© Getty Images/iStockphoto

Immundermatosen – können wir uns ihre Behandlung noch leisten?

<p class="article-intro">Patienten mit autoinflammatorischen und klassischen autoimmunologischen Hautkrankheiten sind ein wesentlicher Bestandteil der Patientenklientel des Dermatologen. Wir fragten Univ.-Prof. Dr. Klemens Rappersberger, President elect der ÖGDV, nach seiner Meinung zu blasenbildenden und nicht blasenbildenden Autoimmunerkrankungen.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>&nbsp;</p> <p><em><strong>Wie gut ist den Dermatologen der Unterschied zwischen blasigen und nicht blasigen Dermatosen bekannt?<br /><br /> K. Rappersberger:</strong></em> Sehr gut, ich glaube, dass nur in ganz besonderen Einzelf&auml;llen, z.B. wenn eine blasenbildende Autoimmunerkrankung noch nicht zur Blasenbildung gef&uuml;hrt hat, Schwierigkeiten in der Diagnostik bestehen k&ouml;nnten.</p> <p><em><strong>Alle Dermatologen haben die Diagnose und Differenzialdiagnose der blasenbildenden und nicht blasenbildenden Dermatosen gelernt. Wie relevant sind diese Erkrankungen in der Praxis?<br /><br /> K. Rappersberger:</strong></em> Blasenbildende Immundermatosen sind nicht so selten, wir betreuen &uuml;ber 120 Patienten mit bull&ouml;sem Pemphigoid. Diese Erkrankungen sind daher f&uuml;r die Praxis sehr relevant, und wenn es nur darum gehen sollte, die Patienten zur genauen Diagnose und Einleitung einer Therapie an eine entsprechende Abteilung zuzu&shy;weisen.</p> <p><strong><em>Wie lange dauert es im Schnitt, bis diese Erkrankungen diagnostiziert werden?<br /><br /> K. Rappersberger:</em></strong> Das kann Jahre dauern, wie dies f&uuml;r die Hidradenitis suppurativa beschrieben ist, und kann innerhalb weniger Tage, z.B. beim Pemphigus vulgaris, erfolgen. Es kommt immer darauf an, wie kompetent die behandelnden Dermatologen sind.</p> <p><strong><em>Sind Risikofaktoren bekannt, welche die Ausbildung von Immundermatosen beg&uuml;nstigen?<br /><br /> K. Rappersberger:</em></strong> Da muss der Begriff &bdquo;Immundermatosen&ldquo; zun&auml;chst einmal klar definiert werden: Was sind Immundermatosen? Die atopische Dermatitis, die Psoriasis, der Lichen planus, die Pityriasis lichenoides oder die Pityriasis rubra pilaris? Oder schr&auml;nkt man den Begriff auf &bdquo;neutrophile Dermatosen&ldquo;, klassische autoinflammatorische Krankheiten oder &uuml;berhaupt auf die bull&ouml;sen Autoimmunerkrankungen oder Erkrankungen aus dem Formenkreis der &bdquo;Kollagenosen&ldquo; ein? Wie man es dreht und wendet: Das sind jene Krankheiten, deren Diagnose und Behandlung unser Fach klinisch so stark machen. Und nat&uuml;rlich bestehen f&uuml;r diese Krankheiten viele verschiedene Risikofaktoren, deren Kenntnis Voraussetzung f&uuml;r eine rasche Diagnose und Therapie ist. Es war und ist mein dermatologisches &bdquo;Credo&ldquo;, dass es diese Krankheiten sind, die uns als Kliniker im Spektrum der Humanmedizin auszeichnen, und nicht die Diagnose von Interdigitalmykosen, Analekzem, der G&uuml;rtelrose, der Impetigo oder eines Erysipels &ndash; das sollte doch der praktische Arzt k&ouml;nnen.</p> <p><strong><em>Sind das bull&ouml;se Pemphigoid, der Pemphigus vulgaris, der subakute Lupus oder die Dermatomyositis in der niedergelassenen Praxis &uuml;berhaupt behandelbar oder sollte man nicht lieber sofort an ein Zentrum &uuml;berweisen?<br /><br /> K. Rappersberger:</em></strong> Prinzipiell ja; sinnvoll scheint es mir aber, wenn die exakte, oft schwierige Diagnose &uuml;ber eine entsprechende Abteilung erfolgt, der Niedergelassene mit einem genauen Therapieplan in die Weiterversorgung eingebunden wird und im Behandlungsverlauf eine gute Zusammenarbeit zwischen Niedergelassenen und Spezialabteilung besteht. Ein Miteinander, das die beste Betreuung der Kranken erm&ouml;glicht.