© CoffeeAndMilk E+

Highlights vom EADV-Kongress

Bereits zum 30. Mal informierte die European Academy of Dermatology and Venereology (EADV) im Rahmen ihrer Jahrestagung über die aktuellen Entwicklungen auf dem Gebiet der Dermatologie und Venerologie. Einige Highlights haben wir hier für Sie herausgegriffen, weitere spannende Themen finden Sie online in unserem EADV-Newsroom.

Das Mikrobiom der Haut sanieren

Die atopische Dermatitis (AD) ist unter anderem mit einer pathologischen bakteriellen Besiedelung der Haut assoziiert. Damit ergibt sich zumindest theoretisch die Chance auf eine Intervention über das Hautmikrobiom. Erste klinische Studien geben Anlass zur Hoffnung.

Als Mikrobiom bezeichnet man die Summe aller Mikroben in einem bestimmten Umfeld, so Prof. Dr. Richard L. Gallo von der University of California. Das inkludiert neben Bakterien auch Pilze, Viren und Bakteriophagen. Gallo betont, dass es auch auf der Haut ein Mikrobiom gibt und dass im Idealfall ein gesunder Organismus in Harmonie mit einem gesunden und diversen Mikrobiom lebt. Doch das ist keineswegs garantiert. Denn das Mirobiom hat nicht ausschließlich günstige Auswirkungen auf den Wirt. Vielmehr können sich fast alle Mikroben unter bestimmten Umständen auch pathogen verhalten. Dabei sind folgende Interaktionen relevant: Pathogen zu Pathogen, Pathogen zu Kommensale, Pathogen zu Wirt und Kommensale zu Wirt. Von besonderem Interesse für die Mikrobiomforschung sind die Interaktionen zwischen Kommensalen und Wirt, von denen auch der Wirt profitieren kann. Die Dinge werden, so Gallo, dadurch kompliziert, dass die Interaktion organübergreifend ist und beispielsweise das Mikrobiom der Haut auch den Darm beeinflussen kann. In der Dermatologie stelle sich nun die Frage, ob man das Hautmikrobiom so beeinflussen kann, dass es dem – unter Umständen dermatologisch erkrankten – Menschen Vorteile bringt.

Die dermatologische Indikation, in der die Mikrobiomforschung die höchste Relevanz hat, ist die atopische Dermatitis. Seit vielen Jahren habe man Informationen über die Zusammenhänge zwischen dem Mikrobiom und der atopischen Dermatitis gesammelt. So wisse man seit den 1970er-Jahren, dass eine Besiedelung mit Staphylococcus aureus mit schwerer Erkrankung assoziiert ist und S. aureus die Entzündung treibt. In der Folge habe sich gezeigt, dass die Exposition gegenüber unterschiedlichen Mikroben das Erkrankungsrisiko reduziert und dass Dysbiose dem Auftreten der Erkrankung vorausgeht. Gallo: „Studien zeigen auch, dass eine Behandlung mit Dupilumab oder Steroiden bei AD-Patienten zu einer Normalisierung des Hautmikrobioms führt.“

Die aktuelle Forschung hat gezeigt, dass die unphysiologische Besiedelung bei AD nicht nur eine Folge eines Immundefekts auf Seite des Wirts, sondern auch ein ökologisches Problem ist. Bestimmte Stämme von Kommensalen wie Staphylococcus epidermidis and S. hominis produzieren antimikrobielle Peptide (AMPs), die S. aureus selektiv töten.1 Diese Bakterien sind bei AD nur eingeschränkt vorhanden, wobei AD keine Infektionskrankheit ist und Auffälligkeiten der Immunantwort in der Haut sowie eine gestörte Barrierefunktion die pathologische Besiedelung überhaupt erst ermöglichen. Andererseits könnte sehr wohl die Chance bestehen, durch Einbringen bestimmter Bakterien in das Mikrobiom eine Stabilisierung bzw. Regeneration zu erreichen. Dabei müsste man, um zu einer stabilen Besiedelung zu kommen, ein Bakterium wählen, das an die menschliche Haut angepasst ist und daher unter physiologischen Bedingungen dort lebt, so Gallo.

Screening-Studien führten zu einem koagulasenegativen Staphylococcus (S.hominis A9), der eine ausgeprägte Neigung zur Inhibition von S. aureus erkennen ließ. Dieser Organismus wurde mittlerweile in einer Phase-I-Studie an Patienten mit AD untersucht und erwies sich dabei als sicher und gut verträglich. Die Studie war mit einer Laufzeit von 1 Woche nicht auf Wirksamkeit ausgelegt, doch kam es mit Verum im Vergleich zu Vehikel zu weniger Symptomen und unerwünschten Ereignissen in Zusammenhang mit der AD. Die Besiedelung mit S. aureus nahm ab. Die Reduktion der Symptome korrelierte mit der Reduktion der patholgischen Besiedelung.2 Man könne aus diesen Daten zumindest ein Potenzial für die Behandlung der AD durch Beeinflussung des Mikrobioms ableiten, so Gallo.

