastische Vaskulitis (Schönlein-Henoch), einen Lupus erythematodes (LE) etc. besteht, müssen Biopsien für histopathologische und immunpathologische Untersuchungen ganz am Anfang der Diagnose stehen, also sofort eingeleitet werden.</p> <p><strong><em>Beim Pemphigus sind die Patienten schwer krank. Welche Fächer sind noch betroffen? Ist der Hautarzt immer der 1. Ansprechpartner?<br /><br /> K. Rappersberger:</em></strong> Ja, selbstverständlich, ohne Wenn und Aber.</p> <p><strong><em>Denken Sie, dass eine fächerübergreifende Diagnostik und Therapie sinnvoll wären und Fortbildungen ähnlich wie der Kinder-Haut-Tag vermehrt veranstaltet werden sollten?<br /><br /> K. Rappersberger:</em></strong> Natürlich! Neben den Kinderärzten haben auch kluge Internisten, Infektiologen, Hämatologen, (plastische) Chirurgen und v.a. auch Pathologen längst erkannt, dass wir in vielen Fällen nicht nur ganz wichtige Partner in der Betreuung vieler fächerübergreifender Krankheiten sind, sondern darüber hinaus zur Kenntnis genommen, dass wir oft die wichtigsten Ansprechpartner sind bzw. diejenigen, die das größte Wissen um bestimmte Krankheiten haben. Das macht uns ja als Kliniker so stark.</p> <p><strong><em>Kann es sein, dass andere Fachärzte ein und dieselbe Erkrankung, z.B. LE, anders managen würden?<br /><br /> K. Rappersberger:</em></strong> Viele Behandlungen sind heute durch „Guidelines“ recht gut geregelt; nichtsdestoweniger verlaufen die Krankheiten immer wieder unvorhersehbar, sie sind sozusagen etwas „kapriziös“ – und daraus ergeben sich immer wieder unterschiedliche Behandlungsstrategien.</p> <p><em><strong>Sind neue Therapien in Aussicht?<br /><br /> K. Rappersberger:</strong></em> Wir haben in den letzten Jahren durch Biologika und verschiedene (JAK)Kinase-Inhibitoren eine wirkliche Bereicherung unserer Behandlungsmöglichkeiten all dieser Krankheiten erlebt. Einige Präparate sind derzeit noch in Studien, viele davon werden aber mit großer Wahrscheinlichkeit demnächst zugelassen werden.</p> <p><strong><em>Sind die monatlichen (hohen) Therapiekosten ein Thema für den niedergelassenen Dermatologen?<br /><br /> K. Rappersberger:</em></strong> Nein, aber für das Gesundheitsbudget ganz allgemein. Welche Gesellschaft kann sich die Therapie onkologischer Krankheiten, deren Jahreskosten bei über 100 000 Euro liegen, noch leisten? Dabei geht es nicht um das Melanom, das spielt zahlenmäßig keine so große Rolle. Da geht es um fast alle internistischen Malignome, solche vor allem, die viel häufiger sind, wie Lungen-, Prostata-, Darmkarzinome usw.<br />Hier ist die Politik gefordert, den Pharmafirmen und v.a. ihren Lobbyisten bei der FDA und in Brüssel entsprechende Schranken zu setzen, sonst besteht die Gefahr einer echten „Zwei-Klassen-Medizin“ und nur mehr wenige werden sich die entsprechenden Therapien leisten können. Stellen Sie sich doch vor, zu welchen gesellschaftlichen Belastungen eine derartige Entwicklung führen könnte. Das wollen wir alle nicht.<br />Vielen Dank für das Gespräch!</p> <p>Das Interview führte Dr. Christine Dominkus</p></p>
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