</p> <p><em><strong>Manche Erkrankungen entwickeln sich langsam &uuml;ber Jahre. Wann ist der richtige Zeitpunkt, um eine Immunfluoreszenz (IF) zu machen? Welches sind alarmierende Warnsymptome, die die Diagnostik weiter vorantreiben?<br /><br /> K. Rappersberger:</strong></em> Wenn der Verdacht auf eine blasenbildende Autoimmunkrankheit, eine leukozytoklastische Vaskulitis (Sch&ouml;nlein-Henoch), einen Lupus erythematodes (LE) etc. besteht, m&uuml;ssen Biopsien f&uuml;r histopathologische und immunpathologische Untersuchungen ganz am Anfang der Diagnose stehen, also sofort eingeleitet werden.</p> <p><strong><em>Beim Pemphigus sind die Patienten schwer krank. Welche F&auml;cher sind noch betroffen? Ist der Hautarzt immer der 1. Ansprechpartner?<br /><br /> K. Rappersberger:</em></strong> Ja, selbstverst&auml;ndlich, ohne Wenn und Aber.</p> <p><strong><em>Denken Sie, dass eine f&auml;cher&uuml;bergreifende Diagnostik und Therapie sinnvoll w&auml;ren und Fortbildungen &auml;hnlich wie der Kinder-Haut-Tag vermehrt veranstaltet werden sollten?<br /><br /> K. Rappersberger:</em></strong> Nat&uuml;rlich! Neben den Kinder&auml;rzten haben auch kluge Internisten, Infektiologen, H&auml;matologen, (plastische) Chirurgen und v.a. auch Pathologen l&auml;ngst erkannt, dass wir in vielen F&auml;llen nicht nur ganz wichtige Partner in der Betreuung vieler f&auml;cher&uuml;bergreifender Krankheiten sind, sondern dar&uuml;ber hinaus zur Kenntnis genommen, dass wir oft die wichtigsten Ansprechpartner sind bzw. diejenigen, die das gr&ouml;&szlig;te Wissen um bestimmte Krankheiten haben. Das macht uns ja als Kliniker so stark.</p> <p><strong><em>Kann es sein, dass andere Fach&auml;rzte ein und dieselbe Erkrankung, z.B. LE, anders managen w&uuml;rden?<br /><br /> K. Rappersberger:</em></strong> Viele Behandlungen sind heute durch &bdquo;Guidelines&ldquo; recht gut geregelt; nichtsdestoweniger verlaufen die Krankheiten immer wieder unvorhersehbar, sie sind sozusagen etwas &bdquo;kaprizi&ouml;s&ldquo; &ndash; und daraus ergeben sich immer wieder unterschiedliche Behandlungsstrategien.</p> <p><em><strong>Sind neue Therapien in Aussicht?<br /><br /> K. Rappersberger:</strong></em> Wir haben in den letzten Jahren durch Biologika und verschiedene (JAK)Kinase-Inhibitoren eine wirkliche Bereicherung unserer Behandlungsm&ouml;glichkeiten all dieser Krankheiten erlebt. Einige Pr&auml;parate sind derzeit noch in Studien, viele davon werden aber mit gro&szlig;er Wahrscheinlichkeit demn&auml;chst zugelassen werden.</p> <p><strong><em>Sind die monatlichen (hohen) Therapiekosten&nbsp;ein Thema f&uuml;r den niedergelassenen Dermatologen?<br /><br /> K. Rappersberger:</em></strong> Nein, aber f&uuml;r das Gesundheitsbudget ganz allgemein. Welche Gesellschaft kann sich die Therapie onkologischer Krankheiten, deren Jahreskosten bei &uuml;ber 100 000 Euro liegen, noch leisten? Dabei geht es nicht um das Melanom, das spielt zahlenm&auml;&szlig;ig keine so gro&szlig;e Rolle. Da geht es um fast alle internistischen Malignome, solche vor allem, die viel h&auml;ufiger sind, wie Lungen-, Prostata-, Darmkarzinome usw.<br />Hier ist die Politik gefordert, den Pharmafirmen und v.a. ihren Lobbyisten bei der FDA und in Br&uuml;ssel entsprechende Schranken zu setzen, sonst besteht die Gefahr einer echten &bdquo;Zwei-Klassen-Medizin&ldquo; und nur mehr wenige werden sich die entsprechenden Therapien leisten k&ouml;nnen. Stellen Sie sich doch vor, zu welchen gesellschaftlichen Belastungen eine derartige Entwicklung f&uuml;hren k&ouml;nnte. Das wollen wir alle nicht.<br />Vielen Dank f&uuml;r das Gespr&auml;ch!</p> <p>Das Interview f&uuml;hrte Dr. Christine Dominkus</p></p>
Back to top