Psoriasis bei HIV-Infektion

Die Prävalenz von Psoriasis ist unter HIV-infizierten Patienten erhöht. In dieser Population werden auch häufiger schwere und atypische Psoriasismanifestationen beobachtet. Hinsichtlich der Therapie fehlen aktuelle Empfehlungen, topische Therapien sowie die meisten Biologika dürften aber sicher sein.

Patienten mit Psoriasis haben ein erhöhtes Infektionsrisiko. Dieses betrifft, so Federico Bardazzi von der Universität Bologna, einerseits Infektionen der Haut, andererseits aber auch des zentralen Nervensystems und des oberen und unteren Respirationstraktes. Auch postoperative Sepsis ist bei Psoriasispatienten häufiger als in der gesunden Normalbevölkerung. Diese Prädisposition zu Infektionen kann unterschiedliche Gründe haben. Einerseits sind bei Psoriasis zahlreiche Komorbiditäten häufig. Auch ist Psoriasis mit einer Reihe gesundheitlich problematischer Lebensstilfaktoren assoziiert. Vor allem aber führt die Krankheit zu einem anhaltenden inflammatorischen Zustand. Systemische immunsupprimierende Medikamente tragen ebenfalls zum erhöhten Risiko bei. Nicht zuletzt weist Bardazzi auf eine Assoziation von Psoriasis und Psoriasis-Arthritis mit HIV-Infektion hin. Laut Studiendaten liegt die Prävalenz der Psoriasis in der HIV-Population bei annähernd 3%.3

Eine durch HIV eingeschränkte Immunantwort wirkt sich ungünstig auf den Verlauf der Psoriasis aus. Daher solle, so Bardazzi, bei Neuauftreten einer Psoriasis mit atypischer Präsentation sowie bei plötzlichen Veränderungen einer lange Zeit stabilen Psoriasis auch an eine HIV-Infektion gedacht werden. Zwar ist die Plaque-Psoriasis auch bei Patienten mit HIV-Infektion die häufigste Manifestation der Psoriasis, doch kommen seltene Psoriasisformen im HIV-Kontext häufiger vor. Dies gilt für die inverse Psoriasis ebenso wie für die Sebopsoriasis, ein Overlap-Syndrom aus Psoriasis und seborrhoischer Dermatitis. Die seltene rupioide Psoriasis mit geometrischen Plaques an den unteren Extremitäten ist stark HIV-assoziiert. Eine Psoriasis-Arthritis präsentiert sich bei HIV-Infektion als oft besonders aggressiv.

Das Management der Psoriasis bei bestehender HIV-Infektion ist schwierig, weil diese einerseits diverse immunsupprimierende Maßnahmen ausschließt, andererseits dabei aber ungünstig für den Verlauf der Psoriasis ist. Laut Leitlinie besteht die First-Line-Therapie im antiretroviralen Management der HIV-Infektion kombiniert mit topischen Steroiden und Vitamin D für das Management der Hautläsionen. Auch bei moderater Erkrankung soll topischen Therapien der Vorzug gegeben werden. Chemische DMARDs und Biologika sollen schweren, refraktären Fällen vorbehalten bleiben.4

Allerdings haben mittlerweile mehrere Studien gezeigt, dass Viruslast und CD4-Zahl unter Biologika-Therapie stabil bleiben. Empfohlen wird jedoch die Zusammenarbeit mit HIV-Spezialisten und eine engmaschige Kontrolle des CD4-Counts. Methotrexat und Cyclosporin bleiben jedoch in der HIV-Population streng kontraindiziert. Alle anderen in der Psoriasistherapie eingesetzten Medikamente können unter bestimmten Voraussetzungen und Vorsichtsmaßnahmen eingesetzt werden.5 Neue europäische Guidelines mit konkreten Empfehlungen zu den neueren Biologika werden, so Bardazzi, dringend benötigt.

Ist die Haut eine Eintrittspforte für SARS-CoV-2?

Insbesondere in den ersten Monaten der Covid-19-Pandemie wurde regelmäßige Handdesinfektion als Maßnahme zur Prävention von Infektionen propagiert. Das könnte ein Fehler gewesen sein. Denn die Desinfektionsmittel schädigen die Hautbarriere und könnten so eine zusätzliche Eintrittspforte für das Virus schaffen. Rezeptoren für SARS-CoV-2 sind jedenfalls in der Haut vorhanden.

Als häufigster Infektionsweg für SARS-CoV-2 gelten die Schleimhäute des Respirationstraktes. Im Rahmen des Projektes COVIDerm stellte eine französische Gruppe die Frage, ob und wie weit die Haut eine Aufnahme des Erregers in den Körper ermöglichen könnte. Um in Zellen zu gelangen, dockt das Virus mit seinem Spike-Protein an Rezeptoren an der Zelloberfläche an. Der wichtigste dieser Rezeptoren ist der ACE2-Rezeptor. Daneben hat das Virus jedoch noch einige andere Optionen wie zum Beispiel den TMRPSS2(„transmembrane serin protease 2“)-Rezeptor und den NRP1(Neuropilin 1)-Rezeptor. Diese Rezeptoren stehen unter Kontrolle des Androgenrezeptors, so Dr. Hanan Osman-Ponchet vom PKDERM Laboratorium in Antibes. Damit stellt der Androgenrezeptor ein potenzielles Ziel für Covid-Therapien dar.

Osman-Ponchet und ihre Gruppe gingen jedoch zunächst der Frage nach, ob die für SARS-CoV-2 relevanten Rezeptoren in der Haut exprimiert werden und ob die Haut damit zu einer Eintrittspforte für das Virus werden kann. In diesem Zusammenhang stellte sich auch die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Empfehlung einer häufigen Handdesinfektion im Alltag. Diese könne nämlich die Hautbarriere schwächen und damit dem Virus eine Infektion über die Haut erleichtern. Die Expression der Rezeptoren für SARS-CoV-2 wurde in 4 verschiedenen In-vitro-Modellen menschlicher Haut untersucht. Die Messung der Rezeptorexpression erfolgte mittels quantitativer Real-Time-PCR. Dabei zeigte sich, dass alle relevanten Rezeptoren in allen untersuchten Modellen reichlich exprimiert waren. Das Expressionsniveau von ACE2 und TMRPSS2 war in der Haut niedriger als in einem Lungenmodell. Im Gegensatz dazu erwies sich der Androgenrezeptor als stärker in der Haut als in der Lunge exprimiert. Die Expression von NRP1 war in beiden Geweben vergleichbar.

In einem weiteren Schritt wurden die Modelle mit Dexamethason behandelt, wobei sich vergleichbare Effekte auf die Expression von ACE2 und Interleukin 8 in Lunge und Haut ergaben. Dexamethason wurde gewählt, da es in der intensivmedizinischen Betreuung von Patienten mit Covid-19-Erkrankung eingesetzt wird. Osman-Ponchet: „Das zeigt, dass ACE2-Rezeptoren in der Haut nicht nur exprimiert werden, sondern auch moduliert werden können.“ Osman-Ponchet unterstreicht allerdings, dass diese Überlegungen zum aktuellen Zeitpunkt noch spekulativ sind. In einem nächsten Schritt sollen sie in einem in Entwicklung befindlichen Modell barrieregeschädigter Haut überprüft werden.

Wenn defekte Zellen zu Gewebe-Killern werden

Seneszente Zellen sind dysfunktionale Zellen, die ihre Umgebung unter anderem durch die Freisetzung von Zytokinen, Chemokinen und Metalloproteasen schädigen. Physiologisch werden diese Zellen durch das Immunsystem entfernt. Funktioniert diese Reinigung des Gewebes aus Gründen von Alter oder Krankheit nicht mehr, kann es zu ausgedehnten Organschädigungen kommen.

Seneszenz ist eine Antwort von Zellen auf Stress. Dabei darf Seneszenz nicht mit Apoptose verwechselt werden, so Dr. Manuel Serrano vom Institute for Research in Biomedicine (IRB) in Barcelona, denn seneszente Zellen bleiben noch eine gewisse Zeit am Leben, bevor sie vom Immunsystem erkannt und physiologisch entfernt werden. Dies funktioniert jedoch mit zunehmendem Alter sowie bei verschiedenen chronischen Erkrankungen nur noch eingeschränkt. Dabei sind die seneszenten Zellen nicht nur selbst dysfunktional, sondern beeinflussen auch ihre unmittelbare Umgebung ungünstig. Bleiben seneszente Zellen über längere Zeit im Gewebe präsent, so begünstigen sie zahlreiche pathologische Prozesse. Diese Vorgänge können alle Gewebe und Organsysteme betreffen, darunter auch die Haut.

Seneszente Zellen fallen durch verschiedene Marker auf. Insbesondere nimmt das Sekretom dieser Zellen einen charakteristischen Phänotyp an. Man spricht vom „senescence-associated phenotype“ (SAS). Produziert werden unter anderem die Zytokine Interleukin(IL)-6 und IL-1β sowie TGF-β, und zwar in großen Mengen, wie man sie sonst etwa bei aktivierten Makrophagen findet, so Serrano. Das bedeute konkret, dass sich beispielsweise seneszente Fibroblasten ebenso proinflammatorisch verhalten wie Zellen des Immunsystems. Ein typischer Seneszenz-Marker ist die aus den Lysosomen stammende Beta-Galaktosidase.

Permanent gehen Zellen in den Zustand der Seneszenz über. Die Gründe sind einerseits genetische Defekte, zum größten Teil jedoch der Kontakt mit Noxen aus der Umwelt, wie z.B. Bakterien oder Viren. Beim gesunden Menschen funktioniert die Entsorgung seneszenter Zellen ab etwa dem 75. Lebensjahr zunehmend schlechter und ihr Anteil am Gewebe steigt von <1% auf >5%. Serrano: „Das klingt nicht nach viel, bedeutet aber, dass sich fünf Prozent des gesamten Gewebes in einem permanent proinflammatorischen Zustand befinden. Und diese ausgedehnte sterile Infektion kann einen massiven Effekt haben.“

Verschiedene Krankheitsbilder sind mit dem vermehrten Überleben seneszenter Zellen assoziiert. Serrano nennt Morbus Alzheimer und Parkinson, Lungenfibrose, Nierenerkrankungen sowie Lebersteatose und Atherosklerose. Diese degenerativen Erkrankungen aktivieren also ähnliche Mechanismen wie der physiologische Alterungsprozess. Die Zahl der mit zellulärer Seneszenz assoziierten Erkrankungen ist hoch, wobei auch iatrogene Schäden durch zytotoxische Chemotherapie oder Bestrahlung eingerechnet werden müssen.6

Zur primären gesellt sich noch die sekundäre oder parakrine Seneszenz als Schädigung des umliegenden Gewebes durch seneszente Zellen. Als typisches Beispiel nennt Serrano den pathophysiologischen Prozess der Lungenfibrose. Dabei gehen Alveolarzellen aufgrund von Schädigungen durch äußere Noxen in den Zustand der Seneszenz über und geben verschiedene Zytokine, Chemokine, Metalloproteasen etc. an die Umgebung ab. Damit werden auch Fibroblasten in die Seneszenz getrieben, was zu verstärkter Kollagenproduktion führt und den Prozess der Fibrosierung in Gang setzt. Serrano betont, dass eine einzige primäre Noxe ausreicht und sich diese Vorgänge in der Folge selbst perpetuieren. Es handelt sich also um einen chronischen, progredienten Prozess.

Um die fortlaufende Fibrosierung aufzuhalten, werden zwei Strategien der medikamentösen Therapie versucht. Senomorphische Substanzen sollen der Freisetzung von proinflammatorischen und profibrotischen Produkten durch das SAS entgegenwirken. Senolytische Substanzen sollen seneszente Zellen töten, wofür spezifische Angriffspunkte genützt werden, die bei gesunden Zellen nicht vorhanden sind. Mit den Antifibrotika Pirfenidon und Nintedanib sind in der Behandlung der idiopathischen Lungenfibrose bereits zwei senomorphische Substanzen zugelassen. Beide zeigen in der Zellkultur Einfluss auf das SAS seneszenter Zellen, wobei ausschließlich die profibrotischen, nicht jedoch die proinflammatorischen Komponenten reduziert werden. Ähnliche Effekte konnten beispielsweise mit dem Senolytikum Navitoclax erreicht werden, das im Tiermodell eine durch Implantation seneszenter Zellen induzierte Lungenfibrose ähnlich verlangsamte wie Pirfenidon oder Nintendanib. Im Tierversuch ist es sogar gelungen, den Teufelskreis der Fibrosierung zu durchbrechen und die Progredienz der Erkrankung aufzuhalten. Klinische Studien mit senomorphischen oder senolytischen Substanzen laufen aktuell unter anderem in den Indikationen Morbus Parkinson und Covid-induzierter Lungenfibrose.

1 Nakatsuji T et al.: Sci Transl Med 2017; 9(378): eaah4680 2 Nakatsuji T et al.: Nat Med 2021; 27(4): 700-9 3 Lebrun D et al.: Epidemiology of autoimmune and inflammatory diseases in a French nationwide HIV cohort. AIDS 2017; 31(15): 2159-66 4 Nast A et al.: European S3-Guideline on the systemic treatment of psoriasis vulgaris - Update Apremilast and Secukinumab - EDF in cooperation with EADV and IPC. J Eur Acad Dermatol Venereol 2017; 31(12): 1951-63 5 Kaushik SB, Lebwohl MG: Psoriasis: Which therapy for which patient: Focus on special populations and chronic infections. J Am Acad Dermatol 2019; 80(1): 43-53 6 Muñoz-Espín D, Serrano M: Nat Rev Mol Cell Biol 2014; 15(7): 482-96

Back